Nieder mit dem deutschen Militarismus!
„Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gewalt“
Der deutsche Imperialismus rüstet sich für neue Kriege. Der Hintergrund ist die im Aufstieg befindliche multipolare Weltordnung, in der nicht mehr nur westlich-imperialistische Staaten das Sagen haben. Die Imperialisten, Deutschland miteingeschlossen, führen nicht nur Krieg in der Ukraine gegen Russland und in Westasien an der Seite Israels, sondern planen mittelfristig die Konfrontation mit China, das aufgrund seiner rasanten wirtschaftlichen Entwicklung – wesentlich gefördert durch den geplanten Kern seiner Wirtschaft – die westliche Hegemonie herausfordert, die sich seit der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise in Stagnation befindet. Berlins vorrangiges Ziel ist wieder einmal die Unterjochung Russlands. Angesichts der erneuten, gegen die abhängig-kapitalistische Welt gerichtete Aufrüstung ist es notwendig, eine revolutionäre Anti-Kriegsopposition aufzubauen. Die jüngsten geopolitischen Entwicklungen, wie die Erweiterung der BRICS-Staaten, Russlands sich abzeichnender Erfolg in der Ukraine, sowie der Widerstand gegen den zionistischen Genozid an den Palästinensern und die Neuordnung Westasiens, als auch der Aufstieg des deformierten Arbeiterstaates China, sind Ereignisse, die dem deutschen Imperialismus Kopfschmerzen bereiten. Diese außenpolitischen Entwicklungen werden durch den Niedergang der deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt verschärft, die sich seit der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise in Stagnation befindet und mit verschärfter chinesischer Konkurrenz in Kernbranchen wie der Auto- und Maschinenbauindustrie konfrontiert ist. Im Februar kommentierte der britische marxistische Ökonom Michael Roberts:
„Die Wirtschaft ist 2023 und 2024 geschrumpft und wird wohl auch in diesem Jahr in der Rezession verharren. Es handelt sich um die längste Phase wirtschaftlicher Stagnation seit dem Sturz Hitlers im Jahr 1945… Wichtiger für das deutsche Kapital sind aber die steigenden Energiekosten für die Hersteller. Der Wirtschaft ist der Strom ausgegangen. Billige fossile Brennstoffe aus Russland sind im Zuge der Sanktionen und des Bruchs mit Russland wegen des Ukraine-Krieges weggefallen. Sie wurden durch teures Flüssiggas aus Amerika ersetzt, so dass die Stromkosten in die Höhe geschossen sind…. Die Profitabilitätswiederbelebung für das deutsche Kapital durch die Einführung des Euro und die Verlagerung von Industriekapazitäten in den Osten der EU sowie die niedrigen Löhne für einen großen Teil der Arbeiterschaft sind vorbei. Die Profitabilität begann in der Großen Rezession und während der langen Depression der 2010er Jahre zu sinken. Der stärkste Einbruch erfolgte während der Pandemie, und die Rentabilität ist jetzt auf einem historischen Tiefstand. Noch schlimmer ist, dass die Masse der Gewinne ebenfalls zu sinken beginnt, da die steigenden Produktionskosten (Energie, Transport, Komponenten) die Einnahmen aufzehren. Die realen Bruttoinvestitionen (ein Indikator für Investitionen) sind rückläufig. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist auf 2000 gestiegen, den höchsten Stand seit zehn Jahren. Das ist eine Verdoppelung in den letzten drei Jahren auf 4215 Ende 2024.“
– thenextrecession.wordpress.com, 22. Februar 2025 (Übersetzung durch die BT)
Die tatkräftige finanzielle und rüstungstechnische Beteiligung am Stellvertreterkrieg in der Ukraine und die Verhängung anti-russischer Sanktionen führte zu dramatisch erhöhten Energiepreisen, die den Niedergang der Profitrate vieler Industriekonzerne und eine Deindustrialisierungswelle, mit dem Wegfall gutbezahlter Industriearbeitsplätze (und gewerkschaftlicher Organisierung), auslöste. Das deutsche Kapital ist in der Defensive und muss sich im internationalen Konkurrenzkampf um seine Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Diese kann nur durch die verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse zu Hause und in deutschen Auslandsinvestitions-Projekten erhöht werden. Letztere benötigen insbesondere in Zeiten tiefer Spaltungen in der NATO eine schlagkräftige Armee mit eigenständigen Logistikketten, um Investitionen in abhängig-kapitalistischen Ländern weit entfernt von deutschen Grenzen vor potentiellen Eingriffen örtlicher Regierungen – beispielsweise Verstaatlichungen – „schützen“ zu können. Gleichzeitig dient eine gut gerüstete imperialistische Armee auch dazu, neue Märkte durch Bedrohung der jeweiligen Regierungen oder Krieg „öffnen“ zu können, um anschließend als „Gerichtsvollzieher“ bzw. Schuldeneintreiber zu agieren, wie Lenin festhielt. Der letzte Versuch unter der Hakenkreuzfahne hatte versucht, sowohl die semi-kolonialen Länder Ost- und Südosteuropas, den degenerierten Arbeiterstaat der Sowjetunion, als auch imperialistische Konkurrenten wie Frankreich und Britannien niederzuringen, um die dortigen Bevölkerungen in verschärfte Lohnsklaverei zu zwingen. Die Sklavenarbeit in den Produktionsstätten der deutschen Rüstungsindustrie und anderen Produktionsstätten resultierte in Millionen von Toten. Die Tatsache, dass die totale Niederlage nicht zur kompletten Zerstörung der Produktivkräfte führte, gestattete es dem deutschen Kapital, in der Nachkriegsordnung trotz des Widerstands eines großen Teils der Bevölkerung wieder eine Armee aufzubauen, um als bewaffneter Frontstaat gegen die Sowjetunion und die osteuropäischen deformierten Arbeiterstaaten zu agieren.
1991 – Deutschlands Kampagne gegen Russland geht weiter
Nach der kapitalistischen Konterrevolution in den osteuropäischen Ländern drang der deutsche Imperialismus erneut in diese vor – diesmal weniger mit direkten Militäreinsätzen, auch wenn es solche gegen Jugoslawien 1999 gab, sondern primär mittels wirtschaftlicher Durchdringung durch das deutsche Finanzkapital:
„Bereits 1996 konstatierte das Institut für Wirtschaftsforschung Halle eine klare deutsche Dominanz im Export der EU nach Mittel- und Osteuropa; von 1991 bis 2004 stieg der deutsche Außenhandel mit der Region auf beinahe das Dreifache. Auch bei den Investitionen im Osten lagen deutsche Unternehmen vorn; sie stellten dort Ende 2000 rund 18 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen. Russland hingegen fiel dramatisch zurück. War die Sowjetunion bis Ende der 1980er Jahre, wie das Statistische Bundesamt im Rückblick berichtete, ‚regelmäßig mit Abstand der wichtigste Handelspartner‘ etwa Polens gewesen, so lag der Anteil Russlands am polnischen Außenhandel im Jahr 2004 nur noch bei knapp zwei Prozent. Vergleichbare Verluste verzeichnete Moskau in der Mehrzahl aller Länder Ost- und Südosteuropas außerhalb der GUS [Gemeinschaft Unabhängiger Staaten].“
– Jörg Kronauer, Meinst Du, die Russen wollen Krieg?, 2018, S. 67
Dabei machten die deutschen Imperialisten auch vor dem geschwächten und nun abhängig-kapitalistischen Russland nicht halt:
„Mit Blick auf den russischen Absatzmarkt hat sich Bonn in den Jahren um 1990 nach Kräften um günstige Rahmenbedingungen für deutsche Exporte und – das war vorher ja nicht möglich gewesen – für deutsche Investitionen bemüht…. Ab 1990 machte die Bundesregierung zudem erstaunliche Sümmchen locker, um die – wie man sagte – ‚Transformation‘ des russischen Wirtschaftssystems im Sinne deutscher Expansionsinteressen zu unterstützen. Allein von 1990 bis 1993 hat die Bundesrepublik Moskau dazu gut 40 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt – mehr als jedes andere Land: Aus den Vereinigten Staaten kamen im selben Zeitraum gerade einmal 11,8 Milliarden US-Dollar, aus Japan nur 4,6 Milliarden, aus Großbritannien lediglich eine Milliarde. Von 1993 bis 2002 wurden dann im Rahmen des ‚Transform‘-Programms der Bundesregierung rund 300 Projekte in Russland mit weiteren 208 Millionen Euro gefördert. Öffentlich stets als wohltätige Hilfe beim Übergang zum vielgepriesenen Kapitalismus deklariert, war das Geld in Wirklichkeit einfach gut angelegt: Es unterfütterte die wirtschaftliche Anbindung Russlands, und zugleich flossen die Mittel, die Bonn für ‚Transform‘-Beratungsleistungen ausgab, ‚sogar weitgehend nach Deutschland zurück‘, wie die Politikwissenschaftlerin Susann Heinecke konstatiert, ‚weil das Programm ganz überwiegend von deutschen Unternehmen umgesetzt wurde‘. Das Praktische mit dem Profitablen verbinden konnte Bonn auch in puncto Kredite. Die Schulden, die der verblichenen Sowjetunion bei ihren Gläubigern aus dem Pariser Club angehäuft hatte, lagen Ende 1992 bei rund 68 Milliarden US-Dollar und stiegen weiter auf beinahe 100 Milliarden US-Dollar. Weil die Bundesregierung mit einem Anteil von 40 bis 45% der größte Gläubiger war‘, stellte Heinecke fest, ‚spielte sie bei den Verhandlungen [über die Rückzahlung der Darlehen, J. K.] eine bedeutende Rolle‘, hatte also Druckpotenzial gegenüber Moskau in der Hand.“
– Ebenda, S. 56f
2023 erklärte der Bund der Deutschen Industrie, wie profitabel deutsche Auslandsinvestitionen sind:
„Deutsche Unternehmen erschließen mit ihren ausländischen Direktinvestitionen weltweit neue Absatzmärkte…. Umso wichtiger sind Investitionsfreiheit und ein umfassender Rechtsschutz von Auslandsinvestitionen. Deutschland profitiert erheblich von der internationalen wirtschaftlichen Verflechtung. Ausdruck dieser starken Einbindung sind neben den deutschen Exporten auch die Bestände deutscher Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI) im Ausland, die sich seit 2010 auf rund 258 Milliarden Euro mehr als verdoppelt haben. Durch ihr erfolgreiches Engagement im Ausland nutzen die Unternehmen Standortvorteile und sichern so Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit zuhause in Deutschland. Über die mit ihren Auslandsinvestitionen verbundenen Beteiligungen an über 41.000 Unternehmen realisiert die deutsche Wirtschaft einen jährlichen Auslandsumsatz (2021: 3,2 Billionen Euro), der ihre Exporte (2021: 1,3 Billionen Euro) um mehr als das Doppelte übersteigt (Deutsche Bundesbank, Destatis 2023).“
– bdi.eu, 2023
Begleitet waren diese Raubzüge schon zur Jahrtausendwende von erneuten Fantasien einer sogenannten „Dekolonisierung Russlands“ entlang ethnisch-völkischer Linien, d. h., einer Balkanisierung des russischen Territoriums in kleinere Staaten unter Kontrolle westlicher Imperialisten. So schrieb etwa Karl Habsburg 2000 in der konservativen Welt in Anlehnung an den gleichen Gedanken des US-Strategen Zbigniew Brzezinski:
„Aufgabe der europäischen Politik muss es sein, Russland – das als einziges Land diese Dekolonialisierung noch nicht hinter sich gebracht hat – bei diesem Schritt zu unterstützen. Immer größer wird heute das Gewicht von Volksgruppen und Minderheiten gegenüber dem Staat…. Die Loslösung von Slowenien, Kroatien und anderen Ländern aus dem kommunistischen Jugoslawien war genauso Dekolonialisierung wie die Unabhängigkeitsbestrebungen des Kosovo. Diese Entwicklung wird auch vor Russland nicht Halt machen. Die Konflikte im Kosovo, in Osttimor und Tschetschenien sind auf dieselben Ursprünge zurückzuführen. Beispiele für Selbstständigkeitsbestrebungen finden sich in der jetzigen russischen Föderation von Tuwa über Grosny bis nach Joskar-Ola.“
– welt.de, 18. Februar 2000
Die NATO-Osterweiterung wurde trotz der gelegentlich geäußerten rein rhetorischen Kritik durch die damalige Kanzlerin Angela Merkel im Einklang mit Washington mit dem Ziel verfolgt, Russland bei seiner „Dekolonisierung … zu unterstützen“, wie wir anlässlich Moskaus Spezial-Militäroperation (SMO) betonten. Dabei versuchten westliche Imperialisten, einschließlich der deutschen, neutrale Staaten der ehemaligen Sowjetunion in anti-russische Frontstaaten umzuwandeln. Das begann mit den Farbrevolutionen in Georgien 2003, der Ukraine 2004 und Kirgisien 2005, die wesentlich durch westliche NGOs gefördert wurden. Wohin diese NATO-Strategie führte, wurde 2008 offensichtlich, als das Militär des georgischen pro-westlichen Präsidenten Mikhail Saakaschwili begann, russische Truppen in der abtrünnigen und pro-russischen Provinz Südossetien zu beschießen, die dort seit 1992 als GUS-Friedenstruppen stationiert waren. Moskau verpasste dem georgischen Militär eine blutige Nase, besetzte aber Georgien nicht. Fünf Jahre später war Berlin direkt in die Ereignisse auf dem Maidan kurz vor dem erfolgreichen pro-imperialistischen Coup gegen die demokratisch gewählte Janukowitsch-Regierung verwickelt:
„Die Assoziierung der Ukraine mit der EU, die im Mittelpunkt der Maidan-Proteste gestanden hat, ist ein strategisch wichtiges Ziel des deutschen Establishments gewesen. Nach dem erfolgreichen Abschluss der EU-Osterweiterung ging es darum, die eigene Hegemonialsphäre ein weiteres Stück Richtung Osten auszudehnen. Daran hatten sowohl die deutsche Wirtschaft wie auch die Politik ein ganz erhebliches Interesse. Die Wirtschaft zielte darauf ab, den ukrainischen Markt an den EU-Binnenmarkt anzuschließen und ihn nach EU-Normen zu formen, um neue Vorteile für den Außenhandel zu erlangen.“
– Kronauer, a. a. O., S. 155
Dazu nahm die Bundesregierung direkten Einfluss in der Ukraine, um Präsident Viktor Janukowitsch mit allen Mitteln zum Eintritt zu bewegen. Als Janukowitsch sich weigerte, weil ihm ein besseres Angebot Moskaus für die Eingliederung in die Eurasische Wirtschaftsunion vorlag, das anders als der EU-Vertrag seinen US $15 Milliarden-Kredit nicht mit der Forderung einer umfassenden Privatisierung der ukrainischen Wirtschaft verband, machte sich Berlin daran, oppositionelle Kräfte in der Ukraine zu unterstützen. Sie tat dies durch den Aufbau einer pro-westlich-liberalen Partei, UDAR, aber auch durch direkte Zusammenarbeit mit ukrainischen Faschisten, die schließlich die militante Vorhut auf dem Maidan stellten, um Janukowitsch zu stürzen:
„Als am Abend des 23. November 2013 die Proteste für die EU-Assoziierung des Landes begannen, fanden sich ebenjene Milieus – UDAR-Politiker, prowestliche Mittelschichten – auf dem Maidan zusammen…. Dass es den westlichen Mächten letztlich nicht so sehr um die Förderung der Demokratie, sondern vielmehr um die Förderung gesellschaftlicher Spektren ging, die jeden russischen Einfluss in der Ukraine bekämpften und für die Anbindung des Landes an die EU eintraten, das zeigt sich daran, dass sie ab 2012 auch mit offen antidemokratischen Milieus zu paktieren begannen: mit Anhängern des in der Westukraine sehr populären NS-Kollaborateurs Stepan Bandera. Durfte man im Kampf gegen Moskau mit Faschisten zusammenarbeiten, nur weil diese zu Russlands erbittertsten Feinden in der Ukraine gehörten? Diese Frage wurde im Frühjahr 2012 in Teilen der ukrainischen Mittelschicht intensiv diskutiert. Gefördert hatte die Debatte die Konrad-Adenauer-Stiftung, die am 24. Februar 2012 in Kiew gemeinsam mit den beiden parteinahen US-Organisationen International Republican Institute (IRI) und National Democratic Institute (NDI) ein ‚Expertengespräch‘ zur Zukunft der Opposition in der Ukraine durchgeführt hatte. Dazu eingeladen hatte sie auch Oleh Tjahnibok, den Leiter der Banderistenpartei Swoboda. Gegen die Einbindung von Faschisten in das im Entstehen begriffene Oppositionsbündnis gab es damals noch warnende Proteste. Sie verstummten allerdings im Laufe der Zeit, als erkennbar wurde, dass EU und USA den Pakt mit den Bandera-Anhängern unterstützten…“
