Die Grenzen des linken Pabloismus

Der Revolutionär Sozialistische Bund/IV. Internationale (RSB) ist in Deutschland eine der beiden Organisationen, die sich historisch auf das politische Erbe des Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale beziehen. Im Gegensatz zu seiner Schwesterorganisation, internationale sozialistische linke (isl), die sich seit geraumer Zeit als linke Ratgeber in der Partei Die LINKE bemüht, stellt der RSB den außerparlamentarischen Kampf in den Vordergrund und verweist auf die Notwendigkeit der unabhängigen Organisation und Aktion der Arbeiterklasse. Wir wollen an dieser Stelle nicht auf die politische Unsinnigkeit von zwei deutschen Sektionen eines Vereinigten Sekreta­riats eingehen. Noch soll hier auf die geschichtlichen Wurzeln eingegangen werden. Im Folgenden sollen einige wesentliche programmatische Positionen des RSB kritisch betrachtet werden, um den notwendigen Klärungsprozess innerhalb der Linken und Arbeiterklasse voranzubringen.

Demokratie und Revolution

In der Erklärung „Zum organisationspolitischen Selbstverständnis des RSB/IV. Internationale“ gibt der RSB einen umfassenden Abriss seiner politischen Methode. Der RSB besteht darauf, dass

“Da nur die Selbsttätigkeit der Massen die Voraussetzun­gen für eine revolutionäre Machtergreifung und Umge­staltung der Gesellschaft bietet, lehnen wir die Orientie­rung auf bürgerliche Parlamente ab.”
rsb4.de/content/view/15/54

Dies ist zwar richtig und unter revolutionären Linken unbe­stritten, es folgt jedoch direkt im Anschluss an eine Passage, die alles andere als eindeutig revolutionäre Impulse zeigt:

“Ohne Revolution, ohne Entmachtung der Herrschenden ist keine neue Gesellschaft, keine Aufhebung der Unterdrückung möglich. Eine Revolution ist kein Putsch einer abgehobenen Minderheit von BerufsrevolutionärInnen. Sie ist nur möglich, wenn sie von einer selbstorganisierten Massenbewegung getragen wird und das Wollen der Mehrheit ausdrückt. Massenrevolutionen haben stets eine friedliche, gewaltlose Zielsetzung: Die neue Gesellschaft soll nicht die Brutalität der alten fortsetzen. Nur wenn die bisher Herrschenden die demokratische Entscheidung mit Gewalt rückgängig machen wollen, kommt es zum Kampf. Nach historischer Erfahrung ist das je doch [!] die Regel.”
rsb4.de/content/view/15/54

Es ist nicht einfach zu bestimmen, was der RSB hier eigentlich vermitteln will. Die Revolution muss von einer „Massenbewegung getragen werden“, sodass die anzu­strebende Revolution eine „Massenrevolution“ wird und die „gewaltlose Zielsetzung“ wahrt. Als mögliche Spielverderber tauchen die „bisher Herrschenden“ auf, welche die Massen durch eventuellen Widerstand „zum Kampf“ zwingen. Selbstverständlich weiß der RSB, dass dieser Ausgang „die Regel“ ist. Dies ist keine abstrakte theoretische Frage, sondern berührt einen zentralen Punkt der marxistischen Methode. Revolutionäre müssen davon ausgehen, dass die Bourgeoisie nicht freiwillig ihre Macht abgeben wird, und müssen daher offen erklären, dass eine Revolution in einen Bürgerkrieg münden kann.

Vielleicht wäre es klarer gewesen zu schreiben, dass jeder Versuch der proletarischen Massen, das kapitalistische System zu beseitigen, eine mörderische Konterrevolution der Bourgeoisie entfacht, in der die bürgerliche Demokratie im Handumdrehen außer Kraft gesetzt wird. Stattdessen wird suggeriert, dass „die demokratische Entscheidung“ der Massen das Tor zur Revolution öffnen kann. In der heutigen Situation kann sich eine solche „demokratische Entscheidung“ lediglich auf die bürgerlichen Wahlen beziehen. Allerdings besteht der RSB zur gleichen Zeit darauf, dass er keine Orientierung auf bürgerliche Parlamente hat. Die theore­tischen Schwierigkeiten, in die der RSB kommt, entspringen der einfachen Tatsache, dass er versucht, die proletarische Revolution als eine große „demokratische Entscheidung“ zu präsentieren.

