Nr. 1 – Die SpAD in der DDR
Opportunismus in revolutionärer Verkleidung
Zur Geschichte der Internationalen Kommunistischen Liga
Vorwort:
Warum publizieren wir diese Broschüre über die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD), deutsche Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL)? Nach ihrer zwar massiven, aber fatalen Intervention in die DDR Ende 1989 hätte man glauben können, daß die SpAD nach dem äußerst mageren Ergebnis zu den Volkskammerwahlen im März 1990 von der Bildfläche verschwinden würde. Am 2. Dezember posierten die „Spartakisten“ jedoch wieder als „revolutionäre Trotzkisten“ — nur um diesmal mit 1717 Stimmen (knapp 700 weniger als im März) erneut durchzufallen.
Der Imperialismus ist in der Offensive, während die bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten Osteuropas dahinsiechen und zu kollabieren drohen. Stalinismus und Sozialdemokratie haben den Sozialismus in den Augen eines großen Teils der internationalen Arbeiterklasse diskreditiert. In der Linken findet eine intensive Diskussion darüber statt, was jetzt zu tun ist: Kann und muß eine revolutionäre Partei aufgebaut werden und, wenn ja, auf welchem Programm?
Die IKL und ihre deutsche Sektion meinen, neben anderen vorgeblich trotzkistischen Strömungen, eine Antwort auf diese Frage zu haben. Auf den ersten Blick ist die IKL ohne Bedeutung, da sie international nur wenige hundert Mitglieder zählt und ohne Einfluß in der Linken und der Arbeiterklasse ist. Allerdings hat sie durch ihr propagandistisches Auftreten vor allem in der DDR ein hohes Profil als angebliche Vertreterin des Trotzkismus erreicht. Beurteilt man die IKL nur nach ihrer geschriebenen Propaganda, so erscheint sie als eine der Internationalen Bolschewistischen Tendenz (IBT) recht nahe stehende Organisation (im Unterschied etwa zu anderen reformistischen und zentristischen Gruppen, die sich auf Trotzki berufen).
Politische Klarheit ist die Voraussetzung für eine effektive Mobilisierung der Arbeiterklasse. Sie erfordert die Unterschiede zwischen dem revolutionären Programm des Trotzkismus und dem Revisionismus, d.h. in diesem Fall zwischen IBT und IKL, zu benennen. Ein Ziel dieser Veröffentlichung ist es, der selbsternannten „Partei der russischen Revolution“ ihre orthodoxe Maskerade unmöglich zu machen. Die IKL muß politisch daran gehindert werden, weiter den Trotzkismus zu diskreditieren. Dutzende von subjektiven Revolutionären, die in die IKL eintraten, wurden demoralisiert durch den Horror des internen Lebens dieser Organisation und gaben den Kampf für die Revolution endgültig verloren. Die IKL ist ein Hindernis zur Verankerung des Trotzkismus in der Arbeiterbewegung.
Wir konzentrieren uns in dieser Schrift auf die Kritik der IKL-Intervention in die DDR 1989/90. Damals, aus dem alltäglichen Trott herausgerissen und unter dem Feuer sich rasch entwickelnder Ereignisse, mußte die IKL-Führung Farbe bekennen. Ihre opportunistischen Appetite sind hier klarer denn je zum Ausdruck gekommen. Aus diesem Grunde halten wir die Publizierung einer systematischen Zusammenfassung der Kritik, wie sie von Bolschewistischer Tendenz und Gruppe IV.Internationale vorgebracht wurde, für wichtig — auch wenn sie, aufgrund unserer anderen politischen Aktivitäten, erst jetzt vorgelegt wird. Mit dieser Broschüre wollen wir die Methode der IKL-Politik, ihre Lügen und Verdrehungen, die programmatischen Abweichungen und den Charakter ihrer Organisationsführung aufzeigen.
Die Internationale Bolschewistische Tendenz hat eine besondere Verantwortung, eine Kritik der IKL zu leisten. Die Gründungskader unserer Sektionen in Neuseeland, Nordamerika und Deutschland wurden allesamt durch das brutale bürokratische IKL-Regime aus der Tendenz hinausgedrängt. Ein Bestandteil unserer Arbeit war stets, die immer offener zutage tretenden programmatischen Abweichungen zu zeigen. Unsere Sub-Propagandagruppen sind klein. Die IBT kann bis jetzt nur selten in exemplarischen Aktionen das trotzkistische Programm umsetzen. Wir haben auch nicht das Geld, Dutzende von Mitgliedern aus anderen Sektionen einzufliegen, Mittel, die z.B. der IKL-Führung durch Auspressung ihrer Genossen zur Verfügung stehen. Unser Motto jedoch heißt „Zuerst das Programm“, und genau auf dieser Grundlage fusionierten die Gruppen Permanent Revolution Group (Neuseeland), Bolschewistische Tendenz (Kanada, USA, BRD) und Gruppe IV. Internationale (BRD) zur Internationalen Bolschewistischen Tendenz (deren deutsche Sektion heute Gruppe Spartakus heißt); genau auf dieser Linie gedenken wir unsere Tendenz auszubauen. Auf der programmatischen Ebene sehen wir deshalb auch den Schwerpunkt unserer Auseinandersetzung mit der IKL.
Wir gehen davon aus, daß uns die IKL (wie in der Vergangenheit) der Lüge über die in dieser Broschüre beschriebenen Fakten bezichtigen wird. In den letzten Jahren ist auf unsere Polemiken mit einer Flut von Verleumdungen reagiert worden. Wir wurden als „blutrünstige“, „anti-kommunistische“, „anti-sowjetische“, „anti-semitische“ „Faschistensympathisanten“ beschimpft, als „Sozialdemokraten“, „Gewerkschaftsbürokraten“ und „Mossad-Agenten“ (die Reihe ließe sich fortsetzen). Auf IKL-Veranstaltungen werden Mitgliedern der IBT besondere, bewachte Plätze zugeteilt; unsere Redezeit wird beschnitten bzw. Interventionen werden, entgegen den Normen der Arbeiterdemokratie, gänzlich unterdrückt (so können Mitglieder der Gruppe Spartakus — trotz offener Rednerliste — oft nur einmal sprechen). Durch Schüren eines blinden Hasses unter ihren Mitgliedern gegen uns sucht die IKL-Führung das Klima für eine physische Konfrontation zu schaffen. Aber wir lassen uns nicht beirren. Wir halten fest am leninistischen Standard einer sorgfältig und sauber geführten Polemik. Zudem belegen wir unsere Analyse der IKL/SpAD-Praxis durch interne Dokumente, wobei die Sicherheitsbelange der IKL berücksichtigt wurden.
Im ersten Teil der Broschüre charakterisieren wir die Intervention der IKL in die DDR vorrangig von ihrer programmatischen Seite her. Ausgehend von der Kritik ihrer fundamental falschen Situationseinschätzung („proletarische politische Revolution“ in der DDR 1989/90) analysieren wir die Kapitulation der IKL vor dem Stalinismus in dieser „Periode: ihr Umschleichen der Modrow-Regierung verbunden mit der Suche nach einem Blockpartner in der Bürokratie — dem zugeordnet — die opportunistische Praxis der TLD/SpAD am Beispiel der antifaschistischen Massenkundgebung in Treptow. Ferner beschreiben wir ihre Haltung gegenüber den stalinistischen Militärs, ihre stalinophile Solidarisierung mit „unserer DDR“ (u.a. in der Frauenfrage) bis zur Desavouierung von ökonomischen Streiks der DDR-Arbeiterklasse. Unsere Analyse umfaßt darüber hinaus die Wende, die die IKL ab Ende Januar 1990 vollzog — weg von der Orientierung auf die SED-PDS. Sie versuchte, v.a. in den März- und Dezember-Wahlkämpfen 1990, sich als . die revolutionäre Massenaltemative darzustellen. Diese (kläglich gescheiterte) Politik koppelt die SpAD/IKL seitdem mit einer Propaganda gegen das „IV. Reich“. Die Kehrseite der SpAD-Praxis, auf die wir eingehen, vor und nach ihrer „Wende“, besteht in einer ultralinken Phobie gegenüber der Sozialdemokratie, die in einer prinzipiellen Ablehnung der Betriebsräte gipfelt.
Im Teil II geben wir einen kurzen Abriß der Geschichte der revisionistischen Abweichungen dieser Tendenz. Teil III besteht aus dem Bericht über die innere Situation der TLD/SpAD im politisch wichtigen Zeitraum, Dezember 1989 — März 1990, während Teil IV die Dokumentation ausgewählter interner IKL-Materialien dieser Periode umfaßt.
Einleitung: Wer ist die SpAD?
Unter dem massiven Druck der antikommunistischen Propaganda aus dem Westen kapitulierte die DDR-Linke von der SED-PDS bis hin zur Vereinigten Linken und akzeptierte die kapitalistische Wiedervereinigung. Die Trotzkistische Liga Deutschlands (TLD), Vorläuferin der SpAD, unterschied sich jedoch in diesem zentralen Punkt vom politischen Spektrum. Sie intervenierte, aus der BRD und Westberlin kommend, für die Verteidigung der kollektiven Eigentumsformen und der zentralen Planwirtschaft der DDR und sprach sich gegen den Anschluß aus. Ihre Politik verteidigte sie allerdings durch eine Propaganda, die oftmals schematisch, mechanisch und ultimatistisch war.
Gemessen an ihrer Größe intervenierte die IKL massiv in die DDR. Ihr gelang die Rekrutierung einer Handvoll neuer Mitglieder; natürlich war damit keine Verankerung in der Arbeiterklasse zu erreichen. Wie überall gelang es auch in der DDR nicht, die Isolation zu durchbrechen; vielmehr verlor die SpAD auch hier wieder Mitglieder. Die IKL-Führung versucht aber immer wieder durch den Aufbau „Potemkinscher Dörfer“ von ihren Niederlagen abzulenken — so auch bei der internationalen Präsentation ihrer DDR-Intervention.
Als Instrument ihrer ostdeutschen Arbeit diente der IKL damals die Trotzkistische Liga Deutschlands (TLD). Dieser Organisation hatte man schon etliche Jahre vorher das Rückgrat gebrochen. Im Laufe ihrer Entwicklung war diese Gruppe — ehemals eine kleine, aber nichtsdestoweniger energische revolutionäre Propagandagruppe — durch wiederholte bürokratische Säuberungen demoralisiert worden. Die TLD wurde das Opfer einer Serie von tiefgreifenden bürokratischen Attacken, die von Jim Robertson (dem Chef der IKL) und seiner in den USA residierenden Führungsclique organisiert wurden. Die Krise der TLD erreichte einen ersten Höhepunkt auf ihrer Septemberkonferenz 1981, als Robertson die Säuberung von sozialdemokratischen Elementen befahl (s. Teil II) Von nun an ging es erst richtig bergab; die folgenden Cliquen-Kämpfe zermürbten die TLD.
Die politische Arbeit der TLD in der BRD wurde von der Robertson-Führung als Reflex des deutschen Nationalismus und Kapitulation vor dem Antisemitismus denunziert. Die Agenten des Internationalen Sekretariats (IS) beschimpften die TLD-Mitglieder in einem widerlichen „Lager“-Jargon, bei dem sie als „Gauleiter“ und die Mitglieder als „KZ-Insassen“ fungierten (s. Teil IV, Dokument 6). Der Tiefpunkt war 1985 erreicht, die deutsche Sektion wurde aufgelöst und alle „loyalen“ Mitglieder zur „Umerziehung“ ins Exil beordert. Nach zwei Jahren brachte man die traumatisierten Zombi-Reste in die BRD zurück und gründete die TLD erneut.
Als das SED-Regime Ende 1989 zusammenbrach, sah die IKL ihre große Chance gekommen. Trotz massiven Einsatzes von Geld und Personal war die TLD/SpAD jedoch strukturell unfähig, sie zu nutzen. Das Unvermögen, die Realität zu verstehen, führte anstelle des erhofften Durchbruchs zu programmatischer Konfusion. Die politische Strategie der SpAD/iKL in der DDR reichte von der Kapitulation vor der stalinistischen Bürokratie bis zur ultralinken, blinden Phobie gegenüber der Sozialdemokratie. Dies führte zu Substitutionalismus in Form eines Pseudo-Massenavantgardismus und damit zur Liquidierung einer Umgruppierungsperspektive gegenüber anderen linken Organisationen. Mit all den Zickzacks, die mit wüsten Beschimpfungen der politischen Gegner einhergingen, konnte die SpAD nur durch eine extrem bürokratische Kontrolle aus New York zusammengehalten werden.
I: Die DDR-Intervention der SpAD/IKL
„…die Versäumnisse der frühen Periode (waren) — wie Lenins Probleme 1905 — in erster Linie darauf zurückzuführen, daß es politischen Widerstand dagegen gab, uns den Massen zuzuwenden, sowie auf historische Schwächen der TLD selbst, die mehr oder weniger hin- und herschwankte zwischen Sektierertum und Passivität und der Tendenz, sich in eine strategische Einheitsfront zu liquidieren“.
— IKL-Führer St. John in Spartacist 45/46)
Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!
(alte Volksweisheit)
1. Die imaginäre „politische Revolution“ der IKL
„‚In Rußland wurde der Funke entfacht — in Deutschland wird es zur Flamme!‘: diese Losung der KPD aus den 20er Jahren verkündete ein Banner auf der Massendemonstration am 4. November in Ostberlin“, berichtet das erste Flugblatt, das die TLD in der DDR verteilte (15.11.1989). Der TLD fiel dabei gar nicht auf, daß mit dieser Parole nicht auf Lenin 1917 sondern auf Gorbatschow 1989 Bezug genommen wurde. Drei Wochen später sah sich die TLD prompt im Flammenmeer und sprach von „…der sich entfaltenden politischen Revolution“ (Arbeiterpressekorrespondenz (APK) 1 / 07.12.89) und erklärte: „Heute entwickelt sich in der DDR eine proletarische politische Revolution“ (APK 13 / 27.12.89). Der angebliche proletarische Charakter dieser „Revolution“ wurde auch in den „internationalistischen Grüßen“ verdeutlicht, die die TLD, stellvertretend für das deutsche Proletariat, an die polnischen, vietnamesischen, kubanischen und sowjetischen Genossen richtete: „In diesem Winter reicht euch. Genossen Sowjetoffiziere und Sowjetsoldaten, die ihr Wache steht gegen den westlichen Imperialismus, die politische Revolution der deutschen Arbeiter die Hand der internationalistischen Solidarität!“ (APK 7 / 15.12.89). Dieser erste Gruß (weitere sollten folgen) schloss mit dem Trinkspruch „Glasnost! Freundschaft! Solidarität!“ — der politische Kater war vorprogrammiert.
Wie sah es in der DDR im Winter 1989 wirklich aus? Es existierte eine vorrevolutionäre Situation, die sowohl offen für die Möglichkeit einer proletarischen politischen Revolution wie auch der sozialen Konterrevolution war. Was vor drei Monaten als heterogene Massenbewegung für Demokratie und Reisefreiheit begann, polarisierte sich rasant in ein Milieu von Deutschland-einig-Vaterland-Grölern, in dem die Nazis versuchen Fuß zu fassen und jenen Teil, der wie diffus auch immer, am ‚Sozialismus in den Farben der DDR‘ festhalten möchte“ (Bulletin 1), schrieb die Gruppe IV. Internationale, eine der Vorläuferorganisationen der Gruppe Spartakus, zusammenfassend im Januar 1990. Statt Illusionen und unangebrachtes Hurra-Geschrei zu verbreiten, war es notwendig, das durch vierzig Jahre stalinistischen Betrugs verschüttete Klassenbewußtsein, der Arbeiter in der DDR wieder zu heben. Dazu mußte vor dem BRD-Imperialismus und dem wachsenden Einfluß der pro-imperialistischen SPD gewarnt werden, ohne vor der SED, die die Arbeiterbewegung damals noch dominierte, zu kapitulieren. „Das ostdeutsche Proletariat ist als Klasse (von einigen Warnstreiks abgesehen) noch nicht zur Aktion übergegangen. Die einzelnen Arbeiter verlieren sich zunächst in der amorphen Volksbewegung; ihre Mobilisierung muß das Ziel einer revolutionären, von Sozialdemokratie und Stalinismus unabhängigen, trotzkistischen Partei sein“ (Flugblatt der Gruppe IV. Internationale / 10.11.89). Nur indem man klar aussprach, was war, konnte eine Polarisierung der klassenübergreifenden Oppositionsbewegung vorangetrieben werden. Die IKL dagegen log sich über den Stand des Klassenbewußtseins, und dessen Widersprüchlichkeit in die Tasche und müßte heute, wäre sie ernsthaft, erklären, wie sich organisch aus einer proletarischen politischen Revolution eine soziale Konterrevolution entwickeln konnte.
Lenin charakterisierte eine revolutionäre Situation einmal als eine, in der „die ‚Unterschichten‘ das Alte nicht mehr wollen und die ‚Oberschichten‘ in der alten Weise nicht mehr können, …“ (LW 31, S. 71). Doch woran ist diese Klassenkonstellation festzumachen? Lenin konkretisierte die zwei zentralen Aspekte: zum einen die Regierungskrise der politisch Herrschenden, “… die sogar die rückständigsten Massen in die Politik hineinzieht…,die Regierung kraftlos macht…“ und zum zweiten „… daß die Mehrheit der Arbeiter (oder jedenfalls die Mehrheit der klassenbewußten (!), denkenden, politisch aktiven Arbeiter (!)) die Notwendigkeit des Umsturzes völlig begreift… (ebenda, S. 72).
Bezogen auf revolutionäre Situationen in bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten gaben dafür die ungarischen Arbeiter 1956 mit ihrer Revolution gegen die stalinistische Bürokratie und für den Sozialismus ein Beispiel. Die ostdeutschen Arbeiter waren 1953 vorangegangen, als sie trotz aller Illusionen in die Sozialdemokratie an einer proletarischen Klassenherrschaft festhalten wollten. Z.B. riefen die Hennigsdorfer Arbeiter zu einer „Metallarbeiterregierung“ auf. Doch in der DDR 1989/90 sah es anders aus: Hier war nicht die Arbeiterklasse tonangebend, die sich klassenunabhängig in Betriebskomitees oder Arbeiterräten organisierte. Vielmehr fielen die Arbeiter in der klassenübergreifenden „Demokratie-Bewegung“, mangels einer revolutionären Alternative, den prokapitalistischen Kräften zum Opfer.
„Die IKL charakterisierte die politische Situation in dieser Periode dagegen folgendermaßen: „Aber jetzt blühen solche Räte in verschiedenen Orten der DDR auf (APK 15 / 04.01.90). Später versuchte sie diese Position zu vertuschen: „Die Arbeiterklasse der DDR hat noch nicht ihre Stimme erhoben als eine organisierte Kraft, die für ihre eigenen Klasseninteressen kämpft“, verkündete sie plötzlich in AKP 29 am 27. März 1990. Drei Monate vorher hatte sie noch erklärt: „Soldaten wollen sozialistische Errungenschaften“ (APK 11 / 21.12.89). Da half es auch nicht, daß ZK-Mitglied Zierenberg auf der Veranstaltung der Gruppe IV. Internationale am 10. März 1990 daherlog, die IKL hätte immer nur von einer politischen Revolution gesprochen, reichte doch „… die proletarische politische Revolution in Deutschland …“ den kubanischen Klassenbrüdern in APK5 /13.12.89 bereits die Hand. Die Fälschung der eigenen Geschichte soll die generelle Desorientierung der IKL und ihre Kapitulation vor der stalinistischen Bürokratie kaschieren.
Die Bolschewistische Tendenz (BT) kommentierte dazu am 23. Februar 1990: „Die SpAD/IKL behaupten, daß eine proletarische politische Revolution bereits im Gange sei; sie können jedoch nicht sagen, wo genau sie stattfindet, wer sie macht und gegen wen — tatsächlich eine sehr seltsame ‚Revolution‘. Diese Vorstellung einer politischen Revolution, die irgendwo im Raum schwebt und sich einfach entfaltet als eine Art körperloser, halbautomatischer Prozess kann nur die, die sie ernst nehmen desorientieren (Offener Brief an die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands).
2. Die Stalinophilie der IKL
2.1. Die SpAD versucht die Modrow-Regierung zu umgehen
Die bis dahin allmächtig und unangreifbar erscheinende stalinistische Bürokratie wurde nicht durch eine proletarische politische Revolution erschüttert; es genügte schon das Schlupfloch Ungarn, um den rapide voranschreitenden Machtverlust der SED auszulösen.
Nach dem Sturz Honeckers siegte zuerst die Linie von Krenz, die die Privilegien der Bürokratie ohne Infragestellung der ökonomische Grundlagen des Arbeiterstaates sichern sollte. Dem massiven Druck der Bevölkerung ausgesetzt, wurde Krenz dann durch die Fraktion Modrow, unterstützt von Gysi, ersetzt. Diese Fraktion vertrat den Teil der Bürokratie, der sich durch noch weitergehende Konzessionen an das Kapital sowie an die nach rechts gehende Demokratie-Bewegung“ retten wollte. Alle Fraktionen der SED-Bürokratie, von den Resten der Betonfraktion über die Modrow-Gruppe bis zu den offen kapitalistischen Reformern, fürchteten nichts mehr als die unabhängige revolutionäre Mobilisierung des Proletariats, die den Schmarotzern insgesamt den Garaus gemacht hätte. Kein Flügel der SED versuchte das Proletariat zur Verteidigung der kollektiven Eigentumsformen der DDR zu aktivieren. Im Gegenteil: Mittels ihrer Position in den Betrieben und Kombinaten als auch durch den von ihr dominierten FDGB unternahmen die stalinistischen Funktionäre alles, um die Arbeiter in Passivität zu halten.
Premierminister Modrow hatte schon zur Regierungsbildung am 17. November 1989 mit seiner Perspektive einer „BRD-DDR-Vertragsgemeinschaft“ die Bereitschaft zur Kapitulation vor dem BRD-Imperialismus signalisiert. Die offerierten Konzessionen brachten aber nicht die erhoffte Atempause für die Bürokratie, sondern waren stattdessen Wasser auf die Mühlen der konterrevolutionären Kräfte. Die Rechte gewann an Boden während sich Konfusion unter den politisch bewußteren Teilen der Arbeiterklasse breit machte, die dem „integren, geläuterten“ Stalinisten vertrauten. Das machte die besondere Gefährlichkeit dieser Regierung aus, vor der die Arbeiter gewarnt werden mußten.
Die Modrow-Regierung sah ihre zentrale Aufgabe darin, gemeinsam mit den Kräften des Runden Tischs, Ruhe im Land des Zusammenbruchs zu wahren. Das eigenständige Vorgehen des Dzierzynski-Regiments gegen die Vernichtung von Stasi-Akten sowie erste vereinzelte Streikaktionen verbreiteten Unruhe sowohl in den Reihen der bürgerlichen Opposition als auch in der stalinistischen Bürokratie. Trotz Ungewißheit über die Loyalität der bewaffneten Formationen erklärte sich Modrow zur Ausrufung des Ausnahmezustands bereit, falls ihn die demokratische Opposition darin unterstütze.
Die wachsende Stärke des rechten Flügels der DDR-Opposition und die schärfer werdenden Forderungen des BRD-Kapitals trieben die Regierung Modrow zu einem immer schnelleren ökonomischen und politischen Ausverkauf. Auf der Spitze schlug es um: Die immer dünner gewordenen Fäden des bonapartistischen Regimes zur ökonomischen proletarischen Grundlage der DDR (der Verfügungsgewalt des Staates über die Produktionsmittel) zerrissen. Mit der Bildung einer Großen Koalition Ende Januar leistete Modrow seinen Offenbarungseid. Modrow, hatte sich nach Bildung dieser bürgerlichen Koalition vom Ausverkäufer des Arbeiterstaates zum DDR zum Einkäufer für das BRD-Kapital, zu dessen direkten Vetreter, gewandelt. Damals schrieb die Gruppe IV. Internationale:
„Eine neue Regierung Modrow mit dominierendem Einfluß der bürgerlichen Opposition hat als prokapitalistische Regierung die Aufgabe, die soziale Konterrevolution durch Anschlußpolitik an die BRD sicherzustellen. Vom imperialistischen Druck an die Wand gequetscht, bedroht von der Auflösung ihres Machtapparates, setzt die rechte Fraktion der stalinistischen Bürokratie zur Rettung ihrer Privilegien auf die kapitalistische Karte und macht sich zum direkten Agenten der Bourgeoisie. Berghofers eiliger Übertritt zur demokratischen Konterrevolution ist beispielhaft für diese Schmarotzer und Karrieristen in Staatsapparat und Fabrikmanagement, die bei der Herausbildung einer neuen Bourgeoisie und Wiederherstellung alter kapitalistischer Zustände nicht leer ausgehen wollen. Der schwächliche Bonaparte Modrow distanziert sich von der SED-PDS und zeigt seine definitive Kapitulation an mit dem Abbau der letzten Hürden für das deutsche Kapital…“
— Bulletin 1
Die Gruppe IV. Internationale hat gleich zu Beginn der Ablösung Krenz durch Modrow auf die drohende Kapitulation der Stalinisten, auf die Gefahr der Bildung einer prokapitalistischen Regierung hingewiesen. Dagegen unterstützte der überwältigende Teil der anderen, dem Anspruch nach sozialistische Organisationen, direkt oder indirekt, den populären Modrow. Wir hielten uns an Trotzki, der sagte: „Wir sind keine Regierungspartei; wir sind die Partei der unversöhnlichen Opposition, nicht nur in den kapitalistischen Ländern, sondern auch in der UdSSR“ (Die UdSSR im Krieg in: Trotzki Schriften, Bd. 1.2, S. 1290).
Und woran hielt sich die IKL? Wie wir noch zeigen werden hoffte sie auf eine potentiell revolutionäre Fraktion in der Bürokratie (s. Teil I, 2.2.). Einer scharfen Konfrontation mit der Regierung Modrow ist die IKL aus dem Weg gegangen. Ein solches Vorgehen sah sie als inopportune Konfrontation mit der SED-PDS an und fürchtete eine Isolation, da ja alle Strömungen in der stalinistischen Partei Modrow bis zum Schluß unterstützten. Ihre „SED-Einheit“-Politik wäre gefährdet gewesen.
In der Debatte der DDR-Linken vertraten die Genossen der Gruppe IV. Internationale von Anfang an die Losung „Nein zur Regierung Modrow — Hauptgefahr für die DDR!“ (s. z.B./taz 28.11.89) und wurden deshalb auf Demonstrationen und Veranstaltungen als „Nestbeschmutzer“ angegriffen (so drohten PDS-Mitglieder auf der Anti-Kohl-Demonstration am 19. Dezember 1989 in Ostberlin unseren Block wegen dieser Parole auseinander zu nehmen). Die TLD verleumdete unsere Position. Sie fälschte Modrow = Hauptgefahr um in Modrow = Hauptfeind der Arbeiterklasse und denunzierte uns als Wasserträger der Sozialdemokratie, die die gleiche Parole habe (so z.B. die Redakteurin von Spartakist, Kohn, auf der Veranstaltung der TLD am 27. Dezember 1989 in Westberlin). Durch diese Verdrehung versuchte die TLD die Tatsache zu negieren, daß Modrow, unterstützt vor Gysi, den Kampf gegen die demokratische Konterrevolution unterminierte. Eine Einheitsfront zur Verteidigung der DDR war nur gegen diese Politik zu verwirklichen — die IKL versuchte dagegen Modrow zu umgehen, um vielleicht später, mittels SED — PDS — Einfluß, Druck auf diese Regierung ausüben zu können.
In dieser Periode attackierte die IKL Modrow nirgendwo zentral als Ausverkäufer, den die Arbeiter bei der Verteidigung der DDR hätten hinwegfegen müssen. Stattdessen kritisierten sie ihn nur beiläufig (s. z.B. APK 7 / 15.12.89). So konnte in APK 14 / 29.12.89 der Halbsatz gelesen werden “… Modrow und Kohl das Handwerk zu legen“. Um möglichen Protesten von Seiten der gesuchten stalinistischen Blockpartner zuvor zu kommen, erschien dieser Artikel des späteren Spitzenkandidaten der SpAD, Endruweit, statt im Namen der TLD sicherheitshalber signiert.