– Ebenda, S. 157f
Nachdem sie Janukowitsch gestürzt hatte, begann die vom Westen gestützte Maidan-Regierung einen Bürgerkrieg gegen die Bevölkerungsteile im Süden und Osten der Ukraine, die überwiegend russisch sprachen, indem sie ein Gesetz verabschiedete, dass Russisch als offizielle ukrainische Amtssprache verbot. Daraufhin kam es zu Aufständen in den Oblasten Krim, Lugansk und Donetsk, deren Bevölkerung die westlich-gestützte Putsch-Regierung in Kyiv nicht anerkennen wollte. Arsenij Jatzenjuk, Petro Poroschenko und Wolodymyr Selenskij setzten dabei alle auf die gewaltsame Unterdrückung dieser Aufstände. Als sich pro-russische Milizen im Donbass formierten, um die dortige Bevölkerung zu schützen, kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Daraufhin engagierte sich die damalige Kanzlerin Angela Merkel vorgeblich für die friedliche Beilegung des Konflikts unter den Minsker Abkommen, die den abtrünnigen ostukrainischen Provinzen Autonomie gewähren sollten, während sie gleichzeitig offiziell als ukrainisches Territorium anerkannt werden sollten – trotz der von der dortigen Bevölkerung abgehaltenen Referenden, die sich in überwältigender Mehrheit für einen Anschluss an Russland ausgesprochen hatten. Doch keine der Kyiver Regierungen hielt sich an die Vorgaben der Minsker Abkommen der friedlichen Konfliktbeilegung. Nach Beginn der russischen SMO gab Merkel zu, dass es der Bundesregierung damals lediglich um die Rettung der ukrainischen Armee und ihre massive Wiederbewaffnung gegangen sei und nicht um eine ernsthafte Konfliktbeilegung. Wenn nach Clausewitz „Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist, so konkretisieren Marxisten diese Einsicht weiter, indem sie mit Lenin festhalten, dass „Politik … Ausdruck der konzentrierten Ökonomik“ ist (siehe Noch einmal über die Gewerkschaften, LW-Bd. 32, 25. Januar 1921, S. 73). Die anti-russischen „Dekolonisierungs“-Versuche des deutschen Kapitals stützten sich auf seiner Russland überlegenen Wirtschaft. Trotz anti-russischer Sanktionen, die Berlin vorwiegend nach Beginn von Russlands SMO verabschiedete, besaß das deutsche Kapital immer noch nennenswerte Direktinvestitionen, durch die es sich Reichtum aus seinen gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen auf Kosten Russlands aneignete:
„Im Jahr 2023 hat der Wert der Direktinvestitionen nach Russland aus Deutschland bei 14,7 Milliarden Euro gelegen. Deutsche Direktinvestitionen in Russland sanken im Vergleich zum Vorjahr um rund 5,5 Milliarden Euro. Gemessen am Anteil der gesamten deutschen Direktinvestitionen im Ausland machte dies im Jahr 2023 einen Anteil von etwa 0,64 Prozent aus…. Der Anteil der russischen Investitionen in Deutschland ist ebenfalls auf einem geringen Niveau und macht 2023 etwa 0,1 Prozent der ausländischen Investitionen in Deutschland aus. Auch der Umsatz der Unternehmen in Russland mit deutscher Investorenbeteiligung war im Jahr 2023 mit einem Anteil von etwa 2,4 Prozent der Gesamtumsätze aus deutscher Investorenbeteiligung gering. Unternehmen in Deutschland mit Hauptsitz in Russland erwirtschafteten im Jahr 2023 etwa 12,6 Milliarden Euro, was einem Anteil von rund 0,6 Prozent der gesamten Umsätze von Unternehmen in Deutschland mit Hauptsitz im Ausland entspricht.“
– de.statista.com, 3. Juni 2025
Der britische marxistische Ökonom Michael Roberts fasste den abhängig-kapitalistischen Charakter Russlands 2022 wie folgt zusammen:
„Die russische Wirtschaft ist nach wie vor ein ‚Ein-Trick-Ponny‘, das von Öl und Gas abhängig ist, die vor dem Krieg mehr als die Hälfte seiner Exporte ausmachten, während der Rest aus Getreide, Chemikalien und Metallen bestand – keine Exporte von Spitzentechnologie. Das bedeutet, dass Russland keinesfalls Mehrwert durch den Handel mit anderen Ländern erwirtschaftet, sondern dass die fortgeschritteneren kapitalistischen Volkswirtschaften und ihre multinationalen Konzerne Nettotransfers von Mehrwert aus Russland erhalten.
Putin mag denken, dass Russland eine imperialistische Macht sein kann, aber die wirtschaftliche Realität ist, dass Russland nur eine große periphere Wirtschaft außerhalb des von den USA geführten imperialistischen Blocks ist, wie Brasilien, China, Indien, Südafrika, die Türkei, Ägypten usw. – wenn auch mit einem größeren Militär als die meisten.“
— thenextrecession.wordpress.com, 15. August 2022 (Übersetzung durch die BT)
Russland war auch vor Beginn der SMO wirtschaftlich von Deutschland abhängig:
„Russlands beliefert Deutschland neben Gas auch aus seinem Öl- und Metallvorkommen. Wegen der Rohstoffmilliarden gilt Russland als exzellenter Kunde, der gerade für staatliche Infrastrukturprojekte umworben wird. Russland benötigt die deutsche Chemie- und Automobilindustrie, aber auch den Technologietransfer nicht zuletzt zur Ausbeutung seiner Rohstoffe, aber auch generell für die Integration in die weltweiten Wertschöpfungsketten der Industrieproduktion.“
– Mariano Barbato, Wetterwechsel, 2022, S. 231
Ein 2024 veröffentlichter Bericht des World Inequality Labs hält fest, dass deutsche Auslandsinvestitionen zwischen 1975 und 2017 weniger Profite abwarfen als die der meisten anderen imperialistischen Länder, vermerkte aber, dass seitdem „Japan und Deutschland durchweg höhere Nettoauslandsvermögensquoten aufweisen, die im Laufe der Zeit stetig gestiegen sind. Diese beiden Volkswirtschaften haben dank ihrer starken exportorientierten Industrien und ihrer robusten internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu ihrem BIP erhebliche Auslandsvermögen aufgebaut. Ihre Fähigkeit, Auslandsvermögen anzuhäufen, hat ihre Nettogläubigerposition gefestigt und ihren Einfluss in der Weltwirtschaft gestärkt.“. Der Bericht hält über Auslandsinvestitionen der G 8-Länder fest, dass „sich dieses Privileg in positiven ausländischen Kapitaleinkünften in Höhe von 1,5 % bis 4,5 % ihres BIP niedergeschlagen hat, je nach Fall“. Die Auslandsinvestitionen der BRICS-Staaten kommentiert der Bericht als verlustbringend:
„Der negative Überschussertrag hat zu einer Verschlechterung ihrer Leistungsbilanzen geführt, da er die Netto-Kapitalerträge des Landes senkt. In einigen Fällen ist dies die Erklärung für die gemeldeten negativen Nettoerträge. Aus Abbildung 14 geht hervor, dass dieser Überschussertrag je nach Fall zwischen 1,5 % und 4,5 % des BIP des Landes betragen kann. Beispielsweise weist Russland aufgrund seiner negativen Überschussrendite negative Netto-Kapitalerträge aus dem Ausland aus, obwohl es über eine positive NFA-Position verfügt…. Diese Ergebnisse unterstreichen die konvergierenden Erfahrungen der Entwicklungsländer hinsichtlich ihrer Renditen auf ausländisches Vermögen. Obwohl die BRICS-Länder aus unterschiedlichen Ausgangssituationen gestartet sind, verzeichnen sie derzeit alle erhebliche Verluste aufgrund ihrer marginalen Position im Währungs- und Finanzsystem.“
– Gáston Nievas, Alice Sodano, „Has The US Exorbitant Privilege Become A Rich World Privilege?”, World Inequality Lab Working Paper 2024/14
Berlins aggressive Streben nach der Aufrechterhaltung seiner Hegemonie gegenüber Moskau ist das eines imperialistischen Landes, das gezielt versucht, die Ausbeutungsbedingungen des abhängig-kapitalistischen Russlands noch weiter zu seinen Gunsten zu verändern. In gewaltsamen Konflikten solcher Länder beziehen Leninisten eine militärische Seite mit dem abhängig-kapitalistischen Land, ohne dessen Regierung politische Unterstützung zu gewähren. Doch aufgrund der historischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte spiegelt sich die wirtschaftliche Dominanz Deutschlands nicht in militärischer Stärke wider. Im Ukrainekonflikt dämmert es dem deutschen Kapital angesichts der sich abzeichnenden Niederlage nun, dass es auf allen Ebenen hochrüsten muss, wenn man Operation Barbarossa 2.0 ernsthaft in Erwägung ziehen will. Begleitet wird das Aufrüstungsprogramm durch immer weiter eskalierende Angriffe auf bürgerliche Freiheitsrechte im Innern, um Kritiker mittels Kriminalisierung mundtot zu machen, während sich Berlin finanziell, durch die Lieferung von Rüstungsgütern und Aufklärung, an Stellvertreterkriegen und Genozid im Ausland beteiligt. Nicht umsonst können sich die letzten beiden Bundesregierungen damit „rühmen“, hinter den USA die zweitgrößte finanzielle Unterstützung sowohl für die Ukraine als auch Israel geleistet zu haben. Die kürzlich offiziell verpflichtend gemachte Staatsräson, der zufolge das Existenzrecht des rassistischen Apartheidsstaates Israel in seiner jetzigen Verfassung nicht infrage gestellt werden darf – trotz offenem Genozid an der palästinensischen Bevölkerung und immer neuen Angriffen auf umliegende Staaten, wie den Libanon, Syrien und nun auch den Iran – führte beim israelisch-amerikanischen Angriff im Juni sogar soweit, dass sich ein Airbus der Bundeswehr an der Ausspähung potentieller Ziele im Iran beteiligte. Mittelfristig will Berlin selbst China ins Visier nehmen, wie der sich damals in Regierungsverantwortung befindliche Grünen-Politiker Anton Hofreiter auf einer Diskussionsveranstaltung des Berliners Verlags im Dezember 2022 in „bestem“ Kolonialisten-Deutsch unterstrich:
„Stets versuchte Hofreiter, der Vorsitztender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union im Bundestag ist, die Vorteile einer Unterstützung der Ukraine und ihrer Aufnahme in die EU zu betonten. Ohne China beim Namen zu nennen, erörterte er folgendes Szenario: ‚Wenn uns ein Land Seltene Erden vorenthalten würde, könnten wir entgegnen: „Was wollt ihr eigentlich essen?“‘ Ohne Seltene Erden käme man ein paar Wochen aus, ohne Nahrung nicht. China ist einer der größten Exporteure Seltener Erden, die Ukraine einer der größten Weizenexporteure der Welt. Oft sei es in der Geopolitik geboten, ‚mit dem Colt auf dem Tisch‘ zu verhandeln, so Hofreiter.“
– Berliner-zeitung.de, 15. Dezember 2022
Der deutsche Imperialismus bietet gutes Anschauungsmaterial dafür, wie aktuell Lenins Diktum ist, dass der imperialistische Kapitalismus im Niedergang notwendigerweise zu Krise und Krieg führen muss.
Die Zeitenwende – Geopolitik „mit dem Colt auf dem Tisch“
Ein weiterer Grund für die erneute Aufrüstung des deutschen Imperialismus liegt neben der sich anbahnenden Niederlage des NATO-Stellvertreters Ukraine, und der damit einhergehenden Krise der NATO selbst, an den verschärften Konkurrenzkämpfen zwischen den USA und den europäischen Imperialisten, aber auch den europäischen Imperialisten untereinander. Diese Krise wurde durch die Umwandlung der Bundeswehr nach Ende des Kalten Krieges ungewollt eingeleitet. Anfang der 1990er Jahre ging die deutsche Bourgeoisie davon aus, dass die Bundeswehr, die zu Zeiten des Kalten Kriegs auf einen großflächigen konventionellen Landkrieg ausgerichtet war, angesichts der kapitalistischen Konterrevolutionen in Osteuropa, der damit einhergehenden dramatischen militärischen Schwächung Russlands und der NATO-Osterweiterung an die russischen Grenzen, auf eine kleinere schnelle Eingreiftruppe umstrukturiert werden konnte. Die Bundeswehr wurde verkleinert und der Wehrdienst ausgesetzt, wie ein Bericht von 2022 des Münchener Thinktanks Ifo festhält:
„Insgesamt sind seit dem Ende des Kalten Krieges die Bestände der deutschen Waffensysteme in den fünf von den Vereinten Nationen erfassten Kategorien um 53 bis 93% zurückgegangen. Am drastischsten war der Abbau bei Kampfpanzern, gepanzerten Kampffahrzeugen und großkalibriger Artillerie. So gibt es heute statt 6 779 wie 1992 nur noch 806 Kampfpanzer. Weil auch eingelagerte Kampfpanzer von den Vereinten Nationen mitgezählt werden, ist dieser Wert sogar dreimal höher als die tatsächlich der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Kampfpanzer. Dem gegenüber gab es für Kampfflugzeuge und -hubschrauber sowie Kriegsschiffe für Deutschland keine (bindenden) Grenzen im Rahmen des KSE-Vertrages. Dennoch wurden die Bestände kontinuierlich zurückgefahren. Die Anzahl der Kampfflugzeuge und -hubschrauber hat sich von 1 337 auf 345 geviertelt und jene der Kriegsschiffe von 98 auf 46 halbiert. Innerhalb der Kategorien hat es in Teilen eine Erneuerung der Waffensysteme gegeben. Die Kampfpanzer Leopard 2 wurden im Kampfwert gesteigert, neue gepanzerte Kampffahrzeuge wie Fennek, Boxer und Puma in die Truppe integriert, die Eurofighter an die Luftwaffe übergeben und die modernen Fregatten F-124 und F-125 sowie U-Boote vom Typ U 212A für die Marine erworben. Diese begrenzte Modernisierung für eine geringe Stückzahl an militärischem Großgerät gleicht aber nicht den außerordentlich hohen Abbau der Bestände aus.“
– ifo.de, Sonderausgabe April 2022
Diese Verkleinerung führte dazu, dass sich Berlin militärisch vom US-Imperialismus abhängig machte, da es von einer hinreichend großen Interessenübereinstimmung mit Washington ausging. Trotz deutscher Beteiligung im Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 oder Afghanistan 2001 übernahm Washington den Löwenanteil sowohl auf den Schlachtfeldern zur Durchsetzung der „regelbasierten Ordnung“ als auch der Unterhaltung der dazu erforderlichen Logistikketten. Doch schon der Angriff auf den Irak 2003, an dem sich weder der deutsche noch der französische Imperialismus beteiligten, weil die Hussein-Regierung ihre Petrodollar-Bestände in Euro umtauschen wollte und damit den Petrodollar schwächte, was im Sinne Berlins und Paris‘ war, deutete an, dass sich die Interessenunterschiede zwischen dem deutschen und US-Kapital vergrößerten. Einhergehend mit der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise 2008 verschärften sich diese weiter und führten 2021 sogar zur US-Sanktionierung des europäischen Nordstream 2-Unternehmenskonsortiums. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs kommentierte der ehemalige deutsche Botschafter in den USA und damalige Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, das Dilemma des deutschen Imperialismus, das sich aus der militärischen Abhängigkeit von Washington ergeben hatte:
„Die Hoffnungen auf eine sicherheitspolitisch handlungsfähigere EU haben sich leider bisher nicht erfüllt. Sie blieben in bürokratischen, budgetären und rhetorischen Manövern stecken. Immerhin befasst sich der Europäische Rat regelmäßig mit Themen der Sicherheit und Verteidigung. Ein Defense Fund wurde errichtet, ein strategischer Kompass entwickelt.
