Brief an die Spartacist League: Anti-KKK-Demo

Im folgenden dokumentieren wir die Übersetzung des Briefes eines amerikanischen Genossen an die Spartacist League (SL), die zentrale Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL), die in Deutschland durch die Spartakist Arbeiterpartei (SpAD) vertreten ist. Die IKL entwickelt eine zunehmend sektiererische Position zur Frage von Einheitsfronten – faktisch nähert sie sich an die von Trotzki scharf kritisierten stalinistischen Positionen der sog. “Dritten Periode” und der Sozialfaschismusthese an. Scheinbar kennen die IKLer keine subjektiven Revolutionäre außerhalb ihrer Organisation mehr. Bei der Battle of Seattle glänzten sie bewußt durch völlige Abwesenheit – ihnen waren die Aktionen zu reaktionär und chauvinistisch – erstaunlicherweise nahmen sie im April an der gleichgearteten Demonstration gegen die IWF-Tagung mit einem kleinen Verkaufsteam teil. Die Wege des Herrn (Robertson) sind unergründlich…

Im Unterschied zur IKL betrachten wir die Teilnahme an Einheitsfronten bzw. Aktionseinheiten der Linken und Arbeiterbewegung als unerläßliches Mittel zur Verteidigung elementarer Rechte und Interessen der Unterdrückten und damit als organisches Mittel des Organisationsaufbaus. Unseren Kräften entsprechend haben wir uns in letzter Zeit exemplarisch aktiv an Aktionseinheiten zur Verteidigung linker türkischer und kurdischer Kulturvereine gegen Polizeiübergriffe, zur Verteidigung Jugoslawiens gegen die NATO-Angriffe und für Mumia Abu Jamals Leben und Freiheit (Foto) beteiligt.


An die Spartacist League
13. November 1999

Genossen,

wir gratulieren Euch zum Beitrag der Spartacist League (SL), der sicherstellte, daß die KKK-Provokation in New York am 23. Oktober auf Massenproteste traf. Trotz vieler ernsthafter Differenzen mit der SL in den vergangenen Jahren erkennen wir offen an, daß Ihr sehr wichtig wart, um die Demonstrationen gegen die faschistischen Terroristen auszulösen. Mit dieser Initiative habt Ihr im Interesse aller arbeitenden und unterdrückten Menschen gehandelt.

Ohne die Wichtigkeit Eures Beitrages schmälern zu wollen halten wir es für notwendig, gewisse wichtige Kritikpunkte anzusprechen und einige faktische Korrekturen zum Bericht über die Aktion im Workers Vanguard (WV) vom 29. Oktober vorzunehmen. WV beschrieb die Demonstration als:

“eine Einheitsfrontmobilisierung, die es ermöglichte, die vielen verschiedenen politischen Ansichten all derer zum Ausdruck zu bringen, die gemeinsam für die dringende Notwendigkeit eintraten, den KKK zu stoppen.”

Unglücklicherweise organisiertet Ihr den Protest als SL-kontrollierte Veranstaltung und nicht als Einheitsfront. Während Ihr versuchtet, andere Organisationen (einschließlich Eurer linken Konkurrenten) einzubeziehen, wurden sie nur vor die Wahl gestellt, Eure Demonstration zu unterstützen. Es gab wirklich “verschiedene politische Ansichten” unter den Teilnehmern der Demonstration des Partisan Defense Committees (PDC, die U.S. Schwesterorganisation des Komitees für soziale Verteidigung – eine rechtliche und soziale Verteidigungsorganisation, deren Zweck mit den Ansichten der Spartacist League/U.S. übereinstimmt), aber es war die SL-Führung, die entschied, wer von ihnen die Chance bekam, gehört zu werden.

Es wäre besser gewesen, die VertreterInnen eines Spektrums von Arbeiter-, schwarzen, linken, jüdischen, asiatischen, hispanischen, feministischen und anderen Organisationen, die für ihre aktive Opposition zum Klan bekannt sind, zu einem Treffen einzuladen, um eine gemeinsame Demonstration zu organisieren. Stattdessen traf die SL/PDC alle Entscheidungen und Arrangements selbst – eine Konzeption, die sich in WV’s Beschreibung im kleinen Maßstab eine Arbeiterpartei in Aktion” widerspiegelt. Eine Partei ist etwas anderes als eine Einheitsfront. Ein Hauptvorteil der Einheitsfront ist der, daß verschiedene Gruppen ihre Kräfte auf ein gemeinsames Ziel hin vereinigen, ohne vorher ihre Differenzen zu lösen. Unzweifelhaft hattet ihr gewisse Vorteile davon, alle Fäden in der Hand zu halten, sowohl bezüglich der vereinfachten Logistik als auch bezüglich der politischen Anerkennung, die ihr nicht teilen mußtet; diese Vorteile wurden jedoch auf Kosten der Unterstützung der Aktion gewonnen, was neue Probleme aufwarf.