Neu war in dem Artikel Endruweits auch, daß der Runde Tisch eine Erwähnung fand. Wochenlang hatte dieses Gremium, in dem die bürgerliche Konterrevolution in der DDR ihr politisches Sprachrohr fand, für die IKL schlichtweg nicht existiert. Im Artikel beklagte sich Endruweit u.a., daß dem Runden Tisch “… die Einflußnahme verwehrt“ wird — Endruweit verlangte also damit — de facto — mehr kapitalistischen Einfluß! Die Gruppe IV. Internationale vertrat dagegen folgende Position:
„Der Runde Tisch, ursprünglich von der Bürokratie als Zugeständnis an die Opposition und zu deren Integration installiert, entwickelte sich unter Anleitung der BRD zur bürgerlichen Gegenmacht“
— Bulletin 1
Der Runde Tisch diente den Stalinisten zur Legitimierung ihres Ausverkaufs und hattet zur Aufgabe, die bürgerlichen Wahlen vorzubereiten. Gegen diese (von der Linken respektierte) konterrevolutionäre Institution forderte die Gruppe IV. Internationale: „Kein Dialog mit stalinistischen Bürokraten und pro-kapitalistischen Kräften — kippt den ‚runden Tisch‘!“ (Forderungskatalog der Gruppe IV. Internationale / 11.12.89). Gegen die demokratischen Illusionen in der DDR-Arbeiterklasse konnte die IKL nicht angehen — sie existierten für sie nicht — die Arbeiter befanden sich ja auf dem Marsch! Zudem wollte die IKL auch nicht dagegen auftreten, da sie sonst die Position: Modrow = Hauptgefahr hätte übernehmen müssen.
Die IKL hat somit die Verantwortung für die Desorientierung des Proletariats mitzutragen. Sie half bei der politischen Entwaffnung der Arbeiter. Die Erklärung für die Weichheit gegenüber der Modrow-Regierung ist in ihrer stalinophilen Suche nach einer „Einheit mit der SED“ zu finden.
2.2. Auf der Suche nach der „Einheit mit der SED“
Das pseudo-revolutionäre Geschrei von der stattfindenden proletarischen politischen Revolution stand in engem Zusammenhang mit der von der IKL schon bekannten Tendenz zur Kapitulation vor der stalinistischen Bürokratie (s. dazu auch Teil II).
Eine proletarische politische Revolution kann nur erfolgreich geführt werden, wenn es der revolutionären Partei gelingt, das Vertrauen wesentlicher Teile der Arbeiterklasse zu gewinnen. Trotzki ließ keinen Zweifel: „Der unvermeidliche Zusammenbruch des Stalinschen politischen Regimes wird lediglich dann zur Wiederherstellung der Sowjetdemokratie führen, wenn die Beseitigung des Bonapartismus von der proletarischen Avantgarde in einem bewußten Akt vollzogen wird“ (Arbeiterstaat, Thermidor und Bonapartismus in: Trotzki Schriften, Bd. 1.1, S. 608). Bei der Beantwortung der Fragen: „Wie ist eine Reorganisation des Sowjetstaates möglich? Und: Läßt sich diese Aufgabe mit friedlichen Mitteln lösen?“ betont Trotzki: „Stellen wir zuerst das unerschütterliche Axiom auf, daß nur eine revolutionäre Partei diese Aufgabe lösen kann“ (Der Klassencharakter des Sowjetstaates in: ebenda, S. 489).
Die Schaffung der revolutionären, trotzkistischen Arbeiterpartei war entscheidende Voraussetzung für die Verteidigung der DDR hin zum Sturz der stalinistischen Bürokratie durch eine Arbeiterrevolution. Der IKL jedoch ging es nicht um die Lösung dieser Aufgabe. Ohne Verankerung im Proletariat war es ihr unmöglich, einen direkten Einfluß auf die Situation in der DDR zu nehmen. Der Druck der rasanten politischen Entwicklung verlangte aber nach einer Antwort. Die SED war damals die einzige Organisation, die entscheidenden Einfluß auf noch links-orientierte Teile der Arbeiterklasse hatte. Die IKL-Führung gab dem Druck nach und versuchte einen Block mit Teilen der erschütterten SED-Bürokratie herzustellen, was sie geradewegs in den Opportunismus führte. Robertsons Anstrengungen, eine Abkürzung auf dem Weg des Parteiaufbaus zu finden, gab dem Revisionismus der IKL einen erneuten Schub.
Die Entwicklungen in der SED-PDS waren ein wichtiges Element für die Herausbildung des revolutionären Faktors. Um die Basis der SED-PDS von ihren reformistischen Führern zu brechen, sagte die Gruppe IV. Internationale: SED-Mitglieder! ‚Statt ‚dritten Weg‘ — zieht die revolutionären Konsequenzen aus dem stalinistischen Verrat! Keine Neuauflage der stalinistischen SED — Kampf dem pro-sozialdemokratischen Kurs von Gysi, Modrow und Berghofer — Für eine leninistisch-trotzkistische Partei (Forderungskatalog / 11.12.89). Revolutionäre wissen, daß in Zeiten, in denen es gilt „gegen den Strom zu schwimmen“, Autorität nicht über populäres Anschmiegen, sondern nur durch klare Positionsbestimmung zu erlangen ist. „Notwendig ist die Bildung einer leninistischen-trotzkistischen Fraktion in der SED…“ propagierten deshalb unsere Genossen (Bulletin1).
Die IKL dagegen versuchte mitzuschwimmen. Mit Formeln wie „Wir brauchen eine neue kommunistische Partei, basierend auf leninistischen Normen!“ (APK 5/13.12.89), ließ sie es bewußt im Unklaren, wie sich kommunistisch Gesinnte in der SED gegen die Gysi-Führung und deren Unterstützung für die Modrow-Regierung zu organisieren hatten. Es wurde offengelassen, ob die propagierte leninistische Partei eine reformierte SED sein könne oder nicht. Der IKL ging es gar nicht darum, den gefährlichen Einfluß der klassenkollaborationsistischen SED zurückzudrängen und die SED-Arbeiterbasis von den Illusionen über die verschiedenen Strömungen der Reform-Stalinisten zu brechen, d. h. diese Partei entlang einer revolutionären Linie zu spalten. Ihre Propaganda vermittelte vielmehr den Eindruck, daß es lediglich nötig sei, die aktuelle SED-Führung zu ersetzen. Daran änderte auch die mitunter markige, aber eben doch loyale Kritik u.a. an Gysi nichts (s. z.B. APK 3 / 11.12.89 und 5 / 13.12.89).
Beispielhaft für dieses anti-leninistische Parteiaufbaukonzept sind die beiden Grußadressen der IKL-Führung an den außerordentlichen Parteitag der SED Mitte Dezember 1989: Kein Wort wird hier verloren über die aktuelle Politik der SED! Stattdessen gab es viel Oberlehrerhaftes, z.B. Appelle, die Auffassungen Lenins zu teilen (APK 8 / 18.12.89; APK 9 / 19.12.89). Vom Internationalen Sekretariat der IKL wurden der SED zudem noch ein paar Tipps zur Stabilisierung der Wirtschaft gegeben, so als ob diese konfuse, demoralisierte und zunehmend machtlose Partei an der Spitze einer pro-sozialistischen, aufständischen Arbeiterbewegung stände. Diese Parodie auf den Trotzkismus gipfelte in einem Kodex von Verhaltensmaßregeln, der beschrieb, bei welchen Streiks das Proletariat auf die Unterstützung der IKL-Führung zählen könne. Zu Streiks für Lohn und bessere Arbeitsbedingungen, die zu dieser Zeit stattfanden und von der SED / FDGB-Bürokratie abgewürgt wurden, wollte man keine Position beziehen (s. Teil I, 2.6.). Genosse Melt, einer der ersten DDR-Kontakte und später Mitglied des ZK der TLD/SpAD, theoretisierte das, was die IKL ihm als Trotzkismus verkaufte: „Der konsequente Bruch mit dem Stalinismus besteht deshalb in einer Neuformierung (!) der SED im Geiste des demokratischen Zentralismus“ (APK3 / 11.12.89). Das entsprach genau der IKL-Politik, mit der die TLD/SpAD darauf spekulierte, die SED-Spitze im Block mit linken Bürokraten abzulösen.
Die verschiedenen Kräfte in der SED-Führung entschieden sich jedoch nicht für das TLD-ZK, sondern für die Unterstützung des sozialdemokratischen „dritten Weges“ wenn nicht gar gleich für den Eintritt in die SPD. Die IKL war unfähig, den ehrlichen Kommunisten in der SED eine revolutionäre Orientierung zu geben. Ihre einmalige Erwähnung: „… angesichts ernsthafter und gefährlicher Probleme (sind) Parteispaltungen manchmal notwendig …“(APK5 / 13.12.89) unterstreicht nur den Zynismus dieser Organisation wissen worum es geht, den Konsequenzen allerdings bewußt ausweichen!
Diese Politik des Anschmierens an die Stalinisten versucht die IKL mit Trotzkis Analyse der Bürokratie zu rechtfertigen. Auch die IKL weiß, daß die Bürokratie eines deformierten Arbeiterstaates nicht homogen ist. Die Politik der Stalinisten ist widersprüchlich: Auf der einen Seite treibt sie der Druck des Imperialismus zu immer weitergehender Kapitulation auf Kosten der Arbeiterklasse. Auf der anderen Seite versucht sie, so gut es eben geht, ihre Macht und Privilegien, die sich aus der Verfügungsgewalt des proletarischen Staates über die Produktionsmittel herleiten, gegen die Kapitalisten zu schützen. „Wie die Geschichte zeigt, werden Teile der Bürokratie in einer politischen Revolution auf die Seite der Arbeiter übergehen“, schrieb die TLD in APK 4 / 12.12.89 sehr richtig. Ungarn 1956 ist dafür ein klassisches Beispiel. Doch machte die IKL bei der Anwendung dieser trotzkistischen Theorie zwei entscheidende Fehler: Erstens hängt die Entwicklung eines zu den Arbeitern übergehenden Flügels der Bürokratie entscheidend vom Klassenkampf der Arbeiter ab. „Einen wirklichen Bürgerkrieg könnte es nicht zwischen der Stalin-Bürokratie und dem sich erhebenden Proletariat, sondern nur zwischen dem Proletariat und den aktiven Kräften der Konterrevolution geben. Im Fall eines Konflikts zwischen zwei Massen-Lagern könnte von einer selbständigen Rolle der Bürokratie gar keine Rede sein Ihre einander entgegengesetzten Flügel würden auf verschiedenen Seiten der Barrikade zu stehen kommen“ (Trotzki, Der Klassencharakter des Sowjetstaats in: Trotzki Schriften, Bd. 1.1, S. 491). Also nur durch einen eindeutigen Kampf gegen alle Fraktionen der Bürokratie sind Teile dieser Kaste auf die revolutionäre Seite zu ziehen eine Politik, die die IKL in opportunistischer Weise unterließ.
Zweitens lief die Entwicklung in der DDR nicht in dieser von Trotzki hier prognostizierten Art und Weise ab. Die auf dem Gebiet der SBZ durchgeführte soziale Revolution von oben ging einher mit der systematischen Vernichtung der unabhängigen Bestrebungen des ostdeutschen Proletariats. Die folgende vierzigjährige stalinistische Unterdrückung verfestigte die Illusionen über die Sozialdemokratie und deren „erfolgreiche“ Organisierung der „sozialen Marktwirtschaft“. Der Stand des Klassenbewußtseins in den einzelnen Sektoren der DDR-Arbeiterklasse war zwar keineswegs als einheitlich, generell jedoch als niedrig einzustufen. Zudem war den Arbeitern nach dem Sturz Honeckers keine Zeit gelassen worden, ihr politisches Bewußtsein entsprechend den Aufgaben zu entwickeln. Revolutionäre Klassenkämpfe fanden nicht statt. Vor diesem Hintergrund ist die Kapitulation der Stalinisten auf der ganzen Linie nicht weiter verwunderlich. Noch einmal: Entgegen der These der IKL von der proletarischen politischen Revolution sowie ihrem Hoffen auf Teile der Bürokratie kein Flügel der Stalinisten war bereit aktiv und offen für die Verteidigung der DDR einzutreten.
So hing die opportunistische IKL-Politik erst richtig in der Luft: „Viele Tausende von SED-Mitgliedern, Teile der Führung(!) nicht ausgeschlossen,… wollen wirklich den Stalinismus mit der Wurzel ausreißen und die kollektivierte Grundlage der DDR gegen kapitalistische Wiedervereinnahmung verteidigen“ (Spartakist 66 / 03.01.90).
Die anhand der Publikationen der TLD/SpAD nachvollziehbare Kapitulation der IKL wird in den internen Dokumenten dieser Gruppe nur unterstrichen. So ist z.B. das Schlagwort „Einheit mit der SED“ nicht eine Erfindung von uns (s. dazu Teil IV, z.B. Dokument 3). Der bizarre opportunistische Kurs erhielt seine „Massentaufe“ auf der antifaschistischen Kundgebung in Treptow.
2.3. Das Debakel der SpAD in Treptow
Am 3. Januar 1990 strömten 250.000 nach Berlin-Treptow, um gegen die Nazi-Schmierereien am sowjetischen Ehrenmal zu protestieren. Diese gewaltige Kundgebung ließ die deutsche Bourgeoisie und ihre Lakaien in der DDR aufschrecken, die eine solche Massenmanifestation gegen Rechts vor allem von Seiten der SED-Basis nicht mehr für möglich gehalten hatten. Die bürgerliche Presse antwortete mit einem antikommunistischen Aufschrei; sie klagte die SED-PDS an, die Schmierereien selbst veranlaßt zu haben, um eine faschistische Bedrohung, die gar nicht existiere, heraufzubeschwören und so ihren Machterhalt zu rechtfertigen. Der Druck auf die Regierung Modrow wurde daraufhin massiv erhöht, die Isolierung der Stalinisten vorangetrieben.
Je weiter Treptow in die Vergangenheit rückt, desto größer wird die SpAD-Legendenbildung um dieses Ereignis. Laut Spartakist 72 vom 5. Juni 1990 war es so: Unsere deutschen Genossen initiierten einen Aufruf zu einer massiven Arbeitereinheitsfrontaktion, um die Faschisten zu stoppen. Wir brachten den Aufruf direkt zur SED-Führung und forderten sie auf, daran teilzunehmen. Die SED war so weit entfernt von der Arbeiterklasse und fürchtete sie so sehr, daß sie zuerst unseren Vorschlag ablehnte. Aber als unser Aufruf in Fabriken in ganz Berlin verteilt wurde, mobilisierten die Stalinisten ihre Kräfte und übernahmen schließlich die Demonstration“. Wie war es wirklich? Melt und Dahinaus stellten für die TLD den Kontakt zum SED-PDS-Vorstand her und erst nach dessen Zusage wurde der Aufruf zu Treptow in Druck gegeben Eine Massenmobilisierung des Ostberliner Proletariats konnte und kann die TLD / SpAD nicht organisieren.
Soviel zur Wahrheit nun zur politischen Linie. Endlich ging die Taktik, über Gysis Büro zu arbeiten, auf; die „SED-Einheit“-Politik konnte jetzt vor größerem Publikum durchgezogen werden. Im eigenen TLD-Aufruf zur Kundgebung gab es keinerlei Kritik am Kapitulationskurs der SED-PDS und kein Sterbenswörtchen zu Modrows Kniefall vor BRD-Imperialismus und deutschem Nationalismus. Gerade deren Ausverkaufspolitik hatte die Nazis zu ihren Angriffen aber erst recht ermuntert.
In ihrer Rede lag Dahlhaus voll auf „SED-Einheit“-Linie: „Unsere (!) Wirtschaft leidet unter Verschwendung und Veralterung. Die Diktatur der SED-Partei hat gezeigt, daß sie untauglich (!) ist, dagegen anzugehen“ (APK 15 / 04.01.90). Das und „…das Machtmonopol der SED ist gebrochen“ war alles, was zur Politik der Stalinisten zu hören war (vergleiche ebenda). In der Rede wurde nur die Honecker-SED erwähnt, mit der die Kundgebungsteilnehmer sowieso nichts mehr zu tun haben wollten, nicht aber die aktuellen Illusionen über die „reformierte“ SED-PDS angegriffen.
Am nächsten Tag präsentierte die TLD den Mythos, daß die Rede wegen ihrer „scharfen politischen Kritik an der SED“ mit einem Pfeifkonzert von Zehntausenden beantwortet worden war (vergleiche ebenda). Doch was war der wirkliche Grund der Pfiffe? Dahlhaus benutzte das Wort „Ostdeutschland“, was die Massen aufschreien ließ. Zurecht wurde dieser Begriff mit der traditionellen Nichtanerkennung der DDR durch den Westen verbunden. Arme Genossin, sie hatte diese Rede (in Englisch) gerade aus New York erhalten und war bei der ad-hoc-Übersetzung über „East-Germany“ gestolpert! Nach diesem Fehltritt war auf dem Platz kaum mehr etwas zu hören. Als „Genosse“ wollte von dieser Genossin keiner mehr angesprochen werden. Traurig, aber mit diesem Bewußtseinsstand hätte man rechnen müssen! Die IKL hatte es geschafft, sich — und was noch schlimmer ist — den Trotzkismus bei Zehntausenden von DDR-Linken zu diskreditieren.
Heute soll in der SpAD-Propaganda der Anschein erweckt werden, als ob Treptow der Beginn der proletarischen Einheitsfront, eine Aktion zur Zerschlagung der Nazis gewesen sei. Das war nicht der Fall, stattdessen handelte es sich um eine Protestkundgebung, die zur Mobilisierung gegen die Nazis hätte genutzt werden müssen. Daß reine Propaganda und moralische Appelle allein nicht ausreichen, um die Faschisten zu stoppen, wurde in der arroganten, sektiererischen Ansprache gar nicht erwähnt. Damit überließ man den Reformisten und Liberalen das Feld, die auf der Kundgebung einen pazifistischen und legalistischen Weg in die Niederlage propagierten. Die Verweise auf ein notwendiges gemeinsames Vorgehen mit Angehörigen von Volkspolizei und NVA-Soldaten gab es, aber nichts über die Notwendigkeit von Arbeitermilizen als Grundlage anti-faschistischer Aktionen! Noch Wochen nach Treptow lehnte die IKL-Führung Vorschläge von ihren DDR-Genossen ab, in Leipzig Aktionseinheiten gegen Nazis zu initiieren, mit der Begründung, daß damit die SpAD-Wahlkampagne (!) gefährdet würde (s. Teil III). So etwas nennt man parlamentarischen Kretinismus.
Was war möglich und notwendig zu Treptow? Eine kleine Propagandagruppe konnte offensichtlich mehr in Bewegung setzen, als die vielen linken Realpolitiker ihr zutrauten. Doch, auch wenn die TLD jetzt die Kundgebung als eine machtvolle prosowjetische Demonstration und als …eine Gegenmobilisierung gegen den Druck auf Wiedervereinigung aus Bonn… (Spartakist 77 / 09.10.90) ausgibt: Nicht das revolutionäre Proletariat kam, sondern in überwältigender Mehrzahl Arbeiter mit Illusionen über den Reformweg der SED-PDS-Führung. Es bot sich die einzigartige Chance, diese Mobilisierung für die Perspektive anti-faschistischer Aktionen zu nutzen. Das schloß ein, den Aufruf zur Aktionseinheit auch an die Sozialdemokratie zu richten (s. dazu Teil I, 3.2), was die TLD-Führung trotz Kritik aus den eigenen Reihen ablehnte. Die Gruppe IV. Internationale beteiligte sich an der Kundgebung in Treptow und griff scharf die Sozialdemokratie an, ohne die opportunistische Rolle der damals noch politisch entscheidenden SED-Spitze dabei zu verschweigen. Eine massenwirksame Arbeit zur politischen Loslösung der Arbeiter vom stalinistischen Einfluß hätte vier Wochen später, z. B. auf dem außerordentlichen FDGB-Kongreß, ihre Früchte tragen können. Dort verließen Dutzende von Gewerkschafter spontan den Saal, erschüttert durch die Nachricht, daß ihr Hoffnungsträger Modrow auf Deutschland einig Vaterland setze. Die IKL hatte die Chance, eine Rolle bei der politischen Formierung der Arbeiterklasse zu spielen, die sie aufgrund ihres Opportunismus und ihrer Unfähigkeit jedoch nicht nutzen konnte.
2.4. Die friedliche Revolution und die Illusionen der IKL in den Militärflügel der Bürokratie
Die vorgegebene politische proletarische Revolution entfaltete sich laut IKL nur deshalb friedvoll, weil sie unter dem Schutz der sowjetischen Armee stand: Genossen was ihr wißt, das Machtmonopol der SED ist gebrochen. Die Massen können frei ihre Meinung vertreten. Lernt ihnen zuzuhören. Es ist nur möglich durch den gütigen Druck der sowjetischen Armee, verkündete Dahlhaus auf der Treptow-Kundgebung (APK 15 / 04.01.90). Bereits im Offenen Brief an ihren Genossen General Snetkov, damaliger Kommandant der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, verbeugte sich die TLD vor seinem maßgeblichen Einfluß beim Verlauf der Revolution: Zu der Zeit, wo die ostdeutschen Werktätigen dieses Land vom stalinistischen Mißbrauch lösen wollen, hat sich die Rote Armee geweigert, sich für ein Blutbad benutzen zu lassen (Spartakist 66 / 03.01.90). Wäre es zu einer revolutionären Situation in der DDR gekommen, d. h. zur Doppelmachtsituation zwischen Organen der Arbeiterklasse und der Modrow-Regierung, wäre weder ein unblutiger Verlauf noch das Verhalten der sowjetischen Generäle ausgemacht gewesen. Die Rolle der sowjetischen Truppen auf ein Bollwerk gegen Faschismus und NATO (ebenda) zu reduzieren, ist eine einseitige und damit falsche Charakterisierung, die die arbeiterfeindliche Rolle des sowjetischen Militärs ignoriert, das für vier Jahrzehnte eben auch die Herrschaft der korrupten stalinistischen Parasiten verteidigte.
Die Haltung von Revolutionären gegenüber den Armeen eines bürokratisch deformierten Arbeiterstaates ist grundsätzlich die gleiche wie die gegenüber dem Arbeiterstaat unter bürokratischer Führung. Die Militärbürokratie, eine Fraktion des stalinistischen Apparates, muß durch die proletarische politische Revolution zerschlagen werden. Unsere konkrete Haltung gegenüber den Aktionen der sowjetischen Armee oder damals gegenüber der NVA muß sich entlang des Programms der Befreiung des Proletariats bestimmen. Wäre es nicht viel einfacher zu fragen: und in den Fällen, wo die Rote Armee in der UdSSR Arbeiterstreiks oder gegen die Bürokratie gerichtete Bauernproteste zerschlägt, müssen wir sie dann unterstützen? Die Außenpolitik setzt die Innenpolitik fort. Wir haben nie versprochen, alle Operationen der Roten Armee zu unterstützen, die ein Werkzeug in den Händen der bonapartistischen Bürokratie ist. Wir haben lediglich versprochen , die UdSSR als Arbeiterstaat zu verteidigen, und auch nur das, was an ihr Arbeiterstaat ist (Trotzki, Noch einmal zum Charakter der UdSSR in Trotzkis Schriften, Bd. 1.2, S. 1304). Wenn sowjetische Truppen gegen den Imperialismus vorgehen (etwa im II. Weltkrieg gegen Hitler) oder die interne Konterrevolution bekämpfen, rufen wir die Arbeiter zu einem militärischen Block mit diesen auf. Dort, wo diese Armeen gegen die Arbeiterklasse geführt werden (DDR 1953/Ungarn 1956), sind wir für ihren sofortigen Rückzug und kämpfen gegen die stalinistischen Militärs. In der DDR 1989/90 spielte die sowjetische Armee während der Ereignisse keine direkte Rolle. Wenn jedoch Arbeiterräte nach der politischen Macht gegriffen hätten, hätte die Politik der Verbrüderung mit den sowjetischen Soldaten ihre Früchte tragen müssen. Im Kampf gegen die kapitalistischen Restaurationstendenzen sind wir der antikommunistischen Forderung nach Abzug der sowjetischen Truppen, wie sie in der Linken, z.B. von der Gruppe Arbeitermacht (GAM) oder der Vereinigten Linken, propagiert wurde, immer scharf entgegen getreten.
In einem Interview mit einem Mitglied eines NVA-Soldatenrates stellte die TLD fest: „Im Prinzip muß man sagen, daß es in einem Heer in einem Arbeiterstaat, obwohl bürokratisch deformiert, keine Klassenlinie zwischen den Offizieren und den Soldaten gibt“ (APK 11 /2l.12.89). Das ist zwar richtig nur die Genossen der IKL unterschlagen in krimineller Weise, daß es eine Blutlinie zwischen den einfachen Soldaten und ihren Offizieren gibt, vergleichbar der Linie, die die Arbeiterklasse von der stalinistischen Kaste trennt. Die IKL-Revision des Trotzkismus in dieser Frage besteht darin, daß sie die einfachen Soldaten mit den Militärbürokraten gleichsetzt. „Wir Internationalisten“, hieß es u.a. im Offenen Brief an Snetkov & Co (28.12.89), in dem sich die IKL mit den Bürokraten auf eine Stufe stellte.
„Internationalistische Grüße an unsere Genossen, die sowjetischen Soldaten und (!) Offiziere!“ (APK 7 / 15.12.89) sind Schläge ins Gesicht der sowjetischen Soldaten, die (auch in der DDR) kaserniert unter den miserabelsten Umständen leben müssen und von Offizieren der sogenannten „Roten Armee“ schikaniert werden. Bei den einfachen Soldaten („Arbeiter in Uniform“) wird die Arbeiterklasse im Zuge der revolutionären Mobilisierung sehr schnell Unterstützung finden. Am Grad der Effizienz der Aktionen wird es liegen, wie groß der Teil der Offiziere sein wird, den sie zu sich herüberziehen bzw. neutralisieren kann gegenüber denjenigen Militärbürokraten, die bekämpft werden müssen.
Bei ihrer Suche nach einem Ersatz für die Mobilisierung des Proletariats liebäugelte die SpAD/IKL schon immer mit den sowjetischen Militärs. Ein Ausdruck davon ist die immer wiederkehrende Gleichsetzung der revolutionären Roten Armee unter Trotzki mit der sowjetischen Armee unter dem politischen Monopol der Kreml-Stalinisten (s. dazu Teil II). In einer Kritik z.B. gegen die GAM/LRKI beginnt die IKL zwar mit einem korrekten Punkt: „Zu erklären, daß der einzige Kampf, den die sowjetischen Truppen gerührt haben, die Unterdrückung des osteuropäischen Proletariats gewesen ist, zeigt eine Haltung, die selbst den Ablauf der Geschichte leugnet“, um dann fortzufahren: „Was ist mit 1. dem Bürgerkrieg in Rußland 1918/19, 2. dem Krieg gegen Pilsudskis Polen 1920, 3. gegen Japan in der Mandschurei 1937 und 1939, 4. der Invasion von Finnland, 5. dem Krieg gegen Nazideutschland 1941, 6. der Intervention in Afghanistan 1979?“ (Spartakist 72/05.06.90). Für die IKL gibt es hier offensichtlich eine ungebrochene revolutionäre Kontinuität von 1917 bis heute. Zur kritischen Wahlunterstützung der SpAD im Dezember 1990 schrieb die Gruppe Spartakus:
„Die SpAD ist eine der wenigen vorgeblich revolutionären Gruppen, die für die militärische Verteidigung des Iraks gegen die imperialistisch geführte, militärische und ökonomische Aggression eintritt. Sie weckt allerdings die Illusion, daß ein Flügel der sowjetischen Bürokratie den Irak verteidigt. In ihrem Wahlprogramm sowie in einem Offenen Brief an verschiedene Botschaften (mit Kopie an ihren Lieblingsgeneral Snetkov) fordert die SpAD, daß die UdSSR das Waffenembargo aufhebt und Waffen an den Irak schickt. Hier wird bewußt die Tatsache geleugnet, daß alle Flügel der sowjetischen Bürokratie, inklusive Ligatschow und den Militärs, vor Gorbatschows offener Zusammenarbeit mit dem Imperialismus gegen den Irak kapitulieren … Die Forderung an die sowjetische Bürokratie das Waffenembargo aufzuheben, ist gefährlich desorientierend! Natürlich ist es prinzipiell nicht falsch, Forderungen an die Stalinisten zu stellen. Dies macht allerdings nur dann Sinn, wenn diese zumindest vorgeben, für die Unterdrückten gegen die imperialistischen Unterdrücker einzutreten. Wenn die Stalinisten jedoch klarmachen, daß sie auf der Seite der Imperialisten stehen, wie sie es seit Beginn der Golf-Krise getan haben, sind solche Forderungen absurd“
— Flugblatt / 17.11.1990).
