Für Arbeiteraktionen zur Verteidigung der DDR

Gegen die ‚linken‘ Wiedervereiniger auf Raten in Ost und West – Für proletarische politische Revolution

I. Die gegenwärtige Situation im bürokratisch deformierten Arbeiterstaat DDR

De Maiziere spricht von der schwersten Krise seit Bestehen der DDR. Was 40 Jahre stalinistische Herrschaft nicht bewerkstelligten, organisiert dieser Herr in 40 Tagen. Die Chefetagen des BRD-Kapitals verkünden eine Katastrophenmeldung nach der anderen für die DDR-Bevölkerung, während die neue Regierung die letzten Vorbereitungen trifft, die durch Bonn organisierte kapitalistische Wiedervereinigung bei den werktätigen Massen der DDR durchzusetzen. Stichtag 1. Juli — Währungsunion, d. h. Preise wie im Westen bei alten Einkommen, Halbierung der Sparguthaben, massivste Reduzierung aller bisher üblichen sozialen Leistungen etc., ist gleichzeitig der erste Tag, an dem für Hunderttausende die Arbeitslosigkeit beginnt. Im Staatsvertrag verpackt soll die DDR der deutschen Bourgeoisie übergeben werden. Die berechtigte Angst vor Rückschlägen treibt Bonn zur Eile: Gesamtdeutsche Wahlen sollen die dringende, politisch-militärische Kontrolle absichern. Der Arbeiterstaat DDR steht kurz vor dem Untergang.

Mitentscheidend für die heutige Situation waren die „freien Wahlen“ zur Volkskammer am 18. März. Millionen ließen sich die Bosse ihre Wahlpropaganda kosten, um auch den Letzten von der D-Mark träumen zu lassen. Eine Analyse der Forschungsgruppe Wahlen besagt, daß 60% der Arbeiterklasse für die Allianz gestimmt haben soll. Daß sich damit ein großer Teil für die offene Konterrevolution, d. h. die kapitalistische Restauration entschieden hat, ist eine Niederlage, ein Einschnitt, der den vorläufigen Tiefpunkt des Klassenbewußtseins seit dem Aufbrechen der stalinistischen Herrschaft markiert.

Im Unterschied zur bonapartistischen Modrow-Regierung kann sich die Regierung aus Allianz, SPD und Liberalen nun sogar „demokratisch“ legitimieren. Sie ist eine prokapitalistische Regierung auf bürgerlich-parlamentarischer Grundlage, deren Aufgabe darin besteht, den deformierten Arbeiterstaat DDR endgültig zu Fall zu bringen und durch Anschlußpolitik an die BRD den Kapitalismus zu restaurieren. Sollte ihr dies gelingen, würden die Werktätigen in der DDR ihre historischen Errungenschaften verlieren: nämlich die durch die entschädigungslose Enteignung der Kapitalistenklasse erst möglich gewordene soziale Absicherung

aller. Die notwendige Bedingung, um im Interesse der Arbeitenden zu planen und nicht nach Maßgabe des Profits, ist die Verfügungsgewalt des proletarischen Staates über die Produktionsmittel. Erst dadurch können z.B. das Recht auf Arbeit verwirklicht, gleiche Bildungschancen für alle garantiert und für alle gleichermaßen erschwingliche soziale und medizinische Dienste und Konsumgüter bereitgestellt werden. All das gab es bislang in der DDR — trotz der schmarotzenden, selbstsüchtigen stalinistischen Bürokratie.

Die Regierung de Maiziere ist der Statthalter einer der stärksten imperialistischen Mächte. Der Schaffung eines großdeutschen Reichs kommt für das BRD-Kapital eine Schlüsselrolle bei der Eroberung der Märkte im Osten zu. Der Bankrott des Stalinismus und der drohende Zusammenbruch der deformierten Arbeiterstaaten öffnet dem internationalen Kapital Tür und Tor. Mit einem wiedergeschaffenen Großdeutschland würde die Vormachtstellung der deutschen Bourgeoisie in Westeuropa weiter ausgebaut und damit auch ihr Gewicht im Kampf um den Weltmarkt v.a. gegen die USA und Japan gewaltig erhöht. Angesichts der Verschärfung innerimperialistischer Konkurrenz bedeutet die kapitalistische Wiedervereinigung mittelfristig Krieg.

Gefährlicher Ausdruck der gewachsenen Stärke des BRD-Imperialismus ist die Welle des Nationalismus, die selbst weite Teile der Arbeiterklasse erfaßt. U m den Klassenfrieden mit der Bourgeoisie zu sichern, sollen die deutschen Arbeiterinnen und Arbeiter gegen ihre ausländischen Kollegen aufgehetzt werden. Drohende Massenarbeitslosigkeit zusammen mit Ausländergesetzen und Asylbeschränkungen schaffen die Stimmung, die die Faschisten für ihre Zusammenrottung benötigen. DSU bis SPD verharmlosen den mittlerweile täglichen rassistischen Terror der braunen Pest. Kontrolliert lassen die bürgerlichen Politiker die Nazi-Banden gewähren — das Kapital weiß, daß es diese bei der Zuspitzung von Klassenkämpfen als Stoßtrupp gegen die Arbeiterorganisationen gebrauchen kann.

Auch für die Lohnabhängigen in der BRD wird die kapitalistische Wiedervereinigung scharfe Angriffe auf die soziale Lage und politischen Rechte zur Folge haben, denn die Einführung des Kapitalismus in der DDR und die geplante ökonomische Unterjochung der Völker des Ostens kann die Bourgeoisie nicht ohne die weitere Auspressung der westdeutschen Arbeiterklasse finanzieren. Die Zunahme der im Westen schon existierenden Massenarbeitslosigkeit um Millionen in der DDR wird den Druck auf das BRD-Proletariat erhöhen. U m einer möglichen Solidarisierung der Arbeiter in BRD und DDR zuvorzukommen, peitschten die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen rechtzeitig ihren Verrat im Arbeitszeitkonflikt durch; die Gewerkschaftsbasis soll in dieser Frage für 8 Jahre schweigen.

So stehen die Werktätigen der DDR zunächst einmal allein im Kampf gegen die Ausweitung des BRD-Imperiums nach Osten. Zentral für die kommenden Auseinandersetzungen ist, wie groß ihr Widerstand gegen die Reprivatisierungsmaßnahmen sein wird und ob ein überspringender Funke auch die Glut im Westen zu einem Feuer entfachen kann.

Zur Einschätzung der aktuellen Situation ist es wichtig, kurz die politische Entwicklung zu skizzieren, die die DDR-Arbeiterschaft in eine so bedrohliche Situation gebracht hat. Die stalinistische Bürokratie der Sowjetunion praktizierte über 60 Jahre ihre antileninistische Politik der friedlichen Koexistenz, die dem Imperialismus zu einer solchen Übermacht verhalf, daß er heute kurz davor ist allen deformierten Arbeiterstaaten die Gurgel zuzudrücken. Die durch Perestroika und Glasnost geschaffene Paralysierung der UdSSR nötigte den Kreml, die Zügel im Warschauer Pakt zu lockern. So wurde die von Gorbatschow geduldete Grenzöffnung Ungarns im Sommer 1989 zum Auslöser einer spontanen Volksbewegung in der DDR, die sich gegen die stalinistischen Betonköpfe und deren Privilegien richtete sowie für Reisefreiheit kämpfte. Diese Oppositionsbewegung hatte Anfang November ihren Höhepunkt erreicht, die Heterogenität der sie treibenden Kräfte wurde nun ‘deutlich. Es hätte des Eingreifens der Arbeiterbewegung und an ihrer Spitze einer revolutionären Partei bedurft, die rechten Kräfte zu isolieren und den begonnenen Prozeß erfolgreich zu Ende zu führen, d. h. die stalinistische Bürokratie endgültig zu beseitigen und eine Räterepublik zu errichten. Da aber diese Partei mit dem entsprechenden Einfluß unter den werktätigen Massen nicht vorhanden war, gab es keine organisierte Kraft, die dem bürgerlichen Einfluß in der Massenbewegung etwas entgegenzusetzen vermochte. So mußte die politische Entwicklung notwendigerweise immer mehr nach rechts gehen.

