Marxismus und Imperialismus
Die Entstehung des Imperialismus
Der Imperialismus entstand gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aus der freien Konkurrenz, der Bildung bürgerlicher Nationalstaaten und ihrer “freibeuterischen” Kolonialpolitik. Der Konkurrenzkampf und die (internationalen) kapitalistischen Krisen, sowie die vom Profitstreben in Gang gesetzte technologische Entwicklung, haben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Konzentration und Zentralisation von Kapital und damit zur Bildung von wenigen Großunternehmen aus den zahlreichen kleinen Unternehmen der kapitalistischen Frühzeit geführt.
Die industriellen Großunternehmen haben sich geschichtlich zur Finanzierung ihrer Vorhaben einerseits, zur (spekulativen) Verwendung ihrer überschüssigen Gewinne (Überakkumulation) andererseits, in einem Ausmaß und einer Regelmäßigkeit mit dem Bankkapital verbunden, so daß beide zum Finanzkapital verschmolzen.
Generell ist der kapitalistische Produktionsprozeß ein Ausbeutungsprozeß, der einerseits die Arbeiter als Produzenten aller Werte enteignet und dadurch andererseits dem Kapital die Anhäufung von Gewinnen, d.h. von immer mehr Kapital ermöglicht. Dieses muß wieder investiert werden, damit es durch mehr Ausbeutung noch mehr Gewinn macht und so fort. So entstehen die Unterkonsumtion, des durch die Ausbeutung enteigneten Proletariats, und die Überakkumulation des Kapitals, als zwei einander bedingende Seiten einer Medaille, die in den kapitalistischen Krisen regelmäßig ihre brutale Zuspitzung erfährt: durch die wirtschaftliche Vernichtung von (“überschüssigem”) Kapital, samt den zugehörigen Produktionsmitteln, und des Ruins zahlreicher Arbeitskräfte durch Entlassungen.
Solange der Kapitalismus in der Krise nicht gestürzt wird, führt die Krise nur zu Kapitalzentralisation (Firmenübernahmen etc.), Rationalisierungen, Lohnsenkungen und Sozialabbau. Jene Unternehmen, die dabei am erfolgreichsten sind, erholen sich auf Kosten der weniger erfolgreichen – dabei versucht jeder Konzern das Problem für sich, auf Kosten der anderen Kapitalisten, und alle auf Kosten der Arbeiterklasse, zu lösen. Letztlich wird dadurch nur der Widerspruch von Unterkonsumtion und Überakkumulation verstärkt erneuert und die Tendenz zum Fall der allgemeinen Durchschnittsprofitrate erzeugt, weil die allein mehrwerterzeugende Arbeitskraft zunehmend durch Maschinen ersetzt wird.
Historisch entfaltete sich diese krisenhafte Entwicklung des Kapitalismus zunächst im nationalen, dann im europäischen Rahmen. Die militärische wie wirtschaftliche Eroberung der bis dahin nicht-kapitalistischen Länder, und der Wettbewerb um Kolonien in Asien, Amerika und Afrika entstanden aus dem beschriebenen Drang der Kapitalisten, Wege zu finden, um den Fall der Profitrate für sich umzukehren und ihr akkumuliertes Kapital konkurrenzfähig zu investieren. Der Weltmarkt wurde also nicht als Zusammenschluß annähernd gleichstarker nationaler Wirtschaften geschaffen, sondern durch die Aufteilung und Unterordnung des größten Teils der Welt unter die Monopole der stärksten kapitalistischen Mächte. Hand in Hand mit dieser Aufteilung geht der Kapitalexport.
Der Kapitalexport schafft, anders als der Warenexport, die systematische Möglichkeit zur Ausplünderung der wirtschaftlich unterentwickelten Länder. Eine “harte” und starke National-Währung und ihre Verbreitung über die Welt (wie die DMark auf dem Balkan), dienen dem Kapitalexport der betreffenden Nationalbourgeoisie als wichtiges Hilfsmittel. Der Kapitalexport erschloß und erschließt Rohstoffquellen, billige Produktionsstätten und Absatzmärkte für die großen global agierenden Monopolverbände (wie etwas Siemens und Daimler-Chrysler) rund um die Welt. Der Kapitalexport schafft den Weltmarkt, unumkehrbare wirtschaftliche Abhängigkeiten und eine qualitativ ungleiche internationale Arbeitsteilung, welche zusammen die Bereicherung der imperialistischen Bourgeoisien und Länder auf Kosten aller anderen Nationen ökonomisch zementieren. In diesem Rahmen entstand und entwickelt sich der Klassenwiderspruch von internationalem Kapital und Weltproletariat.