Bei Lichte betrachtet hat das alles wenig gefruchtet. Strategische Autonomie bleibt genauso eine schöne Vision wie das Fernziel einer Europäischen Armee, das immer wieder ergebnislos durch deutsche Parteiprogramme geistert. Stattdessen definieren viele EU-Mitglieder ihre eigene Sicherheit angesichts der russischen Aggression in der Ukraine heute noch stärker als in der Vergangenheit über eine möglichst enge Anbindung an die Schutzmacht USA.“
– tagesspiegel.de, 15. Februar 2023
Dieses Dilemma verdeutlicht, warum weite Teile des deutschen Kapitals trotz der US-Sabotage der deutschen Wirtschaft durch den Anschlag auf Nordstream 2, die mit den gemeinsam verhängten anti-russischen Sanktionen zu massiven wirtschaftlichen Problemen in Deutschland und Europa führte, sich weiterhin verzweifelt an das Bündnis mit Washington klammern. Donald Trump, den der niederländische NATO-Generalsekretär Mark Rutte auf dem letzten NATO-Gipfel unterwürfig „Daddy“ nannte, hat jedoch häufiger angedeutet, dass er sich aufgrund der sich anbahnenden Niederlage der NATO in der Ukraine von diesem fehlgeschlagenen Unternehmen distanzieren und es alleine den europäischen Imperialisten aufbürden möchte. Trotz anhaltender Versuche des Kanzleramts, gegenüber Moskau den harten Mann zu markieren, wird mittlerweile deutlich, dass der deutsche Kaiser keine Kleider hat. Bereits 2023 wurde der NATO in ihrem Stellvertreterkrieg gegen das abhängig-kapitalistische Russland bewusst, dass es auch in der Munitionsbeschaffung aufgrund der strikten Sparmaßnahmen nach Ende des Kalten Kriegs zu Mangelzuständen gekommen war, wie CNN berichtete:
„Jahrzehntelange Haushaltskürzungen in ganz Europa haben dazu geführt, dass die politischen Entscheidungsträger ihre Bestände bewusst niedrig gehalten haben, weil sie davon ausgingen, dass es keinen Landkrieg geben würde, der Munition in ähnlichem Umfang wie im Ersten oder Zweiten Weltkrieg verschlingen könnte, so Experten.
Trevor Taylor, Forschungsprofessor für Verteidigungsmanagement an der Denkfabrik Royal United Services Institute in London, verweist auf Entscheidungen, die während des Kalten Krieges getroffen wurden.
‚Während des Kalten Krieges vertrat die NATO den Standpunkt, dass ihre Mitglieder im Falle eines Angriffs des Warschauer Pakts über die nötigen Streitkräfte und Vorräte verfügen sollten, um ihr gesamtes Hoheitsgebiet für einen Zeitraum von etwa drei Wochen zu halten‘, sagte er und bezog sich dabei auf das Militärbündnis zwischen der Sowjetunion und mehreren sowjetischen Satellitenstaaten in Osteuropa, das kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion endete.
‚Die Kosten für die Aufrechterhaltung dieser Fähigkeit für einen längeren Zeitraum waren inakzeptabel, und so betonte die NATO, dass sie auch bereit sein müsse, irgendwann den Einsatz von Atomwaffen zu initiieren. … Nach 1990 verringerte sich natürlich der offensichtliche Bedarf an großen Vorräten.‘“
– cnn.com, 14. Februar 2023 (Übersetzung durch die BT)
Auch zeichnet die Ifo-Sonderausgabe vom April 2022 ein düsteres Bild der Bundeswehr im Vergleich mit denjenigen Ländern, denen der deutsche Imperialismus mit Waffengewalt verbesserte Ausbeutungsbedingungen aufzwingen will:
„Das heute der Bundeswehr zur Verfügung stehende Großgerät liegt – ohne Berücksichtigung von beispielsweise Kampfwert und Einsatzbereitschaft – in einer ähnlichen Größenordnung wie in Frankreich und dem Vereinigten Königreich…. Jedoch bestehen große Unterschiede zu den Vereinigten Staaten. Mit Ausnahme der Schützenpanzer besitzen die deutschen Streitkräfte jeweils um die 4 bis 12% der amerikanischen Ausrüstung. Das liegt etwa in jenem Korridor, den das Verhältnis der nationalen Verteidigungsausgaben (7%) und das Verhältnis der Truppenstärken zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten bilden (13%). Im Vergleich mit China und Russland verfügen aber auch die amerikanischen Landstreitkräfte mit Blick auf Kampfpanzer, Schützenpanzer und Artillerie über geringere Bestände. Bei der Luftwaffe und der Marine sind die amerikanischen Streitkräfte zwar noch führend, aber auch hier nähert sich China der amerikanischen Militärstärke an. Zudem sind China und Russland in moderner Militärtechnologie keineswegs abgeschlagen. Beide verfügen über ein nukleares Arsenal, haben Hyperschallraketen entwickelt und besitzen Kampfflugzeuge der 5. Generation mit Tarnkappentechnologie…. Neben der Anzahl an Waffensystemen gibt es auch bei der Modernisierung und Verfügbarkeit der Waffensysteme in Deutschland erhebliche Schwierigkeiten. Die europäischen Rüstungsprojekte für einen modernen Kampfpanzer (MGCS) und ein neues Kampfflugzeug (NGF) werden mittelfristig kaum Einfluss auf die Bundeswehr haben, denn der Abschluss der Entwicklung und Produktion ist nicht vor den Jahren 2035 bzw. 2040 geplant. Auch die F35-Tarnkappenjets, deren Erwerb im Rahmen des Sondervermögens geplant ist und die die nukleare Teilhabe als Nachfolger der altersschwachen Tornado-Jets sichern sollen, werden erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen. Im Bereich der Flug- und Panzerabwehr wurden in den letzten Jahrzehnten ganze Truppengattungen abgeschafft. Die dort verlorenen Fähigkeiten müssen mühsam neu aufgebaut werden. Und selbst bei den grundsätzlich vorhandenen Waffensystemen besteht keine Vollausstattung. Für Übungen und Einsätze müssen sich Einheiten untereinander Material und Gerät leihen.“
– ifo.de, a. a. O.
Die militärische und finanzielle Unterstützung, die die Bundesregierung der Ukraine gegen Russland, und Israel gegen die Achse des Widerstands in Westasien gewährt, hat bislang zu keinen Erfolgen auf den Schlachtfeldern geführt. Berlins Plan, den Globalen Süden durch Stellvertreterkriege in Abhängigkeit zu halten, ist durch die realen militärischen Möglichkeiten der Bundeswehr und ihrer NATO-„Verbündeten“ eingeschränkt. Im Januar musste NATO-Generalsekretär Mark Rutte anerkennen, dass, „was Russland jetzt in drei Monaten produziert, … so viel [ist], wie die gesamte NATO von Los Angeles bis Ankara in einem ganzen Jahr produziert, und dann ist Russland als Wirtschaft nicht größer als die Niederlande und Belgien zusammen, sie beide zusammen sind die russische Wirtschaft, und sie produzieren in drei Monaten, was die gesamte NATO in einem Jahr produziert“ (eigene Übersetzung). Ein wesentlicher Grund hierfür ist die dramatische Reduktion industrieller Kapazitäten, die mit der Produktionsauslagerung in Niedriglohnländer einherging und in den imperialistischen Zentren zu einer starken Deindustrialisierung bei gleichzeitig steigenden Profiten führte. Der britische Thinktank Royal United Services Institute (RUSI) erläuterte anlässlich des Kriegs in der Ukraine die zentrale Bedeutung industrieller Kapazitäten für die Führung längerer Kriege:
„Zermürbungskriege … werden mit einem ‚kraftzentrierten‘ Ansatz geführt, im Gegensatz zu Manöverkriegen, die ‚geländeorientiert‘ sind. Sie beruhen auf massiven industriellen Kapazitäten, die den Ersatz von Verlusten ermöglichen, auf einer geografischen Tiefe, die eine Reihe von Niederlagen auffangen kann, und auf technologischen Bedingungen, die eine schnelle Bodenbewegung verhindern…. Die Seite, die den zermürbenden Charakter des Krieges akzeptiert und sich darauf konzentriert, die gegnerischen Streitkräfte zu vernichten, anstatt Terrain zu gewinnen, wird höchstwahrscheinlich gewinnen.
Der Westen ist auf diese Art von Krieg nicht vorbereitet. Für die meisten westlichen Experten ist die Zermürbungsstrategie kontraintuitiv…. Unglücklicherweise werden Kriege zwischen benachbarten Mächten wahrscheinlich durch Zermürbung geführt, da ein großer Pool an Ressourcen zur Verfügung steht, um anfängliche Verluste zu ersetzen. Der zermürbende Charakter des Kampfes, einschließlich der Erosion der Professionalität aufgrund von Verlusten, nivelliert das Schlachtfeld, unabhängig davon, welche Armee mit besser ausgebildeten Kräften begann. Wenn sich der Konflikt in die Länge zieht, wird der Krieg von der Wirtschaft gewonnen, nicht von den Armeen. Staaten, die dies begreifen und einen solchen Krieg mit einer Zermürbungsstrategie führen, die darauf abzielt, die Ressourcen des Gegners zu erschöpfen und gleichzeitig die eigenen zu schonen, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit gewinnen…. Zermürbungskriege werden von Volkswirtschaften gewonnen, die über ihre Industriesektoren eine Massenmobilisierung von Streitkräften ermöglichen. Die Armeen wachsen während eines solchen Konflikts schnell und benötigen große Mengen an gepanzerten Fahrzeugen, Drohnen, elektronischen Produkten und anderer Kampfausrüstung.“
– rusi.org, 18. März 2024 (Übersetzung durch die BT)
Der RUSI-Report fährt fort:
„Hochwertige Waffen sind außergewöhnlich leistungsfähig, aber schwierig herzustellen, vor allem, wenn sie für die Bewaffnung einer schnell mobilisierten Armee benötigt werden, die einer hohen Abnutzungsrate ausgesetzt ist. Während des Zweiten Weltkriegs waren die deutschen Panzer beispielsweise hervorragende Panzer, aber die Sowjets produzierten mit ungefähr den gleichen Produktionsmitteln acht T-34 für jeden deutschen Panzer. Der Leistungsunterschied rechtfertigte nicht die zahlenmäßige Ungleichheit in der Produktion. Hochwertige Waffen erfordern auch hochqualifizierte Truppen. Die Ausbildung dieser Truppen erfordert viel Zeit – Zeit, die in einem Krieg mit hoher Zermürbungsrate nicht zur Verfügung steht.
Es ist einfacher und schneller, eine große Anzahl billiger Waffen und Munition zu produzieren, vor allem, wenn ihre Teilkomponenten mit zivilen Gütern austauschbar sind, so dass die Massenproduktion ohne Ausweitung der Produktionslinien möglich ist. Neue Rekruten nehmen auch einfachere Waffen schneller auf, was die rasche Bildung neuer oder die Wiederherstellung bestehender Formationen ermöglicht.
Für westliche Volkswirtschaften mit höherem Standard ist es schwierig, Masse zu erreichen. Um Hypereffizienz zu erreichen, müssen sie Überkapazitäten abbauen und haben Schwierigkeiten, schnell zu expandieren, vor allem, weil Industrien der unteren Ebenen aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland verlagert wurden. Im Kriegsfall werden die globalen Lieferketten unterbrochen, und Teilkomponenten können nicht mehr gesichert werden. Hinzu kommt der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften mit Erfahrung in einer bestimmten Branche. Diese Fähigkeiten werden über Jahrzehnte hinweg erworben, und wenn ein Industriezweig einmal stillgelegt ist, dauert es Jahrzehnte, bis er wieder aufgebaut ist.“
– Ebenda (Übersetzung durch die BT)
Mittelfristig kann der deutsche Imperialismus nicht mit der russischen Rüstungsindustrie mithalten, die gerade deshalb, weil sie nicht auf Profitmaximierung, sondern auf die Herstellung verlässlicher Waffen durch ein breites industrielles Rückgrat ausgelegt ist, das noch aus Sowjetzeiten stammt. Moskaus Erfahrungen mit der an die eigenen Grenzen vordringenden NATO überzeugten den Kreml, dass die Rüstungsindustrie für eine potentielle Konfrontation mit der NATO vorbereitet bleiben müsse, was auf Kosten der Profite russischer Privatinvestoren ging. Die britische Tageszeitung The Guardian beschreibt daher die russische Rüstungsindustrie als:
„…ein ausuferndes Ungetüm von fast 6.000 Unternehmen, von denen viele vor dem Krieg kaum Gewinne erzielten. Doch was ihm an Effizienz fehlte, machte er durch freie Kapazitäten und Flexibilität wieder wett, als die russische Regierung die Rüstungsproduktion im Jahr 2022 plötzlich hochfuhr.
Richard Connolly, Experte für Russlands Militär und Wirtschaft am Royal United Services Institute in London, … sagte: ‚Die Russen haben jahrelang dafür bezahlt. Sie haben die Rüstungsindustrie subventioniert, und viele hätten gesagt, dass sie das Geld für den Fall verschwenden, dass sie eines Tages in der Lage sein sollten, es zu vergrößern. Bis 2022 war es also wirtschaftlich ineffizient, und dann sieht es plötzlich wie ein sehr kluger Plan aus.‘
Dies unterscheidet sich erheblich von westlichen, insbesondere europäischen Waffenherstellern, die in der Regel schlanke, grenzüberschreitend arbeitende Betriebe führen, die darauf ausgelegt sind, den Gewinn für die Aktionäre zu maximieren.“
– theguardian.com, 15. Februar 2024 (Übersetzung durch die BT)
Trotz der momentanen Schwäche der Bundeswehr machen die Konkurrenz mit den anderen imperialistischen „Bündnispartnern“, sinkende industrielle Kapazitäten und Abhängigkeit von zum „Feind“ erklärten Ländern, sowie die Maxime der Profitmaximierung, Aufrüstung für das deutsche Kapital obligatorisch. Damit steigt die Bedrohung der deutschen und internationalen Arbeiterklasse durch den deutschen Imperialismus – sowohl durch rüstungsbedingte Sparmaßnahmen auf Kosten des Lebensstandards als auch erneuter Kriege.
Ab 2029 „wird zurückgeschossen“
Mit der verkündeten Zeitenwende der alten Ampelregierung sprach der Verteidigungsminister der SPD, Boris Pistorius, aus, wohin die Reise gehen soll:
„‚Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein‘, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag. ‚Wir dürfen nicht glauben, dass Putin an den Grenzen der Ukraine, wenn er so weit kommt, haltmachen wird‘, sagte Pistorius. Russland sei nicht nur für die Ukraine eine Bedrohung, sondern auch für Georgien, Moldau und letztlich auch für die Nato. ‚Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt.‘ Zentral dafür seien Finanzen, Material und Personal. ‚Im Ernstfall brauchen wir wehrhafte junge Frauen und Männer, die dieses Land verteidigen können‘, betonte Pistorius. Deshalb halte er eine ‚neue Form des Wehrdienstes‘ für erforderlich, die ‚nicht völlig frei von Pflichten‘ sein könne.“
– de, 5. Juni 2024
In der Regierungserklärung vom 15. Mai 2025 des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz, der die Stärkung der Bundeswehr vorsieht, „um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“, sind die Ziele klar definiert. Deutschland müsse nicht nur wirtschaftlich und politisch stark sein, auch militärisch müsse es wieder zur Weltmacht werden:
„Zugleich gilt: Wir selbst müssen und werden unsere eigene Verteidigungsfähigkeit und unsere Verteidigungsbereitschaft beständig weiter ausbauen. … Die Stärkung der Bundeswehr steht dabei für uns an erster Stelle. Die Bundesregierung wird zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden. Das ist dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Land Europas angemessen. … Aber wir wissen, dass wir die personelle Einsatzbereitschaft und den personellen Aufwuchs unserer Bundeswehr dringend verbessern müssen.