Dieser Prozeß war mit schweren Erschütterungen innerhalb der SED-Bürokratie verbunden. Honecker war nicht mehr zu halten und wurde durch seinen Kronprinzen Krenz ersetzt. Aber auch Krenz und Schabowski konnten den rapiden Zerfallsprozeß der Bürokratie nicht stoppen und so traten Modrow und Gysi als letzte Hoffnungsträger der Stalinisten auf den Plan. Von nun an wurde immer deutlicher, daß die Bürokratie mehr und mehr vor den Rechtskräften kapitulierte, um dann voll auf die Restauration des Kapitalismus zu setzen. Der Umschlagpunkt auf Regierungsebene war die Bildung der sogenannten „Koalition der Vernunft“. Diese Große Koalition begann gemeinsam mit dem Runden Tisch, die Restauration des Kapitalismus in der DDR vorzubereiten. Welche Politik setzten nun die linken Parteien dieser Entwicklung bislang entgegen?

Die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), mit Gysi an der Spitze, betreibt eine Politik der „Wiedervereinigung auf Raten“. Unter Ausnutzung der berechtigten sozialen Ängste der DDR-Bevölkerung, versucht sie sich mit ihrem Slogan: „Wir machen die Schwachen stark“ zu profilieren. Jedoch akzeptiert sie die „soziale Marktwirtschaft“, also kapitalistische Verhältnisse und deren Profitlogik, die die Bevölkerung ins Elend treibt und damit Armut zu einem selbstverständlichen Bestandteil der DDR-Gesellschaft machen wird. Die PDS ist für die kapitalistische Wiedervereinigung — ihre Einschränkungen und halbherzigen „Bedingungen“, mit denen sie immer noch Massen ködern kann, dienen der Bürokratie nur dazu, sich der Bourgeoisie als Verhandlungspartner zu empfehlen, zur Sicherung privilegierter Posten im Kapitalismus. Die PDS-Führung hat kampflos kapituliert. Zu dieser Einsicht muß man den Arbeitern, die auf die PDS setzen, verhelfen. Wie bereitwillig die PDS-Führung vor der DM-Demokratie auf dem Bauch rutscht, konnte bei der Inthronisierung de Maizieres in der „frei“ gewählten Volkskammer verfolgt werden. Nicht nur, daß Gysi diesen Repräsentanten Bonns wegen seines angeblichen Festhaltens an der DDR-„Eigenständigkeit“ lobte; die PDS-Führung leistete sich auch noch den Skandal, in der Gethsemane-Kirche sich dazu den Segen Gottes verabreichen zu lassen.

Kapitulant Nr. l, „Deutschland einig Vaterland“-Modrow, wurde von allen PDS-Strömungen zum Spitzenkandidat gekürt. Auch die „kommunistische Plattform in der PDS“ hat so dazu beigetragen, daß die Illusionen in ein kapitalistisches Großdeutschland verbreitet und gefestigt werden. „Gegen Zersplitterung und für Einheit der Linken“ lautet ihr Werbespruch, um linke Kräfte an eine Partei auf dem Weg zu Kautsky und Bernstein zu binden. Kommunistische Ziele werden damit auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner mit christlichen, sozialdemokratischen und sonstigen Plattformen in der PDS ad acta gelegt.

Im Windschatten der PDS bewegt sich die restliche DDR-Linke, d. h. alle Organisationen haben sich mit der kapitalistischen Wiedervereinigung mehr oder minder offen abgefunden. Es geht ihnen letztlich nur noch darum, den Anschluß mit sozialen bzw. demokratischen Forderungen zu begleiten.

Die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) erklärt sich zwar defensiv für eine „souveräne DDR“, ihr reformistisches Programm sabotiert jedoch einen konsequenten Kampf gegen das Kapital. So verlangt sie, daß „gesellschaftliches und privates Eigentum gleichermaßen gefördert werden (sollen)“. Deshalb ist es verständlich, daß diese Partei zu keinem Zeitpunkt die Arbeiterklasse offensiv zu Aktionen gegen das eindringende BRD-Kapital aufgerufen hat.

Klassen und Klassengegensätze scheinen für die KPD nicht zu existieren, stattdessen weckt sie z.B. Illusionen in eine „weltweite Entmilitarisierung zugunsten der Ökologie“. Glauben die Genossen wirklich an einen sauberen „friedlichen Imperialismus“, den man à la Stalin nur noch zur „friedlichen Koexistenz“ zwingen muß? Wir verteidigen dagegen Luxemburgs und Liebknechts scharfe Abrechnung mit der damaligen USPD; ihr revolutionärer Antimilitarismus gegenüber dem kleinbürgerlichen proimperialistischen Pazifismus lag auf einer Linie mit dem Kampf Lenins und Trotzkis für die Verteidigung der Oktobererrungenschaften durch internationale Arbeitermobilisierung. Die KPD sieht sich dagegen „klassenneutral“ als „Bestandteil der demokratischen Bewegung“. Das führte sie zur Unterstützung der Regierung Modrow im Rahmen einer „kooperativen Zusammenarbeit zur gegenseitigen Annäherung aller europäischen Völker“. Allerdings bleibt die Verteidigung der DDR bei einer solchen Politik, die statt Arbeiterstaaten und Kapitalismus nur noch Völker kennt, auf der Strecke. Nach der Gründung der KPD zur Jahreswende 1918/19 konnte Rosa Luxemburg berechtigterweise sagen: „Wir sind wieder bei Marx, unter seinem Banner“. Mit dieser Tradition der deutschen Arbeiterbewegung hat die KPD nichts zu tun. Worum handelt es sich also, wenn sie erklärt: „Eine Kommunistische Partei Deutschlands — in einer Deutschen Demokratischen Republik, das ist unser Ziel“? Etikettenschwindel!

Vom gleichen programmatischen Kaliber ist die Vereinigte Linke (VL), deren reformistische Politik sich nur in einer „neulinkeren“ Form präsentiert. In ihrem vorläufigen Programm tritt sie zwar formal für Sozialismus und gegen die „Konjunkturritter des Ausverkaufs“ ein, doch was heißt das für die VL konkret? Für eine „Vertragsgemeinschaft“ mit dem BRD-Imperialismus, für „die Entwicklung enger wirtschaftlicher und politischer Beziehungen unter Berücksichtigung der Existenz zweier souveräner Staaten gegensätzlichen sozialökonomischen Charakters bei Ausbau aller Aspekte des gemeinsamen nationalen Zusammenhangs“. Mit anderen Worten: Arbeiterstaat und Imperialismus beim nationalen Ausritt — nur wer, Genossinnen und Genossen der VL, wird dabei Roß und wer Reiter sein, angesichts einer alle Kontinente ausbeutenden BRD? Die VL ist nicht prinzipiell gegen die Rekapitalisierung, stattdessen tritt sie für die „Umwandlung staatlicher in genossenschaftliche Betriebe, die Bildung von Genossenschaften und Unternehmen mit privater und ausländischer Kapitalbeteiligung sowie die Gründung von Privatunternehmen“ ein, aber bitte mitbestimmt durch Betriebsräte und mit gewerkschaftlichen Rechten! Das ist die Art von Basisdemokratie der VL, mit der die Arbeiter durch „Demokratisierung der Arbeitswelt“ Schritt für Schritt den Sozialismus erreichen sollen. „Selbstverwaltetes Betriebseigentum“ soll dabei das Fundament darstellen, das jedoch nicht eine gesamtgesellschaftlich sinnvolle Produktion, sondern betriebliche Konkurrenz wie in Jugoslawien bringen würde. In der Praxis hat die VL bereits bewiesen auf wessen Seite sie steht: Durch ihre Teilnahme am konterrevolutionären Runden Tisch organisierte sie „kritisch“ den Ausverkauf der DDR mit!

Der Unabhängige Frauenverband (UFV) war sich nicht zu schäbig, getreu seiner Politik am Runden Tisch „das Schlimmste für Frauen zu verhindern“, auch noch die Vorsitzende der Kommission für die Durchführung der konterrevolutionären Volkskammerwahlen zu stellen. In seinem Programm tritt der UFV für „eine Marktwirtschaft (ein), die bei staatlicher Rahmenplanung Ökologie, Demokratie und progressive Sozialpolitik verbindet“, während er in seinem Wahlprogramm zusammen mit den Grünen zynischerweise eingestehen mußte: „Auch bei einem Anschluß an die BRD bleibt die Tatsache: Der notwendige tiefgreifende Strukturwandel wird nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer haben“. Die Verlierer werden in erster Linie Verliererinnen sein, wenn es unter Anderen auch dem UFV weiter gelingt, Frauen in die kapitalistische Sackgasse irrezuleiten. Die Lila Offensive (Mitglied im UFV) bringt in ihrem Sofortprogramm die feministische Logik auf den Punkt, als sie gleich die „Quotierung bei Einstellung und (!) Entlassung“ forderte. Von den Feministinnen können die Frauen in der DDR keinen erfolgreichen Kampf für die Sicherung ihrer Errungenschaften erwarten — Emanzipation in der Zukunft bleibt ohne die Verteidigung des Erreichten eine Utopie.

