Kollektivschuld und Klassenkampf
Das Oberthema von Hohmanns Rede war die Kollektivschuldthese:
“Trotz der allseitigen Beteuerungen, daß es Kollektivschuld nicht gebe, trotz nuancierter Wortneuschöpfungen wie ‘Kollektivverantwortung’ oder ‘Kollektivscham’: Im Kern bleibt der Vorwurf: die Deutschen sind das ‘Tätervolk'”.
An dieser Stelle liegt ein Schwachpunkt in der linken Auseinandersetzung mit Hohmann. Breite Teile der linken Kritik umgehen die Kollektivschuldthese oder teilen sie explizit, wie die Antinationalen. Die Tatsache, dass Hohmanns “Widerlegung” der Kollektivschuldthese reaktionär und falsch ist, heißt nicht, dass die These selbst fortschrittlich und richtig ist.
Keiner dieser linken Kritiker hat ein Problem damit, zu erkennen, dass die Zuschreibung der Taten bestimmter Juden auf alle Juden, dass die Rede von “den Juden” und die Konstruktion einer jüdischen Volksgemeinschaft (mit kollektiver Haftung) rassistisch ist.
Die Kollektivschuldthese unterstellt eine Einheit des ganzen Volkes und macht es kollektiv – d.h. Herrscher und Unterdrückte, Ausgebeutete und Ausbeuter – für die Taten der herrschenden Klasse und ihrer Politiker verantwortlich. Wir wissen sehr wohl, dass es der Bourgeoisie gelingen kann, große Teile der Nation, einschließlich Teile der Arbeiterschaft, mittels ihrer politischen und ideologischen Herrschaft und mit Hilfe von politischen Institutionen – wie reformistischen Arbeiterorganisationen, Volksfronten oder faschistischen Bewegungen – in eine nationale Einheit unter ihrer Führung zu bringen. Wir meinen auch nicht, dass man einen SA-Mann aus dem Proletariat sanfter hätte behandeln sollen als einen SS-Mann. Aber wir halten daran fest, dass jede Form der nationalen Einheit ein politisches Konstrukt ist, das die Klassengegensätze nicht beseitigt. Arbeiter, die sich dieser Allianz anschließen, tun dies zu ihrem eigenen objektiven Schaden. Wir appellieren deshalb an die Arbeiter, die nicht selbst in der Fabrik oder auf dem “Feld der Ehre” den Interessen des Kapitals geopfert werden wollen, sich nicht zu Völkermördern im Namen von Volk und Vaterland machen zu lassen, sondern dem Hauptfeind im eigenen Land den Kampf zu erklären. Insbesondere halten wir daran fest, dass es am Ende der Weimarer Republik eine tiefe Klassenspaltung und trotz der sozialdemokratischen und stalinistischen Führungen der Arbeiterbewegung starke Klassenkämpfe gab, in denen die organisierten Arbeiter erklärte Feinde der Faschisten waren. Die Machtübergabe an die Nazis durch die deutsche Bourgeoisie war gerade der (erfolgreiche) Versuch, indem man die faschistischen Terrorbanden von der Kette ließ, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Die Kollektivschuldthese kam der deutschen Bourgeoisie nach dem Zweiten Weltkrieg als Ablenkungsmanöver sehr gelegen, als selbst das Ahlener Programm der CDU die Verantwortung des Großkapitals für die Nazi-Barbarei proklamierte und eine Enteignung der Großindustrie forderte. Heute will sie die Kollektivschuldthese selbst loswerden und einen “Schlussstrich” ziehen. Es gibt keinen Grund, warum Kommunisten die ohnmächtigen Mythen des bürgerlichen Antifaschismus verteidigen sollten.