ArbeiterInnen aller Nationalitäten vereinigt Euch!
1. Mai: Kampftag der internationalen Arbeiterklasse:
Migration und Revolution
Der Kapitalismus hat durch Weltmarkt und Migration eine internationale, vermischte Arbeiterklasse erzeugt. MarxistInnen begrüßen das: so wird eine Klasse objektiv immer weiter zusammengeschweißt – innerhalb von Ländern und über Landesgrenzen hinweg; eine Klasse, die der globale Totengräber des Kapitalismus und der Geburtshelfer des Weltsozialismus sein kann. Aber ohne Klassenbewußtsein und Internationalismus werden die ArbeiterInnen gespalten. Die ReformistInnen, als nationalbornierte AgentInnen des “eigenen” Kapitals in der Arbeiterbewegung, verwandeln diese Klasse in politische Anhängsel ihrer nationalen Bourgeoisien und Regierungen und hetzen sie gegeneinander auf.
Die Frage des Rassismus ist eine lebenswichtige Frage, um eine elementare Widerstandskraft der Arbeiterklasse gegen das Kapital zu erhalten; umgekehrt ist die Ausbreitung des Sozialrassismus, d.h. des sozialdemokratisch, ‘antirassistisch’ bemäntelten Rassismus ein entscheidendes Mittel, um das Immunsystem der Arbeiterklasse auch noch gegenüber den reaktionärsten Varianten kapitalistischer Herrschaft zu zerstören. Letztlich droht dadurch die politische Zerstörung der Arbeiterbewegung. Anders als die faschistische Zerschlagung der Arbeiterbewegung durch äußere Gewaltanwendung erfolgt dieser innere Zersetzungsprozeß durch den ideologischen und organisatorischen Einfluß sozialdemokratischer Partei- und GewerkschaftspolitikerInnen, der das Klassenbewußtsein immer weiter ruiniert.
Reformismus, Rassismus und Nationalismus
Der Reformismus eroberte die Organisationen der Arbeiterbewegung am Anfang dieses Jahrhunderts und nutzte seinen Einfluß, als er die Arbeiter aller Länder gegeneinander zum Brudermord in den ersten Weltkrieg schickte. Reformistische PolitikerInnen sind die objektiven Diener der nationalen Bourgeoisie in den Reihen der Arbeiterbewegung. Daher versuchen sie die Arbeiterbewegung, gestützt auf ihre privilegiertesten Teile, in das kapitalistische System zu integrieren. Dabei verraten sie zwangsläufig auch die einfachsten Forderungen der Arbeiterklasse. Ein sozial verbrämter Nationalismus und (zunächst kolonialer, dann innenpolitischer) Rassismus dient ihnen dabei als Instrument zur Ablenkung der ArbeiterInnen von den Ursachen für Massenarbeitslosigkeit und sinkenden Lebensstandard.
Die deutsche Sozialdemokratie hetzte 1914 deutsche Arbeiter für Gott, Kaiser und Vaterland in den 1. Weltkrieg; seitdem predigt sie den deutschen ArbeiterInnen in Wahlkampfreden und auf Gewerkschafts- und Betriebsversammlungen die Lüge, daß ihr Heil im nationalistischen Schulterschluß zur ‘eigenen’ Bourgeoisie sowie der Aus- und Abgrenzung gegen die ProletarierInnen anderer Länder liege.
Sozialdemokratische PolitikerInnen greifen also als Agenturen der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung das Bewußtsein der Arbeiterklasse von innen an. Je mehr ihnen das gelingt, umso mehr degradieren sie die ArbeiterInnen zu entsolidarisierten, unerbittlich konkurrierenden Ausbeutungsobjekten. Rassismus und Nationalismus haften untrennbar an dieser Entsolidarisierung. Das ist die wahre Bedeutung, wenn im Soziologenjargon von Individualisierung (in der Risikogesellschaft) die Rede ist.
Genau an diese Entwicklung will Münteferings Vorschlag zur Parteireform die SPD konsequent anpassen. Über KandidatInnen für Wahlen solle nach amerikanischem Muster nicht mehr in der Partei, sondern in für alle offenen Vorwahlen entschieden werden. Darüber hinaus sollen “qualifizierte Nicht-Parteimitglieder … auf aussichtsreichen Listenplätzen nominiert werden” (SZ 03.04.2000). Das würde zu einer völligen sozial-organisatorischen Ablösung der SPD-Politiker von der traditionellen Arbeiterbasis führen. Die parteifremde, umworbene “neue Mitte” soll letztlich die KandidatInnen küren. Diese wären offensichtlich nicht mehr im geringsten der Ausdruck einer noch so elementaren proletarischen Klassenunabhängigkeit, sondern ganz offensichtlich vom Proletariat unabhängige “Volks”kandidatInnen.