Wir werden deshalb zunächst einen neuen, attraktiven freiwilligen Wehrdienst schaffen. Es gibt viele junge Menschen in unserem Land, die Verantwortung übernehmen wollen für Deutschland, seine Wehrhaftigkeit und Sicherheit. Das wollen und werden wir fördern.“
– focus.de, 14. Mai 2025
Zur Finanzierung sollen die Ausgaben für die Bundeswehr und die militärische Infrastruktur von zwei auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben werden. Damit wird der Militarismus zum größten Haushaltsposten. Während die Rüstungsindustrie Rekordgewinne verbucht, steigt die Armut laut WSI-Verteilungsbericht 2024 insbesondere unter Denjenigen, die sich unverhoffte zusätzliche Kosten nicht leisten können, seit 2010:
„Der Anteil der Bevölkerung, der unterhalb der Armutsgrenze lebt, ist seit 2010 um mehr als drei Prozentpunkte auf 17,8 Prozent gestiegen und hat damit am aktuellen Rand einen Höchstwert erreicht. Der Anstieg vollzieht sich fast kontinuierlich über alle untersuchten Jahre hinweg. Lediglich Mitte der 2010er Jahre war die Quote kurzzeitig leicht rückläufig. Der Anteil der Menschen in strenger Armut ist – relativ gesehen – noch stärker gestiegen als die Armutsquote (von 7,8 Prozent auf 11,3 Prozent).“
– WSI-Verteilungsbericht 2024, November 2024
Für die Ausgaben des umfassenden Aufrüstungsprogramms kann die Regierung in Zukunft beliebig große Schulden aufnehmen. Anders als in Frankreich und Britannien existiert in Deutschland eine wenn auch schrumpfende industrielle Basis für Rüstungsvorhaben, die durch die verhängten anti-russischen Sanktionen seit 2021 um knapp acht Prozent eingebrochen ist:
„19,7 Prozent steuerte das Verarbeitende Gewerbe 2024 zur Bruttowertschöpfung in Deutschland bei. Zum Vergleich: In Frankreich lag der Anteil bei 10,6, in den USA bei 17,5 Prozent.“
– deutschland.de, 27. März 2025
Wenn der Hochrüstungsplan der Bundesregierung konsequent umgesetzt wird, wird die Bundeswehr Frankreich und Großbritannien in militärischer Schlagkraft überholen:
„Der von Merz und Wadephul bestätigte Plan, die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitmacht in Europa aufzuwerten und ihr die Führungsrolle unter den europäischen NATO-Staaten zu verschaffen, könnte unter finanziellen Aspekten aufgehen. Bislang gelten die Armeen Frankreichs und – jenseits der EU – Großbritanniens weithin als schlagkräftiger als die Bundeswehr. Allerdings gilt es als äußerst zweifelhaft, dass die beiden Staaten ihren jeweiligen Militärhaushalt so stark aufstocken können wie Deutschland. Ursache ist, dass es für Berlin nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestags möglich ist, Schulden zur Aufrüstung in beliebiger Höhe aufzunehmen, während dies insbesondere für Frankreich kaum machbar erscheint; der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt den Anteil der französischen Schulden am BIP für das Gesamtjahr 2025 auf 116,3 Prozent – ein Wert, der bei übermäßiger Steigerung in eine neue Schuldenkrise ähnlich der Eurokrise vor eineinhalb Jahrzehnten zu führen droht. Paris, dem der Weg zur schuldenfinanzierten Hochrüstung à la Deutschland damit versperrt ist, dürfte künftig bei der Beschaffung von Kriegsgerät hinter Berlin zurückfallen. Für Großbritannien, dessen Schulden der IWF auf 103,9 Prozent des BIP beziffert, sieht es ähnlich aus. Damit wäre für Deutschland der Weg frei, zur stärksten Militärmacht Europas aufzusteigen.“
– German-foreign-policy.com, 19. Mai 2025
Im Gefolge der ungehemmten Kriegsstimmung seit Anfang der russischen Spezialmilitär-Operation hatte das Hofblatt der herrschenden Klasse, die Frankfurter Allgemeine, im Oktober 2022 sogar die Anschaffung von Atomwaffen gefordert. Die Androhung Merzens, dass die Bundesregierung alle „finanziellen Mittel zur Verfügung stellen [will], die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“, sollte insbesondere die europäischen Nachbarländer beunruhigen – gerade diejenigen, wie die Slowakei, Ungarn und Serbien, denen Berlin unterstellt, eine zu große Nähe zu Moskau zu haben. Auch dies ist ein wichtiger Faktor, der die EU zu sprengen droht, weil Merz sich bereits im Krieg mit Russland wähnt und nicht erst 2029 „zurückschießen“ will, wie die vorherige Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz:
„‘Wir werden von Russland bereits in diesem Sinne angegriffen‘, sagte er etwa bei der Nato-Tagung in Den Haag. Die Trennlinie zwischen Krieg und Frieden sei ‚fließend‘.
Die Regierung will die Bevölkerung offenbar auf eine härtere sicherheitspolitische Realität vorbereiten – und ändert dafür nun die Tonlage. Statt vor einem Angriff in ferner Zukunft zu warnen, spricht sie von einem Krieg, der längst begonnen habe.“
– msn.com, 5. Juli 2025 (Hervorhebung im Original
Die herrschende Klasse Deutschlands will den von ihr mitinitiierten Ukraine-Krieg nutzen, um die bislang mangelnde Opferbereitschaft der Lohnabhängigen zu fördern. So hieß es in der regierungsnahen Zeitschrift Internationale Politik kurz vor den Bundestagswahlen:
„Je länger der Krieg in der Ukraine geht, je mehr den Menschen klar wird, dass sich in der Geopolitik grundsätzlich etwas verändert hat und dass auch nach Ende des russischen Angriffskriegs keine Rückkehr zur ‚Normalität‘ möglich ist, desto größer ist der Wunsch nach einem Rückzug ins Private.
Je komplizierter und tragischer die Weltlage wird, von Gaza bis nach Syrien, umso größer ist das Verlangen der Menschen danach, die Tür zuzumachen und die Realität auszublenden. Eine Überforderung tritt ein. Es droht eine neue Periode des Biedermeier. Die Biedermeierzeit – in etwa die Zeit der Restauration nach Ende des Wiener Kongresses 1815 – zeichnete sich kulturgeschichtlich durch den Rückzug ins Private aus. Wohnkultur, Einrichtungsmode und private Gemütlichkeit rückten in den Vordergrund…. Durch Russlands Krieg gegen die Ukraine haben wir ein Zeitfenster der Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und in der Bereitschaft, sich mit Verteidigung und Militär auseinanderzusetzen. Das muss die nächste Regierung nutzen, um wichtige Weichen zu stellen, bevor die Stimmung umschlägt und ein neues Biedermeierzeitalter folgt.“
– internationalepolitik.de, 5. Februar 2025
Zum 111. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs beklagte die Berliner Zeitung, dass die weite Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht bereit sei, „zurückzuschießen“:
„Einer Umfrage zufolge würde nur etwa jeder sechste im Verteidigungsfall für Deutschland ohne Zögern zur Waffe greifen. ‚Auf jeden Fall‘ sind 16 Prozent dazu bereit, weitere 22 Prozent würden dies nach eigener Einschätzung ‚wahrscheinlich‘ tun. Das ist das Ergebnis einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die klare Mehrheit von 59 Prozent wäre hingegen ‚wahrscheinlich nicht‘ oder gar nicht dazu bereit, Deutschland im Falle eines militärischen Angriffs selbst mit der Waffe zu verteidigen. Bei Frauen liegt dieser Anteil sogar bei 72 Prozent.“
– Berliner-zeitung.de, 4. August 2025
Die Ablehnung direkter Kriegsbeteiligung von breiten Teilen der Gesellschaft spiegelt sich jedoch nicht in einer Verurteilung des massiven Rüstungsprogramms wider. So berichtet die Forsa-Studie, dass lediglich 30 Prozent der Befragten die Verdoppelung des Rüstungsprogramms ablehnen. Bemerkenswerterweise lehnen viele Wähler der AfD und Die Linke das Rüstungsprogramm ab – trotz enthusiastischer Befürwortung der Parteiführungen der AfD und, hinter vorgehaltener Hand, von Die Linke:
„Gut zwei Drittel (67 Prozent) finden es prinzipiell richtig, dass Deutschland seine Ausgaben für die Bundeswehr und die Verteidigung bis zum Jahr 2032 verdoppeln will, 30 Prozent finden es falsch. Bei den Anhängern der verschiedenen Parteien gibt es starke Unterschiede. Die Anhänger von CDU und CSU stehen mit 92 Prozent Zustimmung nahezu geschlossen hinter der geplanten Verdoppelung. 75 Prozent der SPD- und 76 Prozent der Grünen-Anhänger schließen sich dem ebenfalls an. Unter den Anhängern der Linken sind dagegen 59 Prozent gegen diesen Anstieg des Etats, unter AfD-Anhängern sind es 52 Prozent.“
– Ebenda
Im August hob Merz die Aussetzung der Wehrpflicht auf und erlaubt zunächst Freiwilligen einen zeitbegrenzten Dienst in der Bundeswehr, die jedoch ein Jahr später für Alle verpflichtend werden soll, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden lassen. Zwar können Wehrdienstverweigerer Zivildienst leisten, aber dessen Wiedereinführung würde einen erneuten Abwärtsdruck auf die Löhne im Pflegesektor mit sich bringen. Marxisten bevorzugen zwar eine Armee aus Wehrpflichtigen einer aus Berufssoldaten, weil eine Wehrpflichtigen-Armee eine engere Verbindung zur Arbeiterklasse hat und sie im Umgang mit der Waffe ausbildet und dadurch bessere Bedingungen für einen anti-militaristischen Widerstand von innen bietet, aber dennoch gilt es in erster Linie, die geplante Erweiterung der Bundeswehr zu bekämpfen: „Keine Person, keinen Cent für die imperialistische Bundeswehr“! Berlin werkelt bereits seit 2023 im Geheimen an einem Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU), der sich auf konkrete Kriegsvorbereitungen konzentriert:
„Deutschland und die Bundeswehr müssen sich darauf einstellen, auf die aktuellen Bedrohungen und die territoriale Verteidigung in Frieden, Krise und auch Krieg zu reagieren. Mit diesem Ziel entwickeln Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Bundeswehr in einer gemeinsamen Planungsgruppe aus Bund, Ländern und Kommunen, den sogenannten Blaulichtorganisationen und der Wirtschaft den militärischen Anteil einer gesamtstaatlichen Verteidigungsplanung, den Operationsplan Deutschland, kurz den ‚OPLAN DEU‘. Dieser ist somit ein wesentlicher Baustein der gesamtstaatlichen und auch gesamtgesellschaftlichen Wehrhaftigkeit.“
– ethikundmilitaer.de, 2024
Der OPLAN DEU beschränkt sich dabei nicht nur auf militärisch-operative Planungen im Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft, sondern stuft dabei bestimmte Teile der Zivilgesellschaft, die die Bundeswehr angeblich verteidigen soll, beispielsweise Kriegsgegner – auch wenn das noch nicht offen ausgesprochen wird – als „Bedrohung“ ein:
„Dabei werden wir von der Erkenntnis geleitet, dass moderne Bedrohungen verknüpft sind und alle Ebenen von Staat und Gesellschaft treffen, zum Beispiel, wenn … Drittstaaten Desinformationen verbreiten und gezielt Misstrauen gegenüber lokalen oder Bundeseinrichtungen schüren. Desinformation kann von außen und innen gesteuert werden und ist somit gleichzeitig ein außen- und sicherheitspolitisches wie ein gesellschaftliches Problem…. Neben Desinformationskampagnen und Fakenews gegen unsere Demokratie und unsere Gesellschaft sind dies vor allem Cyberangriffe, Ausspähung und Sabotage gegen unsere (verteidigungswichtige) Infrastruktur.“
– Ebenda
Das zwischenzeitliche Verbot und die anschließende polizeiliche Prügelorgie gegen Teilnehmer des antimilitaristischen Camps „Rheinmetall entwaffnen“ in Köln unterstreichen, dass die angeblich von demokratischen Werten geleitete deutsche Bourgeoisie nun ernst machen will. Vorangegangen war dem Verbot die Ausweitung der Paragraphen §130 und 140, um der Regierung Handlungsfreiheit zu geben, um unliebsamen politischen Personen und Meinungsäußerungen auch per Haftstrafen begegnen zu können. Desweiteren gestattet es die Sanktionierung und das Einfrieren der Vermögen verschiedener Journalisten. Zuletzt traf es Hüseyin Doğru der linken Medienplattform red.media für dessen Berichterstattung über Polizeiangriffe auf Demonstranten gegen den zionistischen Völkermord. Berlin versucht schon jetzt, sämtliche Kritiker des Kriegskurses für außerhalb des Gesetzes stehend zu erklären.
„Das sind die Stimmen der Kriegsminister: Arbeiter, hörst du sie nicht?“
Die durch die hohen Energiepreise verursachten Werksschließungen in der einstigen Vorzeigeindustrie Deutschlands, der Autoindustrie, führten zu einem drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit, den die Bundesregierung nun für ihr Rüstungsprogramm instrumentalisieren möchte. Kurzfristig will das Kanzleramt Werksschließungen durch die staatsfinanzierte Umstellung auf Rüstungsproduktion vermeiden, um die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeiter für den Aufrüstungs- und Kriegskurs zu gewinnen:
„Die Aussichten an einer Teilhabe an den schuldenfinanzierten Rüstungs-Milliarden der Noch-Nicht Regierung aus der Eigentümer-Partei CDU und den Sozialdemokraten drängt die Autobranche zu einer Geschäftserweiterung. Eine solche Teilhabe am Bau von Panzern und Drohnen wäre für die besagten Konzerne und Großbetriebe eine profitable Erweiterung des angestammten Geschäftsfeldes ziviler Fahrzeug-Produktion…. Kosteneinsparungen, die kontinuierlichen Stellenabbau-Maßnahmen und das Bemühen, die EU-weiten Regulierungen zur Einschränkung des CO2-Ausstoßes aufzuweichen bzw. rückgängig zu machen, bestimmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt die aktuelle Auseinandersetzung in den Auto-Konzernen und Zulieferern.
Nicht ganz unerwartet zwingt der ausgelöste Rüstungshype und die noch ausstehende Vergabe von Milliarden Euro an Rüstungsaufträgen auch die Entscheider der Autobranche, den Rüstungssektor als ergänzenden Hoffnungsträger für das Automobil-Unternehmen zu prüfen und eine Teilhabe an den geplanten Investitionssummen für Rüstungsgeschäfte anzustreben.
Pläne dafür scheinen sich bei VW und Daimler zu konkretisieren. Andere Hersteller wie BMW oder Stellantis halten sich öffentlich noch zurück, könnten aber bei langfristigen Regierungsaufträgen einen ähnlichen Weg beschreiten. Die Autohersteller verfügen infolge der bereits mehrfach erwähnten Absatzrückgänge über umbaufähige Produktionskapazitäten, die für Rüstungsprojekte benötigt werden.“
– Isw-muenchen.de, 7. April 2025
Auch diverse mittelständische Betriebe und der Rüstungsbetrieb Rheinmetall profitieren ganz massiv von der um sich greifenden Militarisierung:
„Rüstungskonzerne verzeichnen angesichts der steigenden Verteidigungsausgaben westlicher Staaten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine rasante Zuwächse. ‚Wir erleben ein Wachstum, wie wir es im Konzern noch nie hatten‘, hatte Rheinmetall-Chef Armin Papperger gesagt.