Die einzige politische Kraft, die ohne Wenn und Aber gegen die kapitalistische Wiedervereinigung und für eine sozialistische Räterepublik bei den Volkskammerwahlen antrat, war die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands (SpAD). Aus diesem Grund erhielt sie von der Gruppe IV. Internationale kritische Wahlunterstützung. Das Wahlergebnis (0,02% der Stimmen) stellt für die SpAD eine schallende Ohrfeige dar und ist eine eindeutige Niederlage. Alle Umdeutungsversuche sind nur Augenwischerei, sie sind der kleinlaute Versuch von ihrer „Massen“linie abzulenken, 25-30% der DDR-Bevölkerung für das Wahlprogramm der SpAD gewinnen zu können. Nachdem sie auf der Suche nach der „Einheit mit der SED-PDS“ vor dieser kapituliert, Modrow, Gysi & Co geschont hatte, sollte ihr sektiererischer Pseudo-Massenwahlkampf ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit der DDR-Linken (inklusive bürokratischer Diskussionsbehinderungen) von der eigenen politischen Schwäche ablenken. Statt zu sagen was ist, geht es in dieser bürokratischen Organisation nur um den Erhalt der eigenen Existenz, d. h. der Führungsclique. Und so war zu erwarten, daß auch die SpAD vor dem Druck der Wiedervereiniger umfällt: Um den Anschluß nicht zu verpassen, marschierte sie in der sozialdemokratisch organisierten Wiedervereinigungsparade am 1. Mai zusammen mit SPD/PDS durchs Brandenburger Tor. Auch die SpAD setzt jetzt auf die „Einheit“ der deutschen Arbeiter, obwohl es doch darum geht, gegen die prokapitalistische Einheitspolitik der SPD in der Arbeiterklasse aufzutreten. Die „gesamtdeutsche“ (!) „Sektion“ der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL) ist keine Alternative für Revolutionäre!

II. Anwendung des Übergangsprogramms für die DDR

Es stellt sich die Frage: Wie verhalten sich Revolutionäre in einer Situation, in der der endgültige Sieg der Konterrevolution droht und jede linke Partei in der einen oder anderen Weise vor diesem Druck kapituliert?

Die Ausgangslage für das Proletariat ist heute zweifellos schlechter als zu Beginn der Massendemonstrationen gegen die SED-Herrschaft: Zum einen konnte die Bourgeoisie mit der Etablierung der prokapitalistischen Regierung einen bedeutenden Einbruch erzielen, zum anderen sind große Teile der Arbeiterbewegung zunehmend demoralisiert und irregeleitet vom Reformismus.

Doch der Stand des Klassenbewußtseins ist nichts Unveränderliches. Gestern noch CDU und SPD in die Regierung gebracht, gehen heute die ersten Arbeiter mit Warnstreiks gegen die gewählte Politik auf die Straßen. Die notwendigen Abwehrkämpfe finden zunächst unter der Führung von PDS- und SPD-Gewerkschaftsbürokraten statt, deren Ziel es ist an der Basis Dampf abzulassen. Den Reformisten geht es darum eine konsequente Interessendurchsetzung abzuwürgen und der anvisierten Marktwirtschaft den sozialen Frieden zu erhalten: Die Aneignung der DDR soll für die Bourgeoisie kalkulierbar bleiben. Dennoch bieten diese zunächst zaghaften Klassenauseinandersetzungen Möglichkeiten, an denen Revolutionäre ansetzen können, um die Arbeiter vom Reformismus zu brechen. Soll die Restauration des Kapitalismus in der DDR verhindert werden, ist es erforderlich unter der zentralen Losung: „Für Arbeiteraktionen zur Verteidigung der DDR“, die beginnenden Abwehrkämpfe mit dem Ziel des Sturzes der Volkskammer zu verbinden.

1. Die Arbeiterklasse muß sich eigene unabhängige politische Machtinstrumente schaffen

a) Es nutzte der FDGB-Spitze gar nichts immer wieder ihre Verhandlungsbereitschaft mit den Westgenossen von Meckel und Böhme zu signalisieren, angefangen mit der Zustimmung zum PDS-Bekenntnis zur „deutschen Einheit“. Die DGB-Führung und de Maiziere sind sich einig: Der FDGB, eine der letzten Zufluchtstätten für die stalinistischen Bürokraten ist kein Verhandlungspartner für Antikommunisten. Die FDGB-Führung warf das Handtuch, als die Führung der IG Bergbau, Energie und Wasserwirtschaft, ganz im Sinne der mitregierenden SPD, verkündete, daß die FDGB-Forderung nach Erhöhung der Einkommen um 100% und Verkürzung der Arbeitszeit überzogen sei. 50% Lohnerhöhung und 30% Teuerungszuschlag haben nach Meinung dieser Herren zu genügen. Und sie wiegeln ab: Warnstreiks gefährdeten Arbeitsplätze in der DDR, die FDGB-Androhung eines Generalstreiks mußte vom Tisch! Die sozialdemokratische Gewerkschaftsführung ist keine Alternative zur stalinistischen! Innerhalb der Gewerkschaftsorganisationen treten Kommunisten konsequent auf gegen die sozialdemokratischen, mitbestimmungsorientierten sozialpartnerschaftlichen Betriebsräte nach bundesdeutschem Vorbild, ebenso gegen die sozialdemokratische Vereinigung von DGB- und FDGB-Gewerkschaften. Die vor der Kapitaloffensive kapitulierende Gewerkschaftsspitze muß durch eine entschlossene, revolutionäre Gewerkschaftsführung ersetzt werden. Es geht um den Aufbau einer konsequenten Gewerkschaftsfraktion auf revolutionärem Programm.

b) Gegen geplante Entlassungen, Lohnraub, Teuerung wie Mietpreissteigerungen und Inflation sind entschiedene Kampfmaßnahmen erforderlich. Gegen die Politik des „Gürtel enger schnallen“, auch Austeritätspolitik genannt, gegen die Übernahmeoffensive des BRD-Kapitals müssen Streiks geführt werden. Jedoch werden nicht Warnstreiks, die ihrer Form nach schon die Möglichkeit zur Kapitulation beinhalten, zum Erfolg führen. Die Streiks müssen ausgeweitet werden. Nur so kann die Arbeiterklasse ihre Interessen verteidigen. Gegen die Versuche den Streik zu brechen und gegen Provokateure müssen Streikpostenketten gebildet werden.

c) Wer hat die Betriebsdirektoren legitimiert, hinter dem Rücken der Belegschaften, über joint ventures Arbeitereigentum an die westdeutschen Monopole zu verhökern? BRD-Ökonomen diskutieren offen den Zusammenbruch der DDR-Industrie; ein Drittel der DDR-Beschäftigten soll sich zu den über 2 Millionen offiziellen Arbeitslosen der BRD gesellen. Betriebsbesetzungen gegen den Ausverkauf müssen den deutschen Imperialisten und ihren Agenten in den DDR-Chefetagen einen Strich durch die Rechnung machen; jede Besetzung stellt deren Machtstellung in Frage.

d) Wer sichert die Verfügungsgewalt des Staates über die Produktionsmittel? Wer organisiert die Streiks und Betriebsbesetzungen? Um ein Gegengewicht zum Willen der Direktion zu schaffen, ist es notwendig in den Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen unabhängige Organe, Komitees, zu wählen, die Streiks, Betriebsbesetzungen und die Arbeiterkontrolle über die Produktion durchsetzen. Die Delegierten in diesen Komitees sind Arbeiter, Angestellte und loyale Angehörige des ingenieurtechnischen Personals. Jeder Werktätige hat das Recht, sich mit seinen Problemen und Anliegen an diese Komitees zu wenden. Die Delegierten sind ihren Wählern, also der Belegschaft, jederzeit rechenschaftspflichtig und natürlich auch jederzeit abwählbar. Keine Frage im Betrieb, seien es Produktionsumstellungen, Personalfragen oder Umstellungen im Lohngefüge, darf ohne diese Komitees entschieden werden. In dieser Körperschaft finden freie und offene Debatten über alle anstehenden Probleme statt und es werden Mehrheitsentscheidungen gefällt.