Es kann jedoch ausgeschlossen werden, dass die revolutionäre Umwälzung der bestehenden Gesellschaft im Herzen des bürgerlichen Parlamentarismus beginnt. Die proletarische Revolution ist die höchste Zuspitzung des Klassenkampfes und zugleich der Ausgangspunkt für eine neue Gesellschaft. Wenn die Massen der Arbeiter und Unterdrückten diesen Weg beschreiten, ist es keine Frage mehr, ob sie als Individuen 51% oder 49% der Bevölkerung ausmachen. Die entscheidende Frage ist, ob sie in der Lage sind, den bestehenden Staatsapparat zu zerschlagen und die neue proletarische Ordnung zu errichten. Allerdings wäre es fatal zu glauben, dass die neue Gesellschaftsordnung durch eine „gewaltlose Zielsetzung“ herbeigeführt werden könnte. So­wohl die Erfahrungen der Pariser Kommune von 1871, die erste proletarische Revolution in der Geschichte, als auch die der Oktoberrevolution, die bisher einzige erfolgreiche prole­tarische Revolution, legen hiervon Zeugnis ab. Es liegt eben nicht in der Natur von Revolutionen friedlich zu sein. Friedrich Engels fasste dies prägnant zusammen, als er feststellte:

“Eine Revolution ist gewiß das autoritärste Ding, das es gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittels Gewehren, Bajonetten und Kanonen, also mit denkbar autoritärsten Mitteln aufzwingt; und die siegreiche Partei muß, wenn sie nicht umsonst gekämpft haben will, dieser Herrschaft Dauer verleihen durch den Schrecken, den ihre Waffen den Reaktionären einflößen.”
— Friedrich Engels, Von der Autorität, MEW, Bd. 18, S.308

Zwischen der Teilnahme an bürgerlichen Wahlen und der revolutionären Erhebung des Proletariats liegt eine Kluft, deren Größe bedingt ist durch die politische Reife der Arbeiter, dem Grade ihrer revolutionären Organisation und der Entschlossenheit ihrer Führung. Es ist das Ziel von Kommu­nisten, diese Kluft zu vermindern und sie letztendlich zu überbrücken. Dies kann nur durch die Hebung des Bewusstseins der Arbeiter erreicht werden. Versuche, diese Kluft zu verwischen oder ihre Bedeutung herunter zu spielen, führen bestenfalls dazu, Verwirrung in den Reihen der Arbeiterklasse zu stiften, und schlimmstenfalls dazu, dass die Arbeiter ihre Illusionen in die bestehenden Institutionen der bürgerlichen Demokratie festigen.

Vom Kampf um die politische Führung der Arbeiterklasse

Die arbeitenden Menschen stellen keine homogene Masse dar. Die Arbeiterklasse ist in vielerlei Hinsicht differenziert und gespalten. Dies ist zum Beispiel bedingt durch die verschie­denen sozialen Stellungen und Erfahrungen von Männern und Frauen, alten und jungen Arbeitern oder auch deutschen Arbeitern und Migranten. Diese stellen keine unüberwindbaren Hindernisse für den gemeinsamen Kampf dar; Revo­lutionäre tun jedoch gut daran, diese in Betracht zu ziehen.

Über diese sozialen Differenzierungen hinaus ist das Proletariat auch politisch heterogen. Während die Mehrzahl der Arbeiter ein reformistisches Bewusstsein hat und daher sozialdemokratische Parteien wie die SPD und Die LINKE unterstützt, gibt es auch Schattierungen, die sich links oder rechts davon befinden. Eine gewisse Anzahl von Arbeitern ist unfähig, ihren eigenen Klassenstandpunkt zu vertreten, und kriecht auf die bürgerliche Seite. Eine kleine Minderheit fühlt sich von (vorgeblichen) revolutionären Organisationen angezogen. All diese verschiedenen politischen Tendenzen befinden sich in Konkurrenz zueinander. In gewisser Hinsicht ist der RSB eine von vielen Organisationen, die versuchen, ihren Einfluss innerhalb der Arbeiterklasse zu erhöhen.

Die politische Differenzierung der Arbeiterklasse ist seit dem Beginn der Arbeiterbewegung eine Tatsache gewesen und hat sich bis heute nicht geändert. Schon in der I. Internationale hat sich Karl Marx mit anarchistischen Strömungen, insbesondere repräsentiert von Michail Bakunin, ausein­ander­setzen müssen. Welche politische Organisation zu einem gegebenen Zeitpunkt den entscheidenden Einfluss innerhalb der Arbeiterbewegung ausübt, ist von größter Wichtigkeit für den Verlauf der Geschichte. Verschiedene Programme stehen für verschiedene Marschrouten. Dies ist für viele Linke offenkundig, da die Vergangenheit reich ist an Lehren über die katastrophalen Folgen, wenn das Proletariat ohne eine revolutionäre Führung agiert. Erinnert sei hier nur an die Resultate der KPD-Politik der „dritten Periode”, die die Macht­ergreifung Hitlers erleichterte. Es ist daher höchst eigentümlich, dass der RSB in Bezug auf seinen politischen Einfluss eine Neutralitätsposition vertritt:

“Gleichzeitig verteidigen wir die Autonomie jeder sozialen Bewegung und bekämpfen ihre Instrumentalisierung durch selbsterklärte Avantgarden. Eine Manipulation von Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen, von Gewerkschaften wie von Frauenorganisationen, von antirassisti­schen wie von antifaschistischen Zusammenschlüssen durch eine Partei gleich welcher Couleur muss aufs Schärfste bekämpft werden. Solche Bewegungen haben immer ihre Berechtigung und müssen ihre Autonomie verteidigen und unterliegen keinem Führungsanspruch durch „die“ ArbeiterInnenklasse, wer immer auch vorgibt, diese zu verkörpern.”
rsb4.de/content/view/15/54