„Drushba“ rief dagegen die IKL und erhob das Glas auf das Wohl der stalinistischen Militärbürokraten (APK 7/15.12.89)!
2.5. Die SpAD, „unser Arbeiterstaat“…
„Verteidigt die Errungenschaften unseres Arbeiterstaats!“ prangte es von der Spartakist-Titelseite am 20. März 1990; immer und immer wieder sprach die TLD/SpAD von „unseren VEB’s“, „unserer Wirtschaft“, „unserem Arbeiterstaat“, ohne zu erkennen, daß die Werktätigen der DDR aus guten Gründen eine gänzlich andere Haltung zu „ihrem“ Staat hatten. Da griffen Wahlkampf-Femsehauftritte daneben, in denen die SpAD dafür eintrat,“… daß das, was in der DDR geschaffen worden ist, erhalten wird und ausgebaut wird“ (APK 29 / 27.03.90)
Bevor die Arbeiterklasse der DDR von „ihrem“ Arbeiterstaat sprechen konnte, fehlte ihr eine ganze Kleinigkeit. Die BT formulierte in diesem Zusammenhang: Tatsächlich ist die DDR, wie all die anderen Staaten Osteuropas, ein deformierter Arbeiterstaat. Um ihn zu einem gesunden Arbeiterstaat zu transformieren, ist ein revolutionärer Kampf zum Sturz der stalinistischen Herrschaft und die Zerstörung der Reste des Unterdrückungsapparates notwendig. Vom Standpunkt der Trotzkisten ist diese Auslassung ein elementarer Fehler, der, wenn man die erhebliche politische Erfahrung der Führer der IKL bedenkt, wohl kaum zufällig sein dürfte“ Offener Brief / 23.02.90).
Ein revolutionärer Arbeiterstaat, der sich auf die direkte Demokratie der Räte stützt, wird die notwendigerweise auftretenden Mängel, Halbheiten und Widersprüche in der Periode des Übergangs bis zur Entlastung durch die internationale Revolution bekämpfen bzw. mildem können. Die parasitäre stalinistische Bürokratie hingegen steigert die Probleme des Arbeiterstaates ins Unermeßliche. Eingeklemmt in die trübe Aussicht des Aufbaus des „Sozialismus in einem halben Land“ und den Illusionen in den „goldenen Westen“ gab ein Teil der Bevölkerung Fersengeld. Die während der Fluchtwelle (ab Sommer 1989) einsetzende heterogene Massenbewegung suchte nach einer politischen Lösung ihres Unmuts über Bespitzelung, bürokratische Willkür und stalinistische Mißwirtschaft.
Die Unzufriedenheit mit der Situation in der DDR war einer der treibenden Faktoren, die zur „Wahl der D-Mark“ am 18. März rührten. Die SpAD verwischte den Unterschied zwischen der bedingungslosen Verteidigung des Arbeiterstaates gegen die Konterrevolution und der Verteidigung des (bürokratischen) Status quo. Die proletarische politische Revolution, die letztlich — einzig effektive Form der Verteidigung der Arbeiterstaaten, bedeutet umfassende, radikale sozialistische Reorganisation der ehemals von der Bürokratie unterdrückten Gesellschaft. Bei dem jetzt heraufziehenden Bürgerkrieg um den Erhalt der UdSSR sollte jeder sowjetische Arbeiter einer Partei mißtrauen, die auch nur den Schatten von Verantwortung für das System der bankrotten Stalinisten, für „deren“ Arbeiterstaat übernimmt.
Die SpAD setzte diese Tendenz in ihrer Propaganda fort, als sie verkündete: „In der DDR gab es nicht zu viel, sondern zu wenig Kommunismus“ (Wahlspot der SpAD, Radio Aktuell, 27.11.90). In der DDR existierte ein bürokratisch deformierter Arbeiterstaat und kein Kommunismus und wir wollen hier nicht Trotzkis Antwort auf Stalin wiederholen, als letzterer selbstgefällig in der UdSSR bereits neunzehntel des Sozialismus verwirklicht sah.
Die Konsequenzen des IKL-Spagats zwischen trotzkistischer Orthodoxie und stalinophilen Sentimentalitäten a la „unser Arbeiterstaat“ lassen sich auch anhand der SpAD-Position zur Frauenfrage konkretisieren.
… und die Frauenfrage in der DDR
Während ihrer Orientierung auf die SED-PDS war die Frauenfrage für die SpAD kein zentrales Thema. An dieser für SED-Proletarier sensiblen Frage wollte sie damals nicht rühren und kämpfte nicht gegen den männlichen Chauvinismus in der SED-Programmatik, mit der die Stalinisten die ganze DDR-Gesellschaft durchseucht haben. Im Aufruf Was wollen die Spartakisten“ (APK 18 / 07.12.89 und folgende) wird die Frauenfrage in der DDR noch nicht einmal angesprochen. Forderungen nach „kostenlose(n) Betreuungseinrichtungen für Kinder rund-um-die-Uhr“ tauchten in den ersten Monaten nur beiläufig auf (s. z.B. APK 18 / 12.01.90).
Im Programm zur Volkskammerwahl erweiterte die SpAD ihren Forderungskatalog um „Vergesellschaftung der Hausarbeit“, „Verteidigung des Abtreibungsrechts“ und „Beibehaltung sozial gerechtfertigter (?!) Subventionen“. Die dort ebenfalls aufgestellte Parole für die „völlige Gleichberechtigung der Frau“ beschränkte sich auf den gesetzlichen Rahmen der Situation für Frauen in der DDR. Nirgendwo gab die IKL jedoch die kommunistische Perspektive der Befreiung der Frau als Bestandteil des Kampfes für den Sozialismus bzw. Kommunismus an. Vielmehr reduzierte sie die Frauenfrage auf deren soziale Unterdrückung.
Das ist der erste Kritikpunkt, den Kommunisten an einer solchen vulgären, ökonomistischen Methode zu machen haben: Während der Kampf für die soziale Befreiung der Frau (im Zusammenhang mit der Entfaltung der Produktivkräfte) unabdingbar ist, muß er einhergehen mit dem bewußten Kampf gegen alle Unterdrückungsformen in allen gesellschaftlichen Bereichen, z.B. in Politik und Kultur.
Ferner halten wir es für einen schlechten Witz der IKL, die Unterdrückung der Frau in den bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten mit dem Hinweis auf deren weitgehende Integration in den Arbeitsprozeß herunterzuspielen. Fast alle Frauen in der DDR konnten arbeiten — und das war gut so, eine entscheidende Voraussetzung für das kommunistische Ziel der Befreiung der Frau. Nur in welchen Jobs und unter welchen persönlichen/familiären Umständen — das interessierte die SpAD bei ihrer stalinophilen Verteidigung der DDR höchstens am Rande.
Gleich zu Beginn des Zusammenbruchs des SED-Regimes schrieb die Gruppe IV. Internationale:
„Während in der DDR im Gegensatz zum Westen fast alle Frauen einen Arbeitsplatz finden, womit grundsätzlich eine ökonomische Unabhängigkeit vom Mann hergestellt ist, führt die nach wie vor mangelnde Ersetzung der Hausarbeit durch gesellschaftliche Einrichtungen zur unerträglichen Doppelbelastung. Auf ihren Arbeitsstellen trifft sie zudem der von der stalinistischen Bürokratie konservierte bürgerliche Chauvinismus und versperrt ihnen, trotz guter Ausbildung und Qualifikation, eine anteilige Übernahme von Verantwortung bei entsprechender Entlohnung. Die Einlösung der Forderung nach Emanzipation der Frau ist die Aufgabe der gesamten Arbeiterbewegung. Die gesellschaftliche Übernahme von Reproduktionsarbeit muß sichergestellt werden, d.h. mehr Kindergärten und zwar geöffnet rund um die Uhr, mehr Speisegaststätten, Wohnungen etc. Damit einhergehen muß der Kampf gegen den ‚alltäglichen‘ Chauvinismus, der mit der Absage an die stalinistische Ideologie der ‚sozialistischen Familie‘ beginnt“
— Flugblatt/10.11.1989).
Angesichts der drohenden Konterrevolution mußten selbstverständlich die Akzente auf die Mobilisierung zur Verteidigung der Errungenschaften gesetzt werden, wobei Kommunisten dabei nie beim Status quo hängen bleiben: „Die Frauen gehören zu den ersten Opfern der bürgerlichen Offensive. Die geplanten Entlassungen müssen zurückgeschlagen werden! Schluß mit dem Skandal, daß 75% aller Frauen in traditionell weiblichen, schlecht entlohnten Berufen arbeiten. Der Doppelbelastung durch Betrieb und Familie muß mit radikalem Ausbau der sozialen Einrichtungen begegnet werden! Für eine kommunistische Frauenbewegung!“ (Bulletin 1).
Dieses Ziel einer Frauenmassenorganisation der revolutionären Arbeiterpartei zur Forcierung des Kampfes für die Emanzipation der Frau hat die SpAD offensichtlich aufgegeben. Es taucht in ihrer Propaganda nur noch an Feiertagen auf. Die SpAD hantierte vielmehr mit ihrem ökonomistischen Frauen-Minimalprogramm, das die Frauen in der DDR zu Recht als Fortsetzung der bisherigen, stalinistischen Frauenpolitik interpretieren mußten. In „unserem Arbeiterstaat“ DDR trat sie somit auf der Stelle. Die SpAD verteidigte das DDR-Abtreibungsrecht und „vergaß“ in ihrem Volkskammer-Wahlprogramm die Forderung nach ersatzloser Streichung des Abtreibungsparagraphen. Sie verteidigte die Beschäftigung der Frauen in der DDR und „vergaß“ die Forderung nach ihrer Beschäftigung gemäß ihrer Qualifikation verbunden mit einer beruflichen Frauenförderung. Sie verwies auf die zukünftige „kommunistische Welt“ und „vergaß“ den Sexismus ihrer stalinistischen Blockpartner in spe.
2.6. TLD/SpAD gegen ökonomische Streiks
Nach dem Sturz des Honecker-Regimes war die entscheidende Frage, ob die Arbeiterklasse ihre tiefe Entpolitisierung durch jahrzehntelange stalinistische Unterdrückung überwinden und rechtzeitig eine unabhängige Rolle spielen würde. Viele Arbeiter hatten sich in der „Demokratiebewegung“ verloren. Andere, die gegen den Kapitalismus eingestellt waren, schauten auf Modrow /Gysi und wurden paralysiert durch die SED-PDS-Appelle, die Wirtschaft nicht zu schädigen und Vertrauen in die Regierung zu setzen, die „das Beste“ vom „Sozialismus in den Farben der DDR“ schon retten würde.
Kommunisten wissen, daß die Arbeiter Klassenbewußtsein vor allem durch Klassenkämpfe entwickeln. Die Serie von ökonomischen Streiks, die ab Winter 1989/90 einsetzte, war in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung. Erfolgreiche Verteidigungsstreiks hätten die „Demokratiebewegung“ entlang der Klassenlinie polarisieren und eine erste Verteidigungsposition gegen die prokapitalistischen Kräfte und ihre Förderer in der Modrow-Regierung aufbauen können.
Natürlich mußten Revolutionäre sorgfältig den politischen Kontext der Streiks beachten. Die Unterstützung oder Ablehnung von Streiks mußte an deren vorrangigen Zielen festgemacht werden. Die Gruppe IV. Internationale warnte vor der „Gefahr, daß Arbeiteraktionen zu Stützen der Konterrevolution werden und z.B. in reaktionären Streiks für die Wiedervereinigung münden, statt der Kapitaloffensive zu begegnen“ (Bulletin 1). Trotzkisten waren gegen Streiks, die sich den Hinauswurf von SED-Mitgliedern aus den Betrieben zum Ziel setzten oder darauf aus waren. Fabrikdirektoren zum Abschluß von Joint-Venture-Abkommen mit BRD-Kapitalisten zu zwingen.
Welche Position vertrat nun die TLD/IKL? Auf einer Veranstaltung am 18. November 1989 sprach sich ZK-Sprecher Schütz gegen Streiks aus, da die Arbeiter nicht gegen sich selbst und ihre eigenen Interessen streiken sollten. Im Verlauf der weiteren Entwicklung in der DDR wollte die TLD dann keine Stellungnahme mehr zu diesem Punkt abgeben. Zu ihrer Haltung zum BVB-Streik (Berliner Verkehrsbetriebe) im Dezember 1989 immer wieder befragt, verweigerten die TLD-Genossen die Aussage.
Dieser Streik der Bus- und Straßenbahnfahrer war jedoch ein wichtiges Beispiel für eine Kampfaktion, die eben nicht reaktionär war und von Trotzkisten hätte vertieft werden können. Die BVB-ler wehrten sich gegen die erhöhten Strafabzüge vom Lohn, eine Maßnahme, mit der die „Arbeitsdisziplin“ verbessert werden sollte. Zu Recht antworteten sie: „Wie sollen sie denn ‚Qualitätsarbeit‘ liefern, wenn die ‚Arbeitsmittel‘ nichts taugen. Die Busse seien doch ‚der letzte Dreck‘, …“ (taz / 21.12.89). Die SED-PDS Betriebsgewerkschaftsleitung wollte diesen Streik nicht unterstützen, ihnen war „das Thema Lohn viel zu heiß“ (ebenda).
Die IKL trat offiziell nur für Streiks gegen Faschisten und für die Verteidigung der DDR ein:
„Jeder Streik, besonders in der DDR, muß sich durchaus anhand seiner Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung und die Arbeiter rechtfertigen lassen. Wenn die Arbeiter einer Fabrik in ihrem Betrieb die Produktion auch nur für einen Tag einstellen, um eine revanchistische neofaschistische Mobilisierung oder ein Pogrom gegen eingewanderte Arbeiter zu zerschlagen, oder wenn es Kämpfe gäbe gegen die Liquidierung der DDR, dann wären diese Aktionen nicht nur gerechtfertigt, sondern lebenswichtig. Dies sind nur einige Beispiele von Entscheidungen, die Arbeiterräte in der DDR treffen müßten“
— Erklärung des Internationalen Sekretariats der IKL, APK 9/19.12.89).
Warum versuchte die IKL die Frage der ökonomischen Streiks zu umgehen? Solche Streiks widersprächen ihrem Konzept von der anvisierten Einheit mit der SED-PDS; eine Unterstützung der Streiks hätte zu einer direkten Konfrontation mit der von der SED-PDS gestützten Modrow-Regierung geführt. Die IKL übernahm vielmehr Verantwortung für die stalinistische Mißwirtschaft: „Arbeitet besser, sauberer, ordentlicher! Kein Betrieb darf unökonomisch sein“, forderte ein Mitglied der Spartakist-Gruppen am 4. Februar 1990 unter Zustimmung der TLD/IKL-Führung (APK 22 / 08.02.90). Die TLD/SpAD unterstützte somit die arbeiterfeindliche Austeritätspolitik Modrows!
Trotzkisten lehnen dagegen jegliche Verantwortung für die verstaatlichte Wirtschaft ab, solange die Arbeiter politisch nicht entscheiden können, wie diese in ihrem wie im Interesse der gesamten Bevölkerung zu organisieren ist. Bis zum Sturz der Bürokratie und der Errichtung der politischen Herrschaft des Proletariats gilt auch hier Trotzkis Maxime:
„Es ist eine Sache, sich mit Stalin zu solidarisieren, seine Politik zu verteidigen, Verantwortung dafür zu übernehmen — wie es die dreifach berüchtigte Komintern tut — , es ist eine andere Sache, der Weltarbeiterklasse zu erklären, daß wir es nicht zulassen können — welcher Verbrechen Stalin auch immer schuldig sein mag — , daß der Weltimperialismus die Sowjetunion zerschmettert, den Kapitalismus wieder einführt und das Land der Oktoberrevolution in eine Kolonie verwandelt“
— Verteidigung des Marxismus, S. 272
„Die Planwirtschaft ist grundlegend gesund …“, meinte die IKL (APK 25 / 27.02.90) und reichte somit den Stalinisten die Hand. Man muß kein Trotzkist sein, um zu erkennen, daß die stalinistische Planwirtschaft todkrank und nicht zu retten ist. Ohne Arbeiterdemokratie und sozialistischer Räteregierung, ohne proletarischer Reorganisierung der Wirtschaft in Perspektive der internationalen Ausweitung der kollektiven Eigentumsformen ist die in den bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten erfolgte Enteignung der Kapitalistenklasse nicht zu verteidigen.
Mit diesem Verständnis mußten Trotzkisten sich an ökonomischen Streiks, wo immer möglich, beteiligen. Ausgehend von der Verteidigung der unmittelbaren Arbeiterinteressen mußte versucht werden, die Kämpfe weiter zu treiben hin zur Kontrolle der Arbeiter über die Produktion, für die Organisierung von Arbeiterräten. Bestandteil solcher Kämpfe hätte u.a. die Überwindung syndikalistischer Konzepte (Betriebliche Selbstverwaltung“ u.a.) sein müssen, wie sie von linken Organisationen in der DDR, z.B. der Vereinigten Linken, vertreten wurden. Die IKL hingegen, da sie gegen ökonomische Streiks in der DDR Position bezog, stellte mechanisch die Perspektive der Arbeiterräte den ersten Regungen des Klassenbewußtseins entgegen. Zur Freude Modrows: Erst die zukünftig zu bildenden Arbeiterräte sollten über die Recht- oder Unrechtmäßigkeit von Streiks entscheiden (s.o. IS-Erklärung, APK 9 / 19.12.89).
3. Die Wende der SpAD — weg von der SED-PDS
In den vorherigen Kapiteln haben wir die desorientierende Rolle der TLD-SpAD/IKL gegenüber dem Stalinismus beschrieben. In der entscheidenden Phase nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes unter Honecker, also als es darauf ankam, einen unabhängigen revolutionären Pol zu verankern, gab die IKL mit ihrer Kapitulation vor der SED-PDS dem Druck klassenfremder Kräfte nach.
Jetzt, nach einem Jahr, fühlt die IKL-Führung sich bemüßigt, die „Tendenz (ihrer deutschen Genossen, Anm. von uns), sich in eine strategische Einheitsfront zu liquidieren“, zu vermerken (s. Nachwort Teil I).
Dabei hat doch vor allem die Clique um Robertson in New York die Schuld für das SpAD-Desaster zu übernehmen, denn schließlich leitete sie die Intervention in der DDR an. Der Workers Vanguard-Chefredakteur Jan Norden war für die redaktionelle Linie von APK und Spartakist verantwortlich, Helene Brosius aus dem IS kümmerte sich um die organisatorische Seite. Einer der IKL-Kronprinzen, AI Nelson, überwachte die Koordination und hatte Robertson per Funktelefon immer im Rücken. Mitte Januar 1990 kam sogar der Guru höchst persönlich nach Berlin und trieb den versuchten Block mit den stalinistischen Bürokraten auf die Spitze.
Es war Robertsons Initiative, direkt mit Snetkov und Wolf bzw. Gysi konferieren zu wollen! Robertson wollte bei diesem Treffen auf die massive Wahlkampfintervention der Westparteien hinweisen und die Sowjets auffordern, durch kostenlose, umweltschonende Erdgaslieferungen der bürgerlichen Propaganda entgegen zu wirken. In diesem Zusammenhang wollte er Snetkov auch fragen, ob der es denn gerne sähe, daß NATO-Truppen an der Oder-Neiße-Grenze stünden, falls den imperialistischen Kräften nicht Einhalt geboten würde.
„Arbeiterführer Robertson trifft führende Repräsentanten der sowjetischen Generalität und der Staatspartei der DDR“ — so oder ähnlich hätte die Schlagzeile in Workers Vanguard und Spartakist lauten können. Pech — daß die SED-PDS abwinkte (s. dazu auch Teil III). Allein diese Initiative Robertsons ist wirklich bemerkenswert. Sie beweist nicht nur die vollständige Fehleinschätzung insbesondere der Rolle der sowjetischen Stalinisten; sie gibt darüber hinaus Aufschluß über den erlittenen Realitätsverlust dieses Lilliput-Diktators, der meinte, die Kreml-Herren doch noch in einen „revolutionären“ Block zwingen zu können. Absurdes Theater! Robertson ließ nicht von dem Versuch ab, Teile der SED-Bonzen vor seinen Karren zu spannen.
Trotz der intern auftretenden Widersprüche über die einzuschlagende Politik gegenüber der SED-PDS, wurde noch Anfang Februar 1990 die „SED-Einheit“-Linie wiederholt:
„Jedenfalls wurde mehrfach festgestellt, wir wollen Einheit durch revolutionäre programmatische Umgruppierung, was sich konkret festmachen läßt an vielleicht rund sechs Punkten: Aufbau revolutionärer Parteien im Westen, Verteidigung der Sowjetunion; Bruch mit dem Stalinismus in der DDR, Schutz des gesellschaftlichen Eigentums in der DDR; Keine Massenliquidation (keine ‚Kollektivschuld‘) der DDR-Regierung“
— Teil IV, Dokument 3
Genossin Lizzy, die mit ihrem Brief als direktes Sprachrohr Robertsons fungierte, „vergaß“ die Notwendigkeit des Aufbaus einer trotzkistischen Partei in der DDR, von einer leninistisch-trotzkistischen Fraktion in der SED-PDS ganz abgesehen.
Ab Mitte/Ende Januar 1990 vollzog die IKL-Führung konfus tastend und ohne offene Diskussion ihrer bisherigen Politik, eine Wende weg von der SED-PDS. Die verfügbaren finanziellen Ressourcen erschöpften sich (s. Teil IV, Dokument 2). Die PDS-Führung und General Snetkov hatten die IKL verschmäht, Gorbatschow sein Placet zur Wiedervereinigung gegeben — kurzum, die Kapitulation der Stalinisten war ebensowenig zu leugnen wie auch das Scheitern der opportunistischen „SED-Einheit“-Politik.
Um von der eigenen Verantwortung abzulenken mußten Robertson und seine Clique die Spuren verwischen. Rechtzeitig hatte sich der Meister wieder nach New York abgesetzt, um, wie es hieß, einen Finanzstreit (!) in der Zentrale zu schlichten. Hier konnte er dann, aus sicherer Entfernung, verlauten lassen:
„Jim (Robertson, Anm. von uns) hat wiederum betont, daß wir damit aufhören sollten, uns so viele gedanken um die SED zu machen, denn sie löst sich selbst auf, und das unser Hauptrivale auf der Linken die KPD ist“
— Teil IV, Dokument 3
Zur bisherigen Linie gegenüber der SED, die Robertson voll mitgetragen hatte und an entscheidender Stelle sogar persönlich versucht hatte umzusetzen (Snetkov-Initiative), ließ er in seiner üblichen zynischen Art verlauten:
„Zur Frage der ‚Einheit mit der SED‘, Genossen haben das Gefühl, daß dies nicht nur das Prodkt einer einzeln Person ist, die sich verhört hatte und fälschlicherweise etwas wiederholt hat, was Jim erzählt hat, sondern daß dies teilweise das Resultat der Erschöpfung der führenden Kader dort war und teilweise die Panik wiederspiegelt, der viele in der DDR erliegen, …“
— ebenda
Man kann nur Ekel über die Feigheit dieser Führungsclique empfinden, die ihre politische Verantwortung auf Subalterne abschiebt. Und wehe denjenigen, die nicht bereit sind, Robertsons Manöver mitzuspielen und versuchen, nach tieferen politischen Gründen zu forschen — sie befinden sich bald außerhalb der Organisation! Genossen in der IBT kennen diese Vorgehensweise aus eigener Erfahrung. Die Führung der IKL muß unfehlbar sein — sonst bricht das Kartenhaus zusammen!
Ein fortgesetzter Kurs auf die SED-PDS versprach unter den gegebenen Umständen wenig Erfolg; Entrismus z.B., zumal auf dem bisherigen stalinophilen Programm, hätte die Kontrolle New Yorks über die eigenen Mitglieder in Frage gestellt. Die SpAD begann jetzt ihre Politik zu modifizieren und nahm Kurs auf das „massenorientierte“, eigenständige Auftreten. An der in der vorherigen Periode entwickelten Methode mußte wenig geändert werden. Da die PDS die Verteidigung der DDR nicht organisieren wollte, proklamierte nun die SpAD, dies an deren Stelle durchführen zu wollen. Das korrekte Verhältnis zwischen einer kleinen Propagandagruppe und ihren Aufgaben (vorrangige Konzentrierung auf die Gewinnung von Linken, Umgruppierungsarbeit) war auf Grundlage der IKL/SpAD-Programmatik nicht zu erwarten.
Nach einem New York Times-Artikel, der verkündete, daß ein Viertel der DDR-Bevölkerung gegen die kapitalistische Wiedervereinigung eingestellt sei, verlangte Nelson vom ZK der SpAD diese Massen zu organisieren. Als Vehikel für ein solches Manöver sollte der SpAD-Volkskammerwahlkampf dienen. Die SpAD schritt zur Organisierung ihrer nächsten Niederlage.
3.1. Von der Wahl-Kampagne Nr. 1: „Millionen wollen Sozialismus“…
Noch im März verfolgten die Schatten der politischen Revolution die SpAD. Fünf Tage bevor die Mehrheit des DDR-Proletariats ihre Stimme den bürgerlichen Parteien gab, posaunten sie: „…Millionen Arbeiter in Osteuropa, besonders in der DDR, (wollen) das Kollektiveigentum verteidigen und eine wirklich sozialistische Gesellschaft aufbauen“ (APK 27/13.03.90). Die Massen zu führen war die SpAD, nun ohne den Umweg über die SED-PDS, angetreten: „Millionen Werktätige wollen schützen, was wir durch unsere Arbeit in 45 Jahren aufgebaut haben — trotz der stalinistischen Deformation der DDR — und sind bereit, ein Viertes Reich auf deutschem Boden zu verhindern, das die ganze Menschheit bedrohen würde. Indem wir unerschütterlich gegen die kapitalistische Wiedervereinigung auftreten, wollen wir ihre Stimme sein“ (ebenda).
Gemessen an ihrem Anspruch „ein eindrucksvolles Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung zu organisieren“ (APK 26/06.03.90) war es für die SpAD eine schwere Niederlage, von den Millionen nur 2396 Stimmen erhalten zu haben. Daß es überhaupt so viele wurden, mußte angesichts der von der SpAD geführten Kampagne überraschen: Die Kraftmeierei dieser Politzwerge, das organisatorische Chaos und die bürokratischen Manöver gegen Linke auf den schwach besuchten SpAD-Veranstaltungen, machten diese Gruppierung nicht gerade attraktiver.
Die Abkehr von der opportunistischen Orientierung auf Teile der stalinistischen Bürokratie wurde „klammheimlich“ vollzogen. In der Öffentlichkeit verteidigte jedoch die SpAD nach wie vor ihre ehemalige politische Linie. Eine ultrasektiererische Haltung gegenüber der Sozialdemokratie sowie ein genereller Abstentionismus gegenüber der Arbeiterbewegung trugen, wie wir noch zeigen werden, zur verheerend niedrigen Stimmabgabe für die SpAD bei.
Darüber hinaus war die SpAD/IKL unfähig, eine marxistische Analyse der Volkskammerwahlen zu liefern. Sie verbreitete Konfusion mit ihrem Gerede über einen „… (verzerrten) Volksentscheid … über die weitere Existenz der DDR“ (APK 27 / 13.03.90), wobei sie nirgendwo erklärte, was denn nun darunter genau zu verstehen sei. Wir vermuten, daß diese Konfusion u.a. der Tatsache geschuldet ist, daß ihr erster Entwurf des Programms für die Volkskammerwahl von einem PDS-Mitglied geschrieben wurde. Die SpAD konnte nicht erklären, zu was sie überhaupt angetreten war!