e) Die drohenden Massenentlassungen im Zuge der Reprivatisierung der Volkseigenen Betriebe werden zuerst Frauen, Ausländer und Behinderte treffen, die chauvinistisch als nicht profitabel und überflüssig ausgegrenzt werden sollen. Wir fordern dagegen die Sicherung des Rechts auf Arbeit und eine menschenwürdige Existenz für alle. Der Abbau von Subventionen für Kinderbekleidung und Druckerzeugnisse war nur der Anfang. Der Subventionsabbau für Grundnahrungsmittel, Dienstleistungen und Mietpreissteigerungen sowie weitere Preiserhöhungen folgen bereits. Angesichts dieser sich weiter verschärfenden Teuerungswelle ist eine unserer Forderungen die gleitende Lohnskala. Das heißt die Betriebe müssen einen automatischen Lohnanstieg entsprechend dem Preisanstieg für Grundnahrungsmittel, Mieten, Konsumgüter usw. zahlen. Andererseits geht es darum, zu verhindern, daß ein ständig wachsender Teil der Arbeiterschaft als chronisch Arbeitslose dahinvegetiert. Die industrielle Reservearmee ist den Kapitalisten nützlich, um vor Kämpfen gegen verschärfte Ausbeutung und Lohnraub mit Entlassungsandrohungen einzuschüchtern. Der sich abzeichnenden Arbeitslosigkeit gilt es mit der Forderung der gleitenden Skala der Arbeitszeit entgegenzutreten. Auf dieser Grundlage muß die gesamte vorhandene Arbeit unter allen vorhandenen Arbeitern aufgeteilt werden, und so die Länge der sich verkürzenden Arbeitswoche bestimmt werden. Der Durchschnittslohn jedes Arbeiters bleibt der gleiche wie in der alten Arbeitswoche.

f) Eine weitere zentrale Forderung, die die Betriebskomitees in Angriff nehmen müssen, ist die Forderung nach Öffnung der Geschäftsbücher. Die Machenschaften der Wirtschaftsbürokraten, Wendehälse und neuen Manager müssen aufgedeckt werden. Die unmittelbaren Aufgaben der Arbeiterkontrolle bestehen darin, Soll und Haben der Gesellschaft, angefangen im eigenen Betrieb, offenzulegen. Beginnend bei der Entwicklung, über die Produktion und Materialbeschaffung bis hin zum Absatz der Erzeugnisse, muß alles unter die Kontrolle der Betriebskomitees gestellt werden.

2. Die Ausweitung der Komiteebewegung bis hin zum überbetrieblichen republikweiten Zusammenschluß

Einzelne Betriebskomitees, die isoliert voneinander agieren, sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Es geht darum, die Komiteebewegung über die einzelnen Territorien hinaus bis zum Zusammenschluß im ganzen Land auszuweiten. Das trifft sowohl in Bezug auf einzelne Streiks zu, die nur miteinander verbunden volle Durchschlagskraft erhalten, wie auch auf die Phase der Arbeiterkontrolle.

Stellt das Betriebskomitee den Beginn einer Periode der Doppelherrschaft im jeweiligen Betrieb, in der Einrichtung dar, so bildet der nationale Zusammenschluß den Auftakt zur Doppelherrschaft in der ganzen Republik. Dieser überbetriebliche Zusammenschluß der Komitees repräsentiert nichts anderes als die Bildung von Arbeiterräten.

Ein solcher republikweiter Arbeiterrat hat zur Aufgabe, die sozialen mit den politischen Fragen eng zu verbinden. Die Arbeiterkontrolle über die Produktion erweist sich auf dieser Stufe des Klassenkampfes als Schule der Planwirtschaft. Ohne die genaue Kenntnis des jeweiligen Betriebes, des Kombinats, des gesamten Industriezweiges und schließlich der gesamten nationalen Wirtschaft ist eine effektive Planung, Produktion und Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums nicht möglich. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein Zusammenschluß von unten nach oben unbedingt erforderlich. Die einzelnen Komitees in den Betrieben und Einrichtungen werden auf Delegiertenkonferenzen neue Komitees bis hin zur Republikebene wählen.

In den Wohngebieten müssen Preiskontrollkomitees gebildet werden. In diesen Komitees arbeiten Delegierte aus den Betrieben, Gewerkschaften, Genossenschaften gemeinsam mit Hausfrauen, Rentnern, Studenten und Schülern nach dem gleichen demokratischen Wahlmodus wie in den anderen Komitees. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Kontrolle der Preise und der Qualität der Produkte und Dienstleistungen in den Handelseinrichtungen, Hotels und Gaststätten.

In jeder Frage wird ein republikweiter Arbeiterrat mit der Politik der Regierung kollidieren. Die konsequente Vertretung ökonomischer Interessen der Arbeiter muß einhergehen mit politischen Forderungen: Kampf den Reprivatisierungsgesetzen! Rücknahme des Staatsvertrages! Der DM-Anschluß hat die Verelendung der DDR-Werktätigen zum Inhalt! Frankfurt/Main darf nicht zur Schaltzentrale der Ausbeutung der DDR werden, die NATO nicht einen Fuß in die DDR setzen! Nein zu gesamtdeutschen Wahlen! Nieder mit der schwarzen Koalitionsregierung de Maiziere!

3. Die Rätebewegung muß aus den Kämpfen der Arbeiterklasse und aller unterdrückten Gruppen und Schichten der Gesellschaft aufgebaut werden

a) Für die Befreiung der Frau

Die Unterdrückung der Frau kann ohne die Mobilisierung der gesamten Arbeiterklasse nicht bekämpft werden. Arbeitslosigkeit trifft vor allem Frauen, und hier besonders Alleinstehende mit Kindern. Wir verteidigen die Errungenschaft in der DDR, die über 90% der Frauen Arbeit bot und damit die materielle Grundlage für ihre Emanzipation.

In der DDR gibt es eine Doppelbelastung der Frauen durch Beruf und Familie. Wir treten deshalb für eine konsequente Verlagerung der Hausarbeit in gesellschaftliche Verantwortung ein. Das bedeutet einen radikalen Ausbau des Dienstleistungssektors (z.B. Wäschereien, Reinigungen, Reparaturbetriebe usw.). Das heißt weiterhin, daß wir für kostenlose Kinderbetreuungseinrichtungen rund um die Uhr eintreten, also für staatlich finanzierte Einrichtungen z.B. im Wohnviertel, in Straßen oder Häuserblocks. Schluß mit der bisherigen Praxis Kindergärten, Horte o.ä., personell unterzubesetzen und unzulänglich auszustatten. Für die Kinder übernimmt die ganze Gesellschaft Verantwortung. Die Frauen müssen die Möglichkeit erhalten auch nach 18 Uhr am politischen, kulturellen und sportlichen Leben teilzunehmen. Inwiefern jede Frau diese Möglichkeiten nutzt, muß sie selbstverständlich selber entscheiden, aber es müssen die Grundlagen für eine solche Entscheidung gegeben sein. Wir treten für ein System von Großküchen, Gaststätten etc. ein, in denen billige, schmackhafte Speisen bereitet werden, die nach individuellen Wünschen kombiniert werden können. Wer gern zu Hause kocht, der möge das tun, es müssen aber auch beispielsweise in diesem Fall die materiellen Möglichkeiten vorhanden sein, um die Frauen tatsächlich von der Hausarbeit zu befreien.

Entgegen der bisher geübten stalinistischen Praxis treten wir in den Betrieben für die Beschäftigung von Frauen gemäß ihrer Qualifikation auch auf Leitungsebene ein, für eine systematische Förderung von Frauen in allen Berufszweigen. Durch die so veränderten materiellen Bedingungen können die Frauen immer besser ihre gesellschaftlichen Aufgaben auch in sogenannten „Männer“berufen wahrnehmen. Den Sexismus, d. h. Frauen wegen ihres Geschlechts zu unterdrücken, den die stalinistische Bürokratie im deformierten Arbeiterstaat DDR pflegte, erkennt man auch daran, daß 75% aller Frauen der DDR in traditionell weiblichen, schlecht entlohnten Berufen arbeiten.

Wir erklären unsere Gegnerschaft zu allen Varianten der „sozialistischen Familienideologie“, diese Verhöhnung des Marxismus durch Stalin und seine Erben, die die unterdrückende Institution Familie brauchten, um ihre politische Herrschaft abzusichern. Jede Art von Lebensgemeinschaft, sei es zwischen Frau und Mann, zwischen Frauen und Männern, zwischen Männern oder zwischen Frauen muß möglich sein. Wer heiraten will, soll das unbürokratisch tun können, ohne dadurch besondere Vorzüge zu erhalten; ebenso muß die Scheidung unbürokratisch möglich sein. Besondere soziale Fürsorge, nicht Benachteiligung wie in der Vergangenheit, verdienen natürlich alleinerziehende Mütter und Väter. Im Zuge des Kampfes gegen die reaktionäre bürgerliche Familienideologie muß auch die Wiedereinführung der chauvinistischen Homosexuellengesetze verhindert werden.