Damit tritt das ganze Verhältnis von Überakkumulation, Unterkonsumtion, fallender Profitrate und kapitalistischer Krise auf die Weltbühne. So wie die Monopole im nationalen Rahmen gegeneinander konkurrieren, und dem Fall der Profite sowie der Krise im Kampf gegeneinander und immer auf Kosten der Arbeiterklasse zu entgehen suchen, konkurrieren die imperialistischen Staaten auf Kosten der Parias der ‘Weltgemeinschaft’ um die Aufteilung der Welt untereinander.
Während im nationalen Rahmen das Gewaltmonopol des kapitalistischen Staates in der Regel gewaltsame Auseinandersetzungen der wirtschaftlichen Konkurrenten verhindert, verbinden sich im Kampf um den Weltmarkt Bourgeoisien mit schlagkräftigen politischen und bewaffneten Organisationen, den Nationalstaaten – und bleiben vor allem deswegen trotz “Globalisierung” (zum Thema Marxismus und Globalisierung siehe Bolschewik Nr. 9) nationale Bourgeoisien.
Gegenüber der Beute – den unterentwickelt gehaltenen Länder – treten die Großmächte als Schuldeneintreiber für ihre großen Kapitalexporteure auf. Die Aufteilung der Welt in wirtschaftliche Einflußsphären, Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Investitionsgebiete verbindet sich untrennbar mit der territorialen Aufteilung der Welt in politische Einflußsphären, Marionettenregime, Protektorate, Besatzungsgebiete und gegebenenfalls in direkte Kolonien. Nationale Bourgeoisien und ihre Großmächte kämpfen mit einer ganzen Bandbreite von Mitteln (von Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik bis Handelskrieg und Boykott; von Diplomatie und Verträgen bis Krieg) für das gleiche Ziel: Die Vorherrschaft der je eigenen imperialistischen Bourgeoisie über die unterdrückten und ausgebeuteten Länder dieser Erde, gegen die imperialistischen Konkurrenten und den Widerstand der unterdrückten Nationen durchzusetzen.
Imperialismus ist Monopolkapitalismus
Die Konzentration des Wirtschaftsleben in den Händen des Monopolkapitals, die Verschmelzung des Industrie- und Bankkapitals zum Finanzkapital, der Kapitalexport und die Kombination von wirtschaftlicher und territorialer Aufteilung der Welt unter die Großkonzerne und Großmächte, kennzeichnen also den Imperialismus.
Der Imperialismus ist die höchste und letzte Entwicklungsform des Kapitalismus. In ihm sind gewaltige Großfirmen die weltweit wichtigsten und entscheidenden wirtschaftlichen Akteure. Die Monopole beseitigen nicht den Weltmarkt und die Konkurrenz; sie heben den Konkurrenzkampf nur auf eine neue Stufe: nationale und internationale Absprachen, Preis- und Handelskämpfe, politische Interventionen sind Mittel des Konkurrenzkampfes, die der Masse der kleinen Unternehmen, die vor 150 und mehr Jahren die Gründungszeit des Kapitalismus bestimmten, nicht zur Verfügung standen. Aber auch Elefantenhochzeiten von Großunternehmen schaffen keine harmonische Weltwirtschaft, sondern sind ein Ergebnis und Mittel des kapitalistischen Konkurrenzkampfes immer größer werdender Giganten im Rahmen des Weltmarktes und seiner Krisen.
