Nr. 5 – Solidarność

Bewährungsprobe für Trotzkisten

I. Polen 1981:
Schlüssel für trotzkistische Umgruppierung

Es ist klar, dass es keine Überlegung geben kann, eine neue Internationale durch Organisationen aufzubauen, die grundsätzlich verschiedene oder sogar entgegengesetzte prinzipielle Grundlagen haben.
[1]

In der entscheidenden Konfrontation zwischen dem polnischen stalinistischen Regime und Solidarność im Dezember 1981 war die internationale Spartacist Tendenz (iST) praktisch die einzige unter den vorgeblich trotzkistischen Organisationen die Partei für Jaruzelski und die polnische Regierung ergriff. Der Rest — vom Vereinigten Sekretariat Ernest Mandels über das Internationale Komitee Gerry Healys bis zur Socialist Workers’ Party von Jack Barnes — sammelte sich mit unterschiedlich ausgeprägtem Enthusiasmus hinter Lech Wałęsa und Solidarność.

In ihrer Opposition gegen Wałęsa und Co. tendierten die Spartacisten gelegentlich zu kruder Phrasendrescherei statt nachdenklicher Analyse. Weit schlimmer war die prostalinistische Neigung, bewiesen durch die zynische interne Position der iST, die ihren Willen erklärte, „im Voraus Verantwortung für alle Idiotien und Grausam­keiten“ zu übernehmen, die eine sowjetische Interven­tionsmacht in Polen begehen könnte. Trotz dieser Fehler, die Ausfluss eines bereits weit fortgeschrittenen Prozesses interner politischer Degeneration waren, und trotz der Tatsache, dass wir seitdem mit den Robertsoniten voll­ständig gebrochen haben, erkennen wir an, dass die iST 1981 in Polen auf der richtigen Seite der Barrikaden stand.

Jene Barrikaden stellen immer noch eine Demarkationslinie von entscheidender Bedeutung zwischen Sozialdemokratie und Zentrismus auf der einen und authentischem Trotzkismus auf der anderen Seite dar. Übereinstimmung in diesem Punkt bleibt immer noch „conditio sine qua non“ (unerlässliche Voraussetzung) für trotzkistische Umgruppierung in dieser Periode.

Unserer Erfahrung nach werden Solidarnośćs „trotzkistische“ Sprachrohre nicht von einem einzigen kohä­renten Argument geleitet. Doch aus einem Mischmasch sich widersprechender Erklärungen tauchen verschiedene Themenschwerpunkte auf. Viele werden einräumen, dass Führung und Ideologie von Solidarność reaktionär waren. Dagegen führen jedoch die Apologeten von Solidarność an, dass sie als Arbeiterbewegung entstand, traditionelle Methoden des proletarischen Klassen­kampfes nutzte und über die Gefolgschaft der überwiegenden Mehrheit von Polens Arbeiterklasse verfügte. Ist nicht der objektive Klassencharakter einer Bewegung das entscheidende Kriterium, fragen Solidarnośćs Apologeten, anhand dessen Marxisten sie zu beurteilen haben, ungeachtet ihrer ideologischen Formen und Äußerlichkeiten? Wir entgegnen darauf, dass er es nicht ist.

Während die Klassenzusammensetzung einer sozialen Bewegung wichtig ist, um eine politische Bestimmung ihres Charakters vorzunehmen, ist sie nicht in jedem Fall ausreichend. Trotzkistische Taktiken gegenüber Gewerkschaften basieren auf der Annahme, dass letztere Instrumente sind, wenn auch unzureichende, mit denen Arbeiter kämpfen, um ihre ökonomische Position in der kapitalistischen Gesellschaft zu verbessern. Die normale Methode diesen Kampf zu führen, ist der Entzug der Arbeitskraft — Streiken. Im allgemeinen unterstützt die marxistische Avantgarde Streiks. Aber würde jemand leugnen, dass Streiks unter bestimmten Umständen reaktionär sein können? Ein Beispiel, das ins Auge springt, ist der Streik des Ulster Workers’ Council [Ulster Arbeiterrat (Eig. Übers.)] von 1974. Der Zweck dieses speziellen Streiks bestand darin, die protestantische Vormachtstellung in Nordirland zu erhalten und deswegen musste man gegen ihn sein.

Es gibt viele vorstellbare historische Situationen, in denen die unmittelbaren Stimmungen und Kampfziele der Arbeiterklasse ihren langfristigen Interessen zuwiderliefen. Die polnische Krise von 1981 stellt einen solchen Fall dar. Staatseigentum der Produktionsmittel, das deformierte Arbeiterstaaten charakterisiert, repräsentiert eine historische Errungenschaft der Arbeiterklasse, eine Errungenschaft, die gegen alle Versuche kapitalistischer Restauration verteidigt werden muss. Im September 1981 war Solidarność in ihrer Ideologie, ihren internationalen Verbindungen und ihrem politischen Programm eindeutig zu einer Bewegung für die Restauration kapitalistischen Eigentums in Polen geworden. Die Krise des polnischen Staates vom Dezember 1981 konnte nur durch Solidarnośćs Aufstieg an die Macht oder durch ihre Unterdrückung gelöst werden. So schmerzlich es sein mag, auf der Seite der stalinistischen Parasiten gegen die Mehrheit der polnischen Arbeiterklasse zu stehen, ist es die unerfreuliche Wahrheit, dass die Stalinisten im Dezember 1981 die einzige Kraft in der polnischen Gesellschaft waren, die der kapitalistischen Restauration im Weg stand.