Gerade für Frauen in der DDR bedeutet die kapitalistische Wiedervereinigung einen kolossalen Rückschlag. Es gibt z.B. in der BRD Bestrebungen, die dortige soziale Indikation des Abtreibungsparagraphen zu streichen und den so verschärften §218 auf die DDR auszuweiten. Wir bekämpfen jeden reaktionären Versuch die fortschrittlichere Fristenregelung in der DDR zu beseitigen, ohne von unserem Ziel, der ersatzlosen Streichung des Abtreibungsgesetzes abzugehen. Wir treten für die kostenlose Vergabe qualitativ hochwertiger Verhütungsmittel ein und sind für die Beibehaltung des Babyjahres für Mütter und Väter, allerdings ausgeweitet auf ausländische Frauen (und Männer), denen unter dem rassistischen Vorwand, keine deutschen Kinder zu gebären, diese Möglichkeit verwehrt wird.

Solche und andere Fragen muß eine Kommunistische Frauenbewegung in der Tradition der revolutionären Kommunistischen Internationale in enger Zusammenarbeit mit der revolutionären Partei aufgreifen, gegen jegliche Form von Sexismus vorgehen. Die Frauen müssen zum integralen Bestandteil der Rätebewegung an der Seite ihrer Kollegen werden.

b) Freie Bahn der Jugend

Jugendliche müssen in eigener Verantwortung unter der Voraussetzung finanzieller Unabhängigkeit die Möglichkeit haben, sich politisch, kulturell und sozial zu engagieren. Denn sollen die Jugendlichen zu verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft werden, benötigen sie die Möglichkeit einer Lebensgestaltung ohne Bevormundung.

Wir sind für kulturelle und sportliche Betätigungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, d. h. für Zentren mit einem vielfältigen Angebot zur Förderung individueller Freizeitgestaltung in Kinder- und Jugendinteressengruppen, finanziert vom Staat. Wir kämpfen gegen die Einschränkung von Freizeiteinrichtungen für Jugendliche; wir sind u.a. gegen die Schließung von Jugendclubs. Diese reaktionären Maßnahmen sind Bestandteil der prokapitalistischen Austeritätspolitik der schwarzen Koalition.

Wir setzen uns für gleiche Bildungschancen ein. Der Zugang aller, auch für Arbeiterkinder, an jede Bildungseinrichtung bis hin zu den Universitäten und Hochschulen muß gesichert sein. Weg mit den Bestrebungen Privatschulen einzurichten! Jeder Jugendliche muß das Recht auf einen gesicherten Lehr- und Ausbildungsplatz haben. Nach Ablauf der Lehr- und Ausbildungsverträge muß jeder Jungfacharbeiter und Absolvent entsprechend seiner Qualifikation in das Arbeitsleben integriert werden.

Der Kampf gegen die kulturelle, soziale und politische Unterdrückung der Jugend muß von einer revolutionären Jugendorganisation als Bestandteil der revolutionären Bewegung auf der Grundlage des trotzkistischen Programms vorangetrieben werden.

c) Volle Staatsbürgerrechte für Eingewanderte und Ausländer

Jeder der in der DDR arbeitet und lebt muß die gleichen Rechte haben. Dieser Grundsatz ist für ausländische Arbeiter, Angestellte, Studenten, Schüler sowie auch Kunst- und Kulturschaffende durchzusetzen. Wir sind z.B. gegen die Ghettoisierung der Werktätigen aus Polen, Ungarn, Vietnam, Kuba und Mosambique. Diese Kolleginnen und Kollegen müssen die Möglichkeit erhalten, sich voll in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Das beginnt bei menschenwürdigen Unterkünften und gleichen Einkaufsmöglichkeiten; das setzt sich fort beim kompromißlosen Kampf gegen die anlaufende Entlassungswelle von Ausländern und die Abschiebungen. Die organisierte Hetzkampagne gegen Rumänen, vor allem Sinti und Roma, Diestels Einreiseverbot, ist nur der letzte Ausdruck der deutsch-nationalistischen Welle in der DDR. Demgegenüber fordern wir: Recht auf Asyl!

Ausländer sollen zu Sündenböcken gemacht werden, um die Arbeiterklasse zu spalten und die Wut über die Auswirkungen der Rekapitalisierung umzulenken. Jeder Form von Nationalismus muß konsequenter Internationalismus entgegengesetzt werden. Marxistischer Grundsatz ist und bleibt, gegen alle rassistischen und andere Formen von Diskriminierungen vorzugehen.

d) Für den Schutz der Rentner

Die faktische Entwertung der Spareinlagen durch die geplante Währungsunion und die bevorstehende Teuerungswelle trifft die Rentner besonders hart. Im Westen verarmen Rentner mittlerweile und da soll die Angleichung der Renten an das BRD-Niveau eine Verbesserung bedeuten? Eine Million Rentner in der DDR (jeden Dritten!) erwartet laut Staatsvertrag weniger als der Sozialhilfesatz. Unser konsequentes Nein zur kapitalistischen Wiedervereinigung bedeutet deshalb gleichzeitig z.B. eine radikale Rentenerhöhung und den Ausbau der sozialen und medizinischen Einrichtungen für alte Menschen. Die Arbeiterklasse muß für die Interessen der aus dem Erwerbsleben Ausgeschiedenen eintreten, damit jene ihren Lebensabend nach ihren Vorstellungen gestalten können.

e) Für die Verteidigung des genossenschaftlichen Eigentums

Die Genossenschaftsbauern spüren schon jetzt die Auswirkungen der Freiheit für das Kapital. Von der Westwaren-Schwemme, der die Regierung Tür und Tor öffnet, werden die DDR-Agrarprodukte zunehmend verdrängt. Ernten und Viehertrag werden inzwischen vernichtet oder an West-Zwischenhändler unter Preis verscherbelt, anstatt den Genossenschaften die Erträge zu sichern und den Verbrauchern die hohe Produktivität der DDR-Landwirtschaft zugute kommen zu lassen. Mit der Umstrukturierung der Agrarwirtschaft und ihrer Anpassung an die EG-Normen soll jeder zweite seinen Arbeitsplatz verlieren. Wir sagen Nein zu dieser Roßkur!

Wir treten für die Verteidigung des staatlichen Eigentums an Grund und Boden ein. Wir verteidigen Genossenschaftseigentum auf dem Lande gegen alle konterrevolutionären Angriffe der BRD-Kapitalisten und ihrer Handlanger. Wir sind für die Festigung und den Ausbau der Bündnisbeziehungen zwischen Arbeitern und Genossenschaftsbauern. Unser Ziel, in der Tradition von Marx, Lenin und Trotzki, besteht in der Weiterentwicklung der Vergesellschaftung der landwirtschaftlichen Produktion unter Ausnutzung der bereits staatlich organisierten Betriebe sowie in der Beseitigung des Unterschieds zwischen Stadt und Land.

4. Für die Selbstverteidigung der Arbeiterbewegung

a) Für eine Rätebewegung in den bewaffneten Organen

Innenminister Diestel rechnet mit 2,5 bis 4 Millionen Arbeitslosen und er weiß, wie Kapitalinteressen zu verteidigen sind: Schutzschilder, Maschinenpistolen und Ausrüstung für „Anti“-Terror-Einheiten im Werte von 44 Millionen Mark sind bereits geordert. Die begonnenen Umstrukturierungen innerhalb der bewaffneten Organe haben das Ziel, Teile dieser Kräfte in den zu schaffenden bürgerlichen Staatsapparat zu integrieren. U m dieser Absicht Widerstand entgegenzusetzen ist es notwendig, innerhalb der bewaffneten Organe eine Rätebewegung zu organisieren, deren oberstes Ziel die militärische Sicherung des Arbeiterstaates DDR sein muß. Schluß mit der Zusammenarbeit zwischen BRD-Polizei und Volkspolizei, zwischen NVA und Bundeswehr! Der Aufbau eines Verfassungsschutzes muß genauso bekämpft werden wie die Etablierung einer bürgerlichen Polizei„gewerkschaft“. Gegen die Umkrempelung der Volkspolizei zu bewaffneten Organen des Kapitals rufen wir alle Volkspolizisten, die diesen Arbeiterstaat verteidigen wollen, auf, sich an der Seite der Soldaten zu organisieren: Laßt Euch nicht einspannen für Kapitalisten und Faschistenschutz! Das Ziel der Bewegung für Soldatenräte, in die die dem Arbeiterstaat loyalen Offiziere integriert werden, muß die Verbrüderung mit den Arbeiterräten sein.

b) Für Arbeitermilizen zur Selbstverteidigung

Die blutigen faschistischen Attacken am Alex und am l. Mai in Hoyerswerda sowie die zunehmende antisemitische Hetze müssen alarmieren. Im Vorgehen gegen die Nazis zeigt die Volkspolizei ihren widersprüchlichen Charakter: Die Einsatzleiter wie ihr Innenminister halten sich zurück, während Teile der Einheiten nicht bereit sind diesem Terror tatenlos zuzusehen. Die Verschärfung des Klassenkampfes durch Streiks und Fabrikbesetzungen wird Gegenmaßnahmen von Seiten der Regierung hervorrufen, der der faschistische Mob zu Hilfe kommt. Keimzellen der faschistischen Schlägertrupps bilden sich aus Teilen des Lumpenproletariats, Streikbrechern und Privatpolizei. Arbeiterstreikposten, betriebliche Verteidigungskomitees zum Schutz der ausländischen Kolleginnen und Kollegen sind dagegen die Keimzellen von Arbeitermilizen. In diesen sollten links orientierte Angehörige der aufgelösten Kampfgruppen und der Ordnungsgruppen der ehemaligen FDJ integriert werden. Nur Arbeitermilizen, gut organisiert und militärisch ausgebildet, sind die Garantie für die Unverletzlichkeit der Arbeiterorganisationen, Arbeiterversammlungen und Arbeiterzeitungen.