Je weiter diese politische Entwicklung fortschreitet, um so näher gelangt die bürgerliche Arbeiterpartei SPD an den qualitativen Umschlagpunkt der Umwandlung in eine rein bürgerliche Partei. Die wenigen Klassenkampfereignisse der letzten Jahre, wie die Bergarbeiterproteste 1997 in Bonn, zeigten allerdings, daß viele deutsche ArbeiterInnen fatalerweise die SPD und ihre Spitze immer noch als eine Partei innerhalb der Bewegung begreifen, auf deren Wort sie hören: Während der wütenden Proteste in der Bonner Bannmeile gegen Kohls Kahlschlagspolitik, brachen die Kumpels mit dem Vorsitzenden der IG Bergbau – als dieser sie nach Hause schicken wollte, schickten sie ihn nach Hause. Erst die kollektive Intervention der SPD-ParlamentarierInnen konnte zunächst mit kämpferischen Phrasen (nicht einen Arbeitsplatz wollte Scharping angeblich mehr aufgeben) die reformistische Autorität wiederherstellen. Dann wurde mit nationalistischen Sprüchen ein Keil zwischen die deutschen und türkischen und kurdischen Kumpel getrieben, und so gelang die Demobilisierung dann doch wieder einmal.
Doch durch nationalistische und rassistische Demagogie und “Real”politik zerstören die ReformistInnen ideologisch das Rückgrat der Arbeiterbewegung. Zusammen mit dem Klassenbewußtsein zerstört die SPD auf Dauer allerdings auch immer weiter sowohl die besondere organische soziale Anbindung der ArbeiterInnen als auch die Rolle der SPD als eine Partei in der Arbeiterbewegung.
Die PDS steht bereit, um die SPD als neuer Arzt am Krankenbett des Kapitalismus zu beerben. In Sachsenanhalt toleriert sie eine SPD-Regierung und befürwortet Beschäftigung unter Tarif in Ostbetrieben. Dieser Ostpatriotismus legt durch Angriffe auf Arbeiterinteressen den Nährboden für rassistische Stimmungen in der Arbeiterklasse. In Mecklenburg-Vorpommern attestiert der Innenminister Gottfried Trimm (SPD) dem Koalitionspartner PDS “zuverlässige Arbeit innerhalb demokratischer Strukturen” (SZ 05.04.2000) – also auch innerhalb des bürgerlich-demokratischen Staatsrassismus. Als Regierungspartei ist sie dort direkt Teil der staatlichen Abschiebemaschine.
Rüttgers Ablehnung der sog. Greencard trifft bei der Hälfte der PDS-Anhänger auf Zustimmung – soviel wie sonst bei keiner anderen Partei außer der CDU. Andererseits bekennt sich das Programm der PDS formal zum Anti-Rassismus und fordert etwa die Wiederherstellung des Asylrechts. Teile der Mitgliedschaft erkennen darin ihren eigenen anti-rassistischen Anspruch wieder. Die Basis der PDS ist offensichtlich sehr uneinheitlich. Zumindest in Teilen ist sie nicht so verrottet wie ihre Führung und war auf dem Münsteraner Parteitag in der Frage deutscher Auslandseinsätze sogar zu sozialpazifistischer Opposition gegen den sozialpatriotischen Antrag von Gysi, Bisky, Bartsch, Pau und Co. fähig. Solange die Mitglieder aber nur punktuellen Widerstand leisten und nicht mit ihrer rechten Führung brechen, ermächtigen sie als organisatorische Basis durch ihren Verbleib in der PDS deren Parteiführung, Abgeordnete und MinisterInnen zu der verräterischen Realpolitik, die sie betreiben: sei es Sozialabbau oder Abschiebeterror.
Noch existieren einerseits Elemente des Klassenbewußtseins unter den ArbeiterInnen und potentiell starke gewerkschaftliche Organisationen; andererseits existiert die Sozialdemokratie, samt ihrem linken Flügel PDS, noch als Hindernis des Klassenkampfes in der Arbeiterbewegung. Unter ihrer falschen Führung halten sie die immer noch großen Gewerkschaften gefesselt. Verratspolitik sowie ihre nationalistische und rassistische Praxis und Rhetorik stellen das Bewußtsein und die Organisation der Arbeiter als Arbeiter zunehmend in Frage. Damit bilden der Kampf gegen den Nationalismus und Rassismus in der Arbeiterklasse und der Kampf gegen die ReformistInnen um die politische Führung der Arbeiterbewegung eine Einheit, die eine Lebensfrage des Klassenkampfes im Sinne von Sozialismus oder Barbarei ist.