Ausgehend von der Vorarbeit der prokapitalistischen Modrow-Regierung konstatierte die Gruppe IV. Internationale:
„Die Wahl am 18. März soll die bürgerlich demokratische Legitimation für die schrankenlose kapitalistische Ausbeutung der Werktätigen liefern“ (Flugblatt/26.02.90) und in ihrer Analyse der Wahlen schrieb die Gruppe IV. Internationale: „Im Unterschied zur bonapartistischen Modrow-Regierung kann sich die Regierung aus Allianz, SPD und Liberalen nun sogar ‚demokratisch‘ legitimieren. Sie ist eine prokapitalistische Regierung auf bürgerlich-parlamentarischer Grundlage, deren Aufgabe darin besteht, den deformierten Arbeiterstaat DDR endgültig zu Fall zu bringen und durch Anschlußpolitik an die BRD den Kapitalismus zu restaurieren“
— Bulletin 2
Trotz aller Kritik riefen die Genossen der BT und der Gruppe IV. Internationale zur Wahl der SpAD auf. Wir entschieden uns für diese Taktik der kritischen Wahlunterstützung, um das revolutionäre Programm entlang der Fragestellung „Für oder gegen kapitalistische Wiedervereinigung“ propagandistisch zuzuspitzen. Die sich schon damals stolz „gesamt-deutsch“ nennende SpAD war bei aller Widersprüchlichkeit dennoch die einzige zur Wahl antretende Gruppierung, die mit Nachdruck gegen die Wiedervereinigung auftrat. Vor politischem Vertrauen in die, zum Zweck der Wahl gegründete, „Pandeutsche“ Sektion warnten wir von Anfang an (über die Vorgänge um die Gründung der SpAD s. Teil III).
Insbesondere die Führung der SpAD/IKL zeigte sich empfindlich gegenüber unserer revolutionären Kritik. Eine Flut von Schmähungen, Kübel von Dreck gossen diese Herrschaften über uns, unfähig auch nur ein politisches Argument zu parieren. Wir störten offensichtlich bei dem Selbsthypnoseversuch der marschierenden Arbeitermassenpartei.
Die von der SpAD initiierte „Kampfdemonstration“ am 6. März 1990 („Berliner Arbeiter: Jetzt ist die Stunde des Kampfes!“ (APK 26 / 06.03.90)) veranschaulichte exemplarisch das Sektierertum der SpAD. Andere linke Organisationen konnten sich nicht beteiligen, selbst wenn sie es gewollt hätten. Der Aufruf zur Demonstration kam erst am gleichen Tag heraus, an dem diese stattfand! Kaum vierzig Teilnehmer „kämpften“ dann vor der Volkskammer. Und warum waren es so wenige? „Wegen der kurzen Vorbereitungszeit (!) und strömendem Regen (!!) sind nur wenige Menschen gekommen“ (APK 27 / 13.03.90). Dümmer ging’s nimmer!
… hin zum Wahldesaster Nr.2:
Großdeutschland = faschistisches Reich?
Die aufschneiderische „Massenmethode“ der SpAD hat sich bis auf den heutigen Tag gehalten, geändert haben sich die Schlagworte: „Das Vierte Reich hat in den Volkskammerwahlen gewonnen“ (APK 30 / 10.04.90). Die SpAD modifizierte jetzt ihre Linie der Verteidigung der DDR, wobei der Kampf gegen das „Vierte Reich“ nun zu einem zentralen Bestandteil ihrer Propaganda wurde. Jeder halbwegs politisch Interessierte, national wie international, assoziiert mit der Herrschaft des Vierten Reichs das Regime des Dritten: Hitlers Terror. Die SpAD identifiziert tendenziell die BRD mit dem Faschismus. Mit diesem neuen Mobilisierungstrick sollte eine kritische Reflexion der Mitglieder über die SpAD-Wahlkampagne sowie über die gesamte bisherige Intervention der IKL in die DDR gleich im Ansatz unterbunden werden. Nicht denken, sondern lenken! Wer wollte schon quer schießen, so mögen sich viele der Mitglieder gedacht haben, wenn der Faschismus ins Haus steht?
Wer die IKL etwas genauer kennt, dem ist diese Art der Erzeugung von Katastrophenstimmung nicht unbekannt. 1983 schrieb die TLD: „Konfrontiert mit der schwersten (!) Wirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren (!) und mit den mächtigsten Mobilisierungen des Proletariats seit 1932 (!) stellt die Bourgeoisie die ausländischen Arbeiter als Sündenbock hin“ (Flugblatt/25.02.83). Während der Diaspora der TLD-Mitglieder feilte New York an einem come back in Deutschland und machte wieder einmal alles falsch: ‚Türkische Arbeiter im Vierten Reich“ hieß die Schlagzeile im März 1986 (Spartacist 12, deutsche Ausgabe).
Ab Mitte 1990 wurde die SpAD-Propaganda immer hysterischer: „AldiSupermarkt des Vierten Reichs“ (Spartakist 72/05.06.90), „Wessen Kreatur ist Kohl? Der Mann, der Führer sein möchte“ (Spartakist 73/03.07.90): „Was Hitler mit der Wehrmacht nicht gelungen ist, wollen sie gegenwärtig mit der D-Mark schaffen. Und daran sind alle Parteien des ‚demokratischen‘ (!) Vierten Reichs beteiligt, besonders die Sozialdemokratie …“ (ebenda). „Schließt euch dem Klassenkampf-Wahlkampf der Spartakisten an! Für Arbeiterwiderstand gegen das Vierte Reich!“ (Spartakist 77/09.10.90). In einer Hut von Vierten Reich-Berichten gingen Bemerkungen wie „Das Vierte Reich ist nicht das Dritte Reich, und die kapitalistische Ordnung östlich der Elbe ist noch nicht konsolidiert worden“ (ebenda) vollkommen unter. Sie waren auch nicht dazu gedacht, die falsche Linie zu korrigieren sondern dienen vielmehr zur „trotzkistischen“ Absicherung.
Der zentrale Kritikpunkt der Gruppe Spartakus in der Faschismusfrage an die Adresse der IKL lautet:
„Aber die SpAD entwaffnet die Arbeiterklasse, indem sie den Eindruck erweckt, daß wir schon im Faschismus leben. Sie spielt damit die furchtbare Wirklichkeit des Faschismus an der Macht herunter, was dazu führt, von der Notwendigkeit abzulenken, die faschistischen Banden zu zerschlagen, wenn sie noch klein sind“
— Flugblatt/17.11.1990
Denn was ist Faschismus? Auch wer sich nur oberflächlich mit Trotzkis Polemik gegen die ultralinke Stalin-Thälmann-Linie der KPD beschäftigt hat, weiß: Faschismus bedeutet die terroristische Herrschaft der Monopolbourgeoisie, die durch die faschistische Massenpartei organisiert wird und sich gründet auf die Zertrümmerung der Arbeiterbewegung einschließlich der Liquidierung der bürgerlich parlamentarischen Demokratie. Aktuell ist das deutsche Großkapital nicht gezwungen seine politischen Geschäfte faschistischen Abenteurern zu überlassen, da bis dato die Einbindung der Arbeiterklasse vor allem über SPD und DGB-Bürokratie zur vollsten Zufriedenheit funktioniert. Faschismus und Demokratie sind sich gegenseitig ausschließende Formen bürgerlicher Herrschart, wie Trotzki analysierte. Ein schleichender Übergang von der einen zur anderen Form, eine „Faschisierung“, kann nicht stattfinden. Ein solcher Begriff dient vielmehr zur Desorientierung der Arbeiterklasse bei der Einschätzung von Entwicklungen im bürgerlichen Lager.
Wie ist dann die aktuelle Situation in der BRD zu charakterisieren? Im Zuge der Wiedervereinigung ist ein Rechtsruck des bürgerlich parlamentarischen Systems erfolgt, von dem faschistische Gruppen außerhalb des Parlaments profitieren. Ein Ausdruck dieser Rechtsentwicklung ist der sich steigernde deutsche Nationalismus, der sich auf die gewachsene internationale Bedeutung des BRD-Imperialismus gründet. Die ersten Ziele und Opfer sind die Immigranten; darüber hinaus soll der Widerstand der gesamten Arbeiterklasse in Deutschland kleingehalten werden, wie die Verfolgung der PDS durch die Bourgeoisie zeigt. Die Exekutierung eines nach wie vor drohenden PDS-Verbots wäre kein Beweis für die Existenz des Faschismus in Deutschland (so wenig wie das KPD-Verbot 1956), sondern wäre vielmehr ein Ausdruck der jetzt praktizierten demokratischen Politik, mit polizeilichen Repressionsmitteln Errungenschaften der Arbeiterklasse in der bürgerlichen Demokratie zu beschneiden (anstatt sie allesamt zu zerschlagen). Gleichzeitig hält der bürgerliche Staat die faschistischen Gruppen an der langen Leine und läßt sie bei ihrer mörderischen Arbeit gegen Ausländer und Rote gewähren. Aktuell will er die Faschisten jedoch nicht über die Stränge schlagen lassen.
Die Aufgabe der Arbeiterbewegung besteht darin, im Zuge der allgemeinen Mobilisierung für sozialistische Ziele: erstens diese Beschneidung der bürgerlich demokratischen Rechte zu verhindern. In diesem Zusammenhang erhält die von uns erhobene Forderung nach vollen staatsbürgerlichen Rechten für Immigranten eine zentrale Bedeutung. Zweitens die Faschisten heute von der Straße zu fegen, damit sie morgen keine Massenbewegung organisieren; d.h. mit Aktionseinheiten der Linken und Arbeiter, mit gewerkschaftlich organisierten Selbstverteidigungsgruppen der braunen Pest entgegen zu treten.
Die SpAD-Propaganda erweckt bewußt den Anschein, daß das Vierte Reich gesiegt habe und bereits seinen Triumph auf den Knochen der Arbeiterbewegung feiert. Es geht nicht um eine „Numerierung“ bürgerlicher Herrschaft in Deutschland, wie man uns auf SpAD-Veranstaltungen weismachen wollte. Mit einer solchen Politik wird von den wirklichen Protagonisten eines Vierten Reichs abgelenkt: Am 20. Oktober 1990 z.B. marschierte Kühnen mit 500 FAP-Mitgliedern unter Polizeischutz durch Dresden! Selbst in den eigenen Reihen konstatiert die SpAD jetzt eine Konfusion über ihre Parole des „Vierten Reichs“.
Die Gründe, die hinter dieser bizarren SpAD-Propagandaachse stehen, sind vielfältig. Zur TLD-SpAD-Geschichtsbewältigung gehört u.a. das Trauma der selbstbescheinigten Kapitulation gegenüber dem Nationalismus (Auflösungserklärung der TLD, Spartacist 12, deutsche Ausgabe), der „Lager“-Jargon ihrer internationalen Führung (s. Teil IV, Dokument 6) sowie ihre üblen Denunziationen von Linken als Spitzel, Faschisten bzw. Faschistenunterstützer. Davon sind nicht nur die Mitglieder der IBT betroffen; z.B. beschimpfte die TLD in der Vergangenheit die Autonomen als „trübes lumpenproletarisches Milieu, das auch Polizeiprovokateuren zugänglich ist“ (Spartakist 55/Jan./Feb. 1988). Ein anderer Grund ist auch in der Ausrichtung des SpAD-Wahlkampfes zu finden: Mit ihren Anklängen an die ultralinke Periode Stalins/Thälmanns 1928-33 versuchte die Organisation im stalinistischen Wasser zu fischen.
Mit 679 Stimmen weniger als im März bekam die selbsternannte Avantgarde der deutschen Arbeiterklasse die Quittung für ihre Politik. Der Spartakist wagte nicht, diese erneute Schlappe überhaupt zu diskutieren! Wie uns kritische Geister in der SpAD mitteilen, gelang es der SpAD-Führung noch nicht einmal, sämtliche Mitglieder von ihrer internen Wertung — „Erfolg“ — zu überzeugen. Diese Weigerung, die bisherige Politik offen und ehrlich zu bilanzieren, sollte die SpAD-Unterstützer, die bisher auf revolutionäre Besserung der SpAD/IKL setzten, an ihrer Hoffnung zweifeln lassen.
4. Die Phobie der SpAD gegenüber der Sozialdemokratie…
Wir verstehen unter Wende der SpAD die Ablösung ihrer SED-Einheit-Orientierung durch die kraftmeierische Selbstdarstellung als revolutionäre Massenalternative. In ihrer sektiererischen Haltung den sozialdemokratischen Arbeitern gegenüber gab es keine Wende; sie prägt die Politik der TLD/SpAD seit 1989. Ihre Phobie gegenüber der SPD bringt sie durch rituelle Wiederholungen von Schlagwörtern wie „Bluthunde der SPD“ zum Ausdruck. Nebenbei bemerkt, wir können uns nicht daran erinnern, in den IKL-Publikationen der letzten Jahre Trotzkis (ebenfalls allgemein korrekte) Charakterisierung des Stalinismus als „Pest der internationalen Arbeiterbewegung“ gelesen zu haben.
In der Vergangenheit wurde die SPD als „Trojanisches Pferd der Konterrevolution in der DDR“ bezeichnet — ein unsinniger Rückgriff auf die Antike, da doch die Trojaner keine Ahnung über den Inhalt des Pferdes hatten. In der DDR jedoch wußte jeder, daß von den Oppositionsgruppen vor allem die SDP/SPD für den kapitalistischen Anschluß kämpfte. Hypnotisiert von der (angeblich) marschierenden proletarischen politischen Revolution, starren Blickes auf die SED-PDS, hielt es die IKL gar nicht für nötig, sich Gedanken über den wachsenden Einfluß der SPD in der DDR-Arbeiterklasse zu machen.
In ihrem ersten Flugblatt setzte sie die SDP mit den Windbeuteln vom Neuen Forum gleich: „Die massenhaften Protestdemonstrationen, mit ihrer eindrucksvollen Disziplin, sind weiterhin von kleinbürgerlichen Kräften wie dem Neuen Forum und den Sozialdemokraten (SDP) dominiert“ (15.11.89; Hervorh. von uns). Erst später merkte sie einmal an: Die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands betont, daß die SPD das Trojanische Pferd der Konterrevolution in der DDR ist. Die SPD ist in Lenins Worten eine bürgerliche Arbeiterpartei, eine Partei, die auf den Organisationen der Arbeiterklasse basiert, jedoch verpflichtet ist auf die Verteidigung des Kapitalismus“ (APK 27/13.03.90). Eine formal korrekte Position — nur hatte sie keine Folgen, denn sie ist wiederum ausschließlich als orthodoxes Feigenblatt gedacht.
Über die konterrevolutionäre Rolle der Sozialdemokratie als bürgerliche Agentur in den Reihen der Arbeiter wollen wir uns mit der SpAD/IKL gar nicht streiten. Kurz nach dem Zusammenbruch des Honecker-Regimes schrieb die Gruppe IV. Internationale: „Die Kundgebung aller Parteien des Abgeordnetenhauses, die Pfiffe für Kohl und der Jubel für Brandt und Momper, unterstreichen noch einmal die Tatsache, daß vor allem die SPD fähig ist, bis tief in die DDR hinein Illusionen in ‚Freiheit und ‚demokratischen Sozialismus‘ für die revanchistischen Ziele des BRD-Imperialismus zu nutzen“ (Flugblatt / 10.11.89). Unsere propagandistische Stoßrichtung: „Keine Illusionen in SPD und SDP — nein zum Programm der demokratischen Konterrevolution“ (Forderungskatalog / 11.12.89) war umso wichtiger, da sich die Illusionen der ostdeutschen Arbeiterklasse über die SPD in den Jahrzehnten der SED-Alleinherrschaft hatten halten können — erzeugt u.a. durch die Politik der Stalinisten selbst.
Mit der propagandistischen Aufdeckung dieser Rolle der SPD als Speerspitze des deutschen Imperialismus in der DDR-Arbeiterklasse war aber die Aufgabe von Leninisten keineswegs erfüllt. Für die IKL haben Lenins Schrift „Der Linke Radikalismus …“, die Beschlüsse des in. und IV. Weltkongresses der Komintern als auch Trotzkis Kampf gegen den deutschen Faschismus keinerlei Bedeutung. Lenin und Trotzki zeigten die Notwendigkeit von Einheitsfrontaktionen mit sozialdemokratischen Parteien, unter Voraussetzung von Arbeitermassenillusionen über diese Agenturen, ohne auch nur ein Jota vor der Politik der sozialdemokratischen Führungen zurückzuweichen. Für die IKL war und ist das kein Thema.
Unter diesem Aspekt sei hier noch einmal Treptow erwähnt. Eine Aufforderung an die SDP/SPD, sich an der Massenkundgebung gegen die Faschisten zu beteiligen, war unabdingbar. Es ging auch darum, Arbeiter von der SPD wegzubrechen. Eine Möglichkeit, deren Klassenbewußtsein zu heben, war, die SPD-Führung vor der Kundgebung zu einer Stellungnahme herauszufordern. Als Vogel, Böhme, Meckel & Co. dann nach dem 3. Januar 1990 die bürgerliche Hetze gegen die Treptow-Kundgebungsteilnehmer initiierten, mußte natürlich die antifaschistische Mobilisierung gegen die SPD-Kanaillen verteidigt werden. Revolutionäre mußten für diese Verteidigung auch versuchen, die Unterstützung von SDP-Arbeitern und SDP-Untergliederungen zu erhalten. Zwei Wochen später skandierten faschistische Elemente auf der Leipziger Montagsdemo „SDP = SED-PDS; Rote Raus“. Dieses Beispiel, erläutert durch eine revolutionäre Propaganda und verbunden mit einer leninistischen Einheitsfrontpolitik, hätte SDP-Mitgliedern die Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Faschisten und ihre westdeutschen Drahtzieher klarmachen können. Ein kleiner Schritt auf dem Weg der Verteidigung der DDR wäre getan gewesen.
Die IKL dagegen weigerte sich, die SDP in eine Aktionseinheit einzubeziehen und begründete dies eine Woche später damit, daß die SDP keine „proletarische Massenbasis“ habe (APK 18/12.01.90). Mit dieser falschen Begründung wurde darüber hinweggegangen, daß gerade zu Beginn des Zerfalls der DDR, als die Sozialdemokratie dort noch organisatorisch schwach war. Revolutionäre an diesem dünnen Standbein zu sägen hatten. Die TLD richtete ihre Aufforderung zu Treptow bewußt ausschließlich an die SED-PDS. Für sie waren die SDP/SPD-Arbeiter offensichtlich Bestandteil der „reaktionären Masse“, wobei sie auch noch die Stirn hatte, Trotzkis Schriften gegen den Faschismus als Begründung dafür anzugeben (s. APK 16/08.01.90).
Wir behaupten, daß die IKL schon lange die Hoffnung auf die Revolution aufgegeben hat. Trotz allen Geschreis — in Wahrheit hält es diese Organisation für unmöglich, daß das Proletariat mit Hilfe der Kommunisten im Klassenkampf den Reformismus überwinden kann. Das läßt sich nicht nur festmachen an ihrer Haltung gegenüber SDP/SPD-Arbeitern, sondern zeigt sich an ihrem Abstentionismus gegenüber der reformistisch dominierten Arbeiterbewegung generell.
… und ihr Abstentionismus gegenüber den Betriebsräten
Eintags-Interventionen wie letztens in den Reichsbahnerstreik sind beispielhaft für viele andere Streik-Nachlauf-Operationen der IKL in der Vergangenheit. Sie sollen von der Unfähigkeit einer systematischen Arbeit in Betrieben und Gewerkschaften ablenken.
Eine Bestätigung dieser These läßt sich nicht nur durch eine Analyse der Praxis der SpAD/IKL finden, sondern wird auch durch die Programmatik der IKL deutlich. Als Beispiel wollen wir die Haltung der SpAD zu den Betriebsräten nennen. „Westdeutschlands Betriebsräte sind schlicht und einfach Organe der Klassenkollaboration“. „Betriebsräte dienen im besten Fall eher (?!) der Spaltung der Arbeiterklasse, statt zu ihrer Einheit beizutragen. ..“(Spartakist 68 / 01.03.90), tönte die SpAD während der westdeutschen Betriebsrätewahlen 1990 und verleumdete damit kurzerhand alle linken Gewerkschaftsmilitanten. Dabei gehört es zum ABC der revolutionären Betriebsarbeit, den Betriebsrat — ein Produkt der deutschen Revolution von 1918-23 — wieder unter die direkte Kontrolle der Belegschaft zu bringen. Auch in den Betriebsräten müssen Kommunisten den Kampf gegen sozialdemokratische Klassenkollaboration, gegen das Betriebsverfassungsgesetz und die darin enthaltene Verpflichtung zur „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit den Kapitalisten, aufnehmen mit der Perspektive der Bildung von Arbeiterräten.
In einer Polemik gegen R. Well (alias Sobolevicius, ein Stalin-Agent in den Reihen der deutschen Trotzkisten vor 1933) schrieb Trotzki:
„Sie (die Well-Gruppe, Anm. von uns) stellen den Betriebsräten, den Gewerkschaften, dem Parlamentarismus das — Räte-System entgegen. Dazu gibt es im Deutschen einen schönen Vers: ‚Schön ist ein Zylinderhut, wenn man ihn besitzen tut. Sie haben nicht nur keine Räte, sondern noch nicht einmal eine Brücke zu ihnen, keine Straße zu dieser Brücke, keinen Fußweg zu dieser Straße. Pfemferts ‚Aktion‘ verwandelt die Sowjets (Räte) in einen Fetisch, in ein übersoziales Gespenst, einen religiösen Mythos. Jede Mythologie dient den Menschen dazu, ihre eigene Schwäche zu verdecken oder mindestens, sich mit ihr zu trösten… ‚Weil wir auf den Tod ohnmächtig sind, weil wir in den Betrieben nichts machen können, so… so steigen wir zum Lohn dafür auf einmal in eine solche Höhe, daß zu unserer Hilfe die Räte vom Himmel fallen‘.— Da haben Sie die ganze Philosophie der deutschen Ultra-Linken. Nein, mit dieser Politik habe ich nichts gemein. Unsere Meinungsverschiedenheiten betreffen ganz und gar nicht das deutsche ‚Betriebsrätegesetz‘, sondern die marxistischen Gesetze der proletarischen Revolution“
— Schriften über Deutschland, S. 140
Als wäre es für die IKL und insbesondere für deren Intervention in die zusammenbrechende DDR geschrieben! Zu Tausenden suchten Arbeiter Hilfe zum Aufbau von Betriebsvertretungen, um sich vor den Angriffen der Kapitalisten und den „wendehälsigen“ Fabrikdirektoren zu schützen. Die „Hilfe“, die sie fanden, war die des DGB und seiner sozialdemokratischen Führung. Anstatt nun an diesen entstehenden Organen der Arbeiterklasse anzusetzen und die Notwendigkeit von Arbeiterräten zu entwickeln, und in diesem Kontext die „sozialdemokratischen, mitbestimmungsorientierten sozialpartnerschaftlichen Betriebsräte nach bundesdeutschem Vorbild“ zu bekämpfen (s. Bulletin 2), stellte die SpAD mit ihrem schematischen, sektiererischen Propagandismus die Arbeiterräte diesen Ansätzen entgegen. „So dient der Aufruf zu Betriebsräten oft (?) dazu, ein Programm für die Restauration des Kapitalismus zu verschleiern. Dagegen (!) ruft die Spartakist-Arbeiterpartei auf: ‚Arbeiter- und Soldatenräte an die Macht!‘“ (Spartakist 68/01.03.90). Bei ihrer aktuellen Neuorientierung auf Betriebe und Gewerkschaften plant die SpAD auf dieser programmatischen Grundlage nur ein erneutes Desaster ein: „Wir kämpfen für die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, das heißt unversöhnliche Opposition gegen die klassenkollaborationistischen Einrichtungen wie Betriebsräte“ (Aufgaben und Perspektiven in: Internes Diskussionsbulletin 16, Februar 1991).
In ihrer Haltung zu den Betriebsräten bestätigt die SpAD die Einschätzung, daß die IKL in Wirklichkeit schon seit langem den tagtäglichen Kampf gegen das bürgerliche Bewußtsein in der Arbeiterklasse (inklusive seiner sozialdemokratischen Variante) aufgegeben hat. 1980-81 „befreite“ sich die Spartacist League (SL) — Führung (die amerikanische Sektion der IKL) von allen führenden SL-Gewerkschaftern, indem sie diese aus der Organisation säuberte; 1982 zog sie fast sämtliche ihrer Betriebsräte zurück und liquidierte damit die Ergebnisse von mehr als zehnjähriger harter revolutionärer Gewerkschaftsarbeit. In Deutschland hat es die TLD/SpAD nicht geschafft, nach über fünfzehnjähriger Existenz auch nur in einem Betrieb eine minimale Verankerung zu erreichen; frühe Ansätze Ende der siebziger Jahre wurden vom IKL-Regime zunichte gemacht.
Ultralinkes Sektierertum ist nur die Kehrseite des rechten Opportunismus. Diese marxistische Binsen-Weisheit fand ihre Bestätigung am 1. Mai 1990. Trotz aller Phobie gegenüber der Sozialdemokratie formierte die SpAD einen Block auf der SPD-dominierten Demonstration für „Wiedervereinigung“ (Aufruf der DGB-Bürokratie: „Wir wollen ein einiges Deutschland“) und passierte mit den Sozialdemokraten in trauter Eintracht… das Brandenburger Tor.
Nachwort:
Robertson zieht offiziell Bilanz: Spuren verwischen, Verantwortung abschieben, Lügen…
Als wir den größten Teil der vorliegenden Broschüre bereits geschrieben hatten, erhielten wir Kenntnis vom aktuellen IKL-Diskussionsstand über „den Kollaps des Stalinismus“ (Spartacist 45-46, englische Ausgabe). Die Mitgliedschaft der IKL scheint zunehmend unruhig zu werden. Es gibt gute Gründe für diese Unruhe. Die IKL-Führung weckte mit ihrer grotesken und falschen Darstellung der Ereignisse in der DDR (eine proletarische politische Revolution statt eines vorübergehenden Machtvakuums, entstanden aus dem Zusammenbruch der stalinistischen Bürokratie) vollkommen unrealistische Erwartungen bei den Unterstützern. In den Bemühungen, die Vorstellungen der Führung zu erfüllen, wurde die Mitgliedschaft bis zum Äußersten getrieben. Die Taktik der IKL war eine Mischung aus politischer Anlehnung an die Stalinisten und einem Ersatz-Massenavantgardismus.
Die pseudo-theoretische Diskussion in Spartacist dient dazu, die Verantwortung der Führung für das DDR-Fiasko vor der Mitgliedschaft zu vertuschen. Das wirklich Unverschämte und für SpAD-Mitglieder besonders Peinliche ist die Art der Umschreibung der jüngsten Geschichte durch die IKL-Führung. Das beginnt mit der Form: Robertson wagt sich vorerst nicht, in einem offiziellen Dokument Bilanz zu ziehen, sondern schickt seine Schreiberlinge, Seymour und St. John, in gezeichneten Artikeln vor, die „nicht notwendigerweise in allen Punkten die Meinung der Organisation repräsentieren“ (Spartacist-Impressum). Was dann „offiziös“ von St. John zur DDR vom Stapel gelassen wird, ist eine Mischung aus Entschuldigungen, Schuldzuweisungen, Halbwahrheiten bis hin zu ausgemachten Lügen.
Besonders auffällig bei St. John ist das Herumscharwenzeln um den „Genossen Andrews“, der viermal in dem Artikel erwähnt wird, während keinerlei Bezug genommen wird zu anderen Diskussionsteilnehmern. Der Zynismus der Führung tritt klar zu Tage in St. John’s Stellungnahme.