Eine wesentliche Aufgabe der Arbeitermilizen ist es, gemeinsam mit den zur Arbeiterbewegung loyalen Mannschaften der bewaffneten Organe sowie den sowjetischen Soldaten, dem deutschnationalen faschistischen Gesindel eine entscheidende Niederlage beizubringen. Appelle an die schwarze Regierung, gegen die Faschisten vorzugehen, schüren tödliche Illusionen wie die Niederlage von 1933 lehrt.

Die Propaganda für Arbeitermilizen heißt nicht, jetzt tatenlos zuzusehen, wie kleine Kerne von Faschistenbanden Homosexuelle, Eingewanderte und Ausländer, Linke und Arbeiter terrorisieren. Wir werden den uns möglichen Beitrag dazu leisten, daß durch Aktionseinheiten von Linken und Arbeiterorganisationen diese faschistische Pest in Schach gehalten wird.

c) Für die Verbrüderung mit den sowjetischen Soldaten

Die sogenannten „Zwei-plus-vier-Verhandlungen“ laufen auf die weitere Schwächung der UdSSR durch den Abzug der sowjetischen Truppen und die Integration der DDR in die NATO hinaus. Revolutionäre müssen deutlich machen, daß ein kapitalistisches Großdeutschland eine gefährliche Bedrohung der Sowjetunion ist. Gorbatschow hat die Soldaten der sowjetischen Truppen nur für seine Diplomatie mit dem Imperialismus benutzt, statt die sowjetische und deutsche Arbeiterklasse in Tradition der Bolschewiki zusammenzuschweißen gegen die kapitalistische Restauration hier und die drohende Kolonialisierung der UdSSR durch das internationale Kapital.

Die reaktionäre, nationalistische Forderung „Russen raus!“ lehnen wir konsequent ab! Unser erklärtes Ziel ist die Verbrüderung der Werktätigen mit den Soldaten der Sowjetarmee und eine Spaltung des Offizierskorps entlang der Klassenfrage: Für die bedingungslose militärische Verteidigung der Arbeiterstaaten!

5. Von der Gegenmacht zur sozialistischen Räteregierung

a) Die Machenschaften der Regierung einerseits, sowie die Stärkung der Rätebewegung, die immer breitere Einbeziehung der Werktätigen andererseits, werden die Umsetzung der Losung: „Alle Macht den Räten! Sturz der prokapitalistischen Regierung! Für eine Arbeiterregierung!“ immer dringlicher werden lassen. Diese Arbeiterregierung wird mehrere zentrale Aufgaben in Angriff nehmen müssen:

– Jedes Mitglied eines Arbeiterrates wird obligatorisch in eine bestimmte Arbeit in der Staatsverwaltung integriert. Sein Gehalt ist das eines Facharbeiters.

– Durch einen turnusmäßigen Wechsel in diesen Tätigkeiten wird jedes Mitglied nach und nach an allen Teilen der Verwaltungsarbeit teilhaben.

– Eine allmähliche Einbeziehung der gesamten arbeitenden Bevölkerung wird eine Bürokratisierung verhindern und eine Vereinfachung der Staatsverwaltungstätigkeit sichern.

– Die restlose Wiederherstellung des staatlichen Außenhandelsmonopols, für das Lenin im Block mit Trotzki gegen Stalin 1922 einen kompromißlosen Kampf führte, dient dem Schutz der nationalisierten Wirtschaft, die sonst wegen des Hereinflutens billiger Waren aus dem nach wie vor ökonomisch stärkeren kapitalistischen Ausland Bankrott ginge.

– Ökonomisch muß der Arbeiterstaat auf einer zentralen Planung basieren. Für eine systematische und harmonische Entwicklung der Produktivkräfte ist das unbedingte Voraussetzung. Die vielfältigen Initiativen, Hinweise und Kritiken der arbeitenden Massen müssen in den Entwürfen der staatlichen Planungsorgane aufgegriffen und verarbeitet werden. Die Erarbeitung des Planes wird somit zu einem dynamischen Prozeß. In diesem Sinne hat bereits Lenin die Notwendigkeit der Einführung des demokratischen Zentralismus für die Organisierung des proletarischen Staates begründet. Wenn wir von zentraler Planung sprechen, meinen wir das im Sinne Lenins und nicht den bürokratischen Zentralismus der Stalinisten. Trotzki schrieb 1936 zu diesem Problem: „Ein vorgefaßter Wirtschaftsplan ist,

…, kein unverrückbares Gebot, sondern ein Entwurf, eine Arbeitshypothese, die im Laufe ihrer Realisierung der Prüfung und Überarbeitung bedarf. Man kann sogar eine Regel aufstellen: Je ‘genauer’ die administrative Aufgabe erfüllt wird, desto schlimmer steht es um die Wirtschaftsleitung.“

Insofern die Bürokratie den Plansektor vor allem dazu benutzte, ihre parasitäre Stellung zu sichern, mußte sie das Ausmaß ihrer Privilegien verschleiern. Deshalb hat sie auch keinerlei Interesse an der genauen Ermittlung der Kosten, die für die Produktion der einzelnen Produkte in der staatlichen Industrie anfallen. Für die demokratische Planung der Produktion ist die unverzichtbare Grundlage jedoch eine möglichst genaue Rechnungsführung. Nur in dem Maße, wie sich die Arbeiter selbst ein Bild von den Zusammenhängen der Produktion machen können, werden sie in der Lage sein, demokratisch zu entscheiden, für welche Bedürfnisse sie produzieren wollen, selbstverständlich auch unter Berücksichtigung ihrer internationalistischen Aufgaben.

Die Errichtung einer Arbeiterregierung ist die entscheidende Voraussetzung, den Arbeiterstaat DDR vor seiner Vernichtung durch kapitalistische Annexion zu retten. Die Regierung de Maiziere und ihre bürgerlich-parlamentarische Schwatzbude müssen durch sozialistische Arbeiterräte ersetzt werden. Diese Räte werden alle bereits erfolgten kapitalistischen Eingriffe rückgängig machen bei gleichzeitig restloser Zerstörung der stalinistischen Strukturen.

b) Aber der Aufbau des „Sozialismus in einem Land“ oder gar „in einem halben Land“ ist nicht möglich. Das lehrt nicht zuletzt die Intervention der BRD. Der Imperialismus hat durch die Entfaltung der Produktivkräfte den Weltmarkt hergestellt und damit die Klassenwidersprüche weiter verschärft. Als höhere Gesellschaftsformation kann der Sozialismus also nur international existieren, basierend auf einer qualitativ höheren Stufe der Entwicklung der Produktivkräfte. Eine internationale Planwirtschaft ist demnach seine Voraussetzung. In dieser Perspektive muß die Revolution sowohl nach Westen als auch nach Osten ausgeweitet werden. Eine Räterepublik in der DDR als Faustpfand der internationalen Revolution hat mittelfristig nur so eine Überlebenschance. Im Sinne Lenins gilt: „erstens, daß die Interessen des proletarischen Kampfes in jedem einzelnen Lande den Interessen des proletarischen Kampfes im Weltmaßstab untergeordnet werden; zweitens, daß die Nation, die den Sieg über die Bourgeoisie erringt, fähig und bereit ist, die größten nationalen Opfer für den Sturz des internationalen Kapitals zu bringen.“

Das Kräfteverhältnis hat sich aktuell zugunsten des Imperialismus verschoben. Es muß gelingen, sich mit den Kämpfen der Arbeiter in diesen Ländern gegen die Abwälzung der Kosten der imperialistischen Expansion zu verbinden. Aufgrund der Macht der BRD, die die offene nationale deutsche Frage und die von Sozialdemokratie und Stalinismus zu verantwortende Spaltung der deutschen Arbeiterklasse nach 1945 für ihre großdeutschen Ziele nutzt, kommt der Mobilisierung der westdeutschen Arbeiterbewegung zum Sturz des BRD-Imperialismus eine zentrale Rolle, auch für die Entlastung der DDR, zu. Die deutsche Frage kann historisch fortschrittlich nur durch die revolutionäre Wiedervereinigung gelöst werden als Bestandteil des Kampfes für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

Der Bankrott des Stalinismus droht das gesamte osteuropäische Proletariat gegenüber den imperialistischen Mächten und den inneren konterrevolutionären Kräften zu entwaffnen, was durch die Errichtung prokapitalistischer Regierungen in Warschau, Budapest und Prag offensichtlich geworden ist.