In aller Deutlichkeit stellt sich diese Herausforderung in der aktuellen Auseinandersetzung um die sogenannte Greencard für ComputerspezialistInnen.
Die Greencard – nicht akzeptiert in Rüttgers Club
Teile der CDU/CSU – insbesondere der in NRW wahlkämpfende Jürgen Rüttgers – sind vehement gegen die Greencard-Initiative. Rüttgers Anzeigen- und Unterschriften-Kampagne “Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung” ist eine Kopie der relativ erfolgreichen CDU/CSU-Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Anti-rassistische Aktionseinheiten müssen diese erneute rassistische Unterschriftensammlung verhindern.
Anders als das Original trifft Rüttgers Kopie allerdings auch auf breiten Widerstand, selbst aus den Kreisen des Kapitals. Der Grund dafür liegt auf der Hand: die deutschen Unternehmer brauchen – besonders im Computerbereich – dringend qualifizierte sowie billigere und willigere Arbeitskräfte als Verfügungsmasse; was sie nicht brauchen, sind gleichberechtigte Bürger. Vielmehr ist die rechtliche Diskriminierung eine nützliche Voraussetzung der wirtschaftlichen Extra-Ausbeutung.
Die Opposition von CDU-Teilen gegen die ohnehin rassistisch kontrollierte und zeitlich begrenzte Zuwanderung von Computerspezialisten aus Nicht-EU-Ländern ist einfach nicht auf der Höhe der Entwicklungserfordernisse des deutschen Kapitalismus – und deshalb steht die CDU auch nicht geschlossen hinter ihrem Wahlkämpfer Rüttgers. Andererseits steht der CDU ihre eigene, zu starre, unflexible und völkische Variante des deutschen Rassismus im Weg: Jahrelang hat sie damit ihre Mitglieder und Stammwählerschaft geprägt; heute erschwert dies der CDU vorübergehend taktisch die Anpassung an die konkreten Interessen des deutschen Kapitals auf dem Weg ins Multimedia- und Internetzeitalter. Diese Situation ist vergleichbar mit dem Konflikt um die sogenannte Ostpolitik in den 70er Jahren oder mit der Opposition der Schumacherschen SPD 1954/55 gegen Konrad Adenauers und Ludwig Erhards Initiative zur Anwerbung der “Gastarbeiter”. Die sozialdemokratischen Argumente von damals bilden heute die Vorlage für Rüttgers Club.
In allen drei Fällen trat eine besonders unflexible nationalistische bzw. rassistische Ideologie in einen punktuellen, rückständigen Widerspruch zu den kapitalistischen Entwicklungserfordernissen und mußte sich diesen letztlich anpassen – d.h. den Rassismus und Nationalismus nicht aufgeben, sondern entsprechend den wirtschaftlichen Interessen variieren.
Die “rot”-grünen Greencard-RassistInnen
Diese sogenannte Greencard-Initiative der sozialdemokratisch geführten Regierung ist, wie das neue Staatsbürgerschaftsrecht, ein neoliberal modernisierter Rassismus, der das völkische Prinzip zugunsten eines nationalistischen, am Leistungsprinzip orientierten Rassismus ablöst (siehe zur Reform der Staatsbürgerschaft: BOLSCHEWIK 12, Mai 1999).
Der Entwurf von Arbeitsminister Walter Riester (SPD, ex-IGM-Vize) sieht vor, daß zunächst für 10.000 Computerexperten aus Staaten außerhalb der EU Arbeitserlaubnisse auf maximal fünf Jahre befristet ausgestellt werden. Die Anwerbestopp-Ausnahmeregelung “kann bei ‘weitergehendem Bedarf auf höchstens 20000 erhöht werden'” (SZ 05.04.2000). Familiennachzug war zunächst unerwünscht, soll aber im Falle einer fünfjährigen Arbeitserlaubnis nun doch zugelassen werden – wahrscheinlich aus Gründen der Standortkonkurrenz v.a. mit den USA.