Auch die Abkopplung der neuen US-Regierung von Europa sowie deren Druck auf Länder der Nato, mehr in die Rüstung zu investieren, könnten selbst bei einer Waffenruhe in der Ukraine für weiter volle Auftragsbücher sorgen. ‚Ich glaube, für unser Unternehmen bedeutet das, dass wir noch mehr wachsen müssen als bisher gedacht‘, hatte Papperger Reuters gesagt.
Der deutschen Autoindustrie bereitet dagegen der Übergang zur Elektromobilität Probleme, zudem lahmen die Verkäufe in China. Aber auch in anderen schwächelnden Branchen werden Werke auf Rüstungsproduktion umgestellt.
Der deutsch-französische Panzerbauer KNDS hatte jüngst das vor dem Aus stehende Werk des Bahntechnik-Konzerns Alstom in Görlitz übernommen und will gut die Hälfte der 700 Mitarbeiter weiterbeschäftigen. Rheinmetall hatte bereits 100 Beschäftigten des defizitären Bremsenwerks von Continental in Gifhorn den Wechsel in eine Munitionsfabrik angeboten. Auch der Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt will Mitarbeiter von Continental und Bosch übernehmen, denen der Verlust des Jobs droht.“
– handelsblatt.de, 24. Februar 2025
Wie ein Bericht der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese unter dem Titel „Ökonomie des Genozids“ belegt, verdienten auch deutsche Unternehmen, insbesondere Waffenhersteller, kräftig an der Besatzung und am Völkermord in Palästina mit:
„Das Land mit den meisten von der Besatzung profitierenden Unternehmen sind die USA (30), gefolgt von Deutschland (15). Darunter befinden sich Axel Springer, Siemens, Volkswagen oder Thyssen-Krupp. Letzterer Konzern konnte milliardenschwere Rüstungsaufträge einstreichen, zuletzt etwa 2022, als die Lieferung drei weiterer U-Boote der ‚Dakar‘-Klasse für die israelische Marine für rund drei Milliarden Euro beschlossen wurde, wovon ein beträchtlicher Teil aus deutschen Steuergeldern bezahlt wird.“
– de, 8. Juli 2025
Langfristig dürfte das Aufrüstungsprogramm die immer wieder aufflackernde Inflation weiter anfachen und dadurch den Niedergang des Lebensstandards der Arbeiterklasse weiter beschleunigen. So schrieb der britische marxistische Ökonom Geoffrey Pilling:
„Wenn wir uns die Art der Militärausgaben etwas genauer ansehen, können wir davon ausgehen, dass die Regierung Militärausgaben tätigt, die durch eine Emission von Papier finanziert werden. Bestimmte Kapitalisten, in Ermangelung profitabler Absatzmöglichkeiten für ihr Kapital in anderen (produktiven) Sphären, greifen zu diesem Papier. Mit den Krediten kauft die Regierung Waffen, die, nehmen wir an, im Einsatz zerstört werden. (Selbst wenn die Waffen physisch bestehen bleiben, können sie natürlich nicht die Quelle des Mehrwerts sein, d.h. das Mittel zur Rückzahlung der ausgegebenen Anleihen). Wo ist der Reichtum, den die Anleihe repräsentieren soll? Marx nannte solches Kapital fiktives Kapital. Trotzki erklärte die strittige Frage daher wie folgt:
Wenn eine Regierung ein Darlehen für produktive Zwecke, z. B. für den Suezkanal, ausgibt, steht hinter den jeweiligen Staatsanleihen ein entsprechender Realwert. Der Suezkanal ermöglicht die Durchfahrt von Schiffen, erhebt Mautgebühren, sorgt für Einnahmen und nimmt ganz allgemein am Wirtschaftsleben teil. Wenn aber eine Regierung Kriegsanleihen auflegt, werden die durch diese Anleihen mobilisierten Werte der Zerstörung unterworfen, und dabei werden weitere Werte ausgelöscht. Die Kriegsanleihen bleiben derweil in den Taschen und Depots der Bürger. Der Staat schuldet Hunderte von Milliarden. Diese Hunderte von Milliarden liegen als Papiervermögen in den Taschen derjenigen, die dem Staat Kredite gegeben haben. Aber wo sind die echten Milliarden? Es gibt sie nicht mehr. Sie sind verbrannt worden. Sie sind vernichtet worden. Was kann der Besitzer dieser Wertpapiere noch erwarten? Wenn er zufällig ein Franzose ist, hofft er, dass Frankreich den Deutschen Milliarden abtrotzen und ihn bezahlen kann.
Dies ist der Schlüssel zum Verständnis einer der stärksten Inflationsursachen der Nachkriegszeit und des zwanzigsten Jahrhunderts im Allgemeinen. Denn, wie Trotzki betont, beinhalten Militärausgaben die Produktion von Waren, die in der kapitalistischen Wirtschaft nicht zirkulieren (und daher keine Waren sind), aber erzeugen dennoch Einnahmen in Form von Löhnen für diejenigen, die sie produzieren, Profite für die Unternehmen, die die Produktion durchführen, und Zinsen für die Rentiers, die dem Staat das Geld für diese Produktion geliehen haben. Dieser Effekt führt tendenziell zu Inflation.“
– Geoffrey Pilling, The Crisis of Keynesian Economics, 1986, S. 129f (Übersetzung durch die BT)
Das Aufrüstungsprogramm findet unter bestimmten Schichten der Arbeiter Anklang, die vor die Wahl gestellt sind, entweder in Arbeitslosigkeit zu versinken oder statt Auto- nun Waffenteile zu produzieren. Während die AfD in Ostdeutschland auch bei Werktätigen und Gewerkschaftern Zulauf verzeichnet und ebenso offensiv für ein riesiges Aufrüstungsprogramm eintritt, wie ihre bürgerlichen Kollegen der CDU, Grünen und FDP, reicht der militaristische Konsens in die bürgerlichen Arbeiterparteien SPD, Die Linke und mit Abstrichen sogar in das Bündnis Sahra Wagenknecht hinein. Bereits im Februar 2024 veröffentlichten das Wirtschaftsforum der SPD und die IG Metall gemeinsam mit Vertretern der Rüstungsindustrie ein Papier mit dem Titel „Souveränität und Resilienz sichern“ – als ob das imperialistische Deutschland ein Problem mit der eigenen Souveränität hätte! Natürlich interpretiert das Papier die russische Intervention in der Ukraine als grundlegende Gefahr für die deutsche Souveränität und fordert ganz unverblümt die Aufrüstung Deutschlands.
Die IG Metall-Bürokraten erhoffen sich dadurch die Erhaltung von Arbeitsplätzen und treten damit die eigene Organisationsgeschichte in den Staub. In ihrer Gründungssatzung von 1948 forderte die IG Metall unter Paragraph 2 noch die „Demokratisierung der Wirtschaft und deren Bereinigung von nationalsozialistischen, militaristischen und reaktionären Elementen“ (zitiert nach: Industriegewerkschaft Metall der Bundesrepublik Deutschland, 75 Jahre Industriegewerkschaft, 1966, S. 461). 77 Jahre später sitzen „militaristische und reaktionäre Elemente“ im eigenen Vorstand. Als wenn das nicht genug wäre, fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seinem Aufruf zu den Ostermärschen ganz Orwell’sch zum friedlichen Aufrüsten auf – natürlich strikt „sozialverträglich“:
„Es droht eine Neuaufteilung der Welt zwischen den drei Großmachtkonkurrenten USA, China und Russland, in deren Rahmen sie sich gegenseitig zur Nichteinmischung in ihre jeweiligen Einflusssphären verpflichten und ihre Interessen mit Druck und Erpressung durchsetzen. Die Europäerinnen und Europäer können sich nicht mehr auf das Schutzbündnis mit den USA verlassen, da die Trump-Administration zwischenzeitlich die territoriale Integrität einzelner Staaten von sich aus in Frage stellt.
Die Europäische Union und die europäischen NATO-Staaten ziehen daraus ihre Konsequenzen: Sie stärken ihre militärische Verteidigungsfähigkeit, um zu verhindern, zum Spielball rivalisierender Großmachtinteressen zu werden.
Vor diesem Hintergrund sehen auch der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die Notwendigkeit, in Deutschland und Europa verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um gemeinsam verteidigungsfähiger zu werden.
Dabei muss allerdings verhindert werden, dass die Erhöhung der Verteidigungsausgaben zulasten sozialer Leistungen oder dringend notwendiger Zukunftsinvestitionen geht. Das gelingt nur mit erweiterten Möglichkeiten zur Kreditfinanzierung dieser zusätzlichen Verteidigungsausgaben.“
– DGB, „Frieden sichern, Verteidigungsfähigkeit erhöhen, Militarisierung stoppen!“, 1. April 2025
Alleine der widersprüchliche Titel des Aufrufs „Verteidigungsfähigkeit erhöhen“, gefolgt von „Militarisierung stoppen!“ deutet an, dass die DGB-Spitze sowohl die eigenen Mitglieder, als auch andere Ostermarsch-Teilnehmer für dumm verkaufen will. Denn das Einzige, woran es bei diesen Plänen der deutschen Bourgeoisie und ihren DGB-Freunden noch hinkt, ist die mangelnde Opferbereitschaft der deutschen Bevölkerung. Während die Regierung Geld und Waffen bereitstellen will, um mittels brachialer Gewalt die Hegemonie des westlichen Imperialismus aufrechtzuerhalten, zeigt die Arbeiterklasse Deutschlands noch immer nicht genug Enthusiasmus, um für die Aufrechterhaltung der Privilegien der herrschenden Klasse den Heldentod zu sterben, wie die oben zitierte Forsa-Studie von Anfang August belegt.
Auch das gewerkschaftliche Bündnis „Sagt Nein!“ liebäugelt mit einer Gegnerschaft zum Rüstungsprogramm, ohne seine Opposition zu Ende zu denken. In seiner Selbstdarstellung erklärt das aus der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), Labournet und diversen anderen linken und Friedensinitiativen bestehende Bündnis:
„Uns eint die Ablehnung eines Denkens in militärischen Kategorien…. Wir verweigern wirtschaftliche und soziale ‚Opfer‘ im Namen der nationalen Ökonomien. Wir fordern den Bruch mit dem ‚sozialen Frieden‘ der Herrschenden! WIR ZAHLEN NICHT FÜR EURE KRIEGE! WAFFEN RUNTER – LÖHNE RAUF!“
– sagtnein.de, ohne Datum
Dass die „Ablehnung des Denkens in militärischen Kategorien“ keine ernstzunehmende Gefahr für die herrschende Klasse darstellt, wird aus dem folgenden annotierten Antrag des Bündnisses zum IG Metall-Gewerkschaftstag vom Oktober 2023 deutlich. Darin heißt es:
„Die russische Führung hat Tod, Leid und Zerstörung über die Zivilbevölkerung gebracht, tagtäglich werden schwerwiegende Verbrechen gegen universelle Menschenrechte verübt. Die IG Metall unterstützt alle Forderungen an die russische Regierung, alle Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und ihre Truppen abzuziehen. Wir setzen uns mit Nachdruck für diplomatische Lösungen auf allen möglichen Ebenen und über alle Kanäle ein. Eine aktive Kriegsbeteiligung Deutschlands ist auszuschließen, die Eskalations- und Rüstungsspirale darf sich nicht weiterdrehen.“
– Leitantrag G.001 Auszug des Kapitels 2.5, Für eine verantwortliche Politik für Frieden und Sicherheit; beschlossene Endfassung, ohne Datum
Statt die Mitverantwortung des deutschen Imperialismus für den Ukraine-Krieg durch das Vorrücken der NATO an Russlands Grenzen anzugreifen, übernimmt „Sagt Nein“ die NATO-Kriegsziele, nur sollen diese doch bitte diplomatisch erlangt werden. In jedem Fall, so spricht es der Antrag ganz arbeiteraristokratisch aus, soll die IG Metall ein Blutvergießen unter deutschen Arbeitern vermeiden. Zudem „sagt“ der Antrag auch gar nicht „Nein“ zum Aufrüstungsprogramm; nur soll es moderater gestaltet werden, als das der Bundesregierung:
„Eine dauerhafte Steigerung des Etats für Rüstung und Verteidigung [auf ein willkürlich erscheinendes, an konjunkturelle Entwicklungen gekoppeltes Zwei-Prozent-Ziel] (– dieser Part scheint zur Streichung vorgeschlagen worden zu sein – Anmerkung der BT) oder gar darüber hinaus lehnen wir ab. Vielmehr muss sich der Verteidigungshaushalt danach bemessen, was zur Erfüllung der Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist.“
– Ebenda
Vor derartigen Rüstungs“gegnern“ muss sich das deutsche Kapital bestimmt nicht fürchten. Die Positionierungen von „Sagt Nein!“, in dem die MLPD prominent vertreten ist, ähneln denen Kautskys vor hundert Jahren und führen dazu, die Arbeiter an den imperialistischen Regierungskurs zu ketten, wie Lenin seinerzeit schrieb:
„In Wirklichkeit hilft die Politik Kautskys und die der Sembat–Henderson in gleicher Weise ihrer eigenen imperialistischen Regierung, da sie die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Hinterlist des Rivalen und Feindes lenkt und über die ebenso imperialistischen Schritte ‚ihrer‘ Bourgeoisie den Schleier nebelhafter Gemeinplätze und frommer Wünsche breitet. Wir würden aufhören, Marxisten, ja überhaupt Sozialisten zu sein, wenn wir uns auf eine sozusagen christliche Betrachtung der Güte wohlgefälliger Gemeinplätze beschränken wollten, ohne ihre wirkliche politische Bedeutung zu enthüllen. Sehen wir denn nicht ständig, dass die Diplomatie aller imperialistischen Mächte sich in wundervollen ‚allgemeinen‘ Phrasen und ‚demokratischen‘ Erklärungen ergeht, um mit ihnen die Ausplünderung, Vergewaltigung und Unterdrückung der kleinen Völker zu verschleiern?“
– Wladimir Lenin, Bürgerlicher und sozialistischer Pazifismus, 1. Januar 1917
Ende Mai forderten Gewerkschaftslinke aus dem Bündnis „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ die DGB-Führung ganz bescheiden auf, „sich sehr viel mehr als Teil der Friedensbewegung [zu] positionieren“:
„Aus guten Grund haben die Gewerkschaften nie ‚nur‘ für bessere Arbeits-, sondern immer auch für bessere Lebensbedingungen gekämpft. Weil sich Arbeitsplätze weder auf einem zerstörten Planeten noch in einer faschistischen Gesellschaft gestalten lassen, war der Kampf gegen Krieg und Faschismus immer auch ein zentrales Handlungsfeld der Gewerkschaften. Die Diskussionen auf den Gewerkschaftstagen der letzten zwei Jahre zeigen, dass es ein wachsendes Bedürfnis danach gibt, dass die Gewerkschaften sich sehr viel mehr als Teil der Friedensbewegung positionieren. Der Aufruf jedenfalls kann dafür einen ersten Beitrag leisten.“
– Berliner-zeitung.de, 20. Mai 2025
Ein Bedürfnis innerhalb der Gewerkschaften dafür zu werben, die fortschreitende Militarisierung mit Streikaktionen zu bekämpfen, fand keine Erwähnung. Die Tatsache, dass dieser Aufruf von Teilen der Die Linke-Führung unterzeichnet wurde, die sich aktiv als linkes Feigenblatt des Militarismus engagiert, belegt, wie schwächlich der „Kampf“ der Gewerkschaften formuliert wurde. Etwas kritischere Stimmen gegen den Rüstungskurs gab es auf dem diesjährigen Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), auf dem die wiedergewählte Vorsitzende Maike Finnern ihre unverbindliche Opposition auf kritische Nachfrage einiger Delegierter kundtat:
„Katharina Niebergall aus Nordrhein-Westfalen kritisierte, die GEW-Vorsitzende habe das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur zu positiv beurteilt. Sie verwies auf die Grundgesetzänderung, wonach das Sondervermögen komplementär zu den Rüstungsausgaben – die Finnern selbst auch kritisch sieht – stehe. ‚Sprich, Kriegstüchtigkeit ist das Stichwort, mit dem Infrastrukturänderungen begründet werden sollen. Und wir werden dafür die Zeche zahlen‘, so Niebergall.