Die Politik der Arbeiterregierung hätte die Verbrüderung mit den Arbeitern der anderen deformierten Arbeiterstaaten zum Ziel, vor allem die Unterstützung der sowjetischen Arbeiter in ihrem Kampf zur Sicherung der Sowjetunion durch proletarische politische Revolution, für den Sturz der kapitulantenhaften und ausverkaufenden parasitären Kaste unter Führung Gorbatschows.

Marx und Engels haben den Schleier des Geheimnisses von der bürgerlichen Produktionsweise gerissen. Es war das Verdienst Lenins, die erste siegreiche proletarische Revolution theoretisch vorbereitet (u.a. durch die Aktualisierung der marxistischen Staatstheorie) sowie an zentraler Stelle zusammen mit Trotzki praktisch angeleitet zu haben. Lenins Lehren über den Aufbau von revolutionären Parteien und seine grundsätzliche Imperialismuskritik haben nach wie vor Gültigkeit. Trotzki und die IV. Internationale verkörpern die revolutionäre Kontinuität der Kommunistischen Internationale; ihm verdanken wir u.a. die marxistische Analyse der stalinistischen Bürokratie.

In dieser Tradition versteht sich die Gruppe IV. Internationale. Wir sehen im Kampf um die DDR einen Schlüssel für die weitere Entwicklung der internationalen Arbeiterbewegung. Als kämpfende Propagandagruppe nach dem leninschen IskraModell geht es uns um die Sammlung und Umgruppierung subjektiv revolutionärer Elemente aus Organisationen der DDR-Linken, um darüber Arbeiter, Angestellte, Angehörige der Intelligenz, Frauen, Eingewanderte und Ausländer, Studenten und Schüler, Genossenschaftsbauern und Rentner zu mobilisieren. Es muß gelingen, in der DDR über den Aufbau einer trotzkistischen Partei das revolutionäre Programm massenhaft in der Arbeiterklasse zu verankern. Damit geht einher der Kampf für die Bildung einer internationalen trotzkistischen Tendenz, mit dem Ziel der Wiederschaffung der IV. Internationale. Diese Tendenz muß demokratisch-zentralistisch organisiert sein, d. h. völlige Freiheit in der innerorganisatorische Diskussion, Geschlossenheit im Auftreten nach außen. Jede Abweichung von den leninschen Normen des Parteilebens ist kompromißlos zu bekämpfen.

Ein Schritt vorwärts — zwei zurück

Nachwort

Der vorstehende Artikel ist eine Überarbeitung und Aktualisierung der Gemeinsamen Erklärung von Leninistisch-Trotzkistische Partei/DDR (LTP) und Gruppe IV. Internationale, die wir gemeinsam am 1. Mai in Ost- und Westberlin verkauften. Wir stehen zu dieser programmatischen Erklärung, während die Mehrheit der LTP dieses Kampfprogramm für die DDR, durch ihre Praxis, für sich als nichtig erklärte.

Die DDR befindet sich in der Auflösung und mit ihr die Linke, die, desorientiert, der deutschen imperialistischen Anschlußpolitik nicht standhält. Klassenfremde Elemente, Karrieristen, Leute, die schnell noch ihr Schnäppchen machen wollen, mischen mit. Die Situation schreit nach einer trotzkistischen Alternative, die die Perspektive zum erfolgreichen Abwehrkampf gegen das BRD-Kapital aufzeigt. Der Aufbau einer solchen Partei wird nur möglich sein aufgrund eines Spaltungs- und Fusionsprozesses der vorgeblich revolutionären Linken. Im Kampf für das trotzkistische Programm klärt sich, welche Elemente für diese revolutionäre Partei gewonnen werden können. Die Konfrontation mit der UP und ihre folgende Aufkündigung des Trotzkismus bestätigen unsere Herangehensweise: „Zuerst das Programm“!

Im Folgenden dokumentieren wir unsere Erklärung vom 22.05.1990 zum Abbruch der politischen Beziehungen zur UP.

Werte Mitglieder der LTP,

Ihr habt Euer Mitglied Gunther I. aus Eurer Organisation bürokratisch ausgeschlossen. Der Beschluß wurde mit dem „stalinistischen Verhalten und der Politik des Genossen“ begründet, mit der die Mehrheit nicht einverstanden sei. „Die Politik, die Gunther betreibt ist trotzkistisch-leninistisch, aber praktisch stalinistisch“, lautete ein Zusatzantrag (ebenfalls mit einer Gegenstimme angenommen). Dies ist ein grundsätzlicher Verstoß gegen die leninistische Parteikonzeption, mit der Eure heterogene Gruppe in ihrer Rechtsentwicklung einen klaren Trennungsstrich zu den Revolutionären gezogen hat.

Trotzkisten sind prinzipiell gegen politische Ausschlüsse; solche bürokratischen Vorgehensweisen machen eine demokratische Diskussion in der Partei unmöglich und verhindern somit eine von allen Mitgliedern entwickelte politische Ausrichtung. Minderheitsmeinungen bis hin zum Recht auf Fraktionsbildungen müssen von der Mehrheit toleriert werden; keine administrative Maßnahme darf den Klärungsprozeß in einer bolschewistischen Partei behindern.

Einen Disziplinbruch (der einzige Fall, der einen Ausschluß rechtfertigen könnte) habt Ihr Gunther nicht vorwerfen können. Denn schließlich war es dieser Genosse, der führend für Eure Seite an der Ausarbeitung der Gemeinsamen Erklärung beteiligt war und ihre Publizierung am l. Mai sicherte — im Gegensatz z.B. zu Eurem Druckverantwortlichen Dieter B., der die Herausgabe organisatorisch versuchte zu torpedieren, nachdem er sie politisch nicht hatte verhindern können.

Eure Weigerung, diesen Beschluß zurückzunehmen widerspricht nicht nur unserer Gemeinsamen Erklärung, in der wir uns für eine demokratisch-zentralistische trotzkistische Tendenz aussprachen; darüberhinaus habt Ihr damit demonstriert, daß Euch Eure eigenen Statuten einen feuchten Dreck interessieren („In der Partei gilt der Grundsatz: Es gibt keine politischen Ausschlußgründe vom ZK“ aus Grundsätze zum Parteiaufbau der SpAD/Leninisten). Zudem fallt Ihr hinter Eure eigene Fraktionserklärung in der SpAD zurück, als Ihr gegen die IKL-Führung schriebt: „In einer leninistisch egalitären Partei ist eine kollektive Diskussion und Entscheidungsfindung lebensnotwendig! Es muß grundsätzlich gelten: Völlige Freiheit der Kritik, völlige Einheit in der Aktion“ (Fraktionspapier vom 04.03.1990).

Das Bekenntnis für Arbeiterdemokratie gegen das bürokratische Robertson-Regime, Euer berechtigtes späteres Auftreten gegen die IKL-Verleumdungen waren Euer alleiniges Verbindungsglied zum Trotzkismus. Dies ist ein Resultat der korrupten Politik der IKL-Führung, die die IS-Sekretärin Brosius umschrieb mit: „Erst einmal rekrutieren, später zum Trotzkismus hinbiegen“. Erst nach dem Austritt aus der SpAD konnte die Diskussion über das revolutionäre Programm auf Initiative der Gruppe IV. Internationale einsetzen, beginnend bei den einfachsten Grundsätzen des Trotzkismus. Und erst jetzt trennte sich die Spreu vom Weizen.