„Wir haben nie im Voraus beurteilt, was das Ergebnis unserer Anstrengungen sein würde, die Partei und die Führung zu schmieden, die für eine erfolgreiche politische Revolution in der DDR notwendig war“ (St. John in: Spartacist 45-46, SpAD-Übersetzung). Dies ist eine ausgemachte Lüge, denn genau dieser Anspruch wurde vor und nach der SpAD-Wende vertreten und war der tiefere Grund für die Euphorie und Panik von Robertson & Co. Ohne auch nur ein Wort der Erklärung rückt die IKL von ihrer zentralen Prämisse der proletarischen politischen Revolution ab. St. John spricht von einer „potentiell revolutionären Situation“ (hört, hört!), Robertsons Redaktionskollektiv von einer „anti-bürokratischen Revolution, der es von Anfang an an einer organisierten Arbeiterklassen-Beteiligung mangelte, die rapide in die soziale Konterrevolution hinüberglitt“ (Spartacist 45-46). Wir haben belegt, wovon die IKL früher ausging.
Nachdem die IKL-Führung auf der Grundlage einer erfundenen politischen Revolution ihre Mitgliedschaft auf das erfolglose Nachjagen einer nicht existierenden SED/PDS-Linke ausgerichtet hatte, verkündet sie nun, daß das Programm der PDS, sowie das der anderen Linken in der DDR „… den Interessen und den periodischen Impulsen der Arbeiterklasse um 180 Grad zuwider liefen“ (St. John, ebenda). Eine Antwort auf die Frage warum „… das Proletariat in der DDR nicht in Aktion trat…“, gibt St. John, indem er Trotzki zitiert: „Arbeiter brechen gewöhnlich nicht ohne weiteres mit der Partei, die sie zum bewußten Leben erweckt hat…“. In der Tat widerspiegelt die Illusion, „… die SED sei reformierbar …“ das „… falsche Bewußtsein und das Kleben an der SED …“ (St. John, ebenda). Beim Lesen dieses Textes scheint es schwer vorstellbar, daß die TLD eine Politik der Anlehnung an die SED und/oder ihren imaginären linken Flügel verfolgte, statt zu einem Bruch mit der SED aufzurufen. Nachdem der Nebel sich gelichtet hatte und es offensichtlich wurde, daß keine politische Revolution stattgefunden hatte, sondern der politische Zusammenbruch des herrschenden stalinistischen Apparates, versucht die IKL immer noch vorzugeben, daß ihre Analyse wenigstens teilweise sich bewahrheitet habe. St. John berichtet: „In der DDR brach das stalinistische Regime zusammen, gefangen zwischen Gorbatschow und der allgemeinen Empörung, und seine Überbleibsel lieferten lieber den ostdeutschen Arbeiterstaat an den deutschen Imperialismus aus, als das Proletariat an der Macht zu sehen“ (ebenda, Hervorh. von uns). Dieses würde auf Stalin in Spanien zutreffen, als die Komintern die proletarische Revolution abwürgte, hier aber läuft die Empörung der IKL darauf hinaus, der SED vorzuwerfen sich nicht an die Spitze der proletarischen Revolution gestellt zu haben! Während die BT und die Gruppe IV. Internationale zu einem Bruch mit der SED und für die Organisierung von Arbeiterräten als Instrument für den proletarischen Kampf um die Macht aufriefen, suchte die IKL einen Block mit der SED. Das Flugblatt der BT von Januar 1990 warnte:
„Für die Arbeiter in der DDR besteht jetzt eine kritische Gefahr. Keine der größeren Oppositionsgruppen hat das Programm, um die DDR davor zu bewahren, eine zweitklassige Plantage des westlichen Kapitalismus zu werden. Die Sozialdemokraten der SDP wollen ausdrücklich zurück zum Kapitalismus, während die SED/PDS Reformer ein konfuses Programm für einen nichtexistierenden ‚dritten Weg‘ durch ‚soziale Marktwirtschaft‘ propagieren. Alle diese Wege führen früher oder später zur kapitalistischen Konterrevolution. Die Intellektuellen und Kombinatsmanager zeigen bereits unverhohlen ihren Appetit auf die Bürokraten- und Führungsposten im Dienste des BRD-Kapitalismus. Es gibt einen Weg, der weder zurück zum Kapitalismus noch zurück zum Kommandismus der stalinistischen Bürokratie führt. Seit Stalin den revolutionären egalitären Geist der Dritten Internationale liquidiert hat, ließ nirgendwo ein stalinistisches Regime die Existenz wirklicher Arbeitermacht auf der Basis demokratisch gewählter Arbeiterräte zu. Überall stimmen die Stalinisten mit den kapitalistischen Feinden der Arbeiterklasse darin überein, daß das ökonomische Versagen der Staaten, die sie regten haben, beweist, daß eine auf kollektiven Eigentumsformen basierende Planwirtschaft nicht funktionieren kann. Gorbatschows Abbau der zentralisierten Planwirtschaft zugunsten einer sogenannten Marktkonkurrenz führt zu ökonomischem Chaos, Verarmung der Arbeiterklasse und antiproletarischem Nationalismus. Gorbatschow, Modrow, Jaruzelski, Illiescu und Co. haben der Arbeiterklasse nie getraut und sind unfähig, wirklichen proletarischen Internationalismus zu verwirklichen. Nirgendwo hat selbst die weitestgehende „Reform“ durch Stalinisten zum Aufbau von Arbeiterräten aufgerufen oder diese Forderung als Basis für die Macht im Staat unterstützt wie Lenin es 1917 tat. Dies ist kein Zufall. Der Aufbau solcher Gremien kann nur durch die Zerstörung aller Flügel der Bürokratie erfolgen“
— 1917, Extra-Ausgabe, Januar 1990).
Die Zyniker der IKL versuchen ihre Aktivitäten und ihre Linie dieser Periode neu zu interpretieren, um sie der grundsätzlich korrekten Orientierung unserer beiden Vorgängerorganisationen anzugleichen. Sie rühren dabei Trotzkis Analyse zu 1917 so aus: „… daß die Bolschewistische Partei, obwohl sie Anfang 1917 eine kleine Partei mit unbedeutender Unterstützung in der Arbeiterklasse war, sich eine Massenbasis aneignen konnte, weil zuerst Lenin und dann die übrige Partei eine sehr klare revolutionäre Konzeption hatten, die dem tatsächlichen Verlauf der Revolution entsprach” (ebenda, Spartacist 45-46, Hervorh. von uns). Genau die fehlte der IKL.
Und warum erfüllte denn nun die DDR-Operation nicht die Hoffnungen St. Johns, die er im Nachhinein als ganz bescheidene verstanden wissen will? „…, die Versäumnisse der früheren Periode (waren)wie Lenins (!) Probleme 1905 in erster Linie darauf zurückzuführen, daß es politischen Widerstand dagegen gab, uns den Massen zuzuwenden, sowie auf historische Schwächen der TLD selbst, die mehr oder weniger hin- und herschwankte zwischen Sektierertum und Passivität und der Tendenz, sich in eine strategischen Einheitsfront zu liquidieren” (ebenda, Hervorh. von uns). Hat man Worte! Diejenigen, die ihre Genossen in Deutschland in den Sumpf gerührt haben und Kontrolle über jede einzelne Aktivität hatten, putzen ihre willigen Handlanger als Sektierer und Kapitulanten herunter. Jetzt will man auch noch Robertson mit Lenin vergleichen! Noch einmal: Kann man sich etwas Feigeres vorstellen als diese Clique in New York, die, um ihre kleinen Posten und Privilegien zitternd, jede politische Verantwortung auf ihre Subalternen ablädt?
Der von St. John geleisteten politischen Charakterisierung der TLD können wir nur zustimmen; sie muß allerdings auf die gesamte IKL, insbesondere auf ihre Führung ausgeweitet werden! „Abschließend sehe ich keine Basis für die Sorgen, die von manchen geäußert wurden, daß Genossen politisch entwaffnet sind, oder daß die Ereignisse in Deutschland und Osteuropa theoretisch problematisch seien“ (ebenda). Wir von der IBT schon, angesichts einer derartig heuchlerischen Aufarbeitung der eigenen Geschichte! Die Genossen in der IKL sollten sich erst recht Sorgen machen und… Konsequenzen ziehen, angesichts der angelaufenen Intervention ihrer Organisation in die Sowjetunion. Während Workers Vanguard wieder daherkommt mit einer revolutionären Kritik des Militärflügels der Bürokratie, müßten Parolen wie „Stalins Erben verkaufen unser Mutterland aus“ (WV 515/30.11.90) hellhörig machen. Besonders nach den Erfahrungen der IKL in der DDR ist es klar, daß der Chefkoch Robertson noch so manches ungenießbare Süppchen auf dem Feuer stehen hat! St. John lüftet zudem ein wenig den Vorhang über die impressionistischen Kalküle der IKL-Führung in ihrer anfänglichen Euphorie über Teile der Stalinisten und Sowjet-Kommandeure, wenn er auf Leipzig Oktober 1989 zu sprechen kommt „Außerdem wurde Berichten zufolge auf Befehl des obersten sowjetischen Befehlhabers in der DDR gegen die Massendemonstrationen in Leipzig am 9. Oktober keine Waffengewalt angewendet. So war es einerseits Moskaus Politik, daß weder die Rote Armee noch das ostdeutsche Militär irgendeine Maßnahme zur Verteidigung des gefallenen Honecker-Regimes ergriff. Der Ablauf ohne Blutvergießen erlaubte unseren Kräften einen sehr breiten Handlungsspielraum“ (Spartacist 45-46). Da ist er wieder, der „gütige Druck der Roten Armee“, der eine „friedliche politische Revolution“ möglich machte. Auch wir haben von diesen Gerüchten über das Verhalten der Sowjetgeneralität gehört. Nur, ob wahr oder falsch, es ändert nichts an der prinzipiellen Haltung von Revolutionären gegenüber den sowjetischen Militärbürokraten. Die IKL verbuchte deren defensives Verhalten als irgendwo revolutionär. Wie wäre es dagegen mit der Erklärung, daß die Passivität der Sowjetkommandierenden in der DDR als ein Bestandteil des Kapitulationskurses Gorbatschows gegenüber dem Imperialismus anzusehen ist?
Schließlich tischt uns die IKL eine bisher nie gehörte Interpretation der DDR-Geschichte auf: Der Verrat der Stalinisten ließe sich zentral an der Auflösung der … Betriebskampfgruppen festmachen. Nach St. John hatten sie „… das sehr reale Potential, der organisatorische, politisch/militärische Dreh- und Angelpunkt der politischen Revolution zu werden“ (ebenda). Die Betriebskampfgruppen sind demnach für die IKL heute so etwas wie das mögliche Zentrum der proletarischen politischen Revolution gewesen. Mit dieser absurden Hoffnung enthüllt die IKL ihre völlige politische Desorientierung. Die stalinistische Bürokratie hatte die Betriebskampfgruppen aufgebaut, um ihre Macht zu sichern und sie löste sie in dem Moment auf, wo sie meinte, ihre Herrschaft nicht mehr halten zu können. Die Betriebskampfgruppen waren ein Teil des bürokratischen Apparates- wie es scheint, wird ihnen von der IKL eine Neigung zur politischen Revolution nur deshalb zugeschrieben, weil sie eine „nationale interne Struktur“ hatten. Vielleicht war es ja die nationale interne Struktur der SED, die die IKL dazu bewog, diese Partei, oder jedenfalls einen Flügel von ihr, als Instrument für eine politische Revolution in Betracht zu ziehen.
Die Betriebskampfgruppen waren eine der Massenorganisationen der stalinistischen Bürokratie, mit der diese Kaste ihre prekäre, isolierte politische und soziale Stellung absichern wollte. Eine proletarische politische Revolution, gestützt auf Arbeiterräte, hätte auch diese stalinistische Formation aufgelöst. Neu aufzubauende Arbeitermilizen hätten natürlich wesentliche Teile der ehemaligen Betriebskampfgruppen inklusive ihres Waffenarsenals integrieren müssen. Das ist aber etwas fundamental anderes als die stalino-militaristische Sicht der IKL, in stalinistischen Organisationsformen den Springquell der proletarischen politischen Revolution bzw. den Garanten für die Verteidigung der Arbeiterstaaten zu sehen.
II: Zur Geschichte der iST/IKL
1. Regime und Politik
Es ist nicht ausreichend, die einzelnen Zickzacks und die oft widersprüchliche Politik der SpAD nur mit dem Begriff Zentrismus zu charakterisieren. Wir werden im Folgenden kurz die Degeneration der IKL von einer genuin revolutionären trotzkistischen Tendenz zu einer zunehmend bizarren Organisation darstellen, deren politische Wendungen nicht aus einer kohärenten politischen Theorie herrühren, sondern ihre Grundlage in den bornierten persönlichen und organisatorischen Interessen der zentralen Führungsclique haben.
In den sechziger und siebziger Jahren war die Spartacist League die einzige revolutionäre Gruppe in der Welt. Ende der siebziger Jahre jedoch begann die Gruppe sich von den revolutionären Traditionen abzuwenden, die sie bis dahin verteidigt hatte. James Robertson, Führer der SL und der internationalen Spartacist Tendenz (IST, jetzt IKL) fing an, seine persönliche Autorität an die Stelle der „ungewissen“, weil vom Kollektiv der Mitglieder abhängigen, demokratisch-zentralistischen Prozeduren zu setzen. Dies zu erreichen erforderte eine Reihe von Säuberungen, die die Organisation schwächten. Sie richteten sich in erster Linie gegen Spartacist-Kader, die von Robertson als (potentielle) Konkurrenten seines Führungsanspruches eingeschätzt wurden. Indem Genossen, die möglicherweise eine politische Opposition hätten ausdrücken können, attackiert wurden, bevor sie den Mund aufmachten, versuchten die SL-Führer eine interne Opposition zu zerstören, bevor sich diese überhaupt entwickeln konnte. Ziel von Robertson war es dabei, den persönlichen und politischen Ruf der anvisierten Genossinnen und Genossen zu zerstören, um diese ganz und gar aus der revolutionären Politik herauszutreiben. Die ersten Säuberungen wurden zum Prototyp vieler „Ketzerverbrennungen“, die in der Folge mit zunehmender Regelmäßigkeit durchgeführt wurden. Sie verwandelten diese einst revolutionäre Organisation in einen leblosen Gehorsamkeitskult, wobei die immer heftigeren politischen Zickzacks und bizarren Stunts der iST/IKL primär als das Ergebnis der Unterordnung der Tendenz unter die Launen des einen, größenwahnsinnigen Führers zu verstehen sind. 1968 gab es zum letzten Mal eine organisierte fraktionelle Opposition gegen die SL-Führung! 1978 „erklärte“ Joseph Seymour, Robertsons rührender Intellektueller, dieses ungewöhnliche Phänomen einer revolutionären Organisation, zehn Jahre ohne fraktionelle Kämpfe bestanden zu haben, mit „der Abwesenheit von objektiven Gegebenheiten, die größere Änderungen oder Durchbrüche der politischen Linie oder unvorhergesehene organisatorische Wendungen nötig machten“. Die Tatsache, daß es in den folgenden dreizehn Jahren, nachdem dies geschrieben wurde, immer noch nichts gab, was eine interne fraktionelle Opposition hervorbringen konnte, sollte nachdenklich stimmen und zur Schlußfolgerung führen, daß irgendetwas ziemlich falsch im internen Leben der SL laufen muß. Die erste und letzte internationale Konferenz fand 1979 statt. Das Prinzip der Wahl des IS/Internationalen Exekutivkomitees ist de facto durch das Prinzip der Kooptierung ersetzt worden, wobei auf Anordnung der Clique um Robertson abgesetzt bzw. neue Kandidaten ernannt werden.
Die Degeneration von isolierten, kleinen Propagandagruppen am Rande der Arbeiterbewegung ist für Marxisten kein neuartiges Phänomen. Der Führer der amerikanischen Trotzkisten, Cannon, schrieb:
„Eine kleine isolierte Gruppe, auf ihre eigenen Kräfte zurückgeworfen und dem auf ihr lastenden Druck der gesamten Welt ausgesetzt, ohne Kontakt zur Arbeitermassenbewegung und nüchterne Korrektur durch diese, wird sich selbst im günstigsten Fall schwer tun“ (History of American Trotskyism, S. 94). „Auf der Basis einer langen historischen Erfahrung kann man es als Gesetz ansehen, daß revolutionäre Kader, die gegen ihr soziales Umfeld revoltieren und Parteien organisieren, um eine Revolution zu führen, daß diese Kader — wenn die Revolution zu lange verzögert ist — selbst unter dem kontinuierlichen Einfluß und Druck desselben Umfeldes degenerieren. … Aber dieselbe historische Erfahrung zeigt, daß es auch Ausnahmen von diesem Gesetz gibt“
— The First Ten Years of American Communism, S. 29
In anderen Publikationen haben wir die Funktionsweise dieser Organisation detailliert beschrieben (s. Bulletin der Externen Tendenz der IST (ET) (Vorläufer der Bolschewistischen Tendenz) 3 und 4, sowie 1917 #1, 3, 4, 7, 8). Die IKL-Führung gebraucht Methoden, den Stalinisten und Kulten entliehen, die jegliche Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Mitgliedschaft in der politischen Arbeit unterbinden sollen. Kleinste Mißverständnisse oder Fehler bei der Präsentation der politischen Linie können zur Extrapolierung hin zu den schlimmsten politischen und moralischen „Verbrechen“ rühren, die der jeweils „Ausgesonderte“ dann zuzugeben hat. Psychodramen von Kritik und Selbstkritik werden inszeniert. Genossinnen und Genossen, die in Beziehungen leben, werden unter Druck gesetzt, hundertprozentig der Führung über den Partner zu berichten. Häufige Umzüge, extrem hohe Arbeitsanforderungen sowie hohe Beiträge zielen darauf ab, die Mitglieder materiell und emotional vollständig von der Organisation abhängig zu machen. Die Fehler und Mißerfolge der IKL werden immer der Mitgliedschaft zur Last gelegt, während die allmächtige New Yorker Clique ihre Hände in Unschuld wäscht. Sogar physische Einschüchterungsversuche sind gegen interne Kritiker, die sich von der IKL lösten, unternommen worden. Verleumdungen, Lügen, Fälschungen, beleidigende Denunzierungen usw. sollen die Mitgliedschaft besonders gegen den Einfluß der Internationalen Bolschewistischen Tendenz immunisieren. Zu diesen Methoden gehört auch die Inszenierung von Provokationen, um externen Kritikern physische Angriffe anzuhängen und so eine Linie der Gewalt zu ziehen.
2. Programmatische Abweichungen und Zickzacks
Der Leim, der die IKL zusammenhält, ist ihre Pose, die „Partei der Russischen Revolution“ zu verkörpern und das Erbe des Marxismus, Leninismus und Trotzkismus zu verwalten. Aber da kein internes demokratisches Korrektiv existiert, kann Robertson die Politik der Gruppe jederzeit entsprechend seiner Impulse, seinen sprunghaften Ideen und Ängsten zurechtbiegen. Während des vergangenen Jahrzehnts hat die Organisation diverse programmatische Abweichungen vom Trotzkismus gezeigt. Obwohl die Politik der IKL im Kern impressionistisch ist und einzelne Positionen oft nur inkonsequent vertreten werden, sind bestimmte Muster wiederholt aufgetreten. Nachfolgend wollen wir eine sehr kurze Auflistung einiger der wichtigsten revisionistischen Positionen und Praktiken der IKL geben, gegen die die Bolschewistische Tendenz, Gruppe IV. Internationale und Permanent Revolution Group in ihren Zeitschriften und Pamphleten polemisiert haben.
2.1. Die Stalinophilie der IKL in der Vergangenheit
Zwar hält die IKL weiterhin formal an der trotzkistischen Analyse der stalinistischen Bürokratie als widersprüchliche Kaste fest. Aber nicht nur die Intervention der SpAD in der DDR zeigte eine Tendenz dieser Organisation, einen Flügel in der stalinistischen Staatsbürokratie auszumachen, auf den sie glaubt, sich bei der Verteidigung der Arbeiterstaaten verlassen zu können.
Als die vietnamesischen Stalinisten 1983 in Kambodscha einmarschierten und das Pol Pot-Regime stürzten, veranstaltete die IST eine Serie von Kundgebungen unter der Parole „Pol Pot Völkermörder — raus aus der UNO“. In ihrem Aufruf sprach sie u.a. davon, daß Pol Pot die „wirklichen Khmer-Kommunisten“ umgebracht habe (WV 338/23.09.83; vergl. im Ggs. dazu die Übersetzung in Spartakist 48/Oktober 83). Sie meinte damit den Teil der stalinistischen Khmer-Kader unter Heng Samrin, der auf die vietnamesische KP setzte. Stalinisten, egal welcher Fraktion, sind aber keine „wirklichen Kommunisten“. Denn die wirklichen Kommunisten in Indochina, die Trotzkisten (u.a. Ta Thu Thau), wurden 1945-46 mit Hilfe bzw. direkt auf Befehl Ho Chi Minhs liquidiert. So versuchte die IST die Blutlinie zwischen Stalinisten und Trotzkisten in Indochina zu verwischen und ließ die stalinistische Wirtschaftspolitik der Erben Ho Chi Minhs hochleben („Es lebe der Wiederaufbau — jetzt haben die kampucheanischen Menschen eine Zukunft!“, Spartakist 48/Oktober 83). Auf ihren Kundgebungen am 27. September 1983 unterließ es die IST bezeichnenderweise die Losung der proletarischen politischen Revolution in den bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten Indochinas aufzustellen (vergl. dazu ET-Bulletin 2).
Gerade in der Einschätzung der sowjetischen Bürokratie leistete sich Robertson eine Reihe von „Fehltritten“. In Spartakist 62 (Juni/Juli 89) versuchte die IKL, die stalinistische Bürokratie von ihrer Politik der Auslöschung der „alten Garde“ der Bolschewik!, die die Oktoberrevolution gerührt hatte, reinzuwaschen, als sie schrieb, daß „nur Stalin und vielleicht ein halbes Dutzend Kumpane (diese wurden im Lauf der Zeit ausgewechselt) wußte, worum es ging“.
Als Juri Andropow, Henker des ungarischen Arbeiteraufstandes von 1956, starb, druckte Workers Vanguard (348/17.02.84) einen schwarz gerahmten Nachruf, in dem Andropow als Verteidiger der UdSSR betrauert wurde (s. dazu ET-Bulletin 3). Schon vorher hatten sie während einer Demonstration ein „Andropow-Bataillon“ aufgestellt.
Ein Slogan, der während des letzten Jahrzehnts häufig in den IKL-Publikationen herausgestellt wurde, lautete: „Der Ku-Klux-Klan marschiert nicht in Moskau“. Begründet wurde diese Position damit, daß die Kreml-Stalinisten alle Spuren von Faschismus und Rassismus ausgelöscht hätten. Tatsächlich hat der großrussische Chauvinismus faschistische, antisemitische Bewegungen wie Pamyat gestärkt. Pamyat wird nicht nur von Moskau toleriert, sondern hat auch Verbindungen zu einem Flügel der Bürokratie (s. dazu 1917 #6), wie die IKL heute selbst zugibt. Die Machthaber des „Sozialismus in einem Lande“, per definitionem nationalistisch, haben überall den Boden für nationalistische, pogromähnliche Bewegungen bereitet, die in dem Maße zunehmen, wie das stalinistische Machtmonopol zerfällt. Die TLD entblödete sich nicht, die Existenz von faschistischen Elementen auch im „Arbeiterparadies“ DDR zu leugnen, besonders dumm in dem Moment, als die Vopos die ersten Skins in Ostberlin verhafteten: „Daß aber der KKK und der Kühnen in den USA bzw. hier in Westdeutschland marschieren können, aber in Moskau oder in Ostberlin nicht, das ist die entscheidende Frage. In diesen Ländern existiert der Kapitalismus und alle seine Übel nicht“ (Spartakist 46/März 83).
Selbst als Gorbatschow bereits den Rückzug der sowjetischen Truppen durchführte, setzte die IKL noch vehement die Verteidigung ihrer Parole „Hoch die Rote Armee in Afghanistan“ fort. Dieser Slogan ist Ausdruck einer politischen Unterstützung der Sowjet-Bürokratie. In seiner Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Imperialismus verriet der Kreml afghanische Frauen, Linke und andere, die ihr Vertrauen in die UdSSR gesetzt hatten. Die Ereignisse in Afghanistan bestätigten die trotzkistische Weigerung, die Politik der Stalinisten und ihre Militäraktionen „hochleben“ zu lassen. Unsere Parole war: „Für den militärischen Sieg der sowjetischen Truppen gegen reaktionäre afghanische ‚Freiheitskämpfer‘“. Die IKL hingegen setzte die Politik der Verwischung von militärischer und politischer Unterstützung fort, als sie „internationale Brigaden“ unter „Kontrolle und Führung“ der kleinbürgerlich-stalinistischen PDPA unter Najibullah offerierte (s. dazu Zuerst das Programm!, Gruppe IV. Internationale sowie 1917 #5 und 6).
1981 wurde die TLD auf ihrer September-Notkonferenz gezwungen, einen eindeutig anti-trotzkistischen Antrag des IS anzunehmen, der eine politische Unterstützung der Stalinisten im Falle einer Besetzung Polens durch den Warschauer Pakt beinhaltete: „Wir übernehmen im voraus Verantwortung für die Idiotien und Abscheulichkeiten — welche auch immer — die sie (die sowjetischen Stalinisten, Anm. von uns) begehen könnten“ (Konferenz-Antrag des IEK-ZK/TLD). Trotzkisten geben bedingungslose militärische Unterstützung bei der Niederschlagung einer internen Konterrevolution oder bei der Verteidigung der bürokratisch deformierten Arbeiterstaaten gegenüber dem Imperialismus. Das ist etwas vollkommen anderes als die politische Unterstützung der Stalinisten. Wir übernehmen nie Verantwortung für die stalinistische Politik (schon gar nicht für deren Verbrechen gegenüber der Arbeiterklasse), auch nicht während der Verteidigung des Arbeiterstaates. Unsere militärische Unterstützung geben wir vielmehr trotz der Bürokratie. Heute will die IKL ihren polnischen Genossen weismachen, daß sie 1981 nicht nur Jaruzelski gegen die interne Konterrevolution verteidigte, sondern „gleichzeitig (!) … für eine proletarische politische Revolution (kämpfte), um die parasitäre Bürokratie zu stürzen“ (Spartakist 80/20.11.90).
2.2. Kapitulation vor der US-Bourgeoisie
Die „super-revolutionäre“, sowjet-verteidigende Pose der IKL hat die Robertson-Clique nicht an Versuchen gehindert, den Argwohn des amerikanischen Staatsapparates zu besänftigen. Unsere These einer Tendenz Robertsons zur Kapitulation vor dem antisowjetischen und sozialpatriotischen Druck in den USA läßt sich an folgenden SL/IKL-Positionen belegen:
Als 1983 die UdSSR das koreanische Spionageflugzeug KAL 007 abschoß, vergaß die IKL die Verteidigung der Sowjetunion. Workers Vanguard schrieb: „Falls die Regierung der Sowjetunion gewußt hätte, daß das eindringende Flugzeug in der Tat ein Passagierflugzeug war, in dem 200 und mehr unschuldige Zivilisten saßen … der Akt es herunterzuschießen wäre, um die Franzosen zu zitieren, schlimmer als eine barbarische Grausamkeit gewesen, trotz des militärischen Schadens einer solch offensichtlichen Spionagemission. Es wäre eine den Israelis würdige Idiotie gewesen“ (WV 337/09.09.83). In ihrem Bulletin 2 erklärte die ET dagegen: „Trotzkisten haben eine andere Haltung. Wir sagen, daß die Verteidigung der Sowjetunion die Verteidigung ihres Luftraums einschließt. Der Verlust von unschuldigen Zivilisten war in der Tat bedauernswert, aber die einzige ‚barbarische Grausamkeit‘ wurde durch die südkoreanischen und amerikanischen Top-Spionageagenturen begangen, die diese unglücklichen Menschen als ihre ahnungslosen Geiseln mißbrauchten“.