Marxisten vertreten einen Klassenstandpunkt, das heißt, wir beziehen die Seite des Proletariats und betrachten jede soziale Entwicklung von dieser Warte. Der RSB beschreitet den entgegengesetzten Weg und stellt Bürgerinitiativen, also klassenübergreifende Bündnisse, über die proletarische Orga­nisation. Kommunisten versuchen nicht einfach, Bürgerinitia­tiven zu unterstützen, sondern zielen darauf ab, sie entlang der Klassenlinie zu polarisieren, sodass die Arbeiter sich als Mitglieder einer bestimmten Klasse, und nicht als „klassenlose“ Bürger, begreifen.

Eine vollkommen abstrakte Verteidigung der Autonomie seitens des RSB wird hier zum Wegbereiter der politischen Kapitulation. Wäre es nicht vorzuziehen, wenn die Gewerkschaften unter dem Einfluss einer revolutionären Partei stün­den anstelle der SPD? Existieren die von dem RSB erwähn­ten Organisationen etwa in einem politischen Vakuum, in dem sie eine blütenreine unpolitische Existenz führen, die nicht durch Parteiprogramme beschmutzt werden soll? Arbeitet der RSB nicht in den Gewerkschaften und versucht er nicht, den Einfluss seines politischen Programms zu erhöhen? Wie wenig Substanz dieses „Konzept“ hat, wird spätestens deutlich, wenn man sich anschaut, wie die praktische Umsetzung durch den RSB aussehen müsste. Die Zeitung Avanti müsste Gewerkschafter daran erinnern, dass eine „Manipulation“ durch Gruppen wie den RSB „aufs Schärfste bekämpft werden“ muss.

Allerdings verbirgt sich hinter diesem wortreichen Nonsens eine so alte wie gefährliche Haltung: Die Arbeiter seien ohne jede politische Führung in der Lage, den richtigen Weg einzuschlagen; eine politische Führung der Klasse führe nur zur Manipulation, deshalb sei es vollkommen ausreichend, auf die Spontaneität der Arbeiter zu vertrauen. Beim RSB heißt dies: „Förderung der Selbsttätigkeit der ArbeiterInnen­klasse”. Selbstverständlich ist es erforderlich, dass die Arbeiter für ihre Befreiung selbst tätig werden, wie schon Marx betonte; allerdings kann die Masse der Arbeiter nicht von selbst und durch ihre bloße Existenz als Arbeiter zur sozialistischen Beseitigung ihrer Unterjochung gelangen. Die kapitalistische Realität, die sich dem Arbeiter täglich als natürlich und permanent präsentiert, generiert in der Regel systemgetreue reformistische Ambitionen, und nicht revolutionäre. Um dieses Problem zu überwinden, wirkte Lenin zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Zeitung Iskra mit. Die gleiche Herangehensweise findet sich auch in seiner Schrift Was tun?:

“Das beweist…, daß jede Anbetung der Spontaneität der Arbeiterbewegung, jede Herabminderung der Rolle des „bewußten Elements“, der Rolle der Sozialdemokratie, zugleich — ganz unabhängig davon, ob derjenige, der diese Rolle herabmindert, das wünscht oder nicht — die Stärkung des Einflusses der bürgerlichen Ideologie auf die Arbeiter bedeutet.”
— W. I. Lenin, Was tun?, LW, Bd. 5, S. 393f

Auch mehr als 100 Jahre später bleiben die wesentlichen Entwicklungsmuster im Klassenkampf die gleichen: wenn es den bewussten Teilen der Klasse, seiner revolutionären Vorhut, nicht gelingt, entscheidenden Einfluss zu gewinnen, resultiert dies in der Dominanz des bürgerlichen Einflusses: in den Gewerkschaften, im antifaschistischen Kampf und bei Protesten gegen die soziale Krise. In Bezug auf die sozialen Angriffe wird die Losung von der „Selbsttätigkeit der Arbeiter­Innenklasse“ sehr schnell konkretisiert als Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit den Reformisten von der Linkspartei:

“Gemeinsame Aktion gegen Kabinett & Kapital, politische Unabhängigkeit der sozialen Bewegung, Kritik an den Untaten von SPD und Grünen — zu einer umfassenden Antwort auf die Angriffe der Herrschenden braucht es eine politische Alternative. Die kann die Linkspartei, die sich im Land Brandenburg erneut an einer bürgerlichen Regierung beteiligt, wo sie mit der SPD 11 000 Arbeitsplätze im Öffentlichen Dienst abbauen will, nicht bieten. Bei der Abwehr der Politik der Bundesregierung ist die Zusammenarbeit mit denjenigen Strukturen der Linkspartei zu suchen, die keine Verantwortung für sozial- oder neoliberale Regierungspolitik tragen. Diese muss aber schonungslos kritisiert werden.”
Aktionseinheit und Unabhängigkeit der Bewegung, rsb4.de/content/view/3592/84