Trotzkismus und die Verteidigung der Sowjetunion

Für Trotzkisten kann Solidarność nur im Rahmen unserer Position zur „Russischen Frage“ und ihrer politischen Implikationen analysiert werden. Marxisten bestimmen die Klassennatur eines bestimmten Staates nach seinem sozialen Inhalt, das bedeutet, nach dem Charakter der Eigentumsverhältnisse, die er verteidigt — nicht nach seinen politischen Formen. Trotzki merkte 1939 an:

[…] obwohl die Ökonomie die Politik nicht direkt oder unmittelbar bestimmt, sondern nur letzten Endes, bestimmt die Ökonomie trotzdem nichtsdestoweniger die Politik. Genau das behaupten die Marxisten im Gegensatz zu den bürgerlichen Professoren und ihren Schülern. Während wir die wachsende politische Unabhängigkeit der Bürokratie vom Proletariat untersucht und bloßgestellt haben, haben wir niemals die objektiven sozialen Grenzen dieser „Unabhängigkeit“ aus den Augen verloren, nämlich das natio­nalisierte Eigentum, ergänzt durch das Außenhandelsmonopol.
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Der durch die bolschewistische Revolution geschaffene Staat war der erste in der Welt, der die Produktionsmittel kollektivierte und ein Außenhandelsmonopol errichtete. Diese historischen Errungenschaften sind bis heute in der UdSSR erhalten und wurden seit dem Zweiten Weltkrieg durch die deformierten sozialen Revolutionen vervielfältigt, die dem Kapitalismus in Osteuropa, China, Kuba und Indochina die Grundlage entzogen.

Die Unterdrückung des kapitalistischen Marktes als Regulator wirtschaftlicher Aktivität wandelt jede Gesellschaft von Grund auf. Die Errichtung einer Planwirtschaft  — sogar wenn sie von oben durch stalinistische Erlasse ausgeführt wird — bedeutet einen wichtigen Fortschritt für die Arbeiterklasse. Stalinistische Regime versuchen typischerweise, ihre Herrschaft zu konsolidieren und legitimieren, indem sie die Lebensbedingungen der Arbeiter verbessern. In Osteuropa bedeutete dies Vollbeschäftigung, stabile (und regelmäßig subventionierte) Nahrungsmittelpreise, garantierte Gesundheitsversorgung, günstiger öffentlicher Verkehr und günstiges Wohnen und eine generelle Verbesserung des Lebensstandards (und sozialer Mobilität) der arbeitenden Bevölkerung. Arbeiter in diesen Gesellschaften messen natürlich solchen sozialen Errungenschaften einen positiven Wert bei und tendierten gegen alle Versuche, sie auszuhöhlen.

Diese sozialen Errungenschaften werden jedoch durch das absolute Monopol über das politische Leben gefährdet, das die stalinistische herrschende Kaste eifersüchtig bewacht. In einer Gesellschaft, in der jede Facette des wirtschaftlichen Lebens politisch gelenkt wird — von der Festsetzung der Lohngruppen und Arbeitszeiten bis hin zu den Preisen von Verbrauchsgütern — hat die Masse der Bevölkerung kein wirksames Mittel, irgendeine dieser Entscheidungen zu beeinflussen. Um ihre prekäre Herrschaft abzusichern, müssen die Bürokraten jeden Ausdruck unabhängigen politischen — und sogar kulturellen — Lebens unterdrücken. Die Zwangsjacke, die dem kreativen Potenzial der Bevölkerung auferlegt wurde, entfremdet viele der Besten und Klügsten und produziert in Trotzkis Worten eine Gesellschaft, die „den grauen Stempel der Indifferenz“ trägt.

Es ist die Rolle trotzkistischer Organisationen in den deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten, das Proletariat gegen die Bürokratie in einer politischen Revolution zu mobilisieren, um den stalinistischen Apparat zu zertrümmern und die direkte Herrschaft der Arbeiter zu etablieren. Die Vorbedingung, um das Proletariat und seine Verbündeten zu einer politischen Revolution zu führen, ist unnachgiebigste Verteidigung der Errungenschaften, die bereits erzielt wurden. Trotzki bemerkte im April 1940:

Es ist die Pflicht der Revolutionäre, jede Eroberung der Arbeiterklasse zu verteidigen, auch wenn sie durch den Druck feindlicher Kräfte entstellt sein mag. Wer alte Positio­nen nicht verteidigen kann, wird niemals neue einnehmen.
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In dieser Hinsicht ist es wichtig, sich Trotzkis Analyse der widersprüchlichen Rolle des stalinistischen Apparates in den degenerierten/deformierten Arbeiterstaaten vor Augen zu halten. 1933 schrieb Trotzki, dass der stali­nistische Apparat:

[…] eine Doppelrolle spielt: heute, da es nicht länger eine marxistische Führung gibt und ebenso keine in Kürze auftauchende, verteidigt er die proletarische Diktatur mit seinen eigenen Methoden: aber diese Methoden sind solche, die den Sieg des Feindes morgen erleichtern. Wer diese Doppelrolle des Stalinismus nicht begriffen hat, der hat nichts verstanden.
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Anstelle von Trotzkis dialektischem Verständnis der stalinistischen Bürokratie, behaupten diese „Trotzkisten“, die für die klerikale, prokapitalistische Wałęsa-Führung gegen den stalinistischen Polizeiapparat im Dezember 1981 Seite bezogen, dass „Stalinismus durch und durch konterrevolutionär ist“. Diese falsche Formulierung (1952/53 ursprünglich vorgebracht von der amerikanischen Socialist Workers’ Party im Kampf gegen die liquidationistische Cochran-Clarke-Opposition) verschleiert die Tatsache, dass stalinistische Bürokratien trotz der arbeiterfeindlichen und konterrevolutionären Politik, die sie generell verfolgen, periodisch gezwungen sind, zu Maßnahmen zu greifen, das System nationalisierten Eigentums zu verteidigen, dem sie ihre Privilegien verdanken.