Florian Muhl aus Hamburg sprach von den aktuellen politischen Angriffen auf Zivilklauseln und den bayerischen Plänen, die Kooperation von Hochschulen mit dem Militär zu fördern. Er wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass die unglaublichen Summen für Aufrüstung und Tötungsmaschinen rechte Kräfte tendenziell stärkten. Beide Redner wollten von Finnern wissen, ob und wie die GEW im Bündnis mit anderen Gewerkschaften eine Gegenmacht zu dem aktuellen Kriegskurs aufbauen und wie sie das Thema in Tarifkämpfe einbringen sowie die innergewerkschaftliche Debatte darum fördern möchte.
Sie finde ‚das Finanzieren von Dingen über Sondervermögen eigentlich gar nicht richtig‘, erklärte Finnern darauf. Deshalb fordere die GEW eine Steuerreform. Die potentiell grenzenlose Aufrüstung, die die Grundgesetzänderung möglich gemacht hat, müsse gestoppt werden, betonte sie. Man könne überlegen, Bündnispartner während Tarifauseinandersetzungen zu Streikaktionen einzuladen.“
– jungewelt.de, 22. Mai 2025
PDL und BSW: Linke Politik im Fadenkreuz
Die Linkspartei mauserte sich kurz vor der Bundestagswahl 2021 zu einer Pro-NATO-Partei, der Ämter auf allen Regierungsebenen wichtiger sind, als ihr vormaliger Pazifismus. Die Aufgabe der Opposition gegen die imperialistische Besatzung Afghanistans, als absehbar war, dass die Besatzungstruppen im Herbst 2021 abziehen würden, lässt sich nur damit erklären, dass sich die PDL im Vorfeld der Bundestagswahlen der herrschenden Klasse als verlässlicher Partner anbiedern wollte, um so vielleicht noch in eine rot-grün-rote Koalitionsregierung aufgenommen zu werden. Dass dies kein Ausrutscher war, zeigte sich beim NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland, in der die PDL nach wie vor die Kriegsziele der NATO unterstützt, wenn auch mit pazifistisch klingender Rhetorik. So heißt es im Wahlprogramm-Entwurf für die letzten Bundestagswahlen:
„Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine. Er muss unverzüglich beendet werden, und der Rest der Welt darf nicht wegsehen. Aber wir fordern einen Strategiewechsel: Statt immer mehr Waffenlieferungen braucht es endlich eine gemeinsame Initiative der Bundesregierung und der EU mit China, Brasilien und anderen Staaten des globalen Südens, um Russland an den Verhandlungstisch zu bringen. Gezieltere Sanktionen, die direkt auf die Kriegskasse des Kreml zielen und nicht gegen die russische Bevölkerung gerichtet sind können ein wichtiges Druckmittel für einen gerechten Frieden für die Ukraine sein. Auch gezielte Sanktionen gegen Personen, die sich direkt oder indirekt an Kriegsverbrechen beteiligt haben, können dabei helfen, diplomatischen Druck aufzubauen.“
– Leitantrag zum PDL-Parteitag zur Bundeswahl 2025
So lügen sich die Neo-Noskes der PDL die Realität zurecht, um die anti-russische Aggression des deutschen Imperialismus zu rechtfertigen, der immer noch seinen ukrainischen Stellvertreter nutzt, um Russland zu „dekolonialisieren“. Trotz interner Meinungsverschiedenheiten über die Positionierung zum Konflikt in Westasien verteidigt die PDL-Führung nach wie vor Israel. Mittlerweile gibt es zwar einige kritische Äußerungen am zionistischen Völkermord, die aber lediglich dem Druck der zuletzt stärker gewachsenen Basis geschuldet sind. Die Positionen der PDL-Führung finden auch Ausdruck in ihren parlamentarischen Manövern. Die PDL spielte bei dem parlamentarischen Theater nach der Bundestagswahl im Februar 2025 eine staatstragende Rolle, als eine 2/3-Mehrheit mit der alten Sitzverteilung für die Aufhebung der Schuldenbremse nötig war, um ungehemmt das größte Rüstungsprogramm seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland zu finanzieren. Die PDL versuchte gar nicht erst, das Zustandekommen der dazu erforderlichen 2/3-Mehrheit zu verhindern, sondern versteckte ihre Zustimmung hinter der Parole, nicht mit der AfD zusammenarbeiten zu wollen. Die PDL ist nicht gegen Aufrüstung, nur soll sie sich bitte auf die Landesverteidigung beschränken, wie der Parteivorsitzende Jan van Aken betont:
„Die NATO-Verteidigungsminister beschließen das größte Aufrüstungsprogramm seit Jahrzehnten und lügen uns dabei dreist ins Gesicht. So sind die 200 Milliarden Euro, die Deutschland zusätzlich ausgeben will, zum großen Teil für Auslandseinsätze gedacht. Es geht gar nicht um Landesverteidigung, sondern um weltweite Einsätze. Die EU will vierte Weltmacht werden und steckt deshalb hunderte Milliarden in neue Waffen.
Wenn es tatsächlich nur um die EU- und die Landesverteidigung ginge, würden die derzeitigen Verteidigungsetats völlig ausreichen.“
– Die-linke.de, 6. Juni 2025
Diese Forderung, den Militärhaushalt alleine auf Gerät für die Landesverteidigung zu beschränken, hielt jedoch nicht lange. So stimmten die beiden Landesregierungen, an denen Die Linke beteiligt ist, direkt für das Aufrüstungspaket, wie das parteinahe Neue Deutschland berichtet:
„Die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, an denen Die Linke beteiligt ist, stimmten im Bundesrat dem Finanzpaket für Infrastruktur und Aufrüstung und einer Lockerung der Schuldenbremse dafür zu – das wird der Partei, die sich eben noch im Erfolg bei der Bundestagswahl sonnte, lange anhängen…. Zumal die wenigen Stimmen aus Bremen und Schwerin für die Mehrheit im Bundesrat nicht einmal nötig waren. Bleibt der Eindruck, dass es nicht mehr als ein Kniefall vor den Sozialdemokraten in den Koalitionen ist. Wenn man dem bei der Bundestagswahl gescheiterten BSW schnell wieder auf die Beine helfen will, dann so. Denn das BSW, das auch in zwei Landesregierungen sitzt, blieb hart – mit der Folge, dass Thüringen und Brandenburg sich im Bundesrat enthielten.“
– Nd-aktuell.de, 25. März 2025
Die Kritik am Abstimmungsverhalten der PDL, und es rumorte an der Basis ordentlich, wurde recht schnell abgebügelt. Gegen die jetzigen „Verteidigungs“ausgaben, mittels derer das ukrainische Militär gegen Russland ausgestattet wird, hat die PDL keine Einwände; nur würde sie lieber Sanktionen statt Leopard 2-Panzer und Taurus-Raketen zur Schwächung Moskaus verwenden. Angesichts der schieren Anzahl von „realpolitischen“ Kapitulationen vor der deutschen Bourgeoisie ist abzusehen, dass die heutige PDL-Spitze kein Hindernis für das Kanzleramt darstellen wird, wenn wieder „zurückgeschossen“ werden soll. Rosa Luxemburg schrieb 1916 über den Verrat der Mehrheits-SPD, deren heutige politische Pendants sich in der SPD und PDL befinden:
„Die unter einmütiger Zustimmung der deutschen Partei- und Gewerkschaftsvertreter angenommene Resolution des Stuttgarter Internationalen Kongresses von 1907, die in Basel 1912 nochmals bestätigt wurde, besagt:
Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, ist es die Pflicht der Sozialdemokratie, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen. [Hervorhebungen – RL]
Was tat die Sozialdemokratie in diesem Kriege? Das direkte Gegenteil von dem Gebot des Stuttgarter und Baseler Kongresses: sie wirkt durch die Bewilligung der Kredite und die Einhaltung des Burgfriedens mit allen Mitteln dahin, die wirtschaftliche und politische Krise, die Aufrüttelung der Massen durch den Krieg zu verhüten. Sie ‚strebt mit allen Kräften‘ darnach, die kapitalistische Gesellschaft vor ihrer eigenen Anarchie im Gefolge des Krieges zu retten, damit wirkt sie für die ungehinderte Verlängerung des Krieges und die Vergrößerung der Zahl seiner Opfer. Angeblich wäre – wie man von den Reichstagsabgeordneten oft hören kann –, kein Mann weniger auf dem Schlachtfeld gefallen, ob die sozialdemokratische Fraktion die Kriegskredite bewilligt hätte oder nicht. Ja, unsere Parteipresse vertrat allgemein die Meinung: wir müßten gerade die ‚Verteidigung des Landes‘ mitmachen und unterstützen, um für unser Volk möglichst die blutigen Opfer des Krieges zu verringern. Die betriebene Politik hat das Gegenteil erreicht: erst durch das ‚vaterländische‘ Verhalten der Sozialdemokratie, dank dem Burgfrieden im Rücken, konnte der imperialistische Krieg ungescheut seine Furien entfesseln.“
– Rosa Luxemburg, Die Krise der Sozialdemokratie (Junius-Broschüre), 2. Januar 1916
Das BSW, das zuletzt aufgrund seiner Regierungsbeteiligungen wieder einmal Angriffe auf die Arbeiterklasse mitverantwortete, positionierte sich als „einzige Friedenspartei in Deutschland“:
„Das BSW hat im Bundestag gegen die Kriegskredite protestiert und auch im Bundesrat dagegen gestimmt. Das 5-Prozent-Ziel der Nato wird den Sozialstaat zerstören und unsere Wirtschaft noch tiefer in die Krise treiben. Die künftigen Militärausgaben entsprechen der Hälfte des aktuellen Bundeshaushalts und kosten eine vierköpfige Familie 6400 Euro pro Jahr zusätzlich. Gleichzeitig zerfällt die öffentliche Infrastruktur, werden Schulen, Krankenhäuser und Verkehrswege vernachlässigt. Das BSW kämpft dafür, dass der Aufrüstungswahn gestoppt wird und Deutschland sich wie Spanien den 5-Prozent-Verpflichtungen der Nato verweigert. Wir unterstützen das Manifest der SPD-Politiker um Rolf Mützenich. Deutschland braucht wieder eine starke Friedensbewegung! … Ein militärischer Führungsanspruch Deutschlands in Europa ist ebenso gefährlich wie anmaßend. Leider stehen wir mit diesen Positionen im Parteienspektrum ziemlich allein. Auch die AfD unterstützt die Aufrüstung. Die LINKE hat den Kriegskrediten im Bundesrat zugestimmt. Das BSW ist die einzige Friedenspartei in Deutschland!“
– Bsw-vg.de, 29. Juni 2025
Da sich die SPD-Linke um Rolf Mützenich sowohl durch das erbärmliche Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl, der sich anbahnenden Niederlage der NATO in der Ukraine, als auch durch den Aufstieg des BSW in ihren pazifistischen Positionen gestärkt sieht, veröffentlichte sie ein Manifest, in dem es heißt:
„Die auf den Prinzipien der KSZE Schlussakte basierende europäische Sicherheitsordnung wurde schon in den letzten Jahrzehnten vor dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine immer mehr untergraben – auch durch den ‚Westen‘ – so etwa durch den Angriff der Nato auf Serbien 1999, durch den Krieg im Irak mit einer ‚Koalition der Willigen‘ 2003 oder durch Nichteinhaltung der 1995 bekräftigten nuklearen Abrüstungsverpflichtungen des Atomwaffensperrvertrags, durch Aufkündigung oder Missachtung wichtiger Rüstungskontrollvereinbarungen zumeist durch die USA oder auch durch eine völlig unzureichende Umsetzung der Minsker Abkommen nach 2014.
Diese historische Entwicklung zeigt: Nicht einseitige Schuldzuweisungen, sondern eine differenzierte Analyse aller Beiträge zur Abkehr von den Prinzipien von Helsinki ist notwendig. Gerade deshalb dürfen wir jetzt nicht die Lehren aus der Geschichte vergessen. Eine Rückkehr zu einer Politik der reinen Abschreckung ohne Rüstungskontrolle und der Hochrüstung würde Europa nicht sicherer machen. Stattdessen müssen wir wieder an einer Friedenspolitik mit dem Ziel gemeinsamer Sicherheit arbeiten.“
– SPD-Friedenskreise, „Manifest – Friedenssicherung durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“, ohne Datum
Auch die SPD-Linken verweigern sich also keineswegs einem Anstieg des Rüstungsetats, nur sind ihnen die geforderten fünf Prozent des Bruttosozialprodukts genauso wie dem BSW zu viel:
„Zudem ist Europa heute mehr denn je gefordert, eigenständig Verantwortung zu übernehmen. Unter Präsident Trump verfolgen die USA erneut eine Politik, die auf Konfrontation besonders gegenüber China setzt. Damit wächst die Gefahr einer weiteren Militarisierung der internationalen Beziehungen. Europa muss dem eine eigenständige, friedensorientierte Sicherheitspolitik entgegensetzen und aktiv an einer Rückkehr zu einer kooperativen Sicherheitsordnung mitwirken – orientiert an den Prinzipien der KSZE-Schlussakte von 1975.
Dabei ist klar: Eine verteidigungsfähige Bundeswehr und eine Stärkung der sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit Europas sind notwendig. Diese Verteidigungsfähigkeit muss aber in eine Strategie der Deeskalation und schrittweisen Vertrauensbildung eingebettet sein, – nicht in einen neuen Rüstungswettlauf.“
– SPD-Friedenskreise, a. a. O.
Rosa Luxemburg hielt solch bürgerlich-pazifistischen Argumenten 1916 im inter-imperialistischen Krieg entgegen:
„Aber diese Politik kann nicht darin bestehen, daß die sozialdemokratischen Parteien jede für sich oder gemeinsam auf internationalen Konferenzen um die Wette Projekte machen und Rezepte für die bürgerliche Diplomatie ausklügeln, wie diese den Frieden schließen soll, um die weitere friedliche und demokratische Entwicklung zu ermöglichen. Alle Forderungen, die etwa auf die völlige oder stückweise ‚Abrüstung‘, auf die Abschaffung der Geheimdiplomatie, auf Zerschlagung aller Großstaaten in nationale Kleinstaaten und dergleichen mehr hinauslaufen, sind samt und sonders völlig utopisch, solange die kapitalistische Klassenherrschaft das Heft in den Händen behält. Diese kann zumal unter dem jetzigen imperialistischen Kurs so wenig auf den heutigen Militarismus, auf die Geheimdiplomatie, auf den zentralistischen gemischtnationalen Großstaat verzichten, daß die betreffenden Postulate eigentlich mit mehr Konsequenz allesamt auf die glatte ‚Forderung‘ hinauslaufen: Abschaffung des kapitalistischen Klassenstaates. Nicht mit utopischen Ratschlägen und Projekten, wie der Imperialismus im Rahmen des bürgerlichen Staates durch partielle Reformen zu mildern, zu zähmen, zu dämpfen wäre, kann die proletarische Politik sich wieder den ihr gebührenden Platz erobern. Das eigentliche Problem, das der Weltkrieg vor die sozialistischen Parteien gestellt hat und von dessen Lösung die weiteren Schicksale der Arbeiterbewegung abhängen, das ist die Aktionsfähigkeit der proletarischen Massen im Kampfe gegen den Imperialismus.“
– Luxemburg, a. a. O.