Aus der Sichtweise kapitalistischer Einwanderung ist jeder, der vom deutschen Staat nicht als BürgerIn anerkannt wird, nur eine besonders rechtlose und unterdrückte Verfügungsmasse für die Interessen des deutschen Kapitals. Dabei ist die allgemeine Ausgrenzung und Entrechtung der MigrantInnen die Voraussetzung für die durch “Anwerbestoppausnahmeverordnungen” besonders gezielte und preiswerte Verwertung selektierter Einwanderer durch das deutsche Kapital. Wer dem nicht nutzt, sondern einfach nur verfolgt wird oder hungert, muß natürlich auch weiter draußen bleiben: denn nach den “starken” Sprüchen des Innenministers Otto Schily (SPD, ex-Grüner) ist das Boot voll und Nullzuwanderung das Gebot der Stunde. Und auch der eingewanderte Computerspezialist soll gleich dem Mohr, der seine Schuldigkeit getan hat, nach fünf Jahren wieder gehen.
“In SPD-Regierungskreisen stoßen auch Forderungen der Industrie nach einer Öffnung der Greencard für andere Branchen auf Skepsis. Dafür fehle derzeit die Akzeptanz in der Bevölkerung, aber auch in der SPD” – kein Wunder bei der nationalistischen und rassistischen Propaganda Schilys und anderer SPD-Politiker.
Die grüne Partei der schwarz-rot-goldenen Bourgeoisie trug und trägt zwar in jeder Landes- und Bundesregierung immer alle wesentlichen Schweinereien mit, unterscheidet sich aber auch von der SPD durch mehr formal anti-rassistische Rhetorik in ihren Sonntagsreden (z.B. zur Asylgesetzänderung, Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, zum Kommunalwahlrecht für sogenannte Ausländer). Deshalb hat sie jetzt das größere Ohr für die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft:
“Die Grünen hatten ebenfalls Forderungen nach einer großzügigeren Regelung angemeldet und dies mit dem globalen Wettbewerb begründet” (SZ 05.04.2000).
Auch für Bündnis 90/Die Grünen sind also MigrantInnen ein billiges Mittel zum Zweck von Profit- und Standortsicherung im globalen Wettbewerb. In diesem Sinne nationalistischer Standortsicherung und rassistischer Extra-Ausbeutung fordern Fraktionsgeschäftsführerin Kristin Heyne und andere Grüne ein Einwanderungsgesetz. Was ein Einwanderungsgesetz dieser Greencard-RassistInnen wirklich bedeutet, hat Heribert Prantl, Kommentator der sozial-liberalen Süddeutschen Zeitung, unverblümt auf den Punkt gebracht:
“Einwanderung ist eine egoistische Angelegenheit. Da geht es nicht um Nächstenliebe und Humanität, sondern um wirtschaftliche Interessen. Ein Land, das Einwanderer holt, holt sie nicht, um ihnen zu helfen; es holt sie, weil diese helfen sollen. Einwanderer nimmt man nicht auf, um sich einen Platz im Himmel zu erwerben, sondern um auf Erden mit ihnen gut zu verdienen. Man sucht Arbeitskräfte aus, die man brauchen kann – jung, gesund, qualifiziert.
Ein Land, das Einwanderer auswählt, handelt erst einmal nicht anders als jemand der ein Auto kauft; man überlegt genau, wozu man es braucht. Der eine ist Förster und will es geländegängig, der andere Handelsvertreter, der braucht es schnell, der dritte will ein Familienauto und braucht es groß. So ähnlich ist es mit der Einwanderung: Man muss sich klar werden, was man braucht und was man ausgeben will – und schreibt das dann möglichst genau auf. Der Einkaufszettel heißt Einwanderungsgesetz” (SZ 03.04.00).
Und die “rot”-grünen Politiker des Kapitals überlegen sich von vornherein ganz genau, wann die Neuanschaffung zur lästigen Altlast wird – das Verfallsdatum wird gleich mit aufgestempelt: maximal fünf Jahre und dann tschüss!
“Eine Politik, die als nationale Interessen nur wirtschaftliche Interessen definiert” – also letztlich jede bürgerliche Politik – “kann deshalb mit einem Recht auf Asyl nicht viel anfangen. Sie versucht (so die CDU/CSU), daraus ein Gnadenrecht zu machen” (ebd.).
Das will allerdings auch Innenminister Schily (SPD), der ohnehin 97% der Asylbewerber für Wirtschaftsflüchtlinge hält: nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts durch eine verfassungsändernde große Koalition aus CDU/CSU, FDP und SPD Anfang der neunziger Jahre, will er zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch noch die letzten kümmerlichen Reste des Asylrechts in ein willkürliches Gnadenrecht verwandeln.
