Arbeiter- und Immigrantenmobilisierung zur Verhinderung von Naziaufmärschen!
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mobilisiert für den 1. Mai 1999 nach Bremen zu ihrer “revolutionären Demonstration des gesamten nationalen Widerstandes”. Wie schon letztes Jahr am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erwarten die Nazis 5 000 DemonstrantInnen für ihren Aufmarsch, der vor den Bremer Daimler-Werken um 10:00 Uhr beginnen und durch Stadtteile mit vielen ImmigrantInnen ziehen soll, um dort unter den Losungen “Arbeit zuerst für Deutsche!” und “Schluß mit der imperialistischen NATO-Intervention auf dem Balkan!” ihre chauvinistische Hetze und Schrecken zu verbreiten. Der scheinbare “Anti-Imperialismus” der Nazis richtet sich natürlich nicht gegen den deutschen Imperialismus, sondern deutsch-chauvinistisch gegen die USA, deren Fahne der NPD-Vorsitzende verbrennen will – so wie sich ihr brutaler Haß ausnahmslos gegen alles “Undeutsche” richtet. Wenn diese aggressivsten Vertreter des deutschen Imperialismus auch noch ausgerechnet am internationalen Kampftag der Arbeiterbewegung aufmarschieren können, ist das eine ernste Niederlage für alle ImmigrantInnen, Juden und Jüdinnen, GewerkschafterInnen und Linken.
Der Naziaufmarsch muß verhindert werden!
Nach allen Erfahrungen der letzten Jahre mit NPD-Demonstrationen ist es so gut wie sicher, daß Gerichte und Polizei im Namen der Demonstrationsfreiheit das “Recht” der Nazis auf Völkermordpropaganda durchsetzen werden. Eine breite Mobilisierung in den Gewerkschaften, den Organisationen der Arbeiterbewegung und Linken sowie unter ImmigrantInnen für zentralisierte, offensive Aktionen hätte gute Chancen die Nazis trotz Polizeischutz zu stoppen, ihnen auf ihren Aufmarschplätzen zuvorzukommen und gefährdete Punkte in der Stadt zu schützen.
Verhinderung der Verhinderung
Darüber hinaus wird ein solcher Ansatz von den meisten anti-faschistisch eingestellten Organisationen sabotiert:
Zahlreiche Gruppen der deutschen Linken verhalten sich wieder ignorant, so wie schon letztes Jahr u.a. Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) und Internationale Sozialisten (IS).
Bremer DGB- und DAG-Führung halten ihr traditionelles 1. Mai-Volksfest auf dem vom Naziaufmarsch weit entfernten Marktplatz ab und peppen es zur Gewissensberuhigung um ein “Rock-gegen-Rechts”-Konzert auf. Die von den Jusos dominierte GesamtschülerInnenvertretung will dort für bessere Ausbildungsmöglichkeiten demonstrieren und sich wahrscheinlich dem üblichen Dank der DGB-BürokratInnen an die “Kollegen Polizisten” anschließen, welche währenddessen Faschisten schützen und Anti-FaschistInnen verprügeln.
Betriebsräte, Vertrauensleute und Belegschaftsversammlungen von Daimler-Chrysler, Bremer Stahlwerken und des Krankenhauses Ost rufen zur Kundgebung um 9:00 Uhr vor den Daimler-Toren und drohen der Stadt im Vorfeld mit “schweren Auseinandersetzungen” (Bremer Nachrichten 19.03.1999), sollte sie den Naziaufmarsch nicht wie gefordert verbieten. Es bleibt abzuwarten, wie die kleinen reformistischen Führungen aus Betriebsrat und Vertrauensleutekörper dann am 1. Mai handeln werden, wenn die Nazis wirklich vor die Daimler-Tore gelassen werden. Auch sind keine ernsthaften Mobilisierungsmaßnahmen zur Verhinderung für den Fall erkennbar, daß die Nazidemonstration an einen anderen Ort in Bremen verlegt wird. Vor allem aber lassen die Gewerkschaftsführungen buchstäblich nichts unversucht, um mit bürokratischen Manövern und Spaltungsversuchen zu verhindern, daß aus dieser Kundgebung mehr als eine symbolische Mahnwache wird. Vertrauen darf man weder den großen noch den kleinen reformistischen BürokratInnen!
Eine sogenannte Bündnisdemonstration soll um 9:00 Uhr am Krankenhaus Ost in Bremen Tenever beginnen, mit der erklärten Absicht den Nazis entgegenzutreten. Die Vertreter der grünen Kriegstreiberpartei gegen den angeblichen serbischen Faschisten Milosevic sind aus dem Bündnis ausgetreten, als sie es nicht auf Gewaltlosigkeit gegen deutsche Nazis verpflichten konnten. Außer der Bremer PDS besteht das Bündnis nur aus sog. linksradikalen Gruppen, ist also kein breites antifaschistisches Bündnis. Die PDS selbst mobilisiert bestenfalls lokal gegen einen bundesweiten Faschistenaufmarsch. Ernsthafte Versuche dieses Bündnisses zur Mobilisierung der deutschen und immigrierten ArbeiterInnen in den Bremer Großbetrieben sind nicht erkennbar. Da soll sich wahrscheinlich nach autonomen Verständnis eine andere Abteilung, sprich die Gewerkschaftsbürokratie, drum kümmern oder nicht. In Anbetracht dieser politischen Schwäche wird die Demonstration absehbar die Nazis nicht stoppen können.