Während Die Linke trotz aller rhetorischen Nebelkerzen offen für das Aufrüstungsprogramm eintritt, fordern das BSW und die SPD-Linken um Mützenich die Bundesregierung lediglich dazu auf, sich doch bitte etwas zu zügeln und das Rüstungsprogramm sozialverträglicher zu gestalten. Lenin schrieb über Organisationen wie das BSW und die SPD-Linke, die das abhängig-kapitalistische Russland mit dem deutschen Imperialismus aufgrund beidseitiger Gewaltanwendung auf eine Stufe stellen:
„Die bürgerlichen Nationalisten haben immer und überall mit ‚allgemeinen Phrasen‘ über einen ‚Bund der Völker‘ schlechthin, über die ‚ökonomische Freiheit aller Völker, der großen wie der kleinen‘, Staat gemacht. Die Sozialisten haben zum Unterschied von den bürgerlichen Nationalisten erklärt und erklären auch jetzt: von ‚ökonomischer Freiheit der großen und kleinen Völker‘ faseln, ist widerliche Heuchelei, solange die einen Völker (z. B. England und Frankreich) im Ausland Geld anlegen, d. h. den kleinen und rückständigen Völkern gegen Wucherzinsen Milliarden und Abermilliarden Frank Kapital als Darlehen überlassen und so die kleinen und schwachen Völker in Schuldknechtschaft halten.“
– Wladimir Lenin, Bürgerlicher und sozialistischer Pazifismus, 1. Januar 1917
Angesichts der Erfordernisse des kapitalistisch-imperialistischen Weltsystems, in dem die deutsche Bourgeoisie bei Gefahr des eigenen Untergangs wieder eine führende Rolle spielen will, bleiben die halb-pazifistischen Forderungen des BSW und Mützenichs wirkungslos. Nicht umsonst sagte Merz, dass der israelisch-amerikanische Angriff auf den Iran „die Drecksarbeit für uns alle“ verrichte, während Berlin Russland, trotz militärisch aussichtsloser Lage, auf Kosten der Leben ukrainischer Arbeiter „bis zur letzten Patrone“ weiter bekämpfen lassen will.
Selbsternannte Revolutionäre laufen der PDL „kritisch“ hinterher
Die Revolutionäre Kommunistische Partei (RKP), die noch vor kurzem Tiefen-Entrismus in die PDL beging und dann mechanisch den Kurs ihres Londoner Hauptquartiers nachahmte, als die britische RKP-Vorgängerorganisation nach knapp 60 Jahren trotz strikter opportunistischer Anpassung aus der Labour-Partei ausgeschlossen wurde, möchte nun wieder eine eigenständige Partei aufbauen. Doch angesichts des Mitgliederzulaufs der PDL ist sie hin- und hergerissen: Auf der einen Seite erfordert der Aufbau einer revolutionären Partei den Bruch mit der PDL, auf der anderen hat sich die RKP aber nicht entschieden vom vorherigen Kurs abgewendet, der in ihrer Organisationsgeschichte immer darin bestand, den Massen hinterherzulaufen und das eigene Programm entsprechend anzupassen. Dieses Verhaltensmuster ist auch trotz Ende des Tiefen-Entrismus geblieben. Die RKP erkennt an, dass sich mit der PDL weder ein konsequenter Kampf gegen Sozialabbau noch ein revolutionärer Anti-Militarismus machen lässt:
„Gysi trat als vehementer Befürworter von ‚Verteidigungsausgaben‘ auf und verschwieg die sozialen Konsequenzen und die kommende barbarische Politik der bürgerlichen Parteien. Angetreten war die Linkspartei mit dem Versprechen ‚auf die Barrikaden‘ zu gehen. Sie sagte, sie werde die Kürzungspolitik, Aufrüstung und Tatenlosigkeit der bürgerlichen Parteien in der Klimakrise anprangern und einen Kampf dagegen führen. Doch Gysis erster Auftritt im neuen Bundestag stand im Lichte der Versöhnung mit dem Klassenfeind. Damit beschreitet die Führung der Linkspartei nach der Bundestagswahl den selben Pfad, der sie vorher in die tiefe Krise geführt hat.“
– marxist.com, 17. April 2025
Aber angesichts des Massenzulaufs zur PDL ist die RKP begeistert über die vermeintlichen Möglichkeiten, die jetzt entstanden sind:
„Der Wahlerfolg der Linkspartei hat den Wunsch der Jugend zu kämpfen offengelegt. Die Linkspartei hat es jetzt in der Hand die Passivität der Arbeiterbewegung, die den Massen von der Gewerkschaftsführung auferlegt wird, zu durchbrechen, indem sie die Jugend auf die Straße mobilisiert für eine Protestbewegung gegen Sparpolitik, Aufrüstung und die kommende Regierung. Das ist die Verantwortung, die die Linkspartei jetzt trägt: Sie muss die soziale Opposition auf die Straße zu bringen, sie sollte ihre Mitgliedschaft und Wählerschaft (über 4 Mio. Stimmen) zum Kampf rufen. Wir Kommunisten sind der Meinung, die Linkspartei sollte für ihr Programm auf der Straße kämpfen, dafür wurde sie gewählt.“
– Ebenda
Wie die RKP selbst feststellt, dient die rhetorische „Anti-Kriegs“-Positionierung der PDL-Führung lediglich dazu, die Arbeiterklasse als Stimmvieh zu missbrauchen, mit deren Hilfe man sich neue Pöstchen angeln möchte. Andernorts fügt sie hinzu, dass die PDL nun „ihr Versprechen einlösen“ könne, „die Linkspartei zur sozialen Opposition zu machen“, was „angesichts des gesellschaftlichen Klimas einen Aufschwung des Klassenkampfes in Deutschland in die Wege leiten“ könne, zitiert aber gleichzeitig CDU-Politiker Mario Vogt:
„‚Mit einer Partei, die nicht wie die AfD auf einen Systemsturz hinarbeitet, kann die CDU jenseits aller grundsätzlichen Differenzen parlamentarische Absprachen aus staatspolitischer Verantwortung treffen.‘“
– derkommunist.de, 27. Mai 2025
Der Bruch der RKP mit dem Tiefen-Entrismus ist lediglich hauchdünn. Während sie zwar einerseits anerkennt, dass die PDL trotz anderslautender Rhetorik sich aktiv an der Aufrüstung und anderen Angriffen auf die Arbeiterklasse beteiligt, formuliert sie keinerlei eigenständige Perspektive jenseits der PDL, sondern hofft, dass die PDL-Führung überzeugt werden kann, nach knapp 20 Jahren permanenten Ausverkaufs von Arbeiterinteressen zugunsten parlamentarischer Pöstchen ein klassenkämpferisches Programm anzunehmen. Auch die Sozialistische Alternative (SAV) löst diesen Widerspruch zwischen Anerkennung der wirklichen Rolle von Die Linke als Gefahr für die Arbeiterbewegung und der gleichzeitigen Hoffnung, dass Die Linke irgendwie den Kampf gegen Aufrüstung und Sozialabbau führen könnte, nicht auf. Einerseits schreibt sie:
„Es ist leider nichts Neues, dass auch Teile der Partei Die Linke bei der Frage des Militarismus umgefallen sind und offen gegen die Grundsätze und Beschlüsse der eigenen Partei verstoßen haben. Oft ‚nur‘ in gedanklichen Vorstößen, aber immer wieder auch in konkreten parlamentarischen Entscheidungen, so bei der Abstimmung der auf dem Ticket der Linken gewählten EU-Parlamentarierin Carola Rackete für Waffenlieferungen an die Ukraine.
Die Zustimmung der Landesregierungen von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern – welche die Senator*innen bzw. Minister*innen der Partei Die Linke hätten verhindern können – zur Aufhebung der Schuldenbremse für die Aufrüstung stellt den bisher schwerwiegendsten Bruch der antimilitaristischen Grundsätze der Partei dar.“
– info, 28. März 2025
Trotz des treffenden Vergleichs der SAV von Die Linke mit der SPD 1914, in dem sie diese als „einzige relevante antimilitaristische Partei“ bezeichnet, nimmt sie ihre „anti-militaristischen Sonntagsreden“ ernster, als deren tatkräftige Unterstützung des deutschen Militarismus seit Ende der Besatzung Afghanistans. Ebenso wie die RKP verlässt sich die SAV gerade auf Diejenigen, die die Arbeiterklasse an das Aufrüstungsprogramm der herrschenden Klasse binden – IG-Metall-Bürokraten und Die Linke.
Die Revolutionär-Internationalistische Organisation (RIO) und ihre Online-Publikation Klasse gegen Klasse vertritt einen besseren Ansatz als die RKP, der der PDL gegenüber nicht ganz so unterwürfig ist und argumentiert:
„Es ist notwendig, sich vor Augen zu führen, welche Bedeutung die Vorhaben von Merz und die Abstimmung der Linken haben. Wir befinden uns in einer Welt zunehmender Kriege: Israel hat den Krieg gegen Gaza und seine Nachbarn wieder aufgenommen. Der Ukraine-Krieg findet kein Ende. Die europäischen Regierungen wollen mit einem Aufrüstungswettlauf auf Trump und Putin antworten und erhöhen die Gefahr für zukünftige kriegerische Eskalation. Zur Rechtfertigung schüren die herrschenden Parteien die Angst vor der ‚russischen Bedrohung‘, als ob ein Angriff auf Berlin unmittelbar bevorstünde, was völlig an der Realität vorbeigeht. Sie tun dies, um ein Klima der Angst und der ‚nationalen Einheit‘ zu schaffen, um die historischen Ausgaben für die Aufrüstung zu rechtfertigen.“
– klassegegenklasse.org, 28. März 2025
Die Heraufbeschwörung einer russischen Gefahr durch das Kanzleramt hat wenig mit der Realität zu tun. Die Russische Föderation will keineswegs die EU erobern. Allerdings hat Putin die EU-Staaten gewarnt, dass eine direkte Einmischung in den Krieg jenseits der bereits vorhandenen, z. B. durch eine Truppenentsendung in die Ukraine, diese genauso zum Ziel russischer Schläge machen würde, wie die Sendung von Raketen, die nur mit deutscher Hilfe abgefeuert werden können. RIO schätzt die materielle Stärke Russlands korrekt ein, wenn sie schreibt, dass es „über keine nennenswerte internationale Ausrichtung seiner Monopole und Kapitalexporte“ verfügt („Russische Bedrohung“: Jenseits der Kriegspropaganda, Klassegegenklasse.org, 6. Juli 2025). In einem anderen Artikel proklamiert RIO etwas selbstgefällig:
„Russland wiederum hat gezeigt, dass es keine unmittelbare Bedrohung für die USA darstellt – es ist nicht einmal in der Lage, die Ukraine innerhalb von drei Jahren zu besiegen. Damit entfällt jedoch die historische Begründung für die NATO als Bollwerk gegen Russland, und die USA wenden sich folglich von ‚Europa‘ ab.“
– „Großmachtambitionen auf dünnem Eis“, klassegegenklasse.org, 6. Juli 2025
RIO verschweigt hier, dass Russland nicht nur gegen die ukrainischen Truppen kämpft, sondern den Militärapparat der NATO seit drei Jahren zermürbt. Im Gegensatz zu RIOs Annahme der vermeintlichen militärischen Schwäche Russlands versucht sich Trump gelegentlich vom ukrainischen NATO-Abenteuer zu distanzieren, gerade weil sich das russische Militär als stärker erwiesen hat als die herrschenden Klassen des Westens angenommen haben. RIO hat recht, dass sich das deutsche Aufrüstungsprogramm auch aus der zunehmend unsicheren Weltlage und der Erosion der bisherigen Bündnisstrukturen ergibt, aber hätte die NATO Russland geschlagen, gäbe es die Krise nicht, in der sich der deutsche Imperialismus befindet, denn dann hätte sie Zugang zu noch billigeren russischen Energieträgern. RIO erkennt an, dass:
„Die Gefahr, die aus der internationalen Lage entsteht, zweifellos weniger in der Macht Russlands als in der derzeitigen Dynamik der Militarisierung und ihren Auswirkungen [liegt]. Als Reaktion auf Trumps Kehrtwende in der Ukraine-Politik wurde auf dem alten Kontinent bereits eine historische Wende hin zur Militarisierung vollzogen und die Atlantische Allianz in der Ostsee gestärkt.
So könnte der europäische Militarismus die Situation mit Russland so weit verschärfen, dass ein einfacher ‚Unfall‘ den Kontinent an den Rand eines allgemeinen Krieges bringen könnte, insbesondere wenn diese oder jene Macht ihre strategischen oder lebenswichtigen Interessen in Gefahr sieht. Aus diesem Grund wäre es falsch zu glauben, dass die nächste Eskalation mechanisch nur zu einem Konflikt zwischen Russland und Europa führen wird. Die europäischen Mächte haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie den Kontinent in eine Katastrophe stürzen können. Nichts garantiert, dass die EU-Staaten angesichts der Verschlechterung der internationalen Lage nicht beginnen werden, miteinander zu konkurrieren und sich feindselig gegenüberzutreten.“
– „Russische Bedrohung“, a. a. O.
Aber dennoch weigern sich RIO und ihre Schwesterorganisationen in der Trotzkistischen Fraktion (TF), aus diesen empirisch richtigen Einschätzungen entsprechende politische Schlussfolgerungen zu ziehen, nämlich den militärischen Sieg Russlands gegen die NATO-Imperialisten zu fordern:
„Putin profitiert zwar vom Niedergang Europas in seinem historischen Einflussbereich, insbesondere weil Russland (wie China) in der kolonialen Erinnerung Afrikas keine Rolle spielt. Er versucht, den Kontinent zu einem Vorposten im Kampf für eine multipolare Ordnung zu machen, doch ist die russische Macht weit davon entfernt, eine progressive Alternative zu den alten Imperialismen zu bieten. Zusammen mit China bildet sie einen ebenso reaktionären kapitalistischen Block, der seine eigenen imperialen Interessen verfolgt und versucht, sich die strategischen Ressourcen des Kontinents anzueignen. Ihre kapitalistischen Ambitionen stehen somit im Widerspruch zu den Interessen der Arbeiter:innen, Bäuer:innen und unterdrückten Völker Afrikas und der ganzen Welt.“
– Ebd.
Der Kauf afrikanischer Rohstoffe durch Russland, das im Austausch Verteidigungsdienstleistungen sowohl gegen direkte imperialistische Übergriffe als auch diejenigen der imperialistischen Al Qaida-Stellvertreter den Regierungen Malis, Nigers und Burkina Fasos anbietet, ist wohl kaum gleichzusetzen mit der französischen, deutschen und US-Besatzung dieser Länder, mittels derer die Imperialisten ihnen Knebelverträge aufzwangen, die deren Ausbeutung zementierte. Angesichts der Tatsache, dass sich der Konflikt Russlands mit der NATO in der unmittelbaren Nachbarschaft Deutschlands mit tatkräftiger Beteiligung Berlins abspielt, schreibt die französische Schwesterorganisation RIOs zurecht, dass „es schwer zu übersehen ist, dass die ‚russische Bedrohung‘ zum Schlüsselbegriff militaristischer Diskurse geworden ist, die die Wiederaufrüstung Europas rechtfertigen“. Die Position RIOs, der TF und allen anderen Organisationen, die Russland als imperialistisch bezeichnen, gleicht damit derer Rosa Luxemburgs in ihrer Junius-Broschüre, die Lenin seinerzeit als „Gleichgültigkeit“ bezeichnete, die zum „Chauvinismus“ gegenüber abhängig-kapitalistischen Ländern wird:
„Nationale Kriege der Kolonien und Halbkolonien sind in der Epoche des Imperialismus nicht nur wahrscheinlich, sondern unvermeidlich. In den Kolonien und Halbkolonien (China, Türkei, Persien) leben bis zu tausend Millionen Menschen, d. h. über die Hälfte der gesamten Bevölkerung der Erde. Nationale Freiheitsbewegungen sind hier entweder schon sehr stark, oder sie sind im Wachsen und in Entwicklung begriffen. Jeder Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Die Fortsetzung der Politik der nationalen Befreiung in den Kolonien werden unvermeidlicherweise nationale Kriege der Kolonien gegen den Imperialismus sein…. Es wäre natürlich sehr traurig, wenn die ‚Linken‘ der Theorie des Marxismus gegenüber einen Mangel an Sorgfalt bekundeten in einer Zeit, in der die Gründung der III. Internationale nur auf dem Boden des nicht vulgarisierten Marxismus möglich ist. Aber auch in praktisch-politischer Hinsicht ist dieser Fehler sehr schädlich: aus ihm wird die unsinnige Propaganda für die ‚Entwaffnung‘ abgeleitet, da es angeblich keine anderen Kriege als reaktionäre mehr geben könne; aus ihm leitet man die noch sinnlosere und direkt reaktionäre Gleichgültigkeit den nationalen Bewegungen gegenüber ab. Eine solche Gleichgültigkeit wird zum Chauvinismus, wenn Angehörige der europäischen ‚großen‘ Nationen, d. h. der Nationen, die eine Masse kleiner und kolonialer Völker unterdrücken, mit hoch gelahrter Miene erklären: ‚Nationale Kriege kann es nicht mehr geben!‘ Nationale Kriege gegen imperialistische Mächte sind nicht nur möglich und wahrscheinlich, sie sind unvermeidlich, sie sind fortschrittlich und revolutionär, obgleich natürlich zu ihrem Erfolge entweder die vereinten Anstrengungen einer ungeheuren Zahl von Bewohnern unterdrückter Länder (hunderte Millionen in dem von uns angeführten Beispiel Indiens und Chinas) erforderlich sind oder eine besonders günstige Konstellation der internationalen Lage (z. B. Lähmung der Intervention der imperialistischen Staaten infolge ihrer Schwächung, ihres Krieges, ihres Antagonismus usw.) oder der gleichzeitige Aufstand des Proletariats einer der Großmächte gegen die Bourgeoisie (dieser in unserer Aufzählung letzte Fall ist der erste vom Standpunkt des Wünschenswerten und für den Sieg des Proletariats Vorteilhaften).“
– Lenin, Über die Junius-Broschüre, Oktober 1916
Durch die Gleichsetzung des abhängig-kapitalistischen Russlands mit dem NATO-Imperialismus, gegen dessen militärisches Vorrücken an seine Grenzen sich Moskau verteidigt, unterstützt RIO ungewollt Regierungsnarrative über eine russische Bedrohung. Kommunisten hingegen stellen sich auf die Seite der Opfer des deutschen Imperialismus, und verurteilen jeden Versuch, Opfer und Täter auf die gleiche Stufe zu stellen.