Die sozialrassistischen “AntirassistInnen”
Dieser sozialdemokratische Rassismus tarnt sich als antirassistisch (gegen die CDU/CSU); diese wiederum gibt sich ebenfalls als antirassistisch aus: Rüttgers selbst ist natürlich nach eigenem Bekunden ebenfalls kein Rassist, und will Kinder statt Inder natürlich nur aus geheuchelter Sorge um die Inder, weil es “unmoralisch (ist), aus der dritten Welt die Eliten abzuziehen” – das sei “ausländerfeindliche Politik und nicht umgekehrt” (BILD 10.03.2000). Tatsächlich fehlen in Indien selbst 67.000 Computerexperten (SZ 17.04.2000) und ist es im Interesse des deutschen Kapitals, hier an Ausbildungskosten zu sparen und diese unterentwickelt gehaltenen Ländern aufzubürden. Der brain-drain in die Metropolen folgt dem strukturellen Weltmarktgefälle imperialistischer Ausbeutung. Gegen diese Ausbeutung und Unterdrückung hat Herr Rüttgers noch nie etwas gehabt. Sein plötzlich entdecktes antirassistisches und soziales Gewissen ist so verlogen, wie die Friedenspolitik der NATO-Kriegsverbrecherbande.
Neben der Verkleidung rassistischer Inhalte als antirassistisch tarnt sich besonders der SPD-Rassismus als sozial: es gehe um die Sicherung von Arbeitsplätzen in Zukunftsbranchen am Standort Deutschland gerade für deutsche ArbeiterInnen und ihre Kinder. Die Unternehmen würden abwandern, wenn nicht die benötigten Arbeitskräfte einwandern. Insofern unterscheidet sich Schröders Vorschlag nur taktisch von Rüttgers (CDU) “Kinder statt Inder”: Der soziale Deckmantel ist mit Standortsicherung und Zukunftssorge um deutsche Arbeitsplätze für deutsche Kinder nationalistisch und rassistisch durchwirkt. Er verbirgt nur mühsam, den Zweck des sozialdemokratischen Rassismus, die Überlegenheit des deutschen Kapitals zu sichern und so ein ganzes Programm von Angriffen auf alle ArbeiterInnen durchzusetzen.
Gewerkschaftlicher Sozialrassismus
Gravierender als die Opposition der CDU/CSU gegen Schröders Greencard-Initiative ist die der Gewerkschaftsführung. Daß Riesters Verordnung noch kleinlicher ausfällt als Schröders Ankündigungen auf der CeBit, liegt wahrscheinlich mehr am Widerstand der Gewerkschaftsfürsten und deren Einfluß auf sozialdemokratische Stammwähler als an Rüttgers Kampagne und deren Einfluß auf rechte Wählerschichten.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert, das “vorhandene Potenzial” zu nutzen und DGB-Vize Engelen-Kefer erklärt, “zunächst müsse … geprüft werden, ob ein Teil der offenen Stellen … nicht durch arbeitslose deutsche Fachkräfte gedeckt werden könne” (FAZ 14.03.2000).
Wir sind für die Einstellung aller Arbeitssuchenden – auf Kosten des Kapitals. Genau darum geht es den Gewerkschaftsspitzen aber nicht. Sie akzeptieren die Massenarbeitslosigkeit und verteidigen auf dieser Grundlage das nationalistische Privileg auf eine bevorzugte Einstellung deutscher Arbeitskräfte. Nichts ist besser geeignet als diese Spaltungspolitik, um die Lage der ArbeiterInnen insgesamt zu verschlechtern.
