Beilagen-Kreis im Radius der SPD

Zur Vereinigungsdebatte von BWK, GIM, KPD

Einleitung

Die in die Jahre gekommene linke Szene der BRD ist seit einiger Zeit Zeuge eines widersprüchlichen Neuformierungsprozesses im Spektrum der Organisationen jenseits der bürgerlichen Arbeiterparteien SPD und DKP.

Eines der greifbaren Resultate dieses Prozesses ist die anstehende Fusion von GIM und KPD. Man rieb sich die Augen: Die KPD, die 1975 noch als KPD/ML mit ihrem Namensvetter KPD ihren „Argumenten“ gegen den Trotzkismus mit Eisenstangen und Ketten Nachdruck verliehen hatte, sucht heute den organisatorischen Zusammenschluß mit Sachwaltern „des Blocks der Rechten und Trotzkisten gegen die Diktatur des Proletariats”.

Ein „undogmatisches Parteiverständnis“ ist auch im „Beilagen-Kreis“ angesagt, der im wesentlichen vom Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) als nicht mehr so neues rotes Forum zur Vereinheitlichung der „revolutionären Sozialisten“ initiiert wurde. Neben den bereits teilnehmenden Gruppierungen anarcho-syndikalistischer und ex-maoistischer Couleur — einschließlich der KPD und der sich auf den Trotzkismus berufenden GIM — versucht man hier auch MLPD und KB an den Beilagen-Tisch zu bekommen.

Der in den GRÜNEN und der Friedensbewegung verhedderte KB zieht es jedoch vor, von außen vorwiegend die GIM und die geplante Fusion mit der KPD zu torpedieren, während die MLPD die virulent antisowjetische Fahne des „Marxismus-Leninismus“ weiter schwenkt und auf die KPD-Abspaltungen der Fusionsgegner spekuliert.

In diesem Clinch aller zusammen und jeder gegen jeden wurde bisher als vereinheitlichendes Moment für GIM und KPD die Organisierung einer „Bewegung für die 35-Stunden-Woche von unten“ erkennbar, in Wahrheit eine Flankendeckung für die DGB-Bürokratie von links. Der BWK, dessen eigene programmatische Logik zunehmend ins Lager der DKP verweist, sieht durch die bevorstehende Fusion von GIM und KPD seine Felle der gemeinsamen „revolutionären Volksfrontpolitik“ davonschwimmen und bemüht sich vor allem um einen Schulterschluß des Beilagen-Kreises beim „Kampf gegen die Reaktion”. Da zudem die theoretischen Diskussionen als solche ins Leere laufen, erweist sich der BWK als Motor, den Vereinheitlichungsprozeß über gemeinsame Praxis voranzutreiben. Seine zentrale Orientierung (und die der GIM) auf eine gemeinsame Kandidatur in Gestalt eines Wahlbündnisses zu den Bundestagswahlen 1987 wurde jedoch durch die wahlmüde KPD-Mitgliedschaft abgelehnt. Was bleibt, ist der Versuch, auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners eine „revolutionär-sozialistische”, links-sozialdemokratische Wahlpropaganda zu organisieren.

Auslöser des Neuformierungsprozesses sind die ehemals maoistischen Organisationen BWK und KPD, die noch immer am Offenbarungseid stalinistischer Politik chinesischer Variante zu knabbern haben.

Ende der 70er Jahre hatten nach Drei-Welten-Theorie und Politik der Vaterlandsverteidigung KPD, KPD/ML und KBW ihren Zenit überschritten. Der noch keiner stalinistischen Organisation bekommene Verlust des sozialistischen Vaterlandes läutete mit Kaderreduzierung und Spaltungen schließlich den Aschermittwoch des westdeutschen Maoismus ein; es kriselte in allen sich auf den „Marxismus-Leninismus“ berufenden Organisationen. Einige Vereine schafften sich gleich, andere etwas später selbst ab. Konsequenz bewies die KPD, die ihre Partei in die sich konstituierenden GRÜNEN auflöste und deren Ehemalige heute vorwiegend auf dem deutsch-nationalen Flügel der GRÜNEN ihr Unwesen treiben. KPD/ML und die KBW-Abspaltung BWK wollten den Schritt der Selbstauflösung nicht nachvollziehen und sind jetzt — nach fünfjähriger links-reformistischer Praxis — als zweites Aufgebot beim Infragestellen der eigenen Politik angekommen.

Wenn auch einige Kostüme der ML-Zeit inzwischen abgetragen worden sind, so hat die reformistische Substanz des Maoismus den Maskenball der ML-Bewegung überdauert und findet heute die willkommene Ergänzung in einer GIM, die ihre eigene Orientierung auf die Sozialdemokratie am konsequentesten theoretisiert und am schamlosesten in die Praxis umgesetzt hat.