Stalinisten vergessen Klassenkampf als anti-militaristisches Mittel
Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), deren Mehrheit anders als die allermeisten pseudo-trotzkistischen Organisationen die für die Niederlage der NATO im Krieg gegen Russland ist, steht auf der richtigen Seite der Barrikade. In einem Beitrag zur DKP-Konferenz in Frankfurt am Main Anfang Juli argumentierte Mark Ellman etwa:
„Wir wollen uns nun auch darüber austauschen,
- wie wir unsere grundsätzlich oppositionelle Position zu Fragen, die uns die herrschende Klasse täglich über ihre Leitmedien eintrichtert, z. B. zur Energieversorgung oder zur wirtschaftlichen Lage, in die Klasse tragen,
- als auch, wie wir unsere Positionen zu den Fragen, die sich aus marxistisch-leninistischer Perspektive heute objektiv für Friedenskräfte stellen (z. B.: Ist Russland imperialistisch?), in die Bündnisse, auf die Straße und im Bestfall in die Betriebe tragen.
Dafür war es notwendig, dass wir – trotz hartem Gegenwind – als Partei erklären,
- dass der Krieg in der Ukraine seit 2014 geführt wird und die NATO-Imperialisten das Minsk-2-Abkommen haben platzen lassen,
- oder was am 7. Oktober 2023 aus Gaza heraus passiert ist,
- oder dass der Sturz von Assad in Syrien ein objektiver Rückschritt für die antiimperialistischen Kräfte ist,
- ebenso, wie wir nun deutlich machen, dass der Krieg gegen den Iran von strategischer Bedeutung für die NATO ist.
Denn bei allem Engagement um den Frieden und bei aller Notwendigkeit, die Imperialisten in ihrer Kriegsvorbereitung zu sabotieren und dabei im Bestfall die kriegerische Eskalation zu sabotieren: Wir wissen, dass der Imperialismus nicht friedlich sein kann und sollten mit dieser Erkenntnis offensiv umgehen.“
– Unsere-zeit.de, 11. Juli 2025
Auch wenn sie ein besseres Verständnis der vom deutschen Imperialismus ausgehenden Bedrohung für den Globalen Süden hat, bleibt die DKP im Kampf gegen die Aufrüstung ihrem sozialdemokratischen Pazifismus treu. So appelliert sie an die Gewerkschaftsspitzen, während sie gleichzeitig deren Verbrechen einräumt:
„Auch der DGB fordert zwar eine Reform der Schuldenbremse, kritisiert jedoch nicht, dass Milliarden für den zivil-militärischen Umbau der Infrastruktur zweckentfremdet werden. Der Verteidigungsetat wächst und wächst, während für Personaloffensiven im Nahverkehr und bezahlbare Tickets angeblich kein Geld da ist. Die Gewerkschaften laufen damit Gefahr, Teil der Heimatfront zu werden, anstatt sie zu durchbrechen.
Dabei wären klare Forderungen überfällig: Nein zu militärischer Vorranglogistik. Ja zu einem zivilen, demokratisch kontrollierten Infrastrukturfonds für die Pendlerinnen und Pendler, nicht für Panzer. Nein zur Priorisierung von Kriegsvorbereitung unter dem Deckmantel der Modernisierung. Ja zu öffentlicher Bahn, guter Arbeit und klimagerechter Mobilität.“
– Unsere-zeit.de, 11. Juli 2025
Statt darauf zu verweisen, dass diese Forderungen nur durch Klassenkampfmaßnahmen umgesetzt werden können, die mit einer Perspektive auf die sozialistische Revolution verbunden sind, muss das Friedensprogramm der DKP notwendigerweise in der Gewerkschaftsbürokratie auf taube Ohren stoßen, während es denjenigen Kollegen, die etwas gegen die Militarisierung tun wollen, vorgaukelt, dass Appelle an die Führung der Gewerkschaften diese zum Umdenken bewegen können, wenn sie nur lautstark genug vorgetragen werden. Dabei ignoriert die DKP die Tatsache, dass die DGB-Spitzen strikt auf Legalität und dem mit ihr verbundenen Erhalt des kapitalistischen Systems verpflichtet sind und die von der DKP aufgestellten Forderungen schon deshalb nicht durchsetzen werden, weil die dazu nötigen politischen Streiks offiziell illegal sind. Trotz rhetorischer Bezugnahme auf Klassenkampf und die Erkenntnis, „dass der Imperialismus nicht friedlich sein kann“ deutet Ellman die klassisch stalinistische Orientierung auf eine Volksfront gegen Krieg an, die bürgerliche Kräfte miteinschließen soll:
„Die politische Einheit der etablierten Parteien beim Kriegskurs des deutschen Imperialismus, von AfD bis Linkspartei, verdient eine breite Friedensbewegung quer durch die politischen Parteien, und vor allem hörbar auf der Straße als außerparlamentarische Opposition.
Wir wollen einen Beitrag zur Stärkung dieser Bewegung leisten und können bei diesem Vorhaben auf Erfahrungen unserer Partei, z. B. aus dem Kampf gegen Militarisierung und Atomtod in der BRD, zurückgreifen.“
– Unsere-zeit.de, 11. Juli 2025
Aber will man bürgerliche Kreise für den Pazifismus gewinnen, muss man klassenkämpferische Forderungen zurückstellen und so schließt Ellman:
„In den Gewerkschaften und also auch im Umfeld der Sozialdemokratie wollen wir die Einsicht verbreiten, dass die explodierenden Militärausgaben nur zum Nachteil der Ausgaben für Soziales, Bildung und den gesamten Öffentlichen Dienst gehen und der Umbau zur Kriegswirtschaft eine neue Qualität im Abbau des sogenannten ‚Sozialstaats‘ darstellt. Dazu haben wir mit dem Aufruf ‚Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg‘ weiterhin ein geeignetes Mittel.
In der Friedensbewegung und im Umfeld von Mosaik-Linken und Sozialdemokratie wollen wir für ein verstärktes Eintreten gegen die geplante Stationierung von US-Angriffsraketen in Deutschland werben und dafür den Berliner Appell noch bekannter machen. Wir müssen darüber diskutieren, dass wir aktuell keine absehbaren parlamentarischen Mehrheiten sehen, die dieses Vorhaben stoppen könnten, und wollen deswegen den Trägerkreis des Berliner Appells dabei unterstützen, über die 100.000er-Marke an Unterstützer-Unterschriften zu kommen und am 3. Oktober in Berlin und Stuttgart große Teilnehmerzahlen für die Friedensdemos zu mobilisieren.“
– Ebenda
Die Arbeit der DKP in den Gewerkschaften besteht also aus der Sammlung von Unterschriften, die sich in erster Linie gegen den US- und nicht den deutschen Imperialismus richten. Der von ihr gelobte und weiter oben zitierte Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ fordert keine klassenkämpferische Perspektive ein, sondern begnügt sich ganz bescheiden mit einer Debatte über die Gefahren der Aufrüstung. Durch diese rein akademische Übung im Bündnis mit Die Linke macht sich die DKP zum Anhängsel von Kriegstreibern in der Die Linke-Führung. Ihr Antikriegsprogramm kann daher kaum als „geeignetes Mittel“ im Kampf gegen den Militarismus bezeichnet werden.
Die Kommunistische Organisation (KO), die 2017 aus der DKP hervorgegangen war und sich Ende 2023 nach einer Differenz darüber spaltete, ob Russland imperialistisch sei oder nicht, publizierte Anfang April eine gute Übersicht über den Stand und die Probleme der deutschen Militarisierung. Der Artikel des linken KO-Flügels nahm Bezug auf diverse gewerkschaftliche Antikriegsinitiativen und kommentierte zurecht:
„Neben der Arbeit in den gewerkschaftlichen Gremien ist es auch entscheidend, diese Themen in die Betriebe zu übertragen, inbesondere in den Bereichen, die im Sinne des Kriegskurses umgestaltet werden. Besonderer Fokus sollte auf die konkrete Ausrichtung der deutschen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, nämlich gegen Russland, gelegt werden. Es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Aggressionen von Deutschland und der NATO ausgehen und nicht von Russland oder China. Diese Verständigung erfordert Zeit und Geduld, ist jedoch unerlässlich. Wenn das politische Ziel der deutschen Aufrüstung, nämlich die Kriegsvorbereitung gegen Russland, nicht benannt wird, hinterlässt man eine offene Flanke für Spaltung und Integration in den herrschenden Kriegskurs. Denn die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung in Deutschland wird maßgeblich durch das propagandistisch geschaffene Bedrohungsszenario Russland durchgesetzt.“
– Kommunistische-organisation.de, 8. April 2025
Ein wichtiger Schwachpunkt des Artikels besteht jedoch neben fehlenden Verweisen darauf, was denn konkret in den Betrieben zu tun sei, um die erneute Militarisierung zu bekämpfen, auch in der positiven Bezugnahme auf das Bündnis „Sagt Nein!“, die der richtigen Forderung nach der Erwähnung des anti-russischen Kriegskurses der Bundesregierung zuwiderläuft:
„Auch die antimilitaristische Gewerkschaftsinitiative SAGT NEIN! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden versucht, gegen den Aufrüstungskurs und die Rolle der Gewerkschaftsführung vorzugehen. Ein Hintergrund für die Organisation war der DGB-Bundeskongress 2022, bei dem entgegen den gewerkschaftlichen Grundsätzen eine Zustimmung zu Waffenlieferungen und zur Aufrüstung beschlossen wurde.45 SAGT NEIN! hat ebenfalls eine Petition gestartet und auch darüber hinaus umfassende Informationen zur Rolle der deutschen Gewerkschaften bei Aufrüstung und Krieg seit dem Ersten Weltkrieg erarbeitet.46
Diese Organisationsansätze sind wichtig und sollten von möglichst vielen Gewerkschaftsmitgliedern unterstützt werden.“
– Ebenda
„Sagt Nein!“ setzt sich jedoch für die Durchsetzung der NATO-Kriegsziele gegenüber Russland ein, will diese aber lediglich per Diplomatie statt per roher Waffengewalt umgesetzt sehen. Leider besteht „Sagt Neins“ Opposition „gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“ ausschließlich in sozialpatriotisch-pazifistischen Phrasen und muss anti-militaristische Arbeiter in die Irre führen. Revolutionäre Marxisten müssen in der jetzigen Lage natürlich basisgewerkschaftliche Initiativen dort aktiv unterstützen, wo sie ernsthafte anti-militaristische Arbeit leisten, insbesondere dann, wenn sie auf eine klassenkämpferische Praxis hinwirkt. Wenn diese Unterstützung jedoch mit dem Verschweigen sozialpatriotischer Positionierungen kombiniert wird, dann, um die KO zu zitieren, „hinterlässt man eine offene Flanke für Spaltung und Integration in den herrschenden Kriegskurs“.
Lenin fasste das bolschewistische Antikriegsprogramm folgendermaßen zusammen als der Erste Weltkrieg bereits tobte:
„…Junius [sagt] durchaus mit Recht, dass man eine Revolution nicht ‚machen‘ könne. Die Revolution stand in den Jahren 1914-1916 auf der Tagesordnung, im Schoße des Krieges verborgen, aus dem Kriege hervorgehend. Das hätte man im Namen der revolutionären Klasse ‚proklamieren‘ müssen, man hätte konsequent, furchtlos ihr Programm darlegen müssen: den Sozialismus, den in der Epoche des Krieges zu erreichen ohne Bürgerkrieg gegen die erzreaktionäre, verbrecherische, dass Volk zu unsagbaren Leiden verurteilende Bourgeoisie unmöglich ist. Man hätte die systematischen, konsequenten, praktischen, bei jedem beliebigen Entwicklungstempo der revolutionären Krise unbedingt durchführbaren Aktionen, die in der Richtung der heranreifenden Revolution liegen, überlegen sollen. Diese Aktionen sind in der Resolution unserer Partei angeführt worden: 1. Das Stimmen gegen die Kredite; 2. Sprengung des ‚Burgfriedens‘; 3. Schaffung einer illegalen Organisation; 4. Verbrüderung der Soldaten; 5. Unterstützung aller revolutionären Massenaktionen. Der Erfolg aller dieser Schritte führt unausbleiblich zum Bürgerkrieg.“
– Lenin, Über die Junius-Broschüre, a. a. O.
Die erste Aufgabe von Revolutionären in dieser Phase ist die uneingeschränkte Ablehnung von Imperialismus und Krieg: „Keinen Cent, keine Person für die Bundeswehr, NATO und deren Stellvertreter!“ Marxisten müssen für den Sieg der abhängig-kapitalistischen und semi-kolonialen Länder und deformierten Arbeiterstaaten in direkten und Stellvertreterkriegen des deutschen Imperialismus eintreten. Deutschland raus aus der NATO! Angesichts der zunehmenden Repression gegen Kriegsgegner sollten Revolutionäre für die Aufhebung sämtlicher Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte kämpfen, inklusive Organisations- und Berufsverbote Linker. Dabei dürfen Marxisten nicht in die Falle tappen, die ihnen die Bourgeoisie mit einem drohenden AfD-Verbot gestellt hat, das anschließend auf die gesamte Linke angewendet werden würde, wie es sich durch die Illegalisierung bestimmter politischer Positionen jetzt schon abzeichnet. Den Kapitalisten außerhalb der AfD geht es bei deren Verbot weder um die migrationsfeindlichen und pro-zionistischen Positionen der AfD noch deren Befürwortung der Aufrüstung, die mittlerweile auch in der parlamentarischen Linken ein Echo finden, sondern um deren Opposition zum NATO-Krieg gegen Russland. Die breite Unterstützung der AfD gerade auch von Gewerkschaftern kann nur durch Erfolge in Klassenkämpfen der multinationalen Arbeiterklasse unterminiert werden. Da die Bourgeoisie ihre selbst verursachte Krise in der Industrie zu deren Umstellung auf Rüstungsproduktion nutzt, muss dem eine Perspektive der Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle und Umstellung auf sozial nützliche Produkte entgegengestellt werden. Klassenbewusste Arbeiter im Transportwesen müssen sämtliche Rüstungstransporte bestreiken, die der Initiierung oder Fortführung von Stellvertreter- oder direkten Kriegen dienen. Die italienischen, spanischen und schwedischen Arbeiter, die Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel bestreikten, zeigen, dass dies keine Utopie ist. Für das Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Aufhebung aller Sanktionen! Wie schon Luxemburg und Lenin wussten, kann letztlich nur die sozialistische Revolution die Spirale von imperialistischer Ausbeutung, Rüstung und Krieg beenden.