Wie würde eine Konterrevolution aussehen?

Lenin beobachtete, dass vom Standpunkt der Erhaltung bolschewistischer Macht die Armeen der Weißgardisten weit weniger gefährlich waren, als die billigen Verbrauchsgüter, die sie in ihrem Zug mitbrachten. Die Bolschewiki richteten ein Außenhandelsmonopol ein, um den Arbeiterstaat davor zu schützen, von der höheren Arbeitsproduktivität der kapitalistischen Welt unterminiert zu werden. Brüche in diesem Monopol stellten eine reale Gefahr für die dauerhafte Existenz der proletarischen Eigentumsformen dar.

In der Sowjetunion gab es unter der Neuen Ökonomischen Politik der 1920er Jahre auch die Entwicklung interner restaurativer Tendenzen, die durch den Kulaken und den NÖP-Mann verkörpert wurden. Der Hauptvorteil, den das stalinistische bürokratisch-zentristische Regime im Verhältnis zu den Kulaken besaß, war die relative politische Atomisierung der Letzteren. Es wäre jedoch ein Fehler sich vorzustellen, dass eine soziale Konterrevo­lution im Ostblock notwendigerweise eine einheitliche „Avantgarde“-Organisation benötigt hätte. Die überwältigende ökonomische Überlegenheit des Westens würde die imperialistische Durchdringung im Augenblick des Zusammenbruchs oder der Zerstörung von staatlichen Apparaten sichern, die nationalisiertes Eigentum verteidigen.

Trotzki und andere Marxisten brachten oft die Entwicklung proletarischer und bürgerlicher Revolutionen in Kontrast zueinander. Die kapitalistische Klasse entfaltete die materiellen und kulturellen Bedingungen für ihre Herrschaft in den Poren der feudalen Gesellschaft. Die Eroberung der politischen Vorherrschaft war der letzte Akt in der bürgerlichen Revolution. Das Proletariat, eine besitzlose und ausgebeutete Klasse im Kapitalismus, kann nicht seine eigene Form von Produktionsbeziehungen innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft entwickeln, gerade weil proletarisches Eigentum auf der umfassenden Enteignung der Bourgeoisie und der Kollektivierung der Produktionsmittel beruht.

Bevor die Arbeiterklasse die Bourgeoisie ökonomisch enteignen kann, muss sie zunächst ihre politische Überlegenheit etablieren. Eine Planwirtschaft, das kennzeichnende Merkmal der proletarischen Herrschaft, erfordert die Kollektivierung der atomisierten Besitztümer der einzelnen bürgerlichen Eigentümer. Enteignung der entscheidenden Sektoren der kapitalistischen Wirtschaft neigt dazu sich in einem relativ engen Zeitrahmen zu ereignen — wie die Bourgeoisie dazu neigt, nicht bei ihrer eigenen Auflösung zu kooperieren. Eine Rückkehr von nationalisiertem Eigentum zu Privateigentum wäre sehr wahrscheinlich ein sich länger hinziehender Prozess:

In den ersten Monaten der Sowjetherrschaft herrschte das Proletariat auf der Basis einer bürgerlichen Wirtschaft … Sollte eine bürgerliche Konterrevolution in der UdSSR Er­folg haben, würde sich die neue Regierung für eine längere Periode auf die nationalisierte Ökonomie stützen müssen. Aber was würde ein derartiger temporärer Konflikt zwischen der Wirtschaft und dem Staat bedeuten? Er bedeutet eine Revolution oder eine Konterrevolution.
[5]

Über vierzig Jahre vor der Schaffung von Solidarność entwarf Trotzki den Ablauf kapitalistischer Restauration in einer Planwirtschaft infolge der erfolgreichen Machtübernahme einer konterrevolutionären Führung:

Die Hauptaufgabe der neuen Macht wäre jedoch, das Privateigentum an den Produktionsmitteln wiederherzustellen. Vor allen Dingen gälte es, die Vorbedingungen zur Absonderung von Großbauern aus den schwachen Kolcho­sen und zur Umwandlung der starken Kolchosen in Produk­tionsgenossenschaften bürgerlichen Typs, in landwirtschaftliche Aktiengesellschaften, zu schaffen. Auf dem Gebiete der In­dustrie würde die Entnationalisierung bei den Betrie­ben der Leicht- und Nahrungsmittelindustrie begin­nen. Das Planprinzip würde während der Übergangszeit auf eine Reihe von Kompromissen zwischen der Staatsmacht und den einzelnen „Genossenschaften“ hinauslaufen, d. h. den potenziellen Besitzern, zusammengesetzt aus Sowjetindu­striekapitä­nen, ehemaligen emigrierten Besitzern und den ausländischen Kapitalisten. Obwohl die Sowjetbürokratie einer bür­gerlichen Restauration gut vorgearbeitet hat, müsste das neue Regime auf dem Gebiete der Eigentumsformen und Wirtschaftsmethoden nicht Reformen, sondern eine soziale Umwälzung durchführen.
[6]

Neben der Wiederherstellung der kapitalistischen Verhältnisse in der Landwirtschaft (in Polen bereits weit fortgeschritten), kleiner Warenproduktion und Einzelhandel, würde eine kapitalistische restaurative „demokratische“ Regierung auch versuchen, die Bindungen zum kapitalistischen Weltmarkt zu stärken. Diese Maßnahmen wurden alle als Meilensteine in der Schaffung einer „neuen wirtschaftlichen Struktur“ vorgeschlagen werden, die in Solidarnośćs Programm vom Oktober 1981 umrissen sind.