Kein Licht, aber am Ende des Tunnels
Insbesondere da die Nazis stärker geworden sind und die Polizei den ungestörten Ablauf ihrer Aufmärsche durchsetzt, sollte allen unvoreingenommenen Anti-FaschistInnen klar sein, daß die bisher vorherrschenden Konzepte nicht mehr funktionieren:
Weder funktioniert ein reformistischer Antifaschismus à la DGB oder VVN, der auf Appelle an die Politik (die Kommunen, das Land) setzt, auf Gerichtsbeschlüsse, Verbote und polizeiliches Vorgehen gegen die Nazis setzt und zumeist am Tag des Naziaufmarsches fernab seinen Protest kundgibt. Immer wieder hat sich gezeigt, daß wenn überhaupt nur das entschlossene und militante Vorgehen von Anti-FaschistInnen die Nazis stoppen und deren Auftritte verhindern kann.
Noch funktioniert das Vorgehen des autonomen Antifaschismus allein mit radikalisierten militanten Jugendlichen (zumal in dezentralen Konzepten) den Faschisten entgegenzutreten, ist immer wieder gescheitert – nicht zuletzt am 1. Mai 1998 in Leipzig (siehe BOLSCHEWIK Nr.11, September 1998). Bei allem antifaschistischen Mut hat eine kleine, politisch und gesellschaftlich isolierte Minderheit keine Chance die Nazis zu stoppen. Zu wenig und zu schwach, um aus einer zentralen Kundgebung viel mehr als einen Polizeikessel zu machen, irren dann oft beim dezentralen Konzept kleine Gruppen isoliert durch die Stadt, werden von der Polizei gejagt, versacken evtl. in vielen Polizeikesseln, liefern sich bestenfalls ein paar kleine Scharmützel mit einzelnen Nazis am Rande, kommen aber an die Masse der Faschisten nicht mal auf einen Steinwurf heran.
Auch eine Verbindung zweier gescheiterter Konzepte kann keinen Sieg bringen. Das bewies Rostock im September 1998: Während das Nazipack in einem anderen Stadtteil seine Rassenhassparolen rief, lauschten Tausende von den ReformistInnen mobilisierte Rostocker BürgerInnen klassischer Musik vor dem sog. Sonnenblumenhaus, einem Immigrantenwohnheim gegen das sich 1992 unter dem Beifall vieler AnwohnerInnen ein tagelanges Pogrom mit Brandanschlägen richtete. Durch das Festival sollte das seitdem ramponierte Image der Stadt Rostock aufpoliert werden, ein Schlag gegen die faschistischen Sozialdemagogen und Aufstachler zum Völkermord war es nicht. Eine Abgrenzung vom demokratischen Staatsrassismus aller etablierten Parteien, der dem Nazi-Pack den Boden bereitet, ermöglichte es auch nicht – es diente im Gegenteil deren Reinwaschung. Gleichzeitig waren die von den Autonomen mobilisierten AntifaschistInnen chancenlos gegen Polizei und Nazis. Letztere konnten sogar AntifaschistInnen durch ihren Ordnerdienst, die Keimzelle einer neuen SS, in die Flucht jagen und ohne direkte Konsequenzen einen Antifaschisten überfahren und lebensgefährlich verletzen. Das war zusammengefaßt eine Demonstration autonomer Ohnmacht gepaart mit reformistischem Verrat von SPD und PDS sowie deren GewerkschaftsführerInnen.
Trotz formaler Gegensätze und organisatorischer Trennung treffen sich sozial-demokratische Passivität und autonome Militanz schließlich immer wieder politisch in einem reformistischen Konsens aus verschiedenen untauglichen Versuchen, den Staat zum Eingreifen zu bewegen, und gemeinsamen Verbotsforderungen:
“Der … DGB … und ein linkes Bündnis … haben … unabhängig voneinander gefordert, eine bundesweite Großdemonstration der rechtsextremen NPD zum 1. Mai in Bremen-Ost zu verbieten”
(FR 16.04.1999).
Auch wenn die falsche anti-faschistische Politik am 1. Mai in Bremen den Sieg wieder den Nazis in die Hände spielen sollte: Es ist noch nicht zu spät, umgehend die Lehren für kommende Kämpfe zu ziehen.
Für einen revolutionären Anti-Faschismus!
