Die Linke zwischen den Kriegen – 2. Teil
KOMMUNISTISCHE ORGANISATION für die VIERTE INTERNATIONALE (KOVI-BRD)
An die Gruppe Spartakus
Betr.: ‘Die Linke im Krieg -Eine Abrechnung‘ in: BOLSCHEWIK Nr.13, Januar 2000
Liebe GenossInnen!
Wir bedanken uns auch dafür, daß Ihr die Freundlichkeit besessen habt, uns trotz unserer geringen nummerischen Kraft in Eurer Zeitschrift kritisch zu würdigen. Die Realität ist ja leider die, daß eine schlechte Kritik oft besser ist als gar keine. Leider glauben wir, daß Ihr unsere Position zum NATO-Angriff auf Jugoslawien falsch wiedergegeben habt.
Wir haben – wie Ihr aus den ‘KOVI-Dokumenten II’ vom April 1999 entnehmen könnt, unabhängig von unserer US-amerikanischen Organisation, der LRP, zwei Flugblätter zum Thema veröffentlicht. Das erste Flugblatt ist vom 23.1.1999, also vor Beginn der NATO-Agression, das zweite vom 26.4.99. Nur dieses wurde während des Krieges herausgegeben. Während die Parolen des ersten Flugblatts der Reihenfolge nach lauten: “Nieder mit der imperialistischen Intervention im Kosovo und im übrigen Balkan/Selbstbestimmung für Kosovo/Sturz der reaktionären Regime in Ex-Jugoslawien durch die Arbeiterklasse/Für eine Föderation der sozialistischen Staaten auf dem Balkan “, lauteten die des 2. Flugblatts:”Für die Niederlage der NATO in Jugoslawien! NATO raus aus dem Balkan!/Selbstbestimmung für das Kosovo/ Sturz der chauvinistischen und reaktionären Kräfte in Serbien und im Kosovo durch die Arbeiterklasse/Für die Einheit der Arbeiterklasse Jugoslawiens und des Balkans/ Nieder mit der ‘rot’-grünen Regierung und allen anderen Kriegstreibern.”
Wir sind der Meinung, daß die erste Parole im zweiten Flugblatt nichts anderes ausdrückt als es die Parole ‘Für den Sieg Jugoslawiens gegen die NATO’ ausgedrückt hätte.Wir müssen allerdings selbstkritisch gestehen, daß ein direkter Aufruf ‘für den Sieg’ klarer gewesen wäre. Ihr mögt es nun glauben oder nicht: der Grund für die von uns gewählte Formulierung war kein politischer.
Richtig ist auf der anderen Seite, daß wir relativ stark den Aspekt des Selbstbestimmungsrechtes der Kosovaren verteidigt haben und verteidigen. Der Grund dafür ist einerseits unsere generelle lenininistische Haltung dazu, zum anderen aber die Tatsache, daß die mehr oder weniger ‘linke’ Antikriegsbewegung in der BRD sehr stark von der Front der serbisch-nationalistischen Stalinisten und des ‘antinationalen’ kleinbürgerlichen Sumpfes bestimmt war, die beide die Verteidigung der Kosovaren gegen die nationale Unterdrückung durch die serbische Bourgeoisie verweigerten. Wir haben deshalb der – natürlich bürgerlichen nationalistischen Organisation UCK zunächst ‘militärische Unterstützung’ gegeben (selbstredend nur verbal), diese aber eingestellt, sobald sie offen zum Werkzeug der imperialistischen Intervention wurde und von diesem Zeitpunkt an Serbien ‘militärische Unterstützung’ gegeben. Wenn wir Eure Ausführungen aufmerksam genug gelesen und richtig verstanden haben, scheint sich das mit Eurer Position zu decken. Nicht, daß es uns besonders wichtig wäre, mit Euch stets übereinzustimmen: aber da, wo wir es tun, solltet Ihr diese Tatsache nicht aus organisatorischen Konkurrenzdenken leugnen.