Der RSB schlägt also vor, dass der Kampf gegen den Verlust von Arbeitsplätzen, welcher von der Linkspartei mitverschuldet ist, mit Hilfe eben dieser Partei geführt wird (mit Ausnahme der Regierungsmitglieder). Anstatt Linke innerhalb der Linkspartei hierdurch in ihrer Illusion zu bestätigen, dass es möglich sei gegen den Stellenabbau zu sein und in der Partei des Stellenabbaus zu verbleiben, sollten Kommunisten ihre schonungslose Kritik ebenso auf die linken Teile richten, sodass diese gezwungen werden, mit der Linkspartei zu brechen. Um diesen Bruch herbeizuführen, kann es durchaus hilfreich sein, gemeinsame Aktionseinheiten durchzuführen, bei denen diese Genossen gezwungen sind, sich gegen die Führung der Linkspartei zu stellen. Eine solche punktuelle Opposition in der Praxis kann dabei als erster Schritt dienen, mit sozialdemokratischer Politik allgemein zu brechen.

Für die Befreiung der Frau

Innerhalb des kapitalistischen Systems erleiden die Arbei­terinnen eine doppelte Unterdrückung. Sie sind sowohl als Arbeiterin als auch als Frau unterdrückt. Sie haben im Vergleich zu Männern schlechter bezahlte Jobs, und selbst wenn sie den gleichen Job haben wie ein Mann, erhalten sie oft weniger Gehalt für die gleiche Arbeit. Sexismus ist nicht nur Teil des Arbeitslebens, sondern findet sich in allen Bereichen des bürgerlichen Systems. In der Familie fällt den Frauen noch immer mehrheitlich die Aufgabe der Versorgung der Kinder zu. Gewalt gegen Frauen, gerade im häuslichen Bereich, ist erschreckend weit verbreitet.

Aufgrund ihrer benachteiligten Stellung innerhalb der Gesellschaft spüren Arbeiterinnen die verschlechterte soziale Lage besonders. Arbeitslosigkeit und Sozialabbau treffen Frauen daher oft extrem hart. Um den entscheidenden ersten Schritt zur Befreiung der Frau zu machen, muss das kapita­listische System, das die Frau ausbeutet und unterjocht, zerstört werden. Die soziale Befreiung der Frau kann nicht in einem System erreicht werden, das auf ihrer Unterdrückung basiert. Gleichzeitig ist die sozialistische Revolution undenkbar ohne die aktive Unterstützung der Arbeiterinnen.

In dieser Hinsicht haben wir keine Differenzen mit dem RSB. Der RSB leitet jedoch aus der Situation der Frau innerhalb der Gesellschaft eine bestimmte Reflexion derselben innerhalb einer revolutionären Organisation ab. So heißt es im Dokument zum „organisationspolitischen Selbstverständnis”:

“Wir gehen davon aus, dass auch in der eigenen Organisation männliches Verhalten ein Hindernis für die Entfaltung der politischen Tätigkeit von Frauen ist. Es ist daher notwendig, eine ständige bewusste Anstrengung zu unternehmen, um diesen Zustand zu bekämpfen und zu überwinden, sowohl durch die politische Erziehung als auch durch besondere organisatorische Maßnahmen wie das Recht der Frauen, sich jederzeit auf allen Ebenen der Organisation unter sich zu treffen, sowie durch Quotierungen in den Leitungsorganen, wenn dies von den Frauen so gewünscht wird.”
rsb4.de/content/view/15/54/1/1

Erst einmal ist es unklar, was hier mit dem „männliche[n] Verhalten“ gemeint ist. Es erscheint, als ob unterdrückendes Verhalten mit männlichem Verhalten gleichgesetzt wird, ohne dies zu konkretisieren. Dies ist eine eher problematische Methode, da sie die Analyse durch das Postulat ersetzt. Darüber hinaus führt diese Annahme zu organisatorischen Maßnahmen wie dem Ruf nach Quotierung in den Leitungsorganen. Die Leitungsorgane einer kommunistischen Organi­sation sollten aufgrund der Eignung und Fähigkeiten der verschiedenen GenossInnen ohne Rücksicht auf Geschlecht durch Wahl entschieden werden. Die entscheidende Frage ist hier politischer Natur: Der Kampf für die Befreiung der Frau ist Aufgabe aller Kommunisten, nicht nur der weiblichen, genauso wie der Kampf gegen Rassismus nicht nur eine Frage für ethnische Minderheiten ist. Selbstverständlich kann der RSB sich intern organisieren wie er möchte; allerdings muss angemerkt werden, dass hier mehr als ein Hauch von Feminismus Einzug gehalten hat.