Als im Libanon 1983 das Beiruter Hauptquartier der US-Marines in die Luft gesprengt wurde und das US-Militär abgezogen werden mußte, reagierte der US-Imperialismus auf diese Niederlage mit einem hysterischen Aufschrei über angebliche „terroristische“ Organisationen. Die IKL-Chefs versuchten zu vermeiden, zur Zielscheibe einer Hexenjagd zu werden, indem sie mit der Parole „Marines raus aus dem Libanon — sofort und lebend“ (WV 341 /04.11.83) in den sozialpatriotischen Chor der veröffentlichten Meinung einstimmten. Anstatt klar zu sagen, daß dieser Schlag gegen die Elite der US-Berufssoldaten von Revolutionären verteidigt werden muß, machte die IKL die patriotische Besorgnis um das Leben dieser Berufskiller zur Achse ihrer Propaganda (s. dazu ET-Bulletin 3).
Juli 1984 beteiligte sich die Spartacist League nicht an den Demonstrationen gegen die Demokratische Partei, die ihren Partei-Konvent in San Francisco abhielt. Vielmehr bot sie der Demokratischen Partei eine Ordnertruppe von einem Dutzend (!) Gewerkschafter und SL-Unterstützer an, um den Konvent vor einem herbeiphantasierten rechten „Komplott“ zu schützen. Die Externe Tendenz erinnerte die SL daran, daß die Demokratische Partei eine der amerikanischen Zwillingsparteien ist, die Rassismus und imperialistischen Krieg repräsentieren und fragte in einem Brief (11.07.84): „Wer meint Ihr, ist schwachsinnig genug zu glauben, daß Reagan und Feinstein (die Bürgermeisterin von San Francisco, Demokratische Partei, Anm. v. uns), ‚falls nicht … das Demokratische Nationale Komitee selbst‘, gemeinsam eine Situation herbeiführen, in der eine der Zwillingsparteien des US-Imperialismus in eine Situation getrieben wird, die einen Angriff von Ultrarechten erlaubt“ (ET-Bulletin 4). Unsere Genossen stellten fest, daß dieser Versuch, sich mit dem liberalen Flügel der herrschenden Klasse gegen die angebliche Bedrohung des rechten Flügels zu verbünden, sie an „Reformisten mit Volksfrontappetiten“ erinnerte.
Als das US-Raumschiff „Challenger“ 1986 explodierte, kommentierte Workers Vanguard: „Was wir gegenüber den Astronauten empfinden ist nicht mehr und nicht weniger als allen Menschen gegenüber, die durch tragische Umstände ums Leben kommen, wie die neun armen Salvadorianer, die durch ein Feuer in einem Washingtoner Appartement vor zwei Tagen getötet wurden“ (WV 397/14.02.86). Diese jämmerliche Feigheit ist vergleichbar mit der Trauer der amerikanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (SWP) anläßlich der Ermordung des US-Imperialistenchefs John F. Kennedy 1963. Tatsache ist, daß Challenger eine militärische Mission war und sechs der sieben Astronauten am Star-War-Projekt teilnahmen (die Siebente war eine Lehrerin und tatsächlich ein unschuldiges Opfer). Aber Revolutionäre können nicht ,die Zerstörung einer imperialistischen Militärmission als „tragisch“ bezeichnen und vorbringen, daß der Tod dieser Sternenkrieger, von denen einige am konterrevolutionären Luftkrieg gegen Vietnam teilgenommen hatten, dem Tod von Flüchtlingen aus der brutalen Militärdiktatur El Salvadors gleichkomme. Die Explosion von Challenger war ein wichtiger Rückschlag für Reagans anti-sowjetisches Star-War-Projekt. Dieses Ereignis bedeutete eine Niederlage für den US-Imperialismus bei seinem Versuch, die atomare Erstschlag-Kapazität über die UdSSR zu erlangen. Aus diesem Grunde erklärten die amerikanischen Revolutionäre der BT: „Kein Desaster für die Arbeiterklasse“ (1917 #2).
3. Minderung der Realitätswahrnehmung, Substitutionalismus und Sektierertum
Die zunehmende Unfähigkeit der Gruppe, die Realität zu verstehen oder überhaupt wahrzunehmen, zeigte sich programmatisch, als die IKL 1989 plötzlich eine sich entwickelnde proletarische politische Revolution in China konstatierte. Diese Entdeckung machte sie dann später auch in der DDR, wobei dies, wie ausgerührt, gravierendere Konsequenzen für die Organisation nach sich zog. Solche Reduktionen der Realitätswahrnehmung sind das Produkt von Robertsons Voluntarismus und Impressionismus. Ohne jegliche Verankerung in der Arbeiterklasse, bei 1717 Stimmen und einer fast vollständigen Isolation in der Linken will die IKL in der Öffentlichkeit als revolutionäre Arbeitermassenpartei durchgehen. Jedoch noch viel wichtiger für die Einschätzung der SpAD/IKL ist: Fatalerweise glaubt diese Tendenz selbst an ihr eigenes Postulat, im Begriff zu sein, die Führung der aufständischen Arbeiterklasse zu übernehmen! Wie am Beispiel der DDR-Intervention bereits gezeigt, versteht sich die IKL nicht einfach als ein Element beim Aufbau der bolschewistischen Avantgardepartei; nein, die IKL ist bereits die Partei. Als diese Organisation das Angebot an das Najibullah-Regime machte, internationale Brigaden zu entsenden um Kabul zu verteidigen, fragten wir uns, was Robertson und Co. denn nun gemacht hätten, wenn ihr „Angebot“ wirklich akzeptiert worden wäre und damit die Hochstapelei selbst von der eigenen Mitgliedschaft nicht mehr hätte verdrängt werden können!
Dieser Pseudo-Massenanspruch findet sein Pendant im ausgeprägten Sektierertum dieser Tendenz. Da sie bereits die Partei ist, hat die IKL immer weniger politisches Interesse an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Strömungen, die in Konkurrenz zu ihr stehen. Das Niveau ihrer Polemiken wird immer niedriger und tendiert dazu, immer mehr auf Verdrehungen und groben Vereinfachungen aufzubauen. Die IKL reflektiert damit nur ihr internes Leben, oder wie Robertson zynisch zu bemerken pflegt: Die Organisation wird immer dümmer (mit seiner und seiner Clique Ausnahme, versteht sich). Die Umgruppierungsperspektive der IST der siebziger Jahre, durch Fusionen und Spaltungen aus vorgeblich revolutionären Organisationen die besten Elemente zu gewinnen, hat die IKL de facto aufgegeben. Denn sie weiß, daß sie Kader anderer Organisationen nicht integrieren kann. Besonderen Haß entwickelte die IKL in ihren Polemiken gegen die IBT; psychologisch verständlich, da Robertson durch uns nicht nur an die Hohlheit seines überzogenen Partei-Anspruches erinnert wird, sondern wir auch den Revisionismus der IKL mittels orthodoxer Argumente nachweisen.
Einen Höhepunkt ihrer sektiererischen Politik lieferte die SL in San Francisco 1984, als sie einem Boykott von Südafrikaladungen durch Hafenarbeiter die Unterstützung verweigerte und versuchte, diesen zu sabotieren. Der einfache Grund war, daß Howard Keylor, ein Unterstützer der damaligen ET, diese Aktion initiiert hatte. Der Spartacist League-Unterstützer im Hafen, Stan Gow, publizierte einen Bericht über die internen Diskussionen von Gewerkschaftsmilitanten über die Boykottaktik, auf dessen Grundlage die Bosse eine Verfügung der Gerichte erreichen konnten, um diesem historischen, elf Tage dauernden politischen Streik das Genick zu brechen (s. dazu ET-Bulletin 4).
Aufgrund ihres Sektierertums weigert sich die IKL, Einheitsfrontaktionen auf nicht-sektiererischer Basis zu organisieren und tendiert dazu, solche Aktionen und Demonstrationen, die sie nicht selbst initiiert hat, ohne viel Federlesens als „Volksfronten“ zu verdammen. Während der US-geführten imperialistischen Aggression gegen den Irak bildeten sich in San Francisco bereits im August 1990 Komitees heraus, die sich aus verschiedenen linken Organisationen zusammensetzten. Unsere amerikanischen Genossen der BT argumentierten bei diesen Treffen für ein möglichst breites Bündnis der Linken und Arbeiterbewegung gegen die US-Bourgeoisie auf prinzipienfester Einheitsfront-Grundlage. Als Plattform der Komitees schlugen wir vor: „Kein Krieg für Big Oil/USA raus aus dem Nahen Osten“ sowie „Keine US-Intervention am Persischen Golf, um in der Aktion die weitergehenderen Forderungen „Imperialisten raus aus Nahost, Verteidigt den Irak gegen die imperialistische Aggression, Brecht die Blockade“ zu verankern (s. Erklärung der IBT vom 10. September 1990) und die Halbheiten unserer Bündnispartner einer politischen Kritik zu unterziehen. Die SL/IKL führte dagegen keinen Kampf um eine Einheitsfront, bezeichnete die Losung „Brecht die Blockade“ als Bedingung für jegliche Aktionseinheit und war dann schnell bei der Hand, die sich herausbildenden Komitees zu denunzieren. Zur Kaschierung ihrer politischen Hilflosigkeit griff Workers Vanguard (511 / 05.10.90) die BT in dem üblich verleumderischen Stil u.a. als „Pickel der Volksfront“ an, die sich weigere, für die Losung „Brecht die Blockade“ einzustehen (s. dazu 1917 #9).
Auch in der BRD konfrontierte die SpAD die Gruppe Spartakus mit diesem Vorwurf und präsentierte in Berlin auf dem Treffen der „Initiative gegen einen imperialistischen Krieg am Golf“ die Annahme der Losung „Brecht die Blockade“ als Bedingung für ihre Teilnahme an einer Aktionseinheit. Ohne erklären zu können, warum sie die zuvor angenommene Aktionseinheitgrundlage „Hände weg vom Irak! Verhindert die imperialistische Aggression am Golf! Weg mit der Blockade gegen den Irak! Abzug der imperialistischen Truppen! Schluß mit der deutschen Beteiligung!“ nicht unterstütze, bezeichnete die SpAD diese schlicht als „zu weich“! Auch in der BRD also die gleiche Angst der IKL-Bürokraten, ihre Mitglieder dem politischen Kampf mit anderen Organisationen auszusetzen. „Wir hätten es ihnen vorhersagen können“ und „es war vorauszusehen“ tönt Spartakist 82 (Januar 91) über das politische Scheitern der Initiative, als die Gruppe Spartakus wegen der kapitulantenhaften Inaktivität einzelner Organisationen ihre Mitgliedschaft in der Initiative aufkündigte und eigenständig zur Luxemburg/Liebknecht-Gedenkdemonstration mobilisierte (s. Flugblatt der Gruppe Spartakus/02.01.91).Diese „Avantgardepartei“ will nicht verstehen, daß das, was Kommunisten „vorhersagen“ gerade in der Praxis überprüft werden muß. Dabei bestätigte das jämmerliche Verhalten der SpAD-Vertreter gegenüber der Irak-Initiative recht anschaulich unsere These vom Sektierertum der SpAD. Die vorrangig gegen uns geführte „Polemik“ des Artikels „Irak und die ‚Linke‘ — Saubermänner des deutschen Imperialismus“ (Spartakist 82 / Januar 91) beweist, daß es der SpAD-Führung unmöglich ist, unsere Politik zu ignorieren.
Die politische Schwäche der SpAD findet ihren Ausdruck auch in „Argumenten“, wie sie z.B. ihre Bundestagskandidatin Dahlhaus als Repräsentantin der SpAD auf ihrer Wahlveranstaltung in Berlin zum Besten gab: Die Gruppe Spartakus sei ja nur aus dem Grunde dagegen, daß die Bundeswehr am Golf aufmarschiere, damit deutsche Truppen nach Polen einfallen können! Diese Verleumdung zu drucken, das wagte die SpAD/IKL-Führung dann doch nicht.
Die hier erwähnten Beispiele für Sektierertum, Substitutionalismus und Impressionismus, generell ausgedrückt: die sprunghaften politischen Zickzacks und Abweichungen verbunden mit der trotzkistischen Maskerade der IKL, charakterisieren diese Tendenz als höchst eigentümliche zentristische Strömung. Wir verstehen die Politik der IKL als eine Form des politischen Banditentums – eine besonders zynische Variante des Zentrismus. Dieser Terminus ist in der aktuellen Diskussion, zumal in der deutschen Linken, wenig gebräuchlich. „Politische Banditen“ sind nicht das gleiche wie Gangster. Der letztere Begriff bezieht sich auf jene, die Gewalt anwenden bzw. in anderer Art und Weise gegen die Arbeiterdemokratie verstoßen. Mit „politischen Banditen“ sind jene Linken gemeint, die zwar eine revolutionäre Maskerade aufführen, jedoch fähig sind, jede Position, die sie angeblich vertreten, aufgrund von organisatorischen Vorteilen fallen zu lassen. Aus diesem Grunde bestimmen die vertretenen programmatischen Positionen nicht das Verhalten der Organisation und werden abrupt abgeändert, sobald sie an irgendeinem Punkt mit den unmittelbaren Organisationsinteressen in Konflikt zu geraten scheinen.
Die Technik der präventiven Säuberung politischer Dissidenten sowie die begleitende systematische Einschüchterung der Mitgliedschaft durch eine immer bürokratischere und unkontrolliertere Führung rührte schließlich zur Eliminierung des lebendigen internen politischen Lebens, das nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist für eine revolutionäre Organisation. Als Ergebnis wurde die IST in einen Gehorsamkeitskult transformiert, wobei die „unfehlbare“ Führung, die sich um ein Individuum gruppiert, den bedingungslosen Gehorsam in allen Fragen von der Mitgliedschaft verlangt. Schließlich wurde dieses politische Monopol zur Erlangung materieller Privilegien ausgenutzt — besonders von Robertson und denjenigen, die er protegiert. Vor einigen Jahren schrieben unsere amerikanischen Genossen über das Regime der SL:
„Umgeben von Jasagern und Sykophanten sind die korrekten politischen Positionen des Führers nicht mehr zu unterscheiden von seinen Irrtümern, und politische Fragen insgesamt beginnen sich mit den subjektiven Wünschen und Appetiten zu vermischen. Ihm, der nur sich selbst antworten muß, ist alles erlaubt. Auf dieser Linie liegen die lauschigen Sommerdomizile, plüsch-verzierten Orgien-Räume, Hot-tubs und — um diese Privilegien zu schützen — die organisatorischen Methoden eines politischen Banditen“
— 1917 #4
Die Geschichte der IKL wie das Debakel, das die IKL jüngst in der DDR erlitten hat, sollten allen subjektiven Revolutionären deutlich machen, daß diese Organisation ein Hindernis bei der Wiederschaffung der IV. Internationale ist. Die Beschreibung ihres internen Lebens während der zugespitzten Situation in der DDR November 1989-März 1990, die wir im folgenden Teil geben wollen, dient der Vervollständigung unserer Kritik der IKL.
III: Zur internen Situation der TLD/SPAD Dezember 1989-März 1990
(Vorbemerkung: Dieser Teil, der einige Aspekte des internen Lebens der TLD/SpAD behandelt, basiert auf internen Dokumenten sowie auf Berichten von G. Melt. Nach dem Zusammenbruch des Honecker-Regimes kam Melt im November 1989 in Kontakt mit der TLD, trat am 7. Januar dieser Organisation bei und wurde Ende Januar 1990 ZK-Mitglied. Von der IKL freigestellt und mitverantwortlich für Arprekorr / Spartakist, war er als Spitzenkandidat der SpAD zu den Volkskammerwahlen vorgesehen. Schnell kam Melt in Konflikt mit dem bürokratischen Regime. Am 4. März 1990 spaltete sich unter seiner Führung eine Gruppe von DDR-SpAD-Mitgliedern ab und gründete die kurzlebige Gruppe SpAD/Leninisten, später Leninistisch-Trotzkistische Partei/DDR.)
Die Spartakist-Gruppen der TLD
Vehikel der „SED-Einheit“-Orientierung waren die Spartakist-Gruppen, mit der die IKL-Führung versuchte, aus dem Stand heraus ihren personellen Engpaß zu überwinden. Nichts gegen den Impuls — nur lehrte Trotzki schon: „Am schlimmsten und gefährlichsten ist es, wenn ein Manöver der ungeduldigen opportunistischen Bestrebung entspringt, die Entwicklung der eigenen Partei zu überflügeln und die notwendigen Etappen des Heranreifens derselben zu überspringen“ (Die internationale Revolution und die Kommunistische Internationale, S. 129). Die IKL unternahm ein solches Manöver. Die programmatische Grundlage der Spartakist-Gruppen spiegelt den Opportunismus gegenüber der SED-PDS wieder. Ihr Credo, der Aufruf „Was wollen die Spartakisten?“ sollte bewußt keine scharfe Trennungslinie zwischen den Revolutionären innerhalb wie außerhalb der SED und den diversen revisionistischen Strömungen dieser Partei ziehen: „Wir stehen auf der Seite all derer, die Mitglieder der stalinistischen SED sind oder bis vor kurzem waren oder zu den zahlreichen anderen gehören, die eine sozialistische Welt aufbauen wollen,…“ (APK 1 / 07.12.89). Solche vage gehaltenen Formulierungen einschließlich der mangelnden Zuspitzung der Organisationsfrage („leninistisch-egalitäre Partei“, „neue KPD“) konnten nach links driftende SED-ler nicht für den Trotzkismus gewinnen, sondern beließen diese in einer diffusen „antibürokratischen“ Stimmung. In ihrem Brief ans IS spricht Brosius von der Forcierung einer „frühzeitigen Rekrutierung zur TLD“, wobei sie jedoch ungeschminkt das politische Profil der Spartakist-Gruppenmitglieder folgendermaßen charakterisiert:
„Typischerweise tendieren sie zum Stalinismus, in manchen Fällen sind sie harte Stalinisten“ (Teil IV, Dokument l). Die Resultate ihrer Politik, u.a. die Organisierung „harter Stalinisten“, erkannten sie also. Die IKL-Führung hoffte, diese Elemente organisch zum „Trotzkismus“ à la Robertson zu biegen. Dabei hätte doch am Anfang jeglicher organisatorischen Zusammenarbeit die Klärung des prinzipiellen Unterschiedes zwischen Trotzkismus und Stalinismus stehen müssen, eingebettet in eine revolutionäre Politik gegen Modrow und Gysi.
Der Hyperaktivismus der Organisation und ihres Umfeldes machte eine durchgreifende Schulung der neugewonnenen Mitglieder unmöglich. Auch elementare Grundsatze des Funktionierens einer bolschewistischen Partei, die Regeln des demokratischen Zentralismus, wurden den Spartakist-Gruppen-Mitgliedern — wen wunderts — nie nahe gebracht. Die organisatorischen Beziehungen der Gruppen zur Partei, die Frage der Wählbarkeit von Verantwortlichen, die Rechte und Pflichten dieser Gruppen, wurden im Unklaren gehalten.
Sicherlich ist es prinzipiell möglich, Sympathisantengruppen zur Unterstützung und Verbreitung der Organisationspolitik zu gründen. Nur muß offen ausgesprochen und festgehalten sein, daß diese aufgrund ihrer politischen Unerfahrenheit die Partei nur beraten können. In der politischen Anleitung der TLD/IKL-Führung waren die Spartakist-Gruppen keine Schule des Bolschewismus, sondern ein Abklatsch des innerorganisatorischen Lebens der IKL: Hier wurden Befehlsempfänger gedrillt!
Denkwürdiges zur Gründung der SpAD
Was für die Spartakist-Gruppen galt, galt auch für die TLD-Mitglieder: Alle Windungen und Wendungen der IKL kommen von oben. So wurde zu Treptow die Mitgliedschaft vor vollendete Tatsachen gestellt; eine geordnete Diskussion über die Vorgehensweise (u.a. gegenüber der SDP/SPD und Organisationen der DDR-Linken) fand nicht statt. Per Telefon wurden in der Sylvesternacht von der TLD-Führung die schrägen Aktionslosungen durchgegeben, die sie unmittelbar vorher aus New York erhalten hatte. Die New Yorker Zentrale schrieb auch die Rede von Dahlhaus; das katastrophale Ergebnis ist bekannt. Derweil versanken die Genossen vor Ort im organisatorischen Chaos. New York hatte keine Vorgabe für die Rede der Spartakist-Gruppen gemacht. Eine halbe Stunde vor Kundgebungsbeginn mußte Melt auf der Kühlerhaube eines Wagens ein Konzept für den vorgesehenen Redner entwerfen.
Eine bolschewistische internationale Leitung kann wohl die allgemeine Richtlinie für nationale Aktionen in Absprache mit dem national verantwortlichen Gremium festlegen; jedoch kann sie nicht die Umsetzung und Anpassung dieser Linie an die konkreten Umstände festschreiben. Dazu bedarf es politisch unabhängiger Genossinnen und Genossen am Ort, die in freimütiger Diskussion — ohne Angst vor bürokratischen Repressalien — ihre Erfahrungen einbringen. Ein solcher demokratischer Meinungsaustausch existiert aber nicht in der IKL. Das machte sich nicht nur bei der Treptow-Mobilisierung bemerkbar. Keine Ausgabe der Arbeiterpressekorrespondenz ging ohne vorherige Billigung New Yorks in Druck. Die Zentrale kümmerte sich einen Dreck darum, daß diese Prozedur oftmals direkt mit den drängenden Erfordernissen der politischen Entwicklung in der DDR kollidierte. Den Subalternen, der deutschen „Führung“, bleibt dabei nur die sklavisch genaue Ausführung der vorgegebenen Linie — wen wundert bei solchen Verhältnissen die politische Unfähigkeit der lokalen Gruppen in der IKL auf neue Fragen ad hoc zu antworten?
Eine offene Diskussion über die Bilanz der bisherigen SED-Orientierung gab es in der Organisation nicht. Ebenfalls wurde die Initiative Robertsons, mit Wolf/Gysi und Snetkov zu konferieren, vorbei an der Mitgliedschaft und den Führungsgremien durchgezogen. Von Robertson bekamen Zierenberg und Melt den Auftrag zur Organisierung dieses Treffens — und das reicht allemal in der IKL! Am 21. Januar 1990 organisierte die TLD zusammen mit den Spartakist-Gruppen an der Humboldt-Universität eine Schulung über Lenins „Linken Radikalismus …“. Robertson (mit der randvollen „Selters“büchse in der Hand) sprach sich bei dieser Gelegenheit für die Gründung einer Frontpartei aus. Ihr Zweck sollte die Kandidatur zur Volkskammerwahl sein, wobei die Spartakist-Gruppen und die TLD als Sponsoren auftreten sollten. „Die Spartakist-Arbeiterpartei (SpAD), gegründet auf einer Veranstaltung in Berlin am 21. Januar, hat angekündigt, daß sie mit einem leninistischen Programm an den Wahlen zur Volkskammer am 6. Mai teilnehmen und dafür Kandidaten aufstellen wird. Vertreter der Spartakist-Gruppen und der Trotzkistischen Liga Deutschlands gründeten zu diesem Zweck gemeinsam die SpAD“ (APK 20 / 26.01.90). Von einer Auflösung der TLD war damals also keine Rede. Am 8. Februar 1990 jedoch präsentierte sich die deutsche Sektion der IKL der verwirrten Öffentlichkeit gänzlich neu als SpAD (APK 22 / 08.02.90). Ohne irgendeine Erklärung — die TLD war plötzlich futsch! Was war geschehen? In einem Brief an Brosius (s. Teil IV, Dokument 4) hatte der Meister kurzerhand diese Organisation — am Schreibtisch — für „verschwunden“ erklärt! Was kümmern Robertson schon solche Formalien wie Statuten, Konferenzen und die Diskussion unter den Mitgliedern.
Die TLD-Führung zog auf der folgenden ZK-Sitzung Anfang Februar nach. Besonders zwei ZK-Mitglieder, Schütz und Zierenberg, spielten die „Rolle der vom Guru Erleuchteten“: Natürlich habe sich die TLD schon am 21. Januar de facto aufgelöst! Zierenberg stellte dann den entsprechenden Passus des Robertson-Briefes zur Abstimmung und flugs wurde die TLD, jetzt auch in Deutschland, begraben. Peinlich blieb nur, daß die Totengräber 14 Tage brauchten, um die Leiche zu entdecken.
In dieser politisch zwar untergeordneten, aber nichtsdestoweniger für die IKL wichtigen Frage, wird die ganze bürokratische Willkür der Führungsclique deutlich. Stalin strich Trotzki aus der russischen Revolution; die chinesischen Stalinisten retuschierten auf Fotos die „Viererbande“ weg; Robertson muß sich mit Geringerem zufrieden geben: Egal, was auf der Veranstaltung in der Humboldt-Uni ablief — die TLD wurde am 21. Januar aufgelöst — und damit basta! Nur einige in der TLD/SpAD hatten es noch immer nicht kapiert. Noch Ende Februar konnte Spartakist als „Zeitung der TLD“ (!) abonniert werden (s. APK 24 / 20.02.90).
Über das menschewistische Funktionieren der TLD/SpAD
In ihrer „durchdringenden Verzweiflung“ bei der „Installierung von Spartacist-Normen in jedem Arbeitsbereich“ beklagte sich Brosius über das „menschewistische Funktionieren“ der TLD (s. Teil IV, Dokument 1). Kein Wunder bei diesem menschewistischen Organisationskonzept sowie der opportunistischen Ausrichtung auf die SED und dem späteren Massenanspruch! Dabei hatte das organisatorische Desaster nicht erst mit der Organisierung der Volkskammer-Wahlkampagne begonnen. Paketeweise verschickte die TLD APKs an Dutzende von angeblichen Sympathisanten. Letztere schickten dieselben jedoch — oftmals empört — postwendend zurück. Es war nicht nur spaßig, z.B. den Brief eines achtzigjährigen Rostockers zu lesen, der sich weigerte, die Zeitung an der Uni zu verteilen.
Die Politik der IKL bestand darin, „Genossen durch Geld zu ersetzen“ (s. Teil IV, Dokument 2). Dieser Zynismus drückte sich einmal im Verschleißen der wenigen Genossinnen und Genossen bei der Erfüllung der hochtrabenden Ansprüche der IKL-Führung aus, wobei man sich von New York dann auch noch Ratschläge zur Verringerung der „Psychose“ durch „Wärme, gut essen und sich ausruhen“ gefallen lassen mußte (s. Teil IV, Dokument 3).
Zum anderen war die Politik „Genossen durch Geld“ zu ersetzen die euphemistische Umschreibung eines verantwortungslosen Umgangs mit anvertrautem Geld. „Der Ausgang der sich entfaltenden proletarisch-politischen Revolution in Deutschland steht auf der Kippe. Spenden von Internationalisten werden dringend gebraucht,…“ (Spartakist 68, März 90). Was den Spendern des Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Fonds („3-L-Fonds“) nicht gesagt wurde, war, durch welche Schlampereien ihre Beiträge zum Fenster hinausgeworfen wurden. DDR-Mark, zusammen mit Stapeln von APKs, gingen verloren, weil die Genossen vergaßen, daß nach 24 Stunden die Schließfächer von der Transportpolizei der DDR geräumt wurden. Melt, der seine Wohnung vorübergehend der TLD zur Verfügung gestellt hatte, mußte bei einem Besuch feststellen, daß Verkaufsgelder und Spenden auf dem Fußboden seiner Wohnung verstreut herumlagen. Auf Initiative der DDR-Genossen gab es daraufhin Krach in der TLD (s. auch Brosius in Teil IV, Dokument 1), wobei u.a. die teure Anmietung von Pkws über das Palast-Hotel (Ostberlin) zur Sprache kam. Wir können nur vermuten, von welchem Geld Robertson sein piekfeines Hotel und die „ZK-Essen“ in den besten Restaurants Ost- und Westberlins bezahlte. Gesehen haben wir allerdings, wie Dahlhaus nach der verpatzten Treptow-Rede zur anschließenden TLD-Veranstaltung statusgemäß in einer schwarzen West-Luxuslimousine vorfuhr. Ein solches Auftreten der IKL-Führung fiel nicht nur uns auf.