MkG
A.Holberg
Lieber Genosse Holberg,
zur Erinnerung – wir hatten im BOLSCHEWIK Nr. 13 geschrieben:
“Klassisch zentristisches Verhalten zeigte die mit der amerikanischen League for a Revolutionary Party (LRP) verbundene Kommunistische Organisation für die Vierte Internationale (KOVI-BRD) aus Bonn. Während des Krieges umging sie in ihren deutschsprachigen Veröffentlichungen die Frage der Verteidigung Jugoslawiens. Erst nach dem Ende des Krieges traten sie in einem von ihnen verbreiteten englischsprachigen Dokument für eine Verteidigung Serbiens gegen die NATO-Angriffe ein. Das klassisch Zentristische daran ist, das Entscheidende dann zu verschweigen, wenn es darauf ankommt.”
Das ist der volle Text unserer Kritik an der KOVI. Davon, daß wir aus “organisatorischem Konkurrenzdenken” Differenzen etwa bzgl. des Selbstbestimmungsrechts der Kosovo-AlbanerInnen erfunden hätten, kann also gar keine Rede sein. Das Herangehen an die Frage der Verteidigung Jugoslawiens unterscheidet uns allerdings, entgegen Eurer Darstellung, grundsätzlich. Ihr behauptet, daß die Losung “Für die Niederlage der NATO in Jugoslawien” nichts anderes ausdrückt als die Parole “Für den Sieg Jugoslawiens gegen die NATO”.
Wie wir im BOLSCHEWIKNr. 13 ausführlich darlegten, trat ein großer Teil der mehr oder weniger radikalen Linken zwar formal für die Niederlage des Imperialismus ein, lehnte aber eine militärische Unterstützung Jugoslawiens ab. Das Eintreten für die Niederlage bedeutet nämlich erst einmal nichts anderes, als eine defätistische Haltung und eben keine Verteidigungslinie.
Das Entscheidende ist der konsequente Kampf gegen den imperialistischen Hauptfeind im eigenen Land, und das heißt im Falle eines Angriffs auf ein nicht-imperialistisches Land, dessen militärische Verteidigung. Trotz aller Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der AlbanerInnen und der politischen Verharmlosung des Milosevic-Regimes: Genau diese offene militärische Verteidigung verweigerten auch die stalinistischen und anti-nationalen “Freunde Serbiens”. Hier, und nicht bei der Frage der UCK, liegt die direkte Frontlinie im Klassenkampf mit dem eigenen Hauptfeind. An dieser Front war es von zentraler Bedeutung für revolutionäre Propaganda, in aller Schärfe deutlich zu machen, daß man nur dann ernsthaft für die Niederlage der Imperialisten sein konnte, wenn man für die Verteidigung und den Sieg Jugoslawiens gegen die NATO eintrat.
In diesem entscheidenden Punkt habt ihr aber geschwiegen – und ZentristInnen erkennt man (so Trotzki) weniger an dem, was sie sagen, als an dem, was sie verschweigen.
Gegen den sozialpazifistischen Mainstream der Anti-Kriegs-Proteste mußte man die Verteidigung Serbiens aber explizit machen und nicht einfach nur meinen: Während Du also offen und “klarer” für die “‘militärische Unterstützung'” der UCK eingetreten bist, ist die Position der KOVI-Deutschland zum Krieg des eigenen Hauptfeindes auf defätistische Losungen beschränkt. Damit bleibt bestenfalls eine klammheimliche Verteidigung – insofern Winfried Wolf nicht unähnlich, der auf einer Diskussionsveranstaltung zu seinem Buch “Bombengeschäfte” in Duisburg erklärte, er habe sich natürlich heimlich gefreut über den Abschuß des Tarnkappenbombers durch die serbische Luftabwehr. Solch heimliche Unterstützung für den Kriegsgegner des eigenen Imperialismus vermeidet den Konflikt dann, wenn es darauf ankommt. Das ist unsere Differenz – sie zu benennen, hat nichts mit organisatorischem Konkurrenzdenken sondern dem Eintreten für politische Klarheit zu tun.
Mit trotzkistischen Grüßen
Gruppe Spartakus / Internationale Bolschewistische Tendenz