II. Ein Stückchen polnischer Geschichte

In Polen ist „die russische Frage“ buchstäblich an die nationale Frage gebunden. Polen als Nationalstaat — unterdrückt, geteilt und zeitweise einverleibt — hat seit fast tausend Jahren für eine unabhängige nationale Existenz. Polnischer Nationalismus, kompliziert mit der römisch-katholischen Kirche verwoben, war für ein Gutteil dieser tausend Jahre gegen die Russen gerichtet. Antirussische, antisowjetische und antikommunistische Gefühle, die in Polen weitverbreitet sind, wurden im Programm und der Aktivität Solidarnośćs eindeutig widergespiegelt. Die Ironie hierbei ist, dass Polen, wenn die kapitalistischen Restaurateure von Solidarność erfolg­reich gewesen wären, die Massen hinter dem Banner polnischer „Unabhängigkeit“ in einer erfolgreichen Machtprobe mit den Stalinisten zu sammeln, als Ergebnis in eine miserable Halbkolonie des westlichen Finanzkapitals verwandelt worden wäre.

In den Nachwehen des Ersten Weltkriegs und der bolschewistischen Revolution erschien Polen zum ersten Mal seit über einem Jahrhundert wieder als unabhängige Staatsmacht auf der Landkarte Europas. Mit der Niederlage der Roten Armee vor den Toren von Warschau im August 1920, Polen, unter der Führung von Marschall Pilsudski, gelang es, einen wesentlichen Teil von Landbesitz, einschließlich Teilen der Ukraine, Weißrusslands und Litauens anzuschließen. Stalin gewann kurzzeitig dieses Territorium (und etwas mehr) als ein Resultat des Hitler-Stalin-Paktes zurück. Daraufhin verschlang Hitler Polen vollständig als „Kriegsbeute“ im Verlauf seines verhängnisvollen Dranges nach dem Osten. Gegen Kriegsende, als die Sowjetarmee die Nazis zurückdrängte, erwog Stalin ernsthaft, Polen als siebzehnte „Sozialistische Sowjetrepublik“ einzunehmen. Es war allein die Chance, ein Geschäft mit dem Weltimperialismus in Jalta zu machen, dass ihn dazu überredete, einen unabhängigen Nationalstaat wiedererstehen zu lassen. Aber das Polen von 1945 war um 22 Prozent kleiner als das Polen von 1939. Das garantierte, in Kombination mit dem plumpen russischen Nationalismus der Kreml-Oberen, das Überleben der nationalistischen Feindseligkeit gegenüber den Sowjets, die letztlich als Pilsudski-Kult während der Glanzzeit von Solidarność aufblühte.

Polens Lage und Nähe zur UdSSR ist eine, von jenen selbsternannten, die Sowjetunion verteidigenden, „Trotzkisten“ oft übersehene Tatsache, die den eindeutig proimperialistischen Neigungen der Solidarność-Führung ein Alibi verschaffen würden. Polen ist nicht Finnland. In Wirklichkeit hat Polen eine immense strategische Bedeutung für die Verteidigung der UdSSR und die Aufrechterhaltung des kollektiven Eigentums in Osteuropa. Es war die Hauptroute über Land, die sowohl von Napoleon als auch von Hitler für die Invasion Russlands genutzt wurde. Wenn die NATO-Panzer eines Tages aufbrächen, um in der UdSSR den „Kommunismus zurückzudrängen“, kämen sie auch durch Polen. Zöge Polen sich aus dem Warschauer Pakt zurück, wäre Ostdeutschland, der militärische Hauptverbündete der Sow­jets, isoliert. Alle prosozialistischen, antistalini­sti­schen Elemente in Polen müssten diese Frage direkt ansprechen. Sie müssten sagen: „Russische Arbeiter! Wir sind eure Brüder — wir sind auch Kommunisten! Wir bekämpfen unseren Feind und euren Feind: die Parteibürokraten! Kommt uns zu Hilfe!“ Dieser Appell wurde von keinem Element in Solidarność jemals ausgesprochen. Wałęsa und der Rest der klerikalen Führung von Solidarność blickten für ihre Erlösung nach Westen, nicht nach Osten.

Die Bauern

In der unmittelbaren Nachkriegszeit favorisierten die Russen, die die sowjetische Kollektivierung unter Stalin erlebt hatten, in Polen eine sofortige Umverteilung des Landes auf die Mittel- und Kleinbauern und dann rasche Kollektivierung. Es gab halbherzige Versuche von Zwangskollektivierung (später aufgegeben) während der Periode des eigentlichen Bürgerkriegs zwischen 1944 und 1947. Heutzutage sind mehr als drei Viertel des landwirtschaftlich nutzbaren Landes in Händen der Kleinbauern. Gemäß Zensus von 1970 besaßen 57 Prozent der Privatbauern weniger als fünf Hektar. Diese Schicht wird oft als „Arbeiterbauern“ bezeichnet, weil sich ihr Einkommen nur teilweise aus der Landwirtschaft herleitet. Die Existenz dieser Schicht sichert die fortgesetzte gegenseitige Durchdringung von Proletariat und Bauernschaft — ein Faktor, der anschaulich mit der Verteidigung der Land-Solidarność durch die Gewerkschaft im März 1981 demonstriert wurde.