Auf dem Wege zur Spaltung
Ein Großteil der DDR-Genossen war über das „westlich“-arrogante Auftreten der TLD-IKL-Führung zu Recht empört. Mit Ignoranz wurde loyalen Vorschlägen, die Organisation voranzutreiben, begegnet. Eine der wichtigsten taktischen Auseinandersetzungen in der TLD/SpAD wurde um die Organisierung einer Aktionseinheit gegen die Faschisten in Leipzig geführt, wie sie Melt und andere forderten. Zur Erinnerung: In dieser Periode machten sich die Nazis vor allem im Süden der DDR immer breiter und terrorisierten z.B. im Anschluß an die Montagsdemonstrationen Immigranten in Gaststätten. Die DDR-ZK-Mitglieder Melt und Bartels verloren die Abstimmung über ihren Vorschlag; die Mehrheit des ZK erklärte wahlkretinistisch, eine solche Aktion in Leipzig würde die Wahlkampagne der SpAD gefährden. Diese für die. IKL so typische paranoid-hysterische Reaktion wiederholte sich am 3. Oktober 1990:
„Und eine Überschätzung der Kräfte der Reaktion ist auch dazu benutzt worden, unser Beiseitestehen zu rechtfertigen, wie am 3. Oktober letzten Jahres, wo wir nicht zu einer Demonstration gegen die Wiedervereinigung mit starker Beteiligung von Immigranten gingen, weil wir dachten, die Straßen würden von Ultra-Nationalisten kontrolliert werden“ stellte die SpAD-Führung, natürlich selbstkritisch, fest
— (Internes Diskussionsbulletin 16, Februar 1991).
Die Abbügelung der Aktion in Leipzig und anderer Initiativen, die undurchsichtigen Entscheidungsinstanzen generell und das bürokratische Gemauschel mit New York, brachten in der SpAD bald das Faß zum Überlaufen. Als ersten Punkt ihrer politischen Begründung zur Bildung einer Fraktion schrieben Melt und andere:
„Innerhalb des einzig legitimen Leitungsorgans der SpAD werden die innerparteiliche Demokratie und die leninschen Normen des Parteilebens gröblichst mißachtet. In einer leninistisch egalitären Partei ist eine kollektive Diskussion und Entscheidungsfindung lebensnotwendig! Es muß grundsätzlich gelten:
Völlige Freiheit der Kritik, völlige Einheit der Aktion. Wie aber sind die tatsächlichen Zustände innerhalb unserer Partei und innerhalb des Zentralkomitees? Es gibt kein vom ZK gewähltes Politbüro, statt dessen gibt es ein ‚politisches Schattenkabinett‘ im ZK, das offensichtlich in Nacht- und Nebelaktionen sich Entscheidungen anmaßt. Wer hat z.B. die Genossen Helene, Reuben, AI, Fred, Renate D. und Phil bevollmächtigt in geheimen Sitzungen Entscheidungen über den politischen Kampf in unserem Land ohne Hinzuziehung von Genossen aus der DDR herbeizuführen. Diese Handlungsweise ist autokratisch und hat mit dem demokratischen Zentralismus nichts zutun. Neuerdings bilden sich unter gewissen ZK-Vollmitgliedern bonapartistische Verhaltensweisen heraus (z.B. werden anderen ZK-Vollmitgliedern Befehle und Weisungen erteilt). Wir haben nicht die stalinistischen Hardliner zum Teufel gejagt, um uns nunmehr von anderen Parteibürokraten bevormunden zu lassen“
— Fraktionspapier/04.03.90).
Als die Fraktionserklärung auf der Berliner Ortsgruppensitzung am 4. März 1990 verlesen wurde, ließ es die IKL-Führung zum Eklat kommen. „Saboteure des Wahlkampfs“ war noch die glimpflichste der Beschuldigungen und Verleumdungen, die diese Fraktion bei ihrer Lektion in Sachen SpAD und Parteidemokratie über sich ergehen lassen mußte. Schlußpunkt der Auseinandersetzung war ein Streit um einen vom DDR-Ministerrat für den Wahlkampf ausgeliehenen Lada, den die Fraktion aus Gründen der materiellen Chancengleichheit (die Mehrheit hatte mehrere Leih-und Gebrauchtwagen laufen) für sich beanspruchte. Durch eine physische Attacke wurde Melt von sechs IKLern, u.a. Zierenberg und Brosius, zur Herausgabe der Wagenschlüssel gezwungen.
In der APK 28 (20.03.90) hieß es dann, getreu der Methode „Haltet den Dieb„: „Um es kurz zu machen, zwei Typen namens Günther und Dieter und einige ihrer Freunde haben sich aus unserer Organisation davongemacht, unter Mitnahme verschiedener Vermögenswerte, einschließlich Autos, Geld von unserem Organisationskonto, an uns gesandte Post, und Bücher“. Festzuhalten ist jedoch: erstens, daß das gesamte von Fraktionsmitgliedern verwaltete SpAD-Geld (ca. 30.000 M) über den SpAD-Anwalt B. zurückgegeben wurde; zweitens, daß die SpAD den besagten Lada, den sie sich (dummerweise ohne Papiere) unter den Nagel gerissen hatte, der SpAD-L kurze Zeit später wieder überstellte (diese gab ihn dann der KFZ-Verwaltung des DDR-Ministerrats zurück). Warum sich die SpAD bis heute über den Staatswagen so ereifert, muß verwundern, erklärt sie doch scheinheilig: „Gleichzeitig nehmen wir keinen Pfennig Subvention und nur Geld von denen, die irgendwie ernsthaft mit unserem Programm übereinstimmen“ (Spartakist 78/0ktober90).
Bei all der niveaulosen Dreckschleuderei seitens der IKL gibt zumindestens St. John den politischen Charakter der Auseinandersetzung implizit zu, wenn er von einer „Spaltung am 4. März“ der SpAD spricht (Spartacist 45-46, englische Ausgabe).
Wir hielten die SpAD-Fraktion weder für eine trotzkistische noch haben wir Verantwortung für ihre in der SpAD geäußerten Positionen übernommen, obgleich ihre Charakterisierung des SpAD-Regimes ins Schwarze traf. Über einen Vorwurf Robertsons in seinem Brief vom 12. Juni 1990 an die damalige Gruppe IV. Internationale (ein allerletzter Versuch, die Fusion unserer Gruppen und die Gründung der Internationalen Bolschewistischen Tendenz zu verhindern) mußten wir allerdings besonders lachen. Robertson schrieb: „Wenn Ihr aufgepaßt hättet über das was wir schrieben, hättet Ihr gewußt, daß die Ladaisten (gemeint ist die SpAD-Fraktion, Anm. von uns) widerwärtige Veranlagungen hatten. … Jedoch, als Entschuldigung unsererseits, wir wußten nichts über sie damals. Ihr schon oder zumindest hättet es wissen können“ (der vollständige Wortlaut des Briefes ist in 1917 #9 abgedruckt). Was wir damals, nach der Spaltung der SpAD, kennenlernten, war eine heterogene Gruppe, die sich in einem Punkt, nämlich der Ablehnung der IKL-Führung, einig war. Aber erst die folgende Konfrontation mit unserer revolutionären Politik ermöglichte einen Differenzierungsprozeß in der SpAD-L zwischen Trotzkismus und Kapitulation vor dem Wiedervereinigungsdruck. Die IKL und ihr bürokratisches Regime dagegen waren eine Barriere in diesem Klärungsprozeß.
IV: Dokumentation
Dokument 1
31. Januar 1990
I.S. / New York, Hamburg
Liebe Genossen,
die Punkte, die Jim und andere vor kurzem per Fax gemacht haben bezüglich der Notwendigkeit einer kohärenten zentralen Führung am Ort in Berlin, um Entscheidungen zu treffen und auszuführen, weisen genau auf die Wurzel vieler der Probleme hier. Wenn dies an der Spitze fehlt, dann sind politische Desorientierung, menschewistisches Funktionieren und Demoralisierung von oben nach unten unvermeidlich. Wie partiell dies auch geschafft wurde, in der letzten Periode war dies ein Hauptziel. Ich bin stark der Meinung, daß Reuben und MAC hier sein .müssen, um das voll durchzuführen, und ich glaube, als ein Ergebnis der Finanz- und Anwesenheitsdiskussionen ist ein Weg ausgearbeitet worden, dies durchführbar zu machen. Anteile von Übergangslösungen können helfen, aber nicht die Arbeit tun, einschließlich der Arbeit, die Geschichte von schlechtem Funktionieren in der TLD zu überwinden und die Sprünge zu machen, die notwendig sind, um die neuen Aufgaben durchzuführen, die jetzt gestellt sind. Und die Aufgaben, vor denen wir in den nächsten sechs Wochen stehen, sind atemberaubend. Mit dem gegenwärtigen Niveau des Funktionierens werden wir es nicht schaffen. Insofern die Integration der Genossen aus dem Osten erfolgt ist, hat sie sich als unschätzbar erwiesen. Die Aussicht frühzeitiger Rekrutierung einiger energischer junger Arbeiter und Studenten, wie die Leute, die wir auf der FDJ-Konferenz getroffen haben, stellt eine Neubelebung der ganzen Operation in Aussicht. Dies ist ein Grund, weswegen ich glaube, daß wir die frühzeitige Rekrutierung zur TLD forcieren sollten, derjenigen, die mit uns arbeiten wollen, die mit uns schon gearbeitet haben. Dies muß verbunden werden mit einem Programm der Schulung und Ausbildung im Rahmen unserer Arbeit.
Der Pegel von menschewistischem Funktionieren, oder schlimmerem, ist weiterhin entsetzlich. Dies müßte auch aus der Entfernung offensichtlich sein. Es liegt nicht nur am Druck der Arbeit und fehlenden Leuten, was einen Eindruck von Überwältigung fördert, sondern auch an einer durchdringenden Verzweiflung, was die Installierung von Spartacist-Normen in jedem Arbeitsbereich, auf jeder Eebene unserer Arbeit angeht — Buchführung, Büroreinigung, Pünktlichkeit — und sich auf entscheidende leninistische Praktiken ausdehnt, wie der vollen Diskussion politischer Fragen usw., kurz, des demokratischen Zentralismus, der von oben nach unten eingeführt werden muß. Dieser Bericht handelt von Problemen, die in den letzten zehn Tagen aufgekommen sind, bevor die Wahlen vorgezogen wurden, Vor der ZK-Sitzung Freitag müssen wir Pläne für die Kampagne entwerfen.
Das ZK besteht jetzt aus XX Leuten. XX davon ist in New York. XX sind in Hamburg, und dies sind tendenziell die führenden Genossen. Zwei kommen aus dem Osten, und die verbleibenden XX sind permanent Westberliner. Peter ist reichlich qualifiziert als ein weiteres Mitglied, aber er bleibt vielleicht nicht sehr viel länger. Ich schlage vor, T. hinzuzunehmen, weil er gute Arbeit geleistet hat, gelesen hat, und das Gelesene auf die Arbeit anwendet. Wir sollten uns zurücklehnen, un Leute zu integrieren. Ich würde sagen, daß die fruchtbarsten Kämpfe in den ZK-Sitzungen stattfanden, und er hat sie verpaßt. Er ist noch jung, aber deswegen wird er viel von der Last der Rekrutierung und der Entwicklung der SG tragen.
Die aktuellen Zahlen über die Berliner Kräfte: insgesamt XX permanent oder im Versuch, permanent: zu bleiben, plus etwa XX Besucher (in der Mehrzahl langfristig wie Ali oder ich). Etwas mehr als die Hälfte kann Deutsch. Wir können erwarten, kurz nach der Thälmann-Schulung weitere XX hereinzubekommen . Dieser ganze Prozeß dauert immer noch zu lange.
Das Fehlen einer elementaren Arbeitsteilung — „niemand ist verantwortlich“ — ist einer der Gründe für das Chaos und das lausige Funktionieren und kann ein Mittel sein, um eine Lösung zu bekommen. Es gibt auch andere politische Probleme, die in dem jetzigen Chaos schwerer zu lokalisieren und auszukämpfen sind. Die Arbeitsteilung, die durch eine Reihe von Veränderungen in Sitzungen und informellen Diskussionen etabliert wurde, ist: …
Spartakist-Gruppen: Nach einer Menge Diskussion ist die Harngehensweise an die SG einigermaßen verstanden. Was immer noch schrecklich hinterherhängt, ist die Anstrengung, die Gruppenmitglieder in die aktive Arbeit gegenüber der FDJ-Konferenz einzubeziehen. Bei der regionalen Arbeit wird dagegen systematisch daran gedacht wenn es auch nicht immer gelingt. Diesen Donnerstag, wo wir das erste Mal einen Wochenplan in der Hand halten, sollen wir jedes Mitglied für wenigstens einen Verkauf und ein Kontakttreffen aufschreiben können, zuzüglich allem, was sie sonst noch tun können. Jedes Mitglied ist zum Kontaktierer gemacht worden. Aber nur wenige haben ihr erstes Kontakttreffen schon gehabt.
Das politische Profil der Gruppenmitglieder ist sehr breit gestreut. Typischerweise tendieren sie zum Stalinismus, in manchen Fällen sind sie harte Stalinisten. Nichtsdestoweniger lesen sie Trotzki, und die Ideen werden aud den Treffen in ernsthafter Weise diskutiert. Ich bezweifle, daß es eine andere Zeit gab, in der Trotzkis Werke so eifrig aufgeschnappt und diskutiert wurden (soweit erhältlich) , jedenfalls nicht durch Massen in einem stalinistischen Land.
…
Es gibt keine regelmäßigen Verkaufsberichte. Es gibt keinen Verkaufsverantwortlichen, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, was Keith sonst tut. Gestern habe ich geschafft, für die letzte Woche eine gekritzelte und unvollständige Version von Keith zu bekommen, aber für eine Reihe von Wochen hat es keine gegeben. Es ist unnötig zu sagen, daß Geld in einer ähnlich nachlässigen Weise gehandhabt wird. Diese Frage, besonders was Ostgeld angeht, wurde auf der letzten Ortsgruppensitzung angesprochen. Wir müssen einen Verkaufsverantwortlichen im Osten und im Westen bekommen. Bis dahin muß Keith. es zusammenhalten, obwohl wir während der Kampagne, also bald, einen Verkaufsveranwortlichen brauchen.
„Tägliche“ Sitzungen finden normalerweise dreimal die Woche statt, glaube ich, wegen der Geschwindigkeit der anderen Arbeit.
Und nicht jeder wird in allen Sitzungen sein. Obwohl dies eine fürchterliche Menge von Sitzungen bedeutet, ist dies jetzt das kleinere Übel. Die ZK-Sitzungen Freitag abend sind besonders hilfreich gewesen, obwohl ich diese Woche festgestellt habe, daß Dinge sehr viel ruhiger waren, als D. außerhalb der Stadt war und mit Fred den Norden bereiste, was nicht notwendigerweise vorteilhaft war. In der Anstrengung, ein völlig neues Kollektiv zu schmieden, wird es unvermeidlich eine Menge von Diskussionen geben, und man kann nie sicher sein, daß Annahmen geteilt werden und Kurzformen verstanden werden. Es ist besser, Dinge sorgfältig und explizit auszudrücken. Die Zeit ist es jedenfalls wert. Es hat. einen erkennbaren Fortschritt bei der Integration der neuen Mitglieder gegeben, obwohl dies offensichtlich mehr Zeit und gemeinsame Erfahrungen braucht. Sie haben sich nicht gescheut, ihre Bauchschmerzen zur Sprache zu bringen und mir jedem zu reden, und sie waren besonders erfreut über Jims Besuch, glaube ich. Dieser Prozeß ist viel eher eine Fusion, in der die beiden Seiten von verschiedenen Weltanschauungen her zusammenkommen, als ein Rekrutierungsprozeß. Wie in einer Fusion muß man besorgt sein, daß eine Tendenz entlang der alten Linien wegbricht. Wir haben eine Menge zu lernen.
…
Fabrikarbeit: Verkäufe sollten regelmäßig sein, und sie sind auch einigermaßen regelmäßig durchgeführt worden, obwohl wir die Verkaufsstellen erweitern und dafür sorgen müssen, daß nicht so viele mißlingen. Peter hat mir Herbert gearbeitet, Kontakt mit den Leuten herzustellen, deren Kontakt wir verloren hatten, aber im Moment scheint es, daß diejenigen, die sich entfernt haben, es so belassen möchten. Die Verkäufe haben als Ergebnis einige hundert verkaufte Zeitungen jede Woche, vor oder in der Nähe der Schlüsselbetriebe. Wir haben in den Schlüsselstellungen eine Handvoll von Namen nachzuverfolgen, die uns an ein oder zwei Plätzen neue Kraft geben können. Aber die Atmosphäre ist kräftig polarisiert, es wird eine Plackerei. Wir haben außerdem eine Menge Namen und auch SG-Mitglieder in anderen Fabriken, die APK verkaufen. Ein Teil der SG-Sitzungen wird dazu dienen, dies bewußter und angeleitet zu unternehmen, einschließlich Kontaktierung und Koordination.
Geld: Ich denke, die IS-Entscheidung war großzügig. Wir müssen jetzt innerhalb dieser Grenzen arbeiten und unsere Auswahl treffen. Das ist hier ein neues Konzept, auf dem wir beharren müssen, der Vorgang ist vor allem einzuführen. Das neue Büro ist die größte Ausgabe, aber D möchte unbedingt einen Lada, um die Anmietungen zu stoppen (oder wenigstens einige).
…
Wo die Wahlen vorgezogen werden, müssen die oben auseinandergesetzten Maßnahme unverzüglich umgesetzt werden, um vorwärtszugehen. Vielen Dank für eure verschiedenen Briefe.
CGs
[sig] Helene
Dokument 2
Bericht über die Beratung zu IS-Finanzen in New York
William und Robin
02.02.1990
Hier sind Vorschläge zur Finanzierung der Operation in Deutschland.
Diese Vorschläge sollten als Empfehlungen verstanden werden und sie sollten baldigst untersucht werden. Man sollte dementsprechend handeln, wenn es allgemeine Zustimmung gibt.
Alle 3L-Spenden werden durch New York zentralisiert und von hier aus nach Deutschland geschickt mit einer Ausnahme: wo bisherige oder noch anstehende deutsche Ausgaben so groß sind, daß wir einen gewissen Betrag der 3L-Gelder zu ihrer Bezahlung verwenden müssen, um die Schwächung der IS-Finanzen zu vermeiden
…
Diese Regelung setzt dem Abfluß nach Deutschland, der, wenn er mit der bisherigen unbegrenzten Rate fortgesetzt werden würde, uns sehr schnell dazu zwingen würde, alle unsere Reserven aufzulösen und Hypotheken für einen Teil unseres Vermögens aufzunehmen. Wenn wir dies tun würden, hieße dies. impressionistisch anzunehmen, daß es in der Welt keine weiteren Entwicklungen geben wird, in die die IKL intervenieren will oder muß.
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Die politischen Schlußfolgerungen sind geradeheraus: Die Geschichte endet nicht am 18.März. Wir hatten eine operation, wo wir Genossen durch Geld ersetz haben. Wir haben versucht etwas Geld durch Kader zu ersetzen, damit ist jetzt Schluß. Wir müssen unsere Operation konsolidieren. Wir müssen uns auf die Betriebe konzentrieren. Ohne eine Basis wenigstens an einigen Plätzen sind wir erledigt. Wie wir schon früher diskutiert haben und worüber wir uns schon geeinigt hatten ist, mehr Organizer und weniger aber bessere Zeitungen zu haben, um dies zustande zu bringen.(Dies geht von der bisher vereinbarten Erscheinungsfrequenz aus.) Dies legt. noch dringender die Betonung auf die Notwendigkeit für eine zentralisiertes und effektives Führungskollektiv in Berlin.
Es scheint angemessen zu sein, für die Zeit nach der Wahl zu planen, allmählich unseren physischen und technischen Apparat in Berlin zu konzentrieren. Dabei sollten wir jedoch nicht außer Acht lassen, daß wir unser Zentrum in Hamburg belassen müssen und wollen, wenn wir im Norden erfolgreicher sind.
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Während das Obige Empfehlungen darstellt, hat das Treffen verlangt, daß definitiv nachgewiesen wird, daß die Telephonrechnung für die Anrufe aus dem SED-Hauptquartier während der Mobilisierung für die Treptow-Demo bezahlt worden sind.
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Dokument 3
Ergänzung zu den berichten von William und Rächet über die IS-Finanz-Beratung by Lizzy
02. Feb. 1990
Erst einmal sollte man festhalten, daß dies eine beratung der interim lS-Gruppe gewesen ist mit mehr Teilnehmern als üblich. Es waren nicht nur die zu dem Zeitpunkt anwesenden IS-Mitglieder da und alle diejenigen, die informell kooptiert sind, um ein Führungskollektiv zu vertreten, sondern auch noch einige andere, einschließlich aller Voll-ZK`ler und Kandidaten, die in der Stadt waren, und einige andere aus der Zentrale, alles in allem rund 25 Leute.
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Drittens gab es eine Reihe von politischen Punkten, die zwar nicht von zentraler Bedeutung waren für die Arbeitsvorschläge des Treffens, aber nichtsdestotrotz vorgebracht werden sollten:
Jim hat wiederum betont, daß wir damit aufhören sollten, und so viele Gedanken um die SED zu machen, denn sie löst sich selbst auf, und das unser Hauptrivale auf der Linken die KPD ist. Nochmals, wir brauchen Propaganda zu Thälmann, Neumann, Dimtrov (und hinter ihnen Stalin).
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Zur Situation im Halkevi: Jim hat bemerkt, daß wir entsprechend ihrem Codex die Köpfe von drei bekannten Genossen vor ihrem Büro aufgepfählt hinstellen sollen, zusammen mit einer Note tiefgehender Entschuldigung und kein Geld) und dann sollten wir entsprechend ihrem Plan ausziehen.
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Aufgrund seiner Erfahrungen vor Ort hat Jim in letzter Zeit von einer Arbeiter- und Polizistenregierung“ geredet. Oder um genauer zu sein, eine Regierung der Arbeiter und der uniformierten Beschäftigten der Regierung. Scherz beiseite, es ist kein zufalle, daß viele unserer Kontakte in diese Kategorie fallen. Sie haben unmittelbar am meisten zu verlieren durch eine kapitalistische Restauration. Und es wichtig zu verstehen, daß Ostdeutschland kein kapitalistischer Staat ist, die Soziologie ist total anders von dem, mit dem die IKL bisher zutun hatte. im hatte auch eine Reihe von Einzeilern zur Stasi-Hetze. Zu „Stasikinder“: „Jawohl dein Vater hat meinen im KZ bewacht“ und zu „Die Stasi hat selber das Stasihauptquartier gestürmt“ : „Jawohl , und die Kommunisten haben den Reichstag angezündet“
Zur Frage der „Einheit mit der SED, Genossen haben das Gefühl, daß dies nicht nur das Produkt einer einzeln Person ist, die sich verhört hatte und fälschlicherweise etwas wiederholt hat, was Jim erzählt: hat, sondern daß dies teilweise das Resultat der Erschöpfung der führenden Kader dort war und teilweise die Panik wiederspiegelt, der viele in der DDR erliegen, angesichts des irren Tempos mir dem die SPD und die deutsche Bourgeoisie Fortschritte machen ohne auf eine sichtbare geschlossene Opposition zu treffen. Unter anderem ist das Problem, an die SED appellieren, die Situation zu retten, daß genau sie nicht die Gruppe sind, die das tun kann. (Und vom Standpunkt der Redaktion muß ich sagen, daß SED-Einheit“ exakt das augenblickliche Programm der herrschenden Klasse der USA ist angefangen mit der Kommentarseite der New York Times über die Einladung von Gysi nach Washington, die Amerikanische Bourgeoisie will jetzt keine Wiedervereinigung.) Jedenfalls wurde mehrfach festgestellt, wir wollen Einheit durch revolutionäre programmatische Umgruppierung, was sich konkret festmachen läßt an vielleicht rund sechs Punkten: Aufbau revolutionärer Parteien im Westen, Verteidigung der Sowjetunion; Bruch mit dem Stalinismus in der DDR. Schutz gesellschaftlichen Eigentums in der DDR; Keine Massenliquidation (keine „Kollektivschuld“) der DDR-Regierung.
Wir wollen einen Beitrag zur Reihe „Haß auf die Trotzkisten machen aus den zwei Artikeln von den deutschen Northites (BSA) und den BT. Wir brauchen eine Einleitung, die auf die offensichtlichsten ihrer Widersprüche eingeht, dabei muß betont werden, daß all diese Gruppen nicht mit den Widersprüchen fertig werden, die von der Russischen Revolution hervorgebracht worden sind, und die deshalb vor den Oktober 1917 zurückgehen wollen und alles noch mal von vorn anfangen wollen. Ostdeutschland ist wirklich das perfekte Beispiel für die Behauptung des Dritter. Lagers, das die Bürkratie eine herrschende Klasse ist — die Bürokratie zerfällt vor unseren augen. Natürlich liegt in den meisten deformierten Arbeiterstaaten Osteeuropas die die Staatsmacht in den Händen der Roten Armee (Rumänien ist die große Ausnahme). Ostdeutschland weicht davon etwas ab: 1)in stärkerem Maße als irgendwo sonst, mit der Ausnahme von Böhmen und Mähren, dem industriellen Zentrum des östereich-ungarischen Imperiums, haben die ostdeutschen Arbeiter vor 1933 an Sozialismus und Kommunismus geglaubt; und 2) es gibt in Ostdeutschland keine nationale Frage, es ist das reine Beispiel für eine Nation, die durch zwei Klassenkräfte geteilt ist. Wir haben vor, dieses Pamphlet auf Englisch herauszubringen, und wenn die deutschen Genossen es reproduzieren wollen, können sie es übersetzen.
Debbie hat den Punkt gemacht, daß der Vorschlag zu Finanzen recht generös ist (unter der Annahme, daß ihr MB’s und Vertriebseinnahmen bekommt): die 3L-Kampagne ist bisher recht gut gelaufen, wir haben in der letzten Woche bei Veranstaltungen $ XXX aufgebracht.
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Jim fügt hinzu:
Wir in der IKL sollen an demokratischen Zentralismus glauben. Wir haben diese Vorschlage vorgebracht auf der Basis, daß es in der Tat eine deutsche Führung gibt. Das letztere scheint jedoch hypothetisch zu sein, Es gibt genügend belege, die es nahelegen, daß es sowohl an Demokratie als auch an Zentralismus fehlt bei unserer deutschen Operation. Deshalb haben wir bei unserem Treffen immer wieder den Punkt betont, wir brauchen eine zentralisierte Führung in Berlin.
Wir haben das schon anfangs gesagt und ihr tut es immer noch nicht: Wärme, gut essen und sich auszuruhen trägt dazu bei, die Psychose zu verringern, an einem gewissen Punkt ist das wichtiger als was ihr zu tun glaubt. All diese notwendigen Punkte sind euch schon sechsmal geschrieben worden und schon sechsmal erzählt worden. Weshalb macht ihr euch also so fertig?
Dokument 4
Februar 1990
Liebe Helene — nur für Dich bestimmt, gib davon soviel weiter, wie Du möchtest, hoffentlich an Max und Fred
Ich dachte, Dein langer Brief vom 31. Januar, zusammen mit verschiedenen anderen Briefen, die wir gestern oder vorgestern erhalten haben, legen es nahe, daß wir mit der Organisation in Deutschland vielleicht auf dem Weg über den Berg sind (? We may be turning the corner on Organisation). Mehrere unmittelbare Dinge lassen mir keine Ruhe.
1. Was ist die „TLD“? Ich dachte, ich bin nach Deutschland geeilt, um unsere neue pan-deutsche Sektion gründen zu helfen, die SpAPD, und ich will den gleichen Vorschlag dem Internationalen Exekutivkomitee machen. Und zwar: wir hatten eine kleine TLD gehabt, die sich wieder als eine funktionierende Sub-Propagandagruppe in der BRD einführte. Plötzlich gab es eine riesige amorphe Umwälzung in der DDR, in die wir mit einer täglichen Arprekorr und mit der Schaffung von Spartakist-Gruppen intervenierten. Als der Tag für die DDR-Wahlen festgesetzt wurde, gründeten wir sofort die SpAPD, im wesentlichen als eine legale Einrichtung, aber in den Grenzen, wie sie in Lenins „Linkem“ Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus, dargelegt ist, d.h. etwas, das ein bißchen präziser ist als die 21 Bedingungen der KI. Ich glaube, daß die TLD damit verschwunden ist, verschmolzen mit reifen Elementen der Spartakist-Gruppen. Es kann durchaus sein, daß wir weiterhin Junge Spartakist-Gruppen aufbauen wollen mit anderen Elementen.