Zwei Konzeptionen standen sich immer schärfer in der SpAD/L bzw. LTP gegenüber: zum einen kommunaler „Massenwahlkampf“, „Zeitung der Werktätigen“ (als Massenpropagandainstrument, angepaßt an die rückständigsten Teile der DDR-Arbeiterklasse) sowie der Aufbau eines von der Partei unabhängigen kleinkapitalistischen Verlages, der Parteimitgliedern die Existenz sichern sollte. Auf der anderen Seite der Kampf um eine trotzkistische kämpfende Propagandagruppe, Erarbeitung eines klaren internationalistischen programmatischen Verständnisses, Schulungen, Umgruppierungstaktik um als Teil der Arbeiterklasse in die stattfindenden Defensivkämpfe einzugreifen. Der unabhängige Geschäftsführer des Verlages, Dieter B., unfähig politisch der trotzkistischen Herausforderung zu antworten, sah zunehmend seine Felle davonschwimmen (wie man hört, geht es um jede Menge Parteigelder). Als Präventivmaßnahme initiierte er den politischen Ausschluß; die Mehrheit stimmte zu.

Die LTP hat also dem Druck der imperialistischen Anschlußpolitik nicht standgehalten — Prinzipien der Revolution wurden verkauft für ein schnödes kleinkapitalistisches Projekt. Die Gruppe IV. Internationale bricht deshalb jegliche Beziehungen zur LTP ab: Unsere Gemeinsame Erklärung wird nicht weiter vertrieben. Solltet Ihr dennoch die Dreistigkeit besitzen, dieses Dokument und unseren Namen als Aushängeschild für Eure kleinbürgerliche Politik zu benutzen, werden wir politisch darauf zu reagieren wissen.

H. K.

für die Gruppe IV. Internationale

Steinkühler & Co segnen die Wiedervereinigung ab

Die unabsehbaren Folgen der Währungsunion zwingen die Vertretung des deutschen Imperialismus, den Anschluß möglichst rasch durchzusetzen, um den Widerstand in der DDR mit vereinigter Staatsmacht kleinzukriegen und gleichzeitig Aktionen der BRD-Arbeiter gegen die Kosten der Einheit zuvorzukommen. Der „Widerstand“ der SPD gegen Kohls Politik bezieht sich v. a. auf die zu geringen „Anpassungs- und Übergangsmaßnahmen“ für DDR-Betriebe und gipfelt in Mompers Hetzforderung nach Auflösung der PDS — ein fundamentaler Angriff auf die Rechte der Linken und Arbeiterbewegung.

Durch den Verrat der SPD bei den Post- und Metall-Verhandlungen kann die Bourgeoisie einen wichtigen Erfolg bei der Herstellung der deutsch-nationalistischen Front von Republikanern bis GRÜNEN verbuchen. Daß die Forderung der 35-Stunden-Woche an der Massenarbeitslosigkeit nichts ändert, sondern vom konsequenten Kampf dagegen ablenkt, weiß inzwischen jeder. Aber daß der wichtigsten BRD-Gewerkschaft für acht Jahre die Hände gebunden werden sollen, ist das Besondere dieser Niederlage. Nach dem Verzicht auf den Kampf gegen den Aussperrungsparagraphen 116, nach der effektiven Durchdringung der DDR bis hin zur Auflösung des FDGB durch den DGB hat die bürgerliche Arbeiterpartei SPD auch in der BRD vermittels ihrer Gewerkschaftsführungen ihren Patriotismus unter Beweis gestellt: Von Seiten der sozialdemokratischen Arbeiterbürokratie ist Ruhe im Land für ein neues Großdeutschland garantiert.

Ob diese imperialistische Linie der SPD-Führung angesichts steigender Arbeitslosigkeit, zu erwartender Inflation, Kürzung der Sozialleistungen einhergehend mit politischer Entrechtung (letztes Beispiel: das Ausländergesetz), durchgeht, hängt auch von der Linken in der BRD ab. Doch da sieht es düster aus! Angesichts der Gretchenfrage deutscher Politik: Wie hältst Du es mit der kapitalistischen Wiedervereinigung? schwankt sie zwischen Hilflosigkeit und offener Kapitulation. Sicher, der Aufruf der „Radikalen Linken“ zur Frankfurter Demonstration am 12. Mai hatte eine korrekte Stoßrichtung gegen deutschen Nationalismus und Annexion der DDR. Doch durch ihre Wirkungslosigkeit demoralisiert wendet sich die Linke von der Arbeiterklasse ab — eine Kapitulation vor dem Einfluß der SPD. Diesen postmodernen „Marxisten“ fehlt jede Klassenanalyse. So diskutieren der KB, BWK, VSP und „Radikale Linke“ heftig die Forderung nach „Volksentscheid“ über die „Deutsche Einheit“.

Die Frage des Rechts auf Selbstbestimmung (nach Lenin das Recht auf Lostrennung von einer Unterdrückernation) in dieser Situation deutsch-deutsch nationalistischen Taumels aufzuwerfen, ist sowohl eine Kapitulation vor dem traditionellen Antikommunismus („DDR=SBZ“), als auch vor dem deutschen Nationalismus. Nicht von ungefähr waren die Linkem Bestandteil der schwarz-rot-goldenen Friedensbewegung, die der „Bananenrepublik“ BRD — in Wirklichkeit einer der stärksten imperialistischen Staaten — im Kampf gegen die „Supermächte“ (und da, besonders „links“ gegen die „US-Besatzer“) auf die Sprünge helfen wollte. Nur konsequent ist deshalb auch die aktuelle Übernahme der bürgerlichen Kollektivschuldideologie; ihr widerlicher „negativer Patriotismus“ heißt auf deutsch: „Nur ein schlechter Deutscher ist ein guter Deutscher“!

Beim Kampf um die DDR handelt es sich um eine Klassenfrage: Welche Klasse soll in dieser (gespaltenen) Nation herrschen? Die Antwort von Revolutionären beginnt mit der Verteidigung des Arbeiterstaates DDR gegen die kapitalistische Wiedervereinigung. Die „Radikale Linke“ sieht dagegen traditionell keinerlei historische Errungenschaften in der DDR und entwarf im Januar gegen die BRD-Einmischung die reaktionär-utopische Perspektive einer kapitalistischen Zweistaatlichkeit.

Wir Trotzkisten treten für die revolutionäre Wiedervereinigung von Ost- mit Westdeutschland, für die sozialistische Räteregierung in ganz Deutschland ein. Wer allerdings jetzt die „Einheit“ angesichts der drohenden kapitalistischen Einverleibung der DDR in den Vordergrund stellt, und mag er sie noch so „revolutionär“ begründen, ist ein Lakai des deutschen Imperialismus. Denn unter den aktuellen Bedingungen kann unter Einheit nur kapitalistische Einheit verstanden werden. Die Einheitsapostel des BSA, die in ihrem „Kampfprogramm“ den Kampf gegen Stalinismus und Kapitalismus gleichsetzen (und damit die Verteidigung proletarischer Eigentumsformen der DDR, trotz und gegen die Herrschaft der stalinistischen Bürokratie, sabotieren), rufen dagegen zynisch zur Wahl der SPD auf. Damit ketten sie die Arbeiter nur weiter an diese proimperialistischen Wiedervereiniger. Neben der SpAD, die in der höchsten Gefahr für die DDR trotz aller vergangenen verbalradikalen Sprüche dann doch wieder die bekannte Wiedervereinigungslinie herauskehrt, gehören auch die Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt und GAM zu diesem Einheitslager. Natürlich sind auch beide Gruppen der LRKI für die Wahl der SPD in der BRD und forderten z.B. die Zusammenarbeit des österreichischen Gewerkschaftsbundes mit dem FDGB.

Ein klarer revolutionärer Kurs gegen die Pläne zur deutschen Neuorganisierung Europas ist nötig. Nach dem Verrat der SPD, der momentan auf keinen ernsthaften Widerstand in der westdeutschen Arbeiterklasse trifft, stehen die DDR-Arbeiter erst einmal allein gegen die Ansprüche des BRD-Kapitals. Die Forderung nach Arbeiteraktionen zur Verteidigung der DDR muß jedoch auch im Westen verankert werden: An Möglichkeiten, den sozialdemokratischen Burgfrieden zu durchbrechen und den Zusammenhang zwischen kapitalistischer Wiedervereinigung und Austeritätspolitk im Westen praktisch herzustellen, wird es nicht mangeln. Das beweist u.a. der fast dreimonatige Kita-Streik in Westberlin. Notwendig für Siege ist jedoch der konsequente Bruch vom Einfluß der Sozialdemokratie und in dieser Perspektive die revolutionäre Umgruppierung der Linken. Das heißt auch der möglichen Herausbildung einer links-sozialdemokratischen Strömung offensiv entgegenzutreten. Die Sammlung von linken GRÜNEN bis zu kommunistisch Gesinnten unter Führung der PDS-Bankrotteure würde nur die sozialdemokratische Arbeiterbürokratie von links abdecken.