Jean-Yves Potel berichtet von einem Kommentar von Wieslaw Kecik, „einem KOR-Mitglied, das für den Agrarsektor verantwortlich ist“ gegenüber einem franzö­sischen Gewerkschafter, der über die Unterstützung Solidarnośćs für die Forderung der Bauern nach individuellen Eigentumstiteln für das Land verblüfft war:

Das Land ist ihr Werkzeug. Aber die Regierung hat das Recht, jedes Stück Land zu übernehmen, das unbebaut ist oder zum Verkauf angeboten wird. Es gibt die permanente Drohung der „Kollektivierung“. Auch wenn ein Bauer „sein Land schlecht bestellt“, können sie es wegnehmen.… Eine Garantie auf individuelles Eigentum zu fordern, ist gewissermaßen die Garantie auf Arbeit und die Kontrolle über deine Arbeit zu fordern.
[7]

Kecik fährt fort, dass die Bauern „fürchten, dass der Staat ihr Land wegnehmen wird. So geben sie ihre gesamten Ersparnisse aus. Diese Häuser haben jeglichen Komfort: Zentralheizung, fließendes Wasser und Toilet­ten.“ Der Widerwillen der bäuerlichen Eigentümer, in Mechanisierung oder andere Verbesserungen ihres Besit­zes zu investieren, bedeutet in Pozels Worten, dass

man statt der Akkumulation von Kapital eine Entkapitalisie­rung der privaten Landwirtschaft sehen konnte.
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Die vergeblichen Versuche der Stalinisten zur Beschwichtigung der Kleinbauern, die die Basis der katholi­schen Kirche darstellen und eine natürliche Anhängerschaft für prokapitalistische Strömungen liefern, haben den zusätzlichen „Nutzen“ der Verkrüppelung der polni­schen Landwirtschaft mit sich gebracht. Daniel Singer kommentiert:

Die wirtschaftlichen Nachteile dieses Mischsystems sind offensichtlich: mit 30 Prozent der gesamten Arbeitskraft, die noch auf dem Land beschäftigt ist, ist Polen ein Netto-Importeur von Nahrungsmitteln. Auch politisch ist die Lage der Dinge ein großes Hemmnis für die Herrscher des Landes. Die Planer müssen der Reaktion der Bauern ebenso stattge­ben wie den Launen der Natur. Die Parteiführung muss mit der Tatsache rechnen, ein Land zu führen, in dem über ein Viertel der Bevölkerung private Grundeigentümer sind.
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Die Kirche

Als die Sowjetarmee 1944/45 ihren Weg durch Osteuropa erkämpfte, waren die Länder, die sie befreite, weitgehend große landwirtschaftliche und bäuerlich bestimmte Ökonomien (mit Ausnahme der Tschechoslowakei). Sogar jener Teil Deutschlands, den sie eroberten, war hauptsächlich Gebiet der Landjunker von Ostpreußen. In jedem dieser Länder begannen die Stalinisten schließlich, von denen die meisten als Nachhut der Sowjetarmee kamen, die politischen und sozialen Bedingungen der UdSSR zu kopieren. Dies schloss ein gewaltmarschartiges Programm der Industrialisierung, der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und die Unterdrückung aller Oppositionsformen gegen die neuen Regime ein.

In A History of the People’s Democracies [Eine Geschichte der Volksdemokratien (Eig. Übers.)], beschreibt François Fejtö die Situation der Kirche in den frühen Jahren stalinistischer Herrschaft:

Als Stalin starb, befanden sich die meisten Führer der katholischen Kirche im Gefängnis. […] In Polen wurden 1951/52 mehrere Bischöfe wegen Zuwiderhandlung gegen die 1950 zwischen Staat und Kirche geschlossene Vereinbarung verhaftet; im Herbst 1953 wurde Primas Wyszynski in einem Kloster unter Hausarrest gestellt. […] Tausende „ungehorsame“ Priester und Ordensgeistliche wurden eingekerkert oder interniert…

Zwischen 1945 und 1952 hatten alle Volksdemokratien die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abgebrochen, den Nuntius vertrieben, die bestehenden Konkordate gekündigt. Die katholische Presse wurde auf ein Minimum reduziert. Nur in Polen blieb der Religionsunterricht theoretisch obli­gatorisch, aber auch da hatten die Behörden tausend Ausflüchte gefunden, um die gültigen Gesetze zu umgehen.
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Moskaus Feindseligkeit gegenüber der klerikalen Hierarchie bezog sich auf die offen antikommunistische Haltung des Vatikans in der vorangegangenen Periode. Unter der Besatzung der Nazis hatte ein Großteil des polnischen Klerus profaschistische Sympathien zu Schau gestellt:

Die Mehrheit des katholischen Klerus hatte weniger Sympa­thien für die WICI [eine quasi-linke bäuerliche Jugendorganisation], als für die faschistischen und antisemitischen Spezialplädoyers der stellvertretenden Priester, die in der Sejm herrschten. Ein gutes Beispiel war der bekannte Abt Trzeciak, der die katholische Tageszeitung Maly Dziennik zu Rechtfertigungen für Hitlers Rassenpolitik nutzte, indem er sich auf die päpstlichen Enzyklika berief.
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In den fünfunddreißig Jahren, die der sowjetischen Übernahme von Polen folgten, stellte die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP) nie die Macht der religiösen Reaktion ernsthaft in Frage. Sogar während der schlimmsten Periode der Verfolgungen wuchs die Kirche weiterhin und gewann an Einfluss. Unfähig, den Einfluss der Kleriker nach der Stalinära zu neutralisieren, änderte das Regime seinen Kurs. 1956 gab Gomulka Versuche der landwirtschaftlichen Kollektivierung auf und führte gleichzeitig den Religionsunterricht in den Schulen und katholische Kaplane in Gefängnissen und Krankenhäusern wieder ein. Er gab auch die katholische Tageszeitung Tygodnik Powszechny (die 1953 übernommen wurde, nachdem sie sich geweigert hatte, ihre Titelseite Stalins Begräbnis zu widmen) wieder an ihre ursprünglichen Herausgeber zurück. Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat hatten ihre Aufs und Abs in den letzten dreißig Jahren, aber im Allgemeinen haben sich die Stalinisten in einem erfolglosen Versuch, ihre eigene Herrschaft zu legitimieren, mit dem Bistum versöhnt.