Der sozial getarnte Rassismus ist nicht weniger verlogen als die Klagen des ehemaligen Zukunftsministers Rüttgers über fehlende High-Tech-Ausbildung in Deutschland. Seit Jahren betreiben die Gewerkschaftsführungen eine Politik der Anpassung an die Kahlschlagspolitik des Kapitals. Die heutige Massenarbeitslosigkeit ist von ihnen in paritätischer Mitbestimmung sozialpartnerschaftlich mitverantwortet. Die offizielle Gewerkschaftspolitik selbst hat die Spaltung der Arbeiterklasse in Beschäftigte und Arbeitslose vorangetrieben und die Interessen der Arbeitslosen noch mehr verraten, als die der beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder. Die in den 80er Jahren auf Druck der Basis beschlossene 35-Stunden-Woche wurde immer noch nicht allgemein durchgesetzt und zum Teil mit (indirekten) Lohneinbußen bezahlt, die Tarife in Ostdeutschland hinken seit zehn Jahren der ohnehin mageren westdeutschen Entwicklung hinterher, die “Totgeburt” (BOLSCHEWIK 13, Januar 2000) von Zwickels Rente mit 60 wurde im jüngsten Metalltarifvertrag ohne Gegenwehr der IGM zu Grabe getragen und durch noch arbeiterfeindlichere Regelungen ersetzt. Die Gewerkschaftsbürokratie verrät seit Jahren die Interessen von ArbeiterInnen und Arbeitslosen. Jetzt im Namen deutscher Arbeitsloser diese gegen einwandernde ArbeiterInnen rassistisch aufzuhetzen, ist die konsequente Fortsetzung dieser Verratspolitik. So leisten die AgentInnen der deutschen Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung ihre treuen Dienste für die Herrschaftssicherung des deutschen Imperialismus über die ‘eigenen’ Arbeiter und die anderer Länder.
Kein Wunder also, daß nun unisono mit CSU-Politikern wie Erwin Huber, denen sonst deutsche Arbeitskräfte nicht billig genug sein können, von Gewerkschaftsspitzen der Abbau von Löhnen und Sozialstandards durch zugewanderte FacharbeiterInnen der Computerbranche beklagt wird. Diese Absicht des Kapitals ist zwar real, aber statt daraus einen Auftrag für gemeinsamen multinationalen Klassenkampf gegen diese Pläne der Bosse abzuleiten, wird die Arbeiterklasse rassistisch gespalten und geschwächt: So wird es Lohndumping auch ohne InderInnen aber mit der Gewerkschaftsführung geben.
Im Baugewerbe organisiert die IG BAU, zusammen mit der rassistischen Polizei, Hetzjagden gegen sog. illegale Wanderarbeiter, statt diese zu organisieren. Das Ergebnis ist eine tiefe Spaltung der Arbeiterklasse, die Polen und Portugiesen zu billigen und rechtlosen Konkurrenten degradiert statt sie zu Partnern im Klassenkampf zu machen. Die Löhne auf dem Bau sinken dadurch, zum Wohlgefallen der Unternehmer, weiter.
Die Verteidigung von Arbeiterinteressen beginnt also mit der Erkenntnis: Feuert die rassistische Gewerkschaftsführung – für eine gewerkschaftliche Offensive zur Organisierung der ArbeitsmigrantInnen!
Für Internationale Klasseneinheit:
Brecht mit den SozialchauvinistInnen!
Das Kapital will tatsächlich rassistisch kontrollierte Einwanderung ausnutzen, um ArbeiterInnen verschiedener Länder gegeneinander auszuspielen. Es erhofft sich auch sinkende Löhne im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Deutsche Manager, etwa von Siemens in Indien, schwärmen überschwenglich davon, wie billig und willig indische ComputerspezialistInnen sind, daß wie selbstverständlich auch nach Feierabend und am Wochenende gearbeitet würde. Die relative Rechtlosigkeit gereicht ihnen zu größter Freude. Diesen profitfördernden Effekt wollen sie mit den Arbeitskräften importieren.
Die Entwicklung hin zu einem internationalen Arbeitsmarkt ist aber fortschrittlich und letztlich unaufhaltsam, nationalistische Spaltungspolitik dagegen entwaffnend und reaktionär im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung.
Das wichtigste ist daher die Integration einerseits aller immigrierten ArbeiterInnen, andererseits der Arbeitslosen in die Arbeiterbewegung.
Die Erfahrungen der in den 60er und 70er Jahren eingewanderten südeuropäischen Arbeitskräfte zeigen, daß die deutsche Gewerkschaftsbürokratie daran kein Interesse hat. Obwohl, bzw. gerade weil, ImmigrantInnen in Arbeitskämpfen oft der militanteste und entschlossenste Teil waren und sind und mit deutsch-nationalistischer Propaganda nicht zu ködern sind, wurden sie faktisch ausgegrenzt. Wenn heute laut Umfragen in den Gewerkschaften das rassistische Potential teilweise größer als außerhalb sein soll, so ist das die Frucht dieser Politik.