Eine Initiative auf breiterer Grundlage, unter der Einbeziehung von AktivistInnen außerhalb des Umfeldes der SL, hätte es der Demokratischen Partei erschwert, ihre spalterische “Demonstration für Toleranz” hinzukriegen. WV erwähnt, daß auf einer Veranstaltung, unterstützt von der International Socialist Organization (ISO – Schwesterorganisation von Linksruck), ” die von diversen Anwälten und Liberalen organisiert wurde, um für [des demokratischen State Assemblymans Scott] Stringers ‘Demonstration für Toleranz’ zu mobilisieren”, das PDC “keine Interesenten” für ihren Vorschlag zur Einheit fand. Es scheint jedoch, daß das PDC, selbst zu diesem späten Zeitpunkt, den Liberalen die “Einheit” nur auf der Basis der Unterstützung der SL-Aktion vorschlug.

Die Demonstration der Demokraten war eindeutig eine Reaktion auf die PDC-Initiative ein Versuch, Leute von der militanten anti-faschistischen Mobilisierung abzuhalten. Ihre Bereitschaft, die Lautsprechergenehmigung mit dem mörderischen Klan zu teilen, war ungeheuerlich, und die Tatsache, daß die ISO, die Communist Party (CP) und andere Linke sie unterstützten, ist skandalös. Im Gegensatz zur demokratischen Partei sind jedoch die ISO, die CP und die anderen linken Organisationen widersprüchliche Formationen. Sie stehen der SL natürlich politisch feindlich gegenüber und sind nicht bereit, zu einer PDC-Aktion aufzurufen oder auch nur daran teilzunehmen, geschweige denn, Eurer Führung zu folgen. Eine Demonstration, organisiert auf einer umfassenderen Einheitsfront-Basis, die anderen Gruppen die Chance zur Teilnahme an Planung und Bildung einer anti-KuKluxKlan-Demonstration gegeben hätte, könnte geholfen haben, diese sektiererischen Reaktionen zu unterlaufen.

Auf der PDC-Kundgebung sprachen zwar ein paar pro-sozialistische politische Gegner der SL (Emily Woo Yamasaki von Radical Women und Roy Rollin von der College Voice von Staten Island), aber keinem der ernsthafteren Opponenten (wie die Internationalist Group, die League for a Revolutionary Party und unsere Gruppe) war es erlaubt, zu sprechen. Die Erklärung im WV dazu ist:

“Da die Reden unterbrochen wurden als der KKK gesichtet wurde, bekamen eine Reihe der geplanten Sprecher von unterstützenden Organisationen keine Möglichkeit, auf der Demonstration zu sprechen…”

Ihr habt jedoch mittags um 12 Uhr angefangen, und der Klan erschien, wie erwartet, nicht vor 14 Uhr. Während dieser zwei Stunden wurden verschiedene Sprecher der SL und einige nicht organisierte Leute aufgerufen. Wir erinnern uns, daß Ihr dieselbe Taktik im November 1988 auf einer anti-Klan-Demonstration des PDC angewandt habt. Bei der Gelegenheit gab es keine “Unterbrechung”, da die Faschisten gar nicht erschienen. Trotz der Tatsache, daß wir die einzige Gruppe (neben der SL und Ihren angegliederten Organisationen) waren, die einen Block auf der Demonstration organisierten, wurden wir nicht auf die Sprecherliste gesetzt, angeblich wegen Zeitmangel.

Diesmal vermied es WV sogar, uns als unterstützende Organisation aufzuführen, trotz der Tatsache, daß ich persönlich, auf Eure Aufforderung hin, Euer Büro mehrere Tage vor der Demonstration besuchte, ein Formblatt für Unterstützer unterzeichnete, Geld spendete und dafür auch eine Quittung, unterzeichnet von dem Genossen Joel S., bekam. Genosse Jake vom PDC versprach, dies zu überprüfen und wir erwarten bald eine Korrektur.

Der WV-Bericht versucht ein Alibi dafür zu finden, was eindeutig eine Politik des politischen Ausschlusses ist, indem er behauptet, daß “das Partisan Defense Committee selbst” keinen Sprecher bekam. Ihr druckt jedoch ein Bild des “PDC-Arbeitskoordinators Gene Herson…auf dem Sprecherpodium” und berichtet sogar über die Reaktion der Menge auf seine Bemerkungen:

“Viele riefen:’Das stimmt, das stimmt, als Gene Herson, der PDC-Koordinator für Gewerkschaften, sowohl die Demokratische als auch die Republikanische Partei als Feinde der Arbeiterbewegung und der Unterdrückten brandmarkte.”

Dann ist da auch noch das Thema, was wirklich am 23. Oktober stattfand. Der Eindruck im WV ist irreführend:

“Als diese Rassisten in weißen Roben und Kapuzen unter Polizeischutz zurück in das Gerichtsgebäude hasteten – gerade mal zur Halbzeit ihrer geplanten Kundgebung -, brachen die Gewerkschafter und andere, die sich unter dem PDC-Banner Arbeiter/Schwarzen-Mobilisierung, um den Klan zu stoppen! versammelt hatten, nonstop in den Schlachtruf aus: Wir stoppten den Klan! Wir stoppten den Klan!