Durch das Verbot jeder anderen Form sozialer oder politischer Opposition haben die Stalinisten die mora­lische Autorität der Kirche in praktisch allen Sektoren der polnischen Gesellschaft etabliert. Die antiklerikalen Tra­ditionen bedeutender Teile der Intelligenz und der Arbeiterbewegung aus der Vorkriegsperiode sind verschwunden. Ein Antikommunist beobachtete selbstgefällig:

In anderen kommunistisch beherrschten Ländern, in denen es der katholischen Kirche am Zugang zur Jugend mangelte oder in denen sie aus historischen Gründen von weiten Teilen der Bevölkerung isoliert war, wandelten sich wach­sender Widerwille gegenüber dem Kommunismus, seiner Korruption, seinem Autoritarismus und vor allem seine systematischen Lügen allmählich in zynischen Konformis­mus oder Resignation gefolgt von innerem Rückzug. Weil sich die Mehrheit der Leute in Polen mit den traditionellen Werten der Kirche von Patriotismus und Integrität identi­fizierte, wuchs ihre moralische Autorität in der Bevölkerung stetig.
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Die angewachsene „moralische Autorität“ des Episkopats verwandelte sich zu einer beachtlichen weltlichen Schlagkraft durch Solidarność. Die römisch-katholische Kirche in Polen ist keine klassenneutrale Institution. Sie hat sich der Aufrechterhaltung der kapita­listischen Weltordnung international verschrieben, der Zerstörung des atheistischen Marxismus und der Bewahrung des Allerheiligsten, des Privateigentums. Dies sind Tatsachen, die man nicht einfach weg wünschen kann, indem man die Massen in den Fabriken, die päpstlichen Flaggen, Madonnen und religiöse Prozessionen ignoriert.

Es gab unterschiedliche Auffassungen in der Hierarchie darüber, wie sie ihren Einfluss nutzen sollte. Kardinal Glemp, der in der Tradition von Kardinal Wyszynski stand, war in erster Linie darum besorgt, ihre Kontrolle über Bildung und ihren Zugang zu Massenkommunikationsmedien zu vergrößern. Zu diesem Zweck strebte die Kirche danach, sich als Vermittler zwischen Solidarność und dem Regime darzustellen, während sie den Vorteil bei jeder Gelegenheit dazu nutzte, in der städtischen Arbeiterklasse zu missionieren. Der neu eingesetzte polnische Pontifex war stärker geneigt sich einzumischen. Oliver MacDonald beschreibt die Orientie­rung von Johannes Paul II.:

Weit weniger nervös über die Volksbewegung als Wyszynski war der Papst daran interessiert, mit ihr zu kooperieren und deren säkulare Kräfte seiner Hegemonie zu unterwerfen. Verglichen mit Wyszynski spielte er den tradi­tionellen polnischen Nationalismus herunter und ermunterte stattdessen die Bewegung, die westlichen bürgerlichen Staaten als ihre Heimat zu betrachten.
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Der politische Einfluss der arbeiterfeindlichen katho­li­schen Hierarchie wurde machtvoll durch die triumphale Tour des Papstes durch Polen im Sommer 1979 demonstriert — ein Ereignis, das weithin mit der Explosion in Danzig im darauf folgenden Sommer verbunden wurde. In The Road to Gdansk, lieferte Daniel Singer dafür folgende Erklärung:

Als der polnische Papst, Johannes Paul II., sein Heimatland 1979 erneut besuchte, riesige und enthusiastische Mengen versammelte, die politische Bühne dominierte, wie der spirituelle Herr des Landes sprach, konnte seine Verklärung als Verdammung des Regimes im fünfunddreißigsten Jahr seines Bestehens interpretiert werden. Sein Triumph war der Nachweis des ideologischen und politischen Bankrotts eines vorgeblich kommunistischen Regimes. Die Beurteilung mag harsch klingen; im Grunde genommen war Polen auch vor dem Krieg ein strenggläubiges katholisches Land. Zuge­geben. Aber zu der Zeit gab es auch eine antiklerikale Stimmung unter Sozialisten, Kommunisten und einer pro­gressiven Intelligenz, die alle gegen die Kirche waren, als eine Institution, die dem Grundbesitzer den Rücken stärkte, die den Kapitalisten segnete, mit Antisemitismus kokettierte und in Sünde mit Pilsudski und seinen Obristen lebte. Die Macht der Kirche beruhte damals auf der Rückständigkeit einer Nation, die in Finsternis gehalten wurde, und auf der Unterstützung der Mächtigen. Sogar direkt nach dem Krieg sah die Kirche noch aus und handelte wie der Wahrer von Eigentum und Privilegien gegen jegliche progressive Reform. Danach, wenn ich das so sagen darf, schenkte ihr das Regime erfolgreich eine neue Jungfräulichkeit.

…das tat es, um es kurz zu machen, indem es darin versagte, eine Alternative zu bieten und indem es durch sein grobes und erdrückendes System den guten Namen des Sozialismus beeinträchtigte.
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Es ist die Tragödie der polnischen Arbeiterklasse, dass Jahrzehnte stalinistischer politischer Repression, gebrochener Reformversprechen, prahlerischer Korruption und groben ökonomischen Missmanagements Millionen Proletarier in die Arme der klerikal-nationalistischen Reaktion trieb. Von Stalin wird berichtet, dass er den Vatikan als wichtigen Faktor in der Weltpolitik mit der Frage abtat, wie viele Divisionen der Vatikan aufstellen könne. Vielleicht ist es das größte Verbrechen des polnischen Stalinismus, dem Papst diese „Divisionen“ geliefert zu haben.