Lucy Dawidowicz erklärt in ihrer Untersuchung über den deutschen Antisemitismus, warum er im vorigen Jahrhundert in der deutschen Arbeiterbewegung keine Wurzeln fassen konnte: Weil die marxistische Orientierung der damaligen SPD Rassismus ausschloß und weil deren Spitzen ein klares Vorbild mit Signalwirkung im Umgang mit Juden und Antisemitismus setzten. Der reformistische Bruch mit dem Marxismus errichtete, wie gezeigt, Nationalismus und Rassismus eine Heimstätte in der Arbeiterbewegung, und das Vorbild der ReformistInnen hat eine klare Signalwirkung pro Rassismus: In Duisburg wurde eine 1. Mai-Demonstration vom DGB abgesagt, weil er die Teilnahme kurdischer PKK-SymathisantInnen verhindern wollte. Werden in Berlin auf der gewerkschaftlichen 1. Mai-Demonstration türkische und kurdische TeilnehmerInnen von Bullen zusammengeprügelt, dann schaut die Gewerkschaftsführung weg. Und auf den staatsrassistischen Abschiebeterror und die Polizeirepression gegen linke türkische und kurdische Vereine reagiert sie mit Schweigen. Doch wer schweigt, stimmt zu!
Eine gemeinsame, kämpferische gewerkschaftliche Organisierung von Lohnabhängigen aller Nationalitäten, von abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen muß also gegen die reformistischen Führungen – auch der alternativen Sozialdemokratie PDS – durchgesetzt werden, die ihre organisatorischen Bemühungen in erster Linie auf die priviligierten Schichten der sogenannten Arbeiteraristokratie beschränken und deren Politik an der Macht sich gegen ArbeiterInnen, ImmigrantInnen und Linke richtet.
Organisiert die ImmigrantInnen!
Revolutioniert die Gewerkschaften!
Die Gewerkschaften können nie eine zweite Ausgabe einer kommunistischen Partei sein, aber sie können auch nicht politisch neutral sein. Sie brauchen eine konsequent internationalistisch-klassenkämpferische Führung und die Kontrolle der Basis über alle Funktionäre, also eine radikale Demokratisierung. Nur eine jederzeit von der Basis (ab-)wählbare Leitung der Gewerkschaften, die allein den internationalen und historischen Interessen der Arbeiterklasse verpflichtet ist, kann den Herausforderungen der viel zitierten kapitalistischen Globalisierung in einer Welt aggressiver imperialistischer Nationalstaaten gerecht werden.
Dies erfordert an der Basis den Kampf um die politische Orientierung und Führung der Gewerkschaften. Für diesen Kampf müssen KommunistInnen in den Gewerkschaften klassenkämpferische Gewerkschaftsfraktionen aufbauen, deren Ziel es ist, die rassistisch-reformistischen Gewerkschaftsführungen von ihren bürokratischen Kommandohöhen zu vertreiben, und die Gewerkschaften zu revolutionieren, um immigrierte und deutsche, beschäftigte und arbeitslose Arbeitskräfte im gemeinsamen Kampf zu vereinen.
Für ein Programm des integrierten Klassenkampfes
Grundsätzlich verwirklicht sich die Einheit der internationalen Arbeiterklasse nur im entschlossenen Klassenkampf für gemeinsame Interessen.
Jede Verteidigung von imperialistisch erbeuteten Privilegien der Arbeiteraristokratie gegen die Plebejer des Weltproletariats lehnen wir ab; wir treten für die Ausdehnung aller Errungenschaften auf die gesamte internationale Arbeiterklasse ein.
Die ersten Forderungen, um die Arbeiter in diesem Sinne zu einen, sind die nach gleichen Rechten für alle ImmigrantInnen und der Kampf gegen alle Einwanderungsbeschränkungen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
KommunistInnen müssen durch beharrliche revolutionäre Arbeit in den Gewerkschaften und ihr politisches Vorbild im alltäglichen Kampf gegen jede Art der Diskriminierung dieses notwendige Bewußtsein in die Klasse hineintragen.
In diesem Rahmen stellt die Forderung nach der Verteilung der Arbeit auf alle Hände durch radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich die soziale Basis zur internationalistischen Integration der ArbeiterInnen und zur Überwindung der Massen-erwerbslosigkeit dar.
Keine dieser Forderungen ist ohne entschiedenen Klassenkampf zu verwirklichen. Ihre Durchsetzung erfordert den Aufbau von Kampforganen, die von der kapitalistischen Klasse und der reformistischen Bürokratie gleichermaßen unabhängig sind. Aus der Arbeiterschaft gewählte Komitees oder Räte in den Firmen und Wohnvierteln können die Kämpfe demokratisch leiten und zugleich die Kontrolle der ArbeiterInnen über wichtige wirtschaftliche Abläufe in den Unternehmen, zwischen ihnen und zwischen Staat und Wirtschaft erstreiten.