Unsere unmittelbaren Wahlchancen liegen anscheinend, wenn überhaupt, im DDR-Norden (dies sollte uns nicht davon abhalten, überall etwas aufzubauen, wo wir eine Möglichkeit dazu haben; und überall beinhaltet insbesondere Arbeiterzellen in Fabriken und liebenswürdige, frische, gut geschriebene Appelle an die sowjetischen Soldaten aller Art).
Zum Beispiel, denke ich, hat uns Lenin beigebracht, daß wir im Falle eines riesigen amorphen Schwarzenaufstands in Amerika eine vergleichbare Intervention mit massenhafter Propaganda machen sollten und eine Vereinigung unter den Schwarzen, die für sozialistische Revolution sind, hoffentlich mit dem Ergebnis einer stark vergrößerten und beträchtlich veränderten Partei. Jedenfalls ist dies der Text, nach dem ich gearbeitet habe.
2. Du sagst: „Das ZK besteht jetzt aus XX Leuten und XX sind in Hamburg, und dies sind gewöhnlich führende Genossen“. Mir wurde erzählt, daß am Lebensende von Breschnjew eine Mehrheit des PBs der KPdSU zum PB-Treffen auf Tragen gefahren wurde, angeschlossen an Blutkonserven. Außer Breschnjew gehörte Tschernenko dazu, und der arme Andropow schien chronische Dialyse zu haben. Suslow war so alt, daß er kaum ein „Töte“ von sich geben konnte. Aber wenigstens wurde, wenn diese Genossen einen Hauch andeuteten, die Entscheidung ausgeführt, außer bei Romanow, der zu betrunken war, um zu wissen, was vorging. Nebenbei, all dies war ein großer Schritt nach vorn weg von Stalin, und die SU, wenn auch greisenhaft deformiert, konnte es immer noch mit Nohn-Bush aufnehmen. Nun, ich glaube, diese Genossen waren wahrscheinlich zu alt und krank für ihre Arbeit, doch ich schlage wirklich vor, Mittel und Wege zu finden, um mehrere Hamburger Tragen zu motorisieren, in Sauerstoff zelten und mit angezapften Blutkonserven, und daß sie als „Geister“tragen nach Berlin gefahren werden. Ich schätze, was ich sagen will, ist, daß Ihr eine autoritative Zentrale haben solltet, wenigstens für die nächsten 10 Wochen oder so. Zum Beispiel, und nur als ein Beispiel, kann MAO 20 Stunden am Tag in einem verglasten Zimmer verbringen, das nach dem Vorbild eines sauberen Raums für die EIektronik-Produktion ausgestattet ist.
Um die Bemerkungen von gestern zu wiederholen: erzählt mir nichts über Probleme, diskutiert sie nicht mit mir, löst sie eben — mit Lösungen, die nur für die Dauer von ein paar Monaten vorgesehen sind, d.h. ohne die Möglichkeit einer einfachen Umkehrung zu verbauen« Wenn Hitler auf Reisen war, meistens mit dem Zug, wurden Mittel und Wege gefunden, jeden Bahnhof, an dem er anhalten könnte, mit dem Oberkommando der Wehrmacht zu verbinden. Aber er war kein Neulinker. Euer einziges Problem ist es, dies zu tun ohne Staatsmacht und ohne Geld.
3. Du sagst: Es gibt keine regelmäßigen Verkaufsberichte, es gibt keinen Verkaufsdirektor, obwohl ich nicht begreifen kann, was Keith sonst macht.“ Nun, wir brauchen die regelmäßigen Verkaufsberichte. Ich denke, die Verkaufszahlen sind auf ein Zehntel dessen gefallen, was sie vor .sechs Wochen waren Wir brauchen einen Verkaufsdirektor, der weiß, wie man die richtige Anzahl von Verkäufern kriegt, mit dem richtigen Material am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Abgesehen von seinem Deutsch, weiß ich bestimmt, was Keith tut, und er kann es ebenso gut vor amerikanischen Militärstützpunkten auf den Philippinen tun, wo ich ihm nicht nur die Hukbalahap garantieren kann, sondern auch eine Reihe unglaublicher, unheilbarer, sehr rapide fortschreitender Geschlechtskrankheiten. Es gibt auch den Leuchtenden Pfad, die die Weißen sogar noch mehr hassen sollen als die Huks. Außerdem ist es sehr schwer, in 22 000 Fuß (6600 Meter) Höhe zu atmen. Aber bei meiner mitfühlenden Veranlagung schlage ich vor, daß er diesen interessanten Abenteuern aus dem Wege geht und wenigstens sechs Stunden an Tag zubringt, in denen Du weißt (und befürwortest), was er tut. Du bist dort direkt an Ort und Stelle; wenn Du ihn grausig enden lassen willst, brauchst Du meine Alternativlösung nicht zu erwähnen. Castro hätte in Angola General Ochoa das Feld überlassen sollen, und ich überlasse es Dir.
Mit wirklich brüderlichen Grüßen und Dank für Deinen warmherzigen Brief,
Jim
übersetzt von Bernd, 3. Februar 1990
Dokument 5
Alameda
1. Februar 1990
IS/PRL
Berlin, Hamburg
Liebe Genossen,
hier sind einige der Punkte, die ich heute in einen Telefongespräch mit William gemacht habe, und auch einige, die ich nicht gemacht habe:
Ich habe mir Sorgen gemacht über den Hinweis in Rachels Notizen von Helene (31. Januar) über „Disziplinfälle“, die die ZK-Sitzung aufgreifen sollte. Helene sagt in ihrem Bericht vom 31. Januar : „Das Ausmaß von menschewistischem Funktionieren oder von schlimmerem bleibt weiterhin erschreckend. William sagte das gleiche und gab als ein Beispiel für einen der Disziplinfälle an, daß Kay bei einem Betriebsverkauf entschied, wegen der rechten Stimmung unter den Arbeitern die Zeitungen zu verteilen anstatt sie zuverkaufen. Ich denke, daß es in diesem speziellen Fall eher angesagt ist, einen politischen Kampf zu führen als organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, besonders da im allgemeinen Probleme des „Funktionierens“ an der Spitze beginnen, in einem desorganisierten und manchmal politisch desorientierten ZK.
Letzte Woche drückten Helene und Max politische Desorientierung aus, sie verteidigten, ohne sich darüber klar zu sein, eine Position der „Einheit der SED“, d.h. die Perspektive einer strategischen Einheitsfront, die rasch impliziert, daß unsere zentrale Rolle als programmatisch polarisierende leninistische Kraft verschwindet. Aber wenn unser Programm nicht als zentral angesehen wird, dann bekommt unsere organisatorische Arbeit, die im wesentlichen nur das Mittel ist, unser Programm durchzuführen, eine massive Widersprüchlichkeit. Spätere Korrespondenz sagt, Alison sei der Ursprung dieses „Gerüchts“ über „Jims Position“, aber ich denke das ist zu einfach. Vor einem Monat war „Einheit der SED“ die feste Position zum Beispiel der SED-Arbeiter bei Narwa, die wußten, daß Regierung und Partei ihre Fabrik an die Kapitalisten verkaufte, die aber darauf bestanden, daß man Modrow und die SED nicht kritisieren kann, weil das alles ist, was zwischen uns und der ganzen Scheiße steht, die die Sache übernehmen will. Angst und Verzweiflung brachten sie dazu, eine Partei zu unterstützen, von der sie wußten, daß sie sie ausverkauft. Noch wichtiger, sie sahen nicht sich selbst, das Industrieproletariat, als die entscheidende selbstbewußte Kraft in dem Kampf um die Staatsmacht. Seither haben sich Ereignisse sehr schnell bewegt und ich glaube, daß vielleicht diese gleiche Stimmung von Furcht und Verzweiflung ihren Weg in unsere deutsche Organisation gefunden hat und zum Ergebnis hatte, daß es einen programmatischen Impuls gab, der dem jener SED-Arbeiter vor einem Monat sehr ähnlich war. Und wenn die TLD-Führung — theoretisch die erfahreneren und bewußteren Elemente — politische Desorientierung ausdrückt, dann muß dies auch in der breiteren Mitgliedschaft einen Ausdruck finden.
Zwar hatten wir sicherlich eine Menge organisatorischer Probleme bei dem Versuch, aus einem sich ändernden Pool von Mitgliedern eine stabile Organisation zu machen, aber ich denke, man kann argumentieren, daß diese politische Konfusion — eher als eine große Anzahl undisziplinierter Mitglieder — ein wichtiger Faktor dabei ist, unsere organisatorischen Bemühungen zu unterminieren, was sich in „menschewistischem Funktionieren“ ausdrückt. Es ist sehr schwierig, ein neues kohärentes Zentralkomitee zu bilden. In der SL/U.S. ist unser führendes Komitee das Ergebnis einer mehr als 25jährigen politischen Selektion durch einen Prozess von Spaltungen, Fusionen (und politischen Kämpfen, die mehrere unterschiedliche Perioden umfassen. Seit 1974 hat ein ähnlicher Prozess stattgefunden in dem, was das Internationale Exekutivkomitee der IKL geworden ist. Aber in Deutschland wurde eine kürzlich wiedergeschaffene TLD mit historisch wichtigen Aufgaben konfrontiert. Wo es bisher nur eine Redaktion als zentrale Körperschaft gab, erfordert die Situation jetzt ein Zentralkomitee in einer Situation von enormem Drück, das auch neue führende Genossen wie G., D. und T. umfassen muß. Ein Prozess, der normalerweise Jahre dauert, wird jetzt in Monate, sogar Wochen komprimiert. Trotzki sagte, das Geheimnis von Lenins bolschewistischer Partei war politische Festigkeit und organisatorische Flexibilität. James Patrick Cannon lerntet von Trotzki, daß es besser ist, für politische Klarheit zu kämpfen, als diesen Prozess durch organisatorische Maßnahmen vorwegzunehmen. Das ist auch unsere Geschichte. Angesichts des Ausmaßes von politischen und organisatorischen Frustrationen, die dort existieren, wäre es ein ernster Fehler, disziplinäre Maßnehmen zu ergreifen als Ersatz für den schwierigeren Prozeß, Probleme auf praktische Aufgaben und/oder politischen Kämpfe zu reduzieren. Außerdem denke ich, solche Maßnahmen werden die Atmosphäre vergiften besonders für neue Mitglieder, die von stalinistischen repressiven Maßnahmen die Schnauze voll haben.
Warum gibt es zwei Organisatoren, einen in Ost- und einen in Westberlin? Ich sehe, daß zur Zeit Renate Organisator der Spartakist-Gruppe ist. Aber heißt das, daß Keith der Organisator für alle anderen ist? Helenes Bericht scheint sich auch auf einen Verkaufsleiter im Osten zu beziehen im Unterschied zu dem Verkaufsleiter, der Keith nicht zu sein scheint. In anderen Worten, es scheint so, als gäbe es zwei parallele organisatorische Strukturen im Osten und Westen, was, wenn da so ist, nicht viel Sinn macht. Welcher Organisator (oder welche Organisation) ist zum Beispiel für die Fabrikarbeit zuständig; Was ist der Sinn eines Kampfes, sich „den Massen zuzuwenden“, wie in 1905, und dann als getrennte Organisationen weiterzumachen? Neben der Tatsache, daß das politisch falsch ist, schwächt es uns organisatorisch,, indem man eine geringe Anzahl von Genossen nimmt und die Anzahl dann durch zwei teilt. Mir ist klar, daß eines der Ziele ist, die Arbeit zu „germanisieren“, und damit stimme ich überein, aber Keith kennt die Lage dieser Ostberliner Fabriken wie seine Hosentasche, also sollte ein Weg gefunden werden, dieses Wissen zu nutzen.
Es war falsch, daß Kay ihre eigene Politik bestimmt hat, wie man Zeitungen verkauft. Aber ich möchte gerne einen Bericht von ihr sehen über diese rechte Stimmung, auf die sie traf, und welchen Ausdruck das nahm. In den Faxen steht nur sehr wenig politisches Wissen darüber, wie die Arbeiter denken. Der Eindruck, den ich habe, ist, daß die einzige Kraft, die nicht in Bewegung ist, die alte harte Arbeiterbasis der SED ist. Die politische Aktivität ist hauptsächlich an der Spitze der Schicht der Intelligenz, die sich vom Modrow-Gysi-Flügel der SED bis zu den unterschiedlichen „demokratischen Oppositionsgruppen erstreckt, was im großen und ganzen die gleiche Art von Schicht ist, die Gorbatschows Basis in der UdSSR darstellt. Niemand will, daß diese Arbeiter irgendetwas tun. Währenddessen erscheint die SPD an der rechten Flanke des Proletariats und versucht den Rest zu überrollen, bevor in Westdeutschland Klassenkampf ausbricht, der ihre verräterische Rolle bloßstellen würde.
Es wäre sehr nützlich, unsere eigene Analyse zu haben, basierend auf den Kontakten, die wir durch die Fabrikverkäufe haben, und nicht nur das Gekrächze der bürgerlichen Presse oder das Händewringen der östlichen Presse.
Jim hat vor kurzem gesagt, Genossen sollten Ruhe, Wärme und Behaglichkeit bekommen. Ich dachte, die Situation würde sich verbessern, nachdem wir zurückgesteckt haben zu einer Ausgabe pro Woche anstatt fünf. Aber offensichtlich ist dieser Rat immer noch ein grausamer Witz. Zumindest ist das der Eindrucke den ich von Leuten, die kürzlich zurückkamen, bekam, die sagten, das es immer noch üblich sei, um Mitternacht angerufen zu werden, um um 5 Uhr morgens einen Verkauf zu machen, oder daß Genossen nach einem vollen Arbeitstag Stunden in Halkevi warten müssen auf Termine, die anstehen. Auch die Unterbringungssituation klingt so schlecht oder schlimmer als zuvor. Es gibt einen Punkt, ab dem Leute nicht mehr funktionieren können, einschließlich der Führung.
Ich habe keine Übersetzung der Titelseite von APK Nr. 21 gesehen, aber es sieht aus wie ein Aufruf an die Arbeiter, für Sowjetnacht zu kämpfen. Jim macht kürzlich den Punkt, daß Räte als Ergebnis eines wie auch immer gearteten Massenkampfes entstanden sind und nicht einfach, weil Kommunisten sagen, daß das eine gute Idee ist. Warum rufen wir nicht zu politischen Streiks auf, um den Ausverkauf der DDR zu stoppen und machen das zu einem zentralen Aufruf unserer Wahlkampagne?
Mit Genossengrüßen
Al Nelson
Übersetzt von Barbara, 3. Februar 1990
Dokument 6
„Die Perspektive, einen Kaderstamm von Berufsrevolutionären aufrecht zu erhalten, motivierte den Beschluß des Internationalen Sekretariats (IS), der anschließend durch ein offenes ZK-Plenum der Trotzkistischen Liga Deutschlands bestätigt wurde, die überwiegende Mehrheit der deutschen Genossen für ungefähr ein Jahr zur Arbeit in anderen Sektionen zu versetzen. Die Genossen der TLD haben in den letzten fünf oder sechs Jahren darum gerungen, sich angesichts des Wiederaufsteigens des bedrohlichen deutschen Nationalismus politisch umzuorientieren. Die gegenwärtige Bilanz dieses Versuchs, deutsche Realität in den Griff zu bekommen, ist negativ. Das IEK empfand, daß ein nicht mehr zu tolerierender Punkt erreicht wurde, als die TLD ebenso wie die übrige westdeutsche Linke Gründe fand, sich der Teilnahme an dem jüdisch organisierten Protest gegen Reagans und Kohls obszönen Besuch der SS-Gräber in Bitburg zu enthalten“
— Protokoll der lEK-Tagung der IST vom 30.11. /Öl.12.85Spartacist 12, deutsche Ausgabe/Winter 86/87
(Vorbemerkung: Eine nationale Sektion auf Beschluß des internationalen Sekretariats aufzulösen, ist schon für sich genommen ein Beispiel des bürokratischen Zentralismus par excellance. Doch welchen Grad der Zynismus und die Verachtung der IST/IKL-Führung gegenüber ihrer Mitgliedschaft erreicht hat, ist für Außenstehende wie für neue Genossen dieser Organisation schwer verstellbar. Die folgende Übersetzung einer der „Briefe aus dem Lager“ stammt aus der Feder des international bekannten IKL-Führungsmitgliedes Federico Parodi, dessen Aufgabe es damals war, die „TLD-Abwicklung“ für das IS zu organisieren. Dieser makabere und zynische Bericht an die IS-Sekretärin Helene Brosius verdeutlicht nicht nur die Geisteshaltung dieser „Kämpfer gegen das Vierte Reich“, er sollte darüberhinaus jedem vor Augen führen, welchen „Genuß“ es bereiten kann, in dieser Organisation Führungspositionen zu erlangen und sein Spiel mit der „einfältigen“ (hier der deutschen) Basis zu rühren. Wir haben uns entschieden nur diesen ersten Brief zu übersetzen — es reicht! Daß unsere deutsche Übersetzung nicht besser sein kann als das Hitler-Englisch des Verfassers rechnen wir ein. Um dem Vorwurf des „Fälschertums“ zuvorzukommen, drucken wir das Original ebenfalls ab.)
Briefe aus dem Lager (Nummer 1)
von Federico Parodi
Lager Nr. 1 (Frankfurt) 12. Juni 1985
Liebe Helene,
mir ist berichtet worden, daß gestern der Gauleiter des besetzten Deutschlands den TLD-Insassen sagte, der Hauptslogan des Tages sei: „TLD erwache!“
Als das Internationale Sturm Sekretariat (ISS) ihnen sagte, daß nichts ohne ordentliche Genehmigung getan werden sollte, um unzeitgemäßes Märtyrertum der Mitglieder zu vermeiden, sagte gestern keiner der Frankfurter Genossen, die so vehement kämpften, um ihre Körper auf den nächsten Zug zur Front zu bringen, auch nur ein Wort darüber. Ein sehr vielversprechender Start dieser Diskussionsrunde im Zentrum.
Anderswo, d.h. in Berlin und besonders in Hamburg bekommt man einen Eindruck von Genossen, die kämpfen wollen. Dort herrscht ebenfalls eine große Erschöpfung und einige Leute sehen schlechter aus als andere, aber es gibt einigen Widerstand gegen die Kapitulation und/oder gedankenlosen Aktivismus, der die Organisation durchdringt.
Die ersten Leute werden sehr bald nach Drancy, huch, ich meine Paris abreisen. Je eher desto besser. Je länger Fred in der Stadt bleibt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß er hier für immer bleibt.
Das einzige Anzeichen von gesundem Verstand, sozusagen — und natürlich unter der Annahme, daß nicht nur eine Show inszeniert wird — ist, daß niemand im Land bleiben will, d.h. es argumentiert niemand, daß diejenigen, die gehen wollen, verraten. Nicht daß das nicht auftauchen könnte, sobald es klar ist, daß einige gehen und einige bleiben.
Es sollten konkrete Pläne gemacht werden, so daß ungefähr zehn Leute während des nächsten Jahres einige Zeit außer Landes verbringen — von kürzeren (zwei, drei Monate) Aufenthalten über den Sommer für einige, bis hin zu den längeren Rehabilitationsperioden.
Der Hauptgegner dieses Vorschlages für Transfer ist — wie man sich denken konnte — vollkommen stumm. „Vot ze ISS says is vot ve must do“ stellt für die deutschen Genossen übersetzt kein besonders neues oder originelles Konzept dar: das „Führerprinzip“. Ob es möglich sein wird, aus Doris‘ Mund irgendein Wort herauszubekommen, um in der Lage zu sein, einen klärenden Kampf auszutragen, ist im Moment überhaupt nicht ausgemacht, aber wir werden es weiter versuchen.
Das Konzept „Arbeit macht frei“, das in der TLD so weit verbreitet ist, zu zerschlagen und es durch das Verständnis zu ersetzen, daß die Lage wirklich schlecht ist, ist entscheidend. Für Anfänger: „Ausreise macht frei“.
Die Durchdrungenheit mit Deutschtum — wie Du gegenüber Susan anmerktest, ist es unmöglich die Haltung der Leute innerhalb der nationalen Grenzen Deutschlands zu verändern — ist hier unbestreitbar.
Wie kommt es, daß so viele Genossen in einem Land, das einen wesentlich höheren Lebensstandard als Großbritannien hat, krank sind? Unvorsichtigkeit? Schlechte medizinische Versorgung? Was?
„Kraft durch Freude“ — Sandhaus als Mustermitglied: blond, blaue Augen und kräftig. TLD-Mitglieder werden nach ihren „Qualitäten“ ausgewählt, die Untauglichen fallen in die niedere Kategorie und wir wissen, was mit „ihnen“ passiert. Die Genossen arbeiten extrem hart, einige schaffen es nicht, was offensichtlich ein undeutsches Verhalten ist, also fühlen sie sich schuldig und versuchen härter zu arbeiten.
UNS SIND DIE DEUTSCHEN GENOSSEN WICHTIGER ALS DIE DEUTSCHE SEKTION! Dies ist schwierig zu verstehen in einem Land, wo die Mißhandlung von Tieren und Bäumen im öffentlichen Bewußtsein viel höher rangiert als die „Mißhandlung“ von Menschen.
Jetzt hört folgendes: In Westdeutschland und West Berlin gibt es viele noch praktizierende frühere KZ-Ärzte. Der Schauer, der mir über den Rücken läuft bei dem Gedanken, daß ich jemals krank werden könnte und hier behandelt werden muß, ist Dir — ich bin mir sicher — sofort klar. „Konzentrationslager-Ärzte“! Mit diesem Euphemismus werden jene Monster bezeichnet, die taten, was sich nicht einmal Dante vorstellen konnte!
Nun, man wird darüber natürlich nichts im Spartakist lesen, einer Zeitung mit der zweifelhaften Besonderheit, die Zeitung zu sein, welche nichts über Deutschland und die jüdische Frage sagt nein, sie sagt etwas. Ebenso bestürzend wie es war, herauszufinden, daß der antisemitische Satz (*), zitiert in Silvias Brief, tatsächlich schwarz auf weiß im Spk abgedruckt ist, ist vielleicht die Tatsache, daß ich keine einzige Antwort auf meine Frage bekommen habe:
Solltet ihr den Verkauf der Zeitung stoppen?
Warum sollten sie auch: „Wir sind genau wie alle anderen“, moderne Version von „Wir befolgten nur Befehle“: oder die Kollektivschuld der TLD. Während es in diesem Fall wahr ist, daß sie alle schuldig sind, sitzt jedes Individuum individuell in der Scheiße. Kollektivschuld kommt Absolution gleich. Es tut mir leid, dies ist nicht die katholische Kirche, wie sehr sie auch das ISS mit Gott identifizieren mögen! Eine Genossin sagte mir sogar, daß sie es schade fände, daß wir keine Genies in der Organisation haben, weil das die Dinge sicherlich vereinfachen würde: „Wir würden nur tun müssen, was er uns sagt zu tun“.
Zwölf Jahre Nazismus haben das Bewußtsein und die Instinkte dieser Leute so tiefgreifend geformt, daß nur eine soziale Revolution in der Lage sein wird, es auszurotten, und es wird einige Zeit dauern und bedarf vieler Kreuzungen, und ich meine das wörtlich.
Zerstören wir diese Lüge. Die TLD ist nicht „einfach wie alle anderen“. Was die jüdische Frage anbelangt, hat die westdeutsche Linke ihr einige Aufmerksamkeit geschenkt, und das ist immer noch so.
Beweis: ein Pamphlet von 1960, hergestellt in Berlin unter der SPD-Führung, „Nationalsozialistische Judenpolitik“ — es enthält alle Informationen, die man über die Periode von 1933-1945 braucht, inklusive einer Liste jüdischer (Empfänger von) Nobelpreisen, deren Aktivitäten von den Nazis herabgesetzt wurden. Die Mai- und Juni-Ausgaben des Arbeiterkampfes (KB-Zeitung) haben viele Artikel und Bilder: KZ’s, die Juden, Nazismus etc. Das sind Dinge, die ich gesehen habe, und mehr oder weniger zufällig.
Darüberhinaus: Die MG — gegen die wir in der Vergangenheit polemisiert haben — hatte 1982 eine klar antisemitische Position zu Israel im Libanon: „Die Juden taten es!“ Dies ging bei der TLD durch, mit der mageren Ausnahme eines Treffens der MGs in Hamburg, wo wir sie dafür angriffen. Hast Du es jemals im Spartakist gesehen? (Rhetorische Frage, ich weiß.)
Weiter: In der TLD gibt es mindestens vier Mitglieder, die aktive antifaschistische Arbeit machten, bevor sie eintraten, und einige von ihnen wurden darüber rekrutiert. Ein anderer organisierte als Juso Besuche in KZ’s! (Er wird einen Bericht schreiben, der mit einem der nächsten Briefe kommen wird.)
Weiter: Im Januar-Februar 1984 verursachten die Studenten der Technischen Uni in Berlin großen Stunk in der Stadt, indem sie das Hauptgebäude nach „Herbert Baum“, eine heroische Figur des deutschen Widerstandes, umbenannten. Ein Jude und Kommunist, er sammelte eine kleine Gruppe um sich, die für das Inbrandsetzen einer rassistischen, anti-kommunistischen Ausstellung, „Sowjetische Realität“, im Jahre 1942 verantwortlich war. Trepper schreibt etwas über sie. Nun, die ganze iST ist über die Tatsache beschämt, daß wir nicht nur nichts zu der Zeit taten — und es wurde in den Zeitungen berichtet und der Berliner Senat hatte eine Debatte darüber — aber wir taten überhaupt nichts und … sein Name ist nicht einmal bekannt. Die W. Berliner Studentenorganisation brachte im Mai 1984 ein Pamphlet heraus, was vor einem Monat von den Berliner Genossen gekauft wurde und ich sah es zufällig vor ein paar Tagen im Berliner Büro. Jetzt, da es in meinen Händen ist, wird es ordnungsgemäß bearbeitet werden — und es könnte sogar passieren, daß etwas darüber im Spk gedruckt wird, oh himmlisches Wunder!
Also, macht die Linke mehr als die TLD tut, aber die Sektion schiebt ihre mutwillige Ignoranz der Vergangenheit vor, um die gegenwärtigen Aktivitäten gegen den Holocaust mit einzuschließen.
Die Aufzeichnungen, die ich während der vergangenen Tage gemacht habe, werden mich mit weiterem Material versorgen, um Dir darüber zu schreiben. Im Augenblick nehme ich Abstand davon, irgendetwas Positives zu sagen und zu zeigen, wie sich die Dinge ändern könnten; ich fühle mich ziemlich abgespannt.
Anti-faschistische Grüße,
Federico Parodi
Kopie: Paris, persönlich. (Ich lasse hier meine Kopie bei den Genossen herumgehen, bis Du anderweitig bestimmst.)
P.S.: Um mögliche Mißverständnisse zu vermeiden, laßt mich folgendes hinzufügen: Ich denke nicht, daß sie den Verkauf des letzten Spk einstellen sollten, aber der Gedanke sollte ihnen kommen, und falls jemand darüber streiten wollte, würde ich das gut finden. Was das impliziert, soweit ich verstehe, ist, daß wir diesen Satz ausdrücklich widerrufen sollten — welcher darüberhinaus die Waffen-SS als einfache „Soldaten, die an der letzten Offensive teilnahmen“ erwähnt, blah, blah — d.h., die Selbstkritik kann nicht einfach nur indirekt vorgenommen werden.
Eine deutsche Zeitschrift, Konkret, hat eine nette Titelseite: „Contras, Reagans Waffen-SS“. Das ist wahr, ich frage mich, ob sie dem zustimmen oder nicht.
* (Der Satz bezieht sich auf: „Reagan wird trotz der Proteste amerikanischer jüdischer Organisationen am 5. Mai den Friedhof in Bitburg besuchen