III. Entstehung von Solidarność

In Europa und Amerika sahen die 70er Jahre einen dramatischen Rückgang der radikalen Welle von 1968. In Westeuropa fanden demoralisierte ehemalige Neue Linke eine Heimat bei den Sozialdemokratien, während sich ihre Pendants in Amerika der Demokratischen Partei anschlossen. In beiden Fällen bewegten sich diese Schichten hin zur Politik der Gewerkschaftsbürokratie. In Polen war jedoch die einzige machtvolle und soziale Institution, die unabhängig vom Staat war, die katholische Kirche.

Jan Kott, ein Emigrant der Opposition von 1968, der 1979 nach Polen zurückkehrte, registrierte die reaktionäre Verschiebung des vergangenen Jahrzehnts:

Drei Namen wurden leidenschaftlich hervorgehoben: Dmowski [Führer der rechten Nationaldemokraten], Pil­sudski und Daszynski [ein Führer von Pilsudskis Polnischer Sozialistischer Partei]. Eine Zeit lang konnte ich einfach nicht begreifen, was vor sich ging. Ich rieb mir die Augen. Woran erinnerte mich das? In welcher Emigration in Lon­don, in welchem anachronistischen Warschau fand ich mich wieder? Vor dem Krieg […] aber vor welchem Krieg, vor dem zweiten? Nein, vor dem ersten!
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Die Entstehung von Kritikern des Regimes während der 1970er wurde durch Männer wie Jacek Kuron und Adam Michnik beispielhaft veranschaulicht. Michnik, angeblich „ein fanatischer Marxist in seiner frühen Jugend“, schrieb ein Buch mit dem bezeichnenden Titel Die Kirche und die polnische Linke. Von der Konfron­tation zum Dialog, das 1977 in Frankreich veröffentlicht wurde. Czeslaw Milosz beschreibt in dem Vorwort zu einer Essaysammlung Michniks von 1985, dass dieses Buch „einen entscheidenden Wandel im politischen Klima dieses Landes“ markierte, weil Michnik nun ein Bündnis zwischen der Kirche und den Dissidenten im Kampf für die „Freiheit“ vorschlug.“

In der Mitte der 70er Jahre hatte Kuron ebenfalls einen ziemlich langen Weg von generellen linken Kritiken am Stalinismus zurückgelegt, die in seinem berühmten „Offenen Brief“ von 1965 an die PVAP vorgestellt wurden. Zu jener Zeit forderten Kuron und sein Co-Denker Karol Modzelewski eine Arbeitermiliz als die alleinige politische und wirtschaftliche Autorität. Sie beschwerten sich, dass „die bürokratische und reaktionäre Führung die traditionelle politische Rechte bevorzuge“ und warnte vor den

„politisch rechten Gruppierungen und Strömungen, ange­führt von der Kirchenhierarchie, die sich an die alten Paro­len einer reaktionären Ideologie klammerte.“
[16]

Am Tag nach der Verteilung des „Offenen Briefes“ wurden sie verhaftet und angeklagt, für einen „gewaltsamen Umsturz“ des Staates einzutreten. Als Kuron und Modzelewski verurteilt wurden, stimmten sie mit ihren Unterstützern im Gerichtssaal die „Internationale“ an

Einige Jahre später sang Kuron jedoch eine andere Melodie. Er hatte entdeckt, dass „die katholische Bewe­gung kämpft, um die Freiheit von Gewissen und menschlicher Würde zu verteidigen“. Er schlug vor, dass Polen

[…] einen ähnlichen Status wie Finnland anstreben sollte: Eine parlamentarische Demokratie mit begrenzter Unab­hängigkeit in dem Bereich der Außenpolitik, wo sie direkt die Interessen der UdSSR berührt.
[17]

Die Fusion von bürgerlichem „Pluralismus“, polni­schem Nationalismus und männlich-chauvinistischem Katholizismus sollte die zentrale Achse von Solidarnośćs Programm werden.

1976 gründeten Kuron und Michnik das KOR (Komitet Obrony Robotników [Komitee zur Verteidigung der Arbeiter]), eine sozialdemokratische Gruppierung, von intellektuellen Dissidenten und politischen Akti­visten. Das KOR entstand als ein Komitee, um Militante zu verteidigen, die wegen Widerstands gegen eine Preis­erhöhungsrunde 1976 verfolgt wurden. Es begann bald, eine Vielzahl bürokratischer Grausamkeiten aufzudecken und zu veröffentlichen. Das politische Programm von Solidarność wurde in den „fliegenden Universitäten“ des KOR begonnen, „in denen regimekritische Intellektuelle Kirchen als Unterrichtsräume nutzten, um vom Staat verbotene Fächer zu unterrichten.“ In Krakau war der da­malige Erzbischof (nun Papst Johannes Paul II.) begei­sterter Unterstützer dieser Unternehmung.

1979 publizierten KOR-Sympathisanten Robotnik, eine wöchentliche Semi-Untergrundzeitung, mit einer geschätzten Auflage von zehn- bis zwanzigtausend Exem­plaren. KOR-Kader spielten eine Schlüsselrolle als einflussreiche Berater im ganzen Leben von Solidarność. Ein junger Danziger Arbeiter bemerkte, nachdem er Michnik gehört hatte, „Einige von uns, mich eingeschlossen, hatten ihre Zweifel über die Absichten, die Mittel und den Ursprung des KOR. Nun weiß ich, dass Solidarność aus dem KOR kam. Vorher sagten sie es, jetzt sind wir es, die es sagen.“[18] Eine Arbeiterin, die von Alain Touraine inter­viewt wurde, fasste Solidarnośćs Entstehungsgeschichte treffend zusammen: „Das KOR regte uns zum Denken an, der Papst gab uns Mut.“[19]