Insbesondere fordern wir ein allein vom Kapital finanziertes umfassendes Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramm unter Arbeiterkontrolle. Wir fordern dies nicht, um den indischen Computerspezialisten als “Gastarbeiter” alsbald nach Hause zu schicken, sondern um die vorhandene Arbeit mit ihnen gleichberechtigt und ohne Einwanderungsbeschränkungen bei vollem Lohnausgleich zu teilen: Damit alle weniger arbeiten und besser leben.
Während die Computerbranche boomt, wird im Gesundheits- und Schulwesen, in öffentlichen sozialen Einrichtungen und Bibliotheken, für Maßnahmen des Umweltschutzes der Geldhahn zugedreht. Dagegen muß ein groß angelegtes Programm von Arbeiten zur Befriedigung wichtiger Bedürfnisse im öffentlichen Bereich eingerichtet werden, finanziert aus Profiten, kontrolliert – und wo möglich direkt verwaltet – von den Beschäftigten.
Reform oder Revolution
All diese vernünftigen Vorschläge gehen auf Kosten des Kapitals – kann es sie nicht finanzieren, so ist es wert, daß es zugrunde geht und die Verfügungsgewalt über die Reichtümer der Welt aus den Händen der Bourgeoisie in die Hände des Weltproletariats, des Schöpfers aller Güter, übergeht.
Die Forderungen können dem Kapital durch Klassenkampf abgerungen werden, aber niemals wird sich das Kapital mit solchen Errungenschaften abfinden und versöhnen. Denn das Kapital strebt in der Weltmarktkonkurrenz nicht nur nach Profit sondern nach größtmöglichem Profit. Deshalb trachtet es immer danach, jede Errungenschaft bei der nächstbesten Gelegenheit wieder zu beseitigen. Die Arbeiterklasse wird daher nicht auf Dauer das Errungene erfolgreich halten können, solange alle materiellen Güter, die Staatsmacht, Medien und Erziehung, also alle sozialen Lebensgrundlagen sowie Mittel der politischen Unterdrückung und Beeinflussung in den Händen des Kapitals sind.
Deshalb gibt es keine Reformalternative im Kapitalismus, sondern nur Klassenkämpfe und vorläufige Errungenschaften, die allein durch den revolutionären Übergang zu Arbeitermacht und demokratischer Planwirtschaft dauerhaft gesichert und systematisch ausgebaut werden können. Eine dauerhafte und fortschrittliche, also befreiende, Wirkung für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten können die genannten Forderungen nur dann erreichen, wenn sie keine Reparaturmaßnahmen am Kapitalismus sind, sondern der Ausgangspunkt eines umfassenden, langfristigen Plans zur allgemeinen Gestaltung des Wirtschaftslebens.
Sozialismus oder Barbarei
Entweder: Die Vereinigung deutscher und eingewanderter ArbeiterInnen im gemeinsamen Kampf gegen das Kapital und all seine politischen Handlanger, die reformistischen BürokratInnen in Gewerkschaft, SPD und PDS.
Oder: die Spaltung der deutschen und immigrierten Arbeiter-Innen durch das Kapital und seine Helfershelfer zum Nutzen des Kapitals.
Entweder internationale Arbeiterrevolution oder die Fäulnis des Kapitalismus, die auch die Reihen der Arbeiterklasse ergreift und mit dem Gift des Rassismus lähmt.
Das einzige Gegengift ist das Hereintragen des Programms der internationalen Revolution in die Arbeiterklasse und der Aufbau einer leninistisch-trotzkistischen Partei in der Arbeiterbewegung. ImmigrantInnen können durch die Kombination ihrer zentralen Stellung im Produktionsprozeß, mit ihrer besonderen Unterdrückung und ihrer relativen Unempfänglichkeit für den deutschen Sozialpatriotismus eine entscheidende Rolle in kommenden Klassenkämpfen spielen. Sie stellen zugleich eine organische Verbindung zu den Klassenkämpfen in der Türkei, Kurdistan, Italien, Griechenland, Osteuropa, Rußland, auf dem asiatischen Kontinent und ihren anderen Herkunftsländern dar. Sie sind das lebendige Bindegewebe des proletarischen Internationalismus, in dem KommunistInnen sich fest verankern müssen. Ihnen kommt ein fester, strategischer Platz im Wiederaufbau einer revolutionären Avantgardepartei und Internationale zu.