Jeder, der nicht anwesend war, würde hieraus wohl kaum entnehmen, daß die Teilnehmer der PDC-Demonstration zu keinem Zeitpunkt näher als einen Häuserblock an die KKK-Rassisten herankam. WV behauptet, daß die PDC Demonstration den Klan “von der Straße” trieb. Wir wünschten das sei wahr; unglücklicherweise ist es das nicht. Die Handvoll der anwesenden Klansmänner waren von etwa 8000 wütenden Antifaschisten belagert und wären sicher zerschlagen worden, hätte es da nicht 1000 Cops gegeben, die der New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani zur Verfügung stellte. Es ist jedoch eine Tatsache, daß die Klanprovokation unter massivem Polizeischutz zur angesetzten Zeit auf dem angegebenen Platz stattfand. Dies war kein Sieg des Klan, aber einige dieser mörderischen Rassisten erschienen und standen über eine Stunde lang herum und, trotz der Tatsache, daß einige Leute es schafften, durch die Polizeisperre zu brechen und ein paar Schläge auszuteilen, wurden die KKK-Terroristen (unglücklicherweise) nicht von der Straße getrieben.

Der Bericht in WV gibt auch nicht einmal einen Hinweis darauf, daß die konkurrierende Demonstration der Demokraten “für Toleranz”, und nicht die PDC-Demonstration, direkt vor dem Klan in der Centre Street 60 stattfand. Auch die Tatsache, daß die meisten Demonstranten beim demokratischen Geschehen waren, und nicht bei dem des PDCs, das einen Block weiter, in der Centre Street 100, war, wird nicht erwähnt.

Das Bitten der Demokraten um “Toleranz” (und die Bereitschaft, die Lautsprechergenehmigung mit den Klan-Terroristen zu teilen) war ekelerregend. Aber die SL-Agitatoren, die zur anderen Demonstration entsandt wurden, um die Leute zu überzeugen, diese zu verlassen und sich dem PDC anzuschließen, wurden gehört, wie sie die Demo als “Pro-Klan-Demonstration” denunzierten. Dies war einfach nicht wahr. Die große Mehrheit der Teilnehmer, die sich vor den demokratischen Windbeuteln versammelt hatten, waren nicht erschienen, um ihre “Toleranz” für Völkermord-Rassisten zu zeigen oder ihre Verehrung von Scott Stringer oder Al Sharpton. Sie nahmen teil, weil sie den Klan stoppen wollten, genau wie jene, die zur PDC-Demo gekommen waren.

Ed Kartsen, ein prominenter SL-Führer, sagte bei Eurem Forum am 30. Oktober in New York, daß die meisten Protestierenden auf beiden Demonstrationen wegen der Flugblätter der SL gekommen waren und daß die meisten Leute nur wegen der Irreführung der ISO bei den Demokraten mitmachten. Es ist zweifellos wahr, daß die Demokraten ohne die ernsthafte PDC-Mobilisierung überhaupt nichts gemacht hätten. Es ist jedoch nicht richtig, daß die meisten Teilnehmer an der Demonstration der Demokraten in Wirklichkeit zu der des PDC wollten. Zeit und Ort der Klan-Kundgebung wurden in den Nachrichten weit verbreitet, und darum gingen die meisten Leute zu dem anderen Platz.

Wir sind sicher, daß die PDC-Organisatoren geplant hatten, zur anderen Demo zu marschieren, sobald und sofern der Klan erscheinen würde. Zu dem Zeitpunkt war die PDC-Demo jedoch von der Polizei abgesperrt und damit das Fortbewegen verhindert. Hättet ihr die Teilnahme an der größeren Demonstration früher versucht, als die Leute sich noch relativ frei in dem Gebiet bewegen konnten, hätten wir dort sein können, als der Klan erschien. Die Polizeipräsenz war so massiv, daß die Faschisten wahrscheinlich trotzdem unversehrt davongekommen wären, aber es wäre vorzuziehen gewesen, sie dort zu konfrontieren, anstatt einen Block weg zu sein.

Genossen, Ihr verdient Lob für eine wichtige Initiative; es ist jedoch unsere kommunistische Pflicht, Fehler klar zu kritisieren, faktische Ungenauigkeiten aufzuzeigen und Vorschläge zu machen, wie man es das nächste Mal besser machen kann.

Kein Rederecht für Faschisten!

Samuel T.

P.S.: Ich entwarf diesen Brief bevor ich den letzten WV (12. November) sah. Der Hinweis, daß die ISO und die anderen statt “einer Art progressiver Organisation” sich “nun entlarvten als Feinde der Arbeiterklasse und aller, die zum Ziel des faschistischen Terrors werden”, geht, selbst für Euch, zu weit. Das erinnert mich an Challenge. Wir nehmen an, daß Ihr die ISO (und die CP usw.) noch als Teil der Linken und Arbeiterbewegung seht. Also, was soll dieser “Feind”-Kram?