Die Befürwortung der parlamentarischen Demokratie durch KOR, ebenso wie dessen Befürwortung der anwachsenden „Freiheit“ des Marktes hatte eine deutliche Wirkung bei den Arbeitern, die drei Jahrzehnte lang stali­nistischer politischer Repression und Inkompetenz unter­worfen waren. Es erhielt auch eine Sympathiereaktion des Weißen Hauses. Timothy Garton Ash erklärt:

Anfang 1977 wurden die aktivsten jüngeren Mitglieder des KOR verhaftet und Materialien für ein Gerichtsverfahren gesammelt. Dann, im Juli 1977, wurden sie alle ziemlich unerwartet amnestiert […] 1977 war Gierek bereits in verzweifelter finanzieller Notlage, während der „Helsinki-Pro­zess“ in vollem Gange war und die Carter-Admini­stration die deutlichste „Verknüpfung“ zwischen ökono­mi­schen und Menschenrechtsfragen für eine Entspannung her­stellte. In dem Jahr waren sowohl Kanzler Schmidt als auch Präsident Carter zu Besuch in Warschau. Auf einer Pressekonferenz pries Carter lautstark die polnischen Leistungen in Fragen der Menschenrechte und der religiösen Toleranz, um im nächsten Atemzug weitere US-Kredite in Höhe von $200 Millionen anzukündigen. Eine „Verknüpfung“ könnte kaum deutlicher sein, als in diesem Fall.
[20]

Giereks ökonomisches Desaster

Solidarność entstand im August 1981 als Antwort der polnischen Arbeiter auf die tiefgreifende Wirtschaftskrise, die vom stalinistischen Regime geschaffen worden war. In den späten 70ern war es klar, dass die Versuche von Giereks Regime exportorientiertes Wachstum durch die Verpfändung der Ökonomie an westliche Banken zu erzeugen, ein kolossaler Fehlschlag war. Exporteinnahmen, dazu gedacht, den heimischen Konsum und den Lebensstandard anzuheben, wurden stattdessen gebraucht, um die angehäuften Schulden zu bedienen.

Die polnische Wirtschaft wurde durch die Aussöhnungspolitik der Stalinisten mit den Bauern behindert. Die geringe Größe ihres Grundbesitzes machte Mechani­sierung undurchführbar. Gleichzeitig bedeutete das Misstrauen der Kleinbauern gegenüber dem Regime, dass alle Versuche, sie zu ermutigen, mehr Land zu erwerben und Traktoren zu kaufen, vernachlässigbare Ergebnisse hatten. Die einzige Möglichkeit, diese kleinkapitalistischen Bau­ern zu mehr Produktion zu bewegen, war die Anhebung der Preise, die ihnen gezahlt wurden. Aber dies führte zum Risiko einer Konfrontation mit der Arbeiterklasse, die historisch gegen steigende Nahrungsmittelpreise Widerstand geleistet hatte. Die „Lösung“ der Bürokraten war ein ausgeklügeltes System staatlicher Subventionen, die einen stetig steigenden Teil des verfügbaren sozialen Mehrwerts aufbrauchten. Während der 70er Jahre stagnierte die einheimische Nahrungsmittelproduktion; aber die Einnahmen der Bauern (und staatliche Subventionen) stiegen unaufhörlich. 1977 wurde geschätzt, dass die Subventionen bis zu 70 Prozent des Ladenpreises von Nahrungsmittel in den Geschäften ausmachten.

Nachdem 1980 die imperialistischen Finanziers letztendlich den Kredit für das Regime gedrosselt hatten, war Gierek gezwungen, den Fleischpreis anzuheben. Dies löste eine massive Widerstandswelle der Arbeiterklasse aus, wie schon frühere versuchte Preisanhebungen 1970 und 1976. Die Krise des Regimes war jedoch 1980 weitaus ernster als jemals zuvor. Diesmal hatte der Großteil der Arbeiter, einschließlich jener, die der PVAP angehörten, etwa 10 Prozent des Industrieproletariats, ihren Glauben an alle Flügel der herrschenden Elite verloren. Die früheren Aufwallungen hatten keine neuen organisa­torischen Strukturen geschaffen, wohingegen die Streikwelle vom August 1980, die sich schnell von Danzig über das ganze Land ausbreitete, Solidarność hervorbrachte, die erste unabhängige Gewerkschaft in einem [bürokra­tischen Arbeiter]staat.

Das Danziger Abkommen von 1980

Die Danziger und Stettiner Abkommen reflektierten das existierende Kräfteverhältnis im Herbst 1980. Adam Michnik bemerkte: „Für beide Seiten war dieser Kompro­miss eine Zweckheirat, keine aus Liebe.“[21] Der stali­nistische Apparat gestattete die Gründung einer wirklichen, „sich selbst verwaltenden“ Gewerkschaft. Im Gegenzug stimmte Solidarność zu, das stalinistische Prinzip der „Führungsrolle“ der PVAP und das gesell­schaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln anzuerkennen. Während wir die Klausel der „Führungsrolle“ und die Forderung nach „Zugang zu den Massenmedien durch religiöse Organisationen im Verlauf ihrer religiösen Aktivitäten“ abgelehnt hätten, waren der August-Streik und die meisten Bedingungen des Abkommens sicherlich unterstützbar. Trotzkisten konnten das Erstarken der polnischen Arbeiter gegenüber den stalinistischen Bürokraten und ihrem Polizeiapparat nur begrüßen. Gleich­zeitig war es notwendig, sich gegen die wachsende prowestliche und klerikale Neigung der Gewerkschaftsführung stark zu machen.

Aber das Danziger Abkommen im August konnte nur eine vorübergehende Lösung des Konflikts bedeuten. In einer Periode