Die einzige Chance am 1. Mai besteht darin, die ArbeiterInnen und Immigrantinnen vor den Daimler-Werken zu mobilisieren und mit den anti-faschistischen Linken zur Verhinderung der faschistischen Aktivitäten zusammenzuführen – so sie denn dort in Anbetracht der bürokratischen Sabotage noch stehen. Ein solcher Erfolg an diesem 1. Mai wäre jedoch ein glückliches Zufallsprodukt, denn das Wechselspiel von klassisch-reformistischem und autonomem Antifaschismus verhindert die Vorbereitung solch notwendiger Aktionseinheiten. Revolutionäre Anti-FaschistInnen würden auch die Betriebsräte und Vertrauensleute von Daimler-Chrysler, Bremer Stahlwerken und Krankenhaus Ost offensiv auffordern, daran teilzunehmen und ihre Worte von der Verhinderung des Naziaufmarsches schonungslos praktisch testen, während sie sich gleichzeitig eng mit deren Basis verbinden und sie vor der Gefahr des reformistischen Verrats warnen.
Dieser Ansatz ist alles andere als illusorisch – im Gegenteil man muß schon ein ideologisch verblendeter Feind der Arbeiterbewegung sein oder vor ihren reformistischen IrreführerInnen kapituliert haben, um die Möglichkeiten zu ignorieren. Offensichtlich wollen nennenswerte Teile der Gewerkschaftsbasis keinen Naziaufmarsch. In einem begrenzten, konkreten Bruch mit der DGB-Führung und ihrer traditionellen 1. Mai-Demonstration rufen Betriebsräte, Vertrauensleute und Belegschaftsversammlungen tausender ArbeiterInnen zu einer Kundgebung vor den Daimler-Toren auf, wo die NPD ihren Aufmarsch beginnen will. die Gewerkschaftsleitungen sind alarmiert und setzen ihren ganzen Apparat in Bewegung, um die Kontrolle zu behalten. Für die linksradikalen Antifas stellt diese Kundgebung erklärter maßen nur einen Nottreff für ihr (dezentrales) Konzept dar. Dabei ist es anti-faschistisch überhaupt nicht begründbar, warum die sog. Bündnisdemonstration nicht ebenfalls vor den Daimler-Toren beginnt, um dort mit den KollegInnen den Schulterschluß ebenso zu suchen wie die politische Konfrontation über die Notwendigkeit, die Nazis “hier und heute” überall in Bremen effektiv zu stoppen. Warum wurde nicht mit dem Vorschlag einer gemeinsamen Kundgebung als Ausgangspunkt für die Verhinderung des Naziaufmarsches konsequent versucht, die ArbeiterInnen, Betriebsräte und Vertrauensleute anzusprechen, um den bürokratischen Manövern etwas entgegenzusetzen? Es drückt den politischen Bankrott der Linken aus, nicht schon im Vorfeld wirklich alles versucht zu haben, mit den betreffenden ArbeiterInnen, Betriebsräten und Vertrauensleuten eine zentralisierte Aktionseinheit zur Verhinderung des Naziaufmarsches in ganz Bremen zu bilden.
RevolutionärInnen müssen auf einen Bruch der Arbeiterbasis von den reformistischen Führungen unermüdlich hinarbeiten und konkrete Chancen dafür nutzen. Eine anti-faschistische Einheitsfront ist ein taktisches Mittel, entlang konkreter Aktionen diesen Bruch zu fördern, indem man in ihrem Rahmen die Basis gegen die reformistischen FührerInnen zur Verhinderung faschistischer Auftritte führt. Dies erfordert aber eine revolutionäre Orientierung auf die organisierte Arbeiterbewegung – auf ihre Basis statt auf ihre BürokratInnen; beständig statt nur kurzfristig, wenn’s akut wird.
Autonome Antifa-AktivistInnen müssen sich entscheiden zwischen ihrem Haß auf den Staat und ihrer Abscheu vor der Arbeiterbewegung. Ohne Orientierung auf die Organisationen des Proletariats bleibt den isolierten Autonomen nur die Orientierung auf die Organisation des Kapitals, seinen Staat. Autonome Politik enthüllt sich dementsprechend seit Jahren immer wieder als pseudo-revolutionärer, z.T. militanter aber systemimmanenter und hilfloser Versuch den Staat unter Druck zu setzen und z.B. zum Vorgehen gegen die Nazis zu zwingen – mal durch Appelle und Öffentlichkeitsarbeit (Verbotsforderung, “Wo wart ihr in Rostock?”) mal mit Militanz und “Randale” (um Nazi-Aufmärsche oder Atomtransporte so teuer wie möglich zu machen). Eine eigenständige, davon unabhängige Perspektive kann autonome Politik nicht bieten. Sie ist keine Alternative zum klassischen Reformismus in der Arbeiterbewegung, sie ist bloß reformistische Politik außerhalb der Arbeiterbewegung.
Wir setzen dagegen auf nicht-opportunistische, revolutionäre Arbeit unter allen Unterdrückten, insbesondere in den Gewerkschaften und den Aufbau einer leninistisch-trotzkistischen Arbeiterpartei, die anti-faschistische und anti-rassistische Kämpfe um die Achse des Klassenkampfes bündelt und zum Sturz der kapitalistischen Herrschaft führt.