Der gesellschaftliche Hintergrund dieser Bewegung und der damit verbundenen partiellen Offenheit innerhalb der Linken ist die wachsende Stärke des BRD-Imperialismus mit seiner immer offenkundigeren Aggressivität nach innen wie außen. Der mißlungene Parteiaufbau zum Kampf gegen diesen Imperialismus sowie der gescheiterte Versuch, kleinbürgerliche Bewegungen und die GRÜNEN für die eigenen Ziele zu instrumentalisieren, enden heute in einer Flucht nach vorn. Teile der auf die eigenen schmalen Reserven zurückgeworfenen Linken versuchen sich über eine Sammlungsbewegung in einer „linken“ Gesamtpartei auf der Minimalbasis Klassenkampf contra Wenderegierung zu einigen.

Mit dieser reduzierten Orientierung gerät die Rest-Linke jedoch — gerade auch durch die wachsende Verteidigungsbereitschaft der westdeutschen Gewerkschaftsbewegung gegen die Bonner Koalition — weiter in den politischen Sog der SPD. Die erstrebte Partei der „revolutionären Sozialisten“ wird so zur letzten Hürde vor dieser dominierenden bürgerlichen Kraft in der westdeutschen Arbeiterbewegung und ihres Transmissionsriemens DGB-Bürokratie werden.

Die Möglichkeit einer relativen Stabilisierung der DKP, die sich als Sprachrohr der sowjetischen Bürokratie gegen NATO-Kriegspläne mit ihrer SPD-Aufguß-Politik noch Sympathien in linken und liberalen Kreisen erfreuen darf, gilt als zusätzlicher Ansporn, die eigene Theorie und Praxis zu hinterfragen.

Eingeklemmt zwischen maoistischer Vergangenheit und realpolitischer sozialdemokratischer Zukunft spricht der BWK den Organisationen des Beilagen-Projekts aus der Seele, wenn er schreibt: „Der Abgrenzungstrieb wächst aus unbedachtem Streben nach Konkretisierung … Wer z.B. seine Ansichten über die Aufgaben der Revolutionäre in der BRD verschlüsselt in Darlegungen über die Politik der KPdSU und Stalins z.B. im Jahre 19.. in Sachen xyz, läuft Gefahr, sowohl über die Vergangenheit wie die Gegenwart und besonders die Zukunft Unsinn zu reden. Wer hätte solche Fehler noch nicht gemacht … Auf der Suche nach positiven oder negativen geschichtlichen Beispielen vertut man seine Zeit. Dennoch wird die Handlungsfähigkeit der Revolutionäre in der BRD entscheidend davon abhängen, wie weit sie in der Erarbeitung eines geschichtlichen Verständnisses kommen“ (Beilage 2/85).

Der hier anklingende Hang zu einem jungfräulichen Politikverständnis wird dann auch sogleich revidiert, indem der BWK selbst den versammelten Linken eine Minimalplattform von stalinistischen Versatzstücken vorschlägt. Auch wir behaupten, daß eine Politik der tabula rasa nicht funktionieren wird und sehen uns bestätigt in der zu konstatierenden Polarisierung des Beilagen-Kreises gerade in der Frage der Einschätzung der Sowjetunion.

Das tendenzielle Aufbrechen bisher verfestigter Strukturen der angesprochenen Organisationen bietet Chancen, grundsätzliche Fragen revolutionärer Strategie und Taktik in der BRD im Rahmen einer internationalistischen Perspektive aufzuwerfen. Das heißt eine wirkliche Debatte zu führen, um möglichst viele subjektive Revolutionäre zur kritischen Überprüfung ihrer bisherigen politischen Praxis zu bewegen. Dies geht weder mittels scholastischer Übungen noch über eine Politik der gemeinsamen Propaganda mit letztendlich widersprüchlichen Programmen. Wir kommen dem Ziel einer wirklichen Auseinandersetzung nur näher durch programmatische Diskussionen über Kernfragen des Klassenkampfes und durch gemeinsame Aktionen — nicht Propaganda — gegen den Klassenfeind.

Der stattfindende Differenzierungs- und Vereinigungsprozeß ist nämlich an der Notwendigkeit zu messen, auf ausgewiesenen programmatischen Grundlagen die Verschmelzung linker Militanter in einer revolutionären Arbeiterpartei voranzutreiben, welche gegen den sozialdemokratischen Einfluß in der Arbeiterklasse aufgebaut werden muß.

Sozialdemokratie und Stalinismus sind Zwillingsbrüder, bürgerliche Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung, mit gravierenden, aber keineswegs qualitativen Unterschieden. Das Infragestellen der ultralinken und demokratischen maoistischen Schalen ist deshalb nur dann sinnvoll, wenn zum Kern des stalinistischen Reformismus vorgedrungen wird, in deren Tradition die ex-maoistischen Gruppierungen stehen. Der Bruch mit jedwedem Reformismus ist die Voraussetzung — wenn auch nicht Garantie — für eine revolutionäre Politik in der Zukunft.

Die im folgenden erläuterten programmatischen Punkte sind für uns Trotzkisten Eckpfeiler der aktuellen Bestimmung revolutionären Handelns.

März 1986

Zurück zum Inhaltsverzeichnis Zum nächsten Kapitel