Die Scheinlösung der Quotierung ist jedoch nicht nur ein internes Organisationsgebot, sondern wird vom RSB ausgeweitet hinsichtlich des Problems der Arbeitslosigkeit. Im Programm heißt es hierzu eindeutig: „Quotierte Stellenbe­setzung aller qualifizierten Arbeitsplätze”. Selbstverständ­lich ist es notwendig, umfassende und kostenlose berufliche Förderungsprogramme für Frauen anzubieten, um Arbeitslosigkeit oder „Billiglohn”-Jobs zu vermeiden. Die zentrale Losung im Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit muss für die Verteilung der Arbeit auf alle Hände sein. Eine solche Forderung steht der Profitlogik der Kapitalisten entgegen, und weist letztendlich über das bestehende System hinaus. Die Forderung nach einer Quotierung der Arbeitsplätze ist hingegen lediglich die Forderung nach einer ‚gerechten’ Verteilung des Elends der Arbeitslosigkeit. Sie akzeptiert implizit das Argument der Kapitalisten, dass nicht genug Arbeit vorhanden sei, und lenkt somit vom notwendigen Kampf für Arbeit für alle ab. Wenn auch ungewollt, so zieht diese Losung eine Grenze zwischen Männern und Frauen, anstatt die Klassenlinie zwischen Proletariat und Kapital hervorzuheben. Der gemeinsame Kampf um Arbeit für alle innerhalb des kapitalistischen Systems ist für das Proletariat buchstäblich lebensnotwendig. In der Periode nach einer erfolgreichen Arbeiterrevolution ist es durchaus vorstellbar, dass sich die durchschnittliche Arbeitszeit in dem Masse vermindert, wie sozial unnötige Tätigkeiten abgeschafft werden und die Produktion demokratisch und zentral geplant wird.

Ein wichtiger Schritt, um die Diskriminierung von Frauen oder Linken bei der Vergabe von Jobs zu beseitigen, ist die Forderung nach gewerkschaftlich kontrollierten Einstellungsverfahren. Hiermit würde die Arbeiterklasse ihren Einfluss direkt geltend machen, und Diskriminierung durch die Kapita­listen eingeschränkt werden. Diese direkten Maßnahmen, welche nur durch vereinten Klassenkampf zu erreichen sind, würden hundertfach wirksamer sein als wohlformulierte und doch zahnlose Gesetzbeschlüsse gegen Diskriminierung im Parlament.

Die SPD — eine bürgerliche Partei?

Traditionell ist die SPD die wesentliche Partei der deutschen Arbeiterklasse, das heißt, dass ein bedeutender Anteil der Arbeiter in dieser organisiert ist und ihr bei den Wahlen ihre Stimme gibt. Zudem ist die SPD nach wie vor eng mit der Gewerkschaftsbürokratie verflochten. Diese führende Rolle wurde nur von der KPD während der Weimarer Republik ernsthaft infrage gestellt und heute teilweise durch die Linkspartei. Als bürgerliche Arbeiterpartei spielt sie eine besondere Rolle in der Erhaltung des kapitalistischen Systems. Zum einen tritt sie vorgeblich für die Interessen der Arbeiter auf und erhält dafür Unterstützung von diesen, zum anderen ist ihre politische Führung und Praxis dem Profitsystem verhaftet. In jeder ernsthaften Auseinandersetzung zwischen Proletariat und Kapital findet sie sich in den Reihen der Ausbeuter ein und vertritt deren Interessen gegen ihre eigene Basis. Dies ist der zentrale Widerspruch der Sozialdemokra­tie. Für Revolutionäre bedeutet dies, dass sie mit der SPD anders umgehen als mit durch und durch bürgerlichen Partei­en wie CDU, FDP oder den Grünen. Alle Taktiken, wie zum Beispiel kritische Wahlunterstützung, zielen darauf ab, den Widerspruch zwischen proletarischer Basis und pro-kapita­listischer Führung zu verschärfen, sodass die Arbeiter die tat­sächliche Rolle der SPD erkennen, und sich von dieser abwenden, um effektiv für ihre eigenen Interessen zu kämpfen.

Theoretisch erkennt der RSB die Notwendigkeit dieser Herangehensweise an, ist jedoch praktisch zum Schluss gekommen, dass diese schon lange nicht mehr zutreffend sei. In Die SPD — eine bürgerliche Partei heißt es:

“Jede reformistisch-sozialistische Partei ist eine bürgerliche Partei, weil sie letztendlich die kapitalistische Ordnung einer sozialistischen Revolution vorzieht. Sie hat einen Doppelcharakter, insofern sie an ihren sozialistischen Zie­len festhält und/oder ArbeiterInnen klassenmäßig organi­siert. Die SPD hat ihren Doppelcharakter bereits 1959 mit der Annahme des Godesberger Programms verloren.”

Und:

“Die programmatischen Aussagen der SPD bleiben völlig im Rahmen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die gestaltet werden soll. Mit Godesberg ist die SPD zu einer (sozial-) liberalen bürgerlichen Partei geworden.”
rsb4.de/content/view/935/9

Hat die SPD tatsächlich aufgrund eines neuen Programms und der Rhetorik über eine Volkspartei ihren Klassencharakter verändert? Oder ist es vielleicht etwas komplizierter? Man fühlt sich an die „Analysen“ der maoistischen Organisationen erinnert, die nach Chruschtschows Geheimrede von 1956, welche sich verbal von einigen stalinistischen Praktiken abwendete, erklärten, dass sich der Klassencharakter der UdSSR geändert hätte.

Die SPD, wie andere Parteien auch, zeigt in ihrem gesamten Bestehen selbstverständlich eine Reihe von politi­schen Schwankungen auf. Diese sind auf Entwicklungen im Klassenkampf, als auch auf politische Entwicklungen von Individuen und Gruppierungen innerhalb der Partei selbst zurückzuführen. Dabei kann es vorkommen, dass die schein­bare Konformität und Geradlinigkeit der politischen Linie unterbrochen wird. Man kann dies auch als eine politi­sche Schwankung bezeichnen, die den Klassencharakter unterstreicht, ohne ihn zu verändern. Die Tatsache beispielsweise, dass die SPD im August 1914 den Kriegskrediten zustimmte, stand im krassen Gegensatz zu wiederholten Erklärungen der Parteien der II. Internationale auf einen imperialistischen Krieg mit Massenstreiks zu antworten. Dieser Klassenverrat hieß nicht, dass die SPD zu einer „liberalen bürgerlichen Partei“ geworden war, sondern hob den reformistischen Charakter dieser Partei hervor. Auf der anderen Seite bedeutete der Umstand, dass selbst konservative Parteien nach 1945 für kurze Zeit sozialistisch klingende Programmelemente auflisteten, keineswegs, dass diese das bürgerliche Lager verlassen hatten — es wurde lediglich dem Umstand Tribut gezollt, dass die Massen das deutsche Kapital mit dem Nazi-Regime identifizierten und somit eine möglichst große Distanz notwendig war, um irgendwelche politische Unterstützung zu erhalten.

Was die soziale Zusammensetzung der SPD betrifft, so bemüht sich der RSB auch hier, die soziale Realität in seinen politischen Rahmen zu biegen:

“In der Mitgliedschaft der SPD sind die ArbeiterInnen deutlich geringer vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Angestellte und Beamte aus dem öffentlichen Dienst stellen 40 Prozent des SPD-Funktionärskörpers. Je höher die Parteihierarchie, desto weniger ArbeiterInnen zählt sie und um so mehr Staatsbedienstete. Die SPD ist längst mit dem Staatsapparat verschmolzen.”
rsb4.de/content/view/935/9

Um nachzuweisen, dass die SPD keine proletarische Basis mehr besitzt, wird die Unterscheidung zwischen Arbei­tern im privaten Betrieb (den wirklichen Arbeitern für den RSB) und Lohnabhängigen im öffentlichen Dienst (Angestellte und Beamte) eingeführt. Eine solche Kategorisierung findet sich häufig in den Soziologie-Abteilungen der Universitäten und unter bürgerlichen Journalisten. Lehrer und Eisenbahner aufgrund ihres formal eigentümlichen Arbeitsverhältnisses als Staatsangestellte per Definition aus der Arbeiterklasse auszuschließen, hat wenig mit Marxismus zu tun. Lehrer und Lok­führer sind ebenso wie ein Schlosser gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Der Umstand, dass Lehrer keinen Mehrwert produzieren, ist für ihre soziale Lage sekundär. Im Gegensatz zu anderen Staatsangestellten wie den Polizisten, besteht ihre Aufgabe nicht in der Aufrechterhaltung des Ausbeutersystems und ihre Existenzgrundlage ist nicht abhängig von seinem Fortbestand.

Die SPD bleibt eine wesentliche Stütze des bestehenden Systems gerade dadurch, dass es ihr weiterhin gelingt, Einfluss auf die Arbeiter auszuüben. Dies geschieht oft über die Gewerkschaftsbürokratie mit dem Ziel, Streiks in Schach zu halten und Unmut und Wut der Arbeiter in parlamentarische Bahnen zu lenken, anstatt das Feld des Klassenkampfes zu betreten. Es ist eben kein Zufall, dass es SPD-Politiker sind, die die Arbeiter zu beschwichtigen versuchen. Ein Sozialdemokrat kann sich vor Arbeitern Gehör verschaffen und Einfluss nehmen, und genau daher ist es notwendig, die SPD als Agent der Bourgeoisie in den Reihen der Arbeiterklasse zu bekämpfen.

Chávez und die IV. Internationale

Als deutsche Sektion der IV. Internationale trägt der RSB selbstverständlich die Positionen der internationalen Organi­sation mit. Es ist dabei unwichtig, welche politischen Verrenkungen aktuell vorgenommen werden — der RSB ist sich nicht zu schade auch die tollsten Narrheiten der internationalen Führung abzudrucken. Ein gutes Beispiel hierfür ist die fast unkritische Haltung gegenüber dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez.

Anlässlich der Wahlen im Dezember 2006 rief der RSB zur Stimmabgabe für Chávez auf und begründete dies mit der Notwendigkeit, die rechte Opposition zu schlagen:

“Das ist auch eine weitere Gelegenheit zu demonstrieren, dass Hugo Chávez weiterhin ein entscheidender Faktor für den Triumph des revolutionären Prozesses ist — trotz der Begrenztheit der Regierungspolitik bezüglich der Verbesserung der Lage der ArbeiterInnen und der Ärmsten in Venezuela und trotz der Aufrechterhaltung einer aus der bürgerlichen Demokratie hervorgegangenen staatlichen Struktur.”
Venezuela: Die Revolution muss vertieft werden! Stimmt für Chávez!, rsb4.de/content/view/2113/85

Ganz in der Tradition des Vereinigten Sekretariats wird der „revolutionäre Prozess“ bemüht, um den Anschein zu erwecken, dass die Entwicklung in Venezuela schon irgendwie in die richtige Richtung geht — und dies natürlich Dank Chávez. Im gleichen Satz wird allerdings auf die tatsächliche Klassenherrschaft und die ihr entsprechende Staatsmacht in Venezuela verwiesen, die nämlich eine „aus der bürgerlichen Demokratie hervorgegangenen staatlichen Struktur“ ist. In anderen Worten heißt das, dass Chávez der Vorsitzende eines bürgerlichen Systems ist, dessen ökonomische Grundlage nichts anderes als der Kapitalismus sein kann, sofern der RSB die marxistische Position teilt, dass der Sozialismus zu seiner Einführung zunächst eine proletarische Revolution erfordert. Nichtsdestotrotz sind die Erwartungen, die man an Chávez knüpft, fast grenzenlos. So heißt es im selben Artikel:

“Ein klarer Sieg von Chávez und dem venezolanischen Volk käme einem Aufruf zum kontinentweiten Kampf gleich. Und er wäre ein neuerlicher Beweis, dass man bei seinen Positionen standhaft bleiben kann — auch dann, wenn man Staatspräsident ist.”
rsb4.de/content/view/2113/85

Der erhoffte kontinentweite Kampf hat sich nicht eingestellt, allerdings ist Chávez standhaft geblieben und hat weiterhin daran gearbeitet, das kapitalistische System aufrechtzuerhalten. Arbeiterstreiks sehen sich mit der Polizei konfrontiert oder die Bosse heuern bewaffnete Schlägerbanden an, um die Arbeiter anzugreifen oder sogar zu ermorden. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisatio­nen sind seit 2007 über hundert Gewerkschafter ermordet worden und die Tendenz ist steigend. Bezeichnenderweise ist bisher noch keiner der Auftraggeber dieser politischen Morde verurteilt worden (siehe venezuelanalysis.com). Der Grund liegt auf der Hand: die Auftraggeber sitzen in den ökonomischen und politischen Zentren der Macht. In dieser Hinsicht ähnelt Venezuela dem Nachbarland Kolumbien.

All dies geschieht unter den Augen von Chávez und den anderen bürgerlichen Politikern, deren Loyalität den Kapita­listen und Großgrundbesitzern gilt. Dieser Mann soll der Trä­ger des ‚revolutionären Prozesses sein? Eine solche revolu­tionäre Träumerei ist in Europa billig, kann aber für die Arbeiter in Venezuela tödlich sein.

Revolutionäre würden bei einem wiederholten rechten Putschversuch militärisch auf der Seite von Chávez stehen. Wir erkennen ebenso an, dass er während seiner Amtszeit eine Reihe von progressiven Reformen durchgeführt hat, die die Lebensbedingungen der ärmsten Schichten in Venezuela nennenswert verbessert haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der frühere Offizier Chávez auf die Seite des revolutionären Proletariats gewechselt ist und aktiv an der sozialistischen Umwälzung Venezuelas teilnimmt, wie es der RSB behauptet. Hier ist ein Beispiel wie der RSB die sozialistische Tendenz innerhalb der Gesellschaft, im Gegensatz zu den Reformisten, beschreibt:

“Die anderen, die für eine Beschleunigung und Vertiefung des Prozesses eintreten, sehen sich darin oftmals von Chávez unterstützt und sind wahrscheinlich im Land in der Mehrheit. Sie sind der Meinung, dass die erreichten demo­kratischen und sozialen Errungenschaften nur einen ersten Schritt auf dem Weg zu dem Ziel darstellen, das sie als „Sozialismus des XXI. Jahrhunderts“ bezeichnen, etwas, was der Gewerkschaftsverband UNT als „Sozialis­mus ohne Bürokraten, Kapitalisten und Großgrundbesitzer“ definiert.”
rsb4.de/content/view/2113/85

Die weitverbreitete Illusion, dass der Staatschef auf der Seite der Sozialisten steht, wird von der IV. Internationale fröhlich beklatscht. Die Vorstellung, dass Chávez als bürgerlicher Populist an der Zerstörung des Systems mitarbeitet, dem er selbst vorsteht, ist jedoch blanker Unsinn. Die Kapitalistenklasse und ihre Politiker werden nicht freiwillig das Feld räumen, um den Arbeitern ihre Befreiung zu gestatten, und Chávez’ radikale Phrasen vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts sind nichts weiter als Nebelgranaten, um das Proletariat zu verwirren und niederzuhalten. Es ist bedauerlich, dass der RSB in dieses Täuschungsmanöver mit einstimmt, indem er den Unterschied zwischen den systemstützenden Maßnahmen von Chávez und einem revolutio­nären Umsturz der Gesellschaft verwischt.

“Darum muss es jetzt gehen: Um den weiteren Aufbau der Poder Popular, der „Volksmacht“, auf der Grundlage eines Rätesystems. Nur wenn es gelingt, das alte repräsentative politische System Venezuelas durch ein Rätesystem abzulösen, wird der revolutionäre Prozess, von dem die boli­varianische Bewegung und Chávez immer wieder spre­chen, seinem Namen gerecht. Mit der Etablierung von „consejos comunales“ (Kommunalräten) wird seit einigen Jahren versucht, dies zumindest auf kommunaler Ebene umzusetzen. Bisher gelang es allerdings noch nicht, etwas Vergleichbares auf Staatsebene zu entwickeln. Ein Rätesystem auf staatlicher Ebene und der weitere Ausbau von Selbstverwaltungsstrukturen wie z. B. der ArbeiterInnen­kontrolle in den Betrieben, würden Venezuela einen gan­zen Schritt weiterbringen in Richtung einer sozialistischen Gesellschaft.”
Bolivarianische Bewegung siegt bei Referendum in Venezuela.
rsb4.de/content/view/3282/85

Entgegen aller historischen Lehren, von Russland 1917 bis zu Chile in der 70er Jahren, behauptet der RSB, dass ein friedliches Hinüberwachsen in eine sozialistische Gesellschaft, basierend auf Räten, nicht nur möglich ist, sondern bereits begonnen hat. Die von der PSUV installierten Kommu­nalräte sind natürlich vollkommen machtlos und haben wenig mit den Arbeiterräten Russlands 1917 oder in Deutschland 1918 zu tun, die aus Klassenkampf gegen die bürgerliche Herrschaft hervorgingen. Die entscheidenden staatlichen Institutionen, alle Hebel der Macht, werden von der Bour­geoisie kontrolliert, und die soziale Revolution in Venezuela ist nicht ein Akt in der Vergangenheit sondern bleibt die Herausforderung der Zukunft.

Was bleibt?

Kulturelle Traditionen sind davon geprägt, dass sie sich nur langsam und unter harter Bearbeitung durch die soziale Realität verändern oder anderenfalls in erstarrter Form gänzlich verschwinden. Mit politischen Traditionen ist es durchaus ähnlich. Im Gegensatz zur pabloisti­schen Praxis seit den 50er Jahren, ruft der RSB nicht zum Entrismus in die Sozialdemokratie auf. In einer klassischen 180 Grad-Wendung sieht man nun in der SPD eine gänzlich bürgerliche Partei. Ironischer­weise bedeutet dies, dass, dem RSB zufolge, die politischen Positionen seiner Vorläuferorganisationen in Deutschland bezüglich der SPD für mehr als drei Jahrzehnte komplett falsch waren. Der RSB versucht nicht einmal zu erklären, wie es dazu kommen konnte, dass die IV. Internationale für so lange Zeit in Deutschland politisch im Dunkeln tappte.

Eine solche Analyse ist politisch zu riskant, denn sie würde zutage bringen, dass die treibende politische Methode zu Zeiten von Michel Pablo und Ernest Mandel der Glaube an den „objektiven Prozess“ war. Während dieser zur damaligen Zeit Unterstützung von Willy Brandt legitimierte, dient der gleiche „objektive Prozess“ heute zur Unterstützung des bürgerlichen Populisten Chávez. Die Namen haben sich geändert, aber die Methode bleibt die gleiche (siehe auch Ursprünge des Pabloismus). Die politischen Resultate sind entsprechend ähnlich. Ob Bürgerinitiativen in Deutschland oder bürgerliche Politiker in Venezuela, der RSB steht immer bereit, um die progressiven Tendenzen zu bejubeln, vorausgesetzt, dass es eine „Massenunterstützung“ gibt. Je populärer die „Bewe­gung“ desto unkritischer der RSB.

In dem Maße wie die Dynamik der Bewegung gelobt wird, wird auch die Bedeutung der revolutionären Partei gemindert. Wie andere zentristische Organisationen zuvor, hat auch der RSB die Tendenz, den Massen politisch hinterher zu laufen, denn nichts ist für sie schlimmer als die Vorstellung, dass eine marxistische Kritik eine Reihe von Leuten befremden könnte. Solange dieses Kalkül die politische Methode bleibt, wird der RSB zusammen mit der IV. Internationale von einer politischen Sackgasse in die nächste laufen.