Wirtschaftlich gesehen ist der Imperialismus also im wesentlichen Monopol-Kapitalismus. Der Monopolismus bestimmt das gesamte kapitalistische Wirtschaftsleben, von der Kontrolle über Rohstoffe, der Konzentration der Produktion und des Finanzkapitals in einigen wenigen Großunternehmen und der Aufteilung der Welt in Wirtschaftsräume und Einflußzonen weniger Großmächte. Diese mächtigen, hochgerüsteten Staaten der wirtschaftlich stärksten Länder sind die politisch wichtigsten Akteure, die miteinander um die Aufteilung der Welt ringen. Ihr gemeinsames Interesse an der Unterordnung des “Restes” der Welt hebt allerdings nicht ihre Konkurrenz um die Aufteilung dieses “Restes” (d.h. der übergroßen Mehrheit von Nationen und Menschen) untereinander auf. Während die Armeen der Großmächte und die NATO diesen Zweck durch militärische Gewalt verfolgen, dienen IWF, OSZE und UNO dem gleichen Ziel durch die internationale ökonomische und diplomatische “Integration” unter Führung der Imperialisten. Wo diplomatischer Druck und “stiller” ökonomischer Zwang nicht zum gewünschten Ergebnis führen, lassen die Großmächte die Bomben und Kanonen krachen.
Eine, von den führenden Staaten dieser Welt unabhängige, Politik ist internationalen Institutionen wie UNO und OSZE verwehrt. Erstens, weil sie machtlos und unbewaffnet sind und, zweitens, weil im Wesentlichen die führenden Staaten der Welt auch die Führung in diesen Einrichtungen, wie z.B. dem Weltsicherheitsrat, innehaben und kontrollieren. Weil die Mehrheit der kleinen Mitgliedsstaaten von den imperialistischen Mächten abhängig ist, würde auch eine sog. Demokratisierung von UNO oder OSZE daran nichts ändern.
Jede Illusion in eine ‘demokratische’ Reform der UNO/OSZE zu einem neutralen globalen Schiedsrichter, z.B. Gregor Gysis ganzes Geschwätz vom Gewaltmonopol der unbewaffneten UNO, geht von dem naiven Glauben aus, die hochgerüsteten kapitalistischen Staaten dieser Welt hätten sich ohne Grund und Zweck bewaffnet und ließen sich daher einfach ihrer gewalt(tät)igen Stärke berauben. Die Entwaffnung der Bourgeoisie erfordert den revolutionären Sturz ihrer Staaten. Deshalb setzen wir der pazifistischen Losung von Abrüstung und Entwaffnung, die Propaganda für die Selbstbewaffnung der revolutionären Arbeiterbewegung entgegen.
Das politisch Besondere am Imperialismus
Das erste wesentliche politische Merkmal der imperialistischen Weltordnung ist die Unterteilung der Welt in unterdrückte und unterdrückende Nationen und der objektive Widerspruch zwischen beiden. Als Folge der wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit der kleinen Nationen von den Großmächten und -konzernen fürchten die besitzenden Klassen die von ihnen ausgebeuteten ProletarierInnen weitaus mehr, als ihre imperialistischen Oberherren und fallen als echte anti-imperialistische Kraft aus. Deshalb kann diese Unterdrückung endgültig nur durch proletarische Revolutionen, die Errichtung und Föderation von Arbeiterrepubliken und den internationalen Übergang zum Sozialismus beseitigt werden. In diesem Sinne ist umgekehrt der Kampf um die Befreiung von nationaler Unterdrückung im Zeitalter des Imperialismus ein wichtiger Motor der Revolution vorausgesetzt, es gelingt den KommunistInnen, allen NationalistInnen und ReformistInnen das Steuer zu entreißen.
Zweitens, entsteht auf der Grundlage der imperialistischen Extraprofite aus den abhängig und unterentwickelt gehaltenen Ländern in den Metropolen eine privilegierte Schicht von ArbeiterInnen, die sogenannte Arbeiteraristokratie, welche durch die Teilhabe an den Brosamen vom Tisch ihrer Bourgeoisie verspießert und nationalistisch wird. Diese Schicht ist die objektive Basis des Reformismus und seiner Arbeiterbürokratie (in SPD, PDS und Gewerkschaften). Es ist deshalb kein Zufall, daß während des letzten Krieges die einen (SPD) aktiv das Vaterland “verteidigten” (d.h. Jugoslawien angreifen) während die anderen (PDS und ihr Gefolge in der Linken) vor dem Hauptfeind sozialpazifistisch versagten. Diese ReformistInnen und ihre pseudorevolutionären Zulieferer müssen entschieden politisch entlarvt und bekämpft werden. Die Verteidigung Jugoslawiens ist dabei heute eine entscheidende Frage.
Imperialismus und Sozialismus
Innerhalb der Großkonzerne finden sich Elemente einer gewaltige Menge an ArbeiterInnen und Produkten umfassenden, z.T. “globalen”, wirtschaftlichen Planung. Andererseits konkurrieren die verschiedenen Abteilungen des Kapitals, vor allem seine nationalen Produktionssparten, (als sogenannte Profitzentren) auch innerhalb internationaler Großkonzerne. Die Entscheidungen über die wechselseitige Gewichtung der beiden Tendenzen, zur Planung bzw. Konkurrenz zwischen den Abteilungen in einem monopolkapitalistischen Unternehmen, werden mit dem Blick auf die Profitmaximierung des Gesamtunternehmens und seiner Kapitalanteilseigner (Aktionäre) getroffen. Vor allem zwischen den Konzernen ist die Konkurrenz nicht abgeschafft; sie verfügen nur über viel gewaltigere Mittel der Konkurrenz gegeneinander als ihre frühkapitalistischen Vorfahren.
Die technischen und organisatorischen Möglichkeiten zur Planung bleiben also dem Profit und dem Weltmarkt unterworfen. Der Kapitalismus bereitet gewaltige technische Möglichkeiten für eine an menschlichen Bedürfnissen orientierte sozialistische Planwirtschaft vor. Unter seiner Regie bleiben sie aber nichts als Instrumente eines destruktiven Konkurrenzkampfes auf einem anarchischen Weltmarkt. Die Krisen und zerstörerischen Kräfte des Kapitalismus werden dadurch nicht gezähmt oder gar beseitigt, sondern gesteigert und zu einer regelmäßigen weltweiten Erscheinung. Jede Krise ruiniert zahllose kleine Unternehmen und verstärkt so das wirtschaftliche Übergewicht der Großkonzerne. Ein immer größer werdender Teil der kleinen und mittleren Unternehmen bewegt sich nicht unabhängig, sondern in Abhängigkeit von Großunternehmen: Als Zulieferer und Subunternehmer werden ihnen von den Konzernen Bedingungen diktiert und Teile ihrer Profitspannen geraubt – so entstehen monopolistische Extraprofite.
Diese Abhängigkeitsverhältnisse reproduzieren sich auf dem Weltmarkt zwischen den wirtschaftlich hochentwickelten und den unterentwickelt gehaltenen Ländern: Jede internationale Krise ruiniert vor allem die letzteren und bringt sie in immer tiefere Abhängigkeit von den ersteren. Erinnert sei nur an die Verwandlung der asiatischen Tigerstaaten in zerlumpte Miezekatzen, die dem IWF, als Ergebnis einer internationalen Finanzkrise, aus der Hand fressen.
Kleinbürgertum, Kleinstaaterei und die romantische Verklärung von “Dritte-Welt-Bewegungen” können keinen Ausweg aus dem imperialistischen Joch weisen: Kleinkapitalistische Programme jedweder Art sind ohnmächtig gegen die Tyrannei der kapitalistischen Großunternehmen und staaten, da sie ihre historische Niederlage mit dem Sieg des Monopols über die rückständige und primitive Kleinwirtschaft schon seit 100 Jahren hinter sich haben.
Aus den Krisen der heutigen Welt gibt es keinen anderen Ausweg, als die revolutionäre Erhebung des Weltproletariats gegen die imperialistischen Herren dieser Welt. Dieser Kampf kann auch in den unterentwickelt gehaltenen Ländern nur durch den revolutionären Sturz der dortigen Bourgeoisien erreicht werden, da letztere zu schwach sind und, als international gesehen “kleine” Kapitalisten, viel zu abhängig von den großen Imperialisten sind, als daß sie diese konsequent bekämpfen könnten. Die Ausbeutung und Unterdrückung der Imperialisten kann jedoch immer wieder zu Konflikten zwischen den Imperialisten und untergeordneten Nationalbourgeoisien in unterdrückten Ländern führen. – Konflikte, die bis zum Krieg gehen können.
Eine revolutionäre Militärpolitik muß solche Kriege konkret, im Kontext der imperialistischen Weltordnung und des vollen revolutionären Programms, einordnen, um ihre politische Antwort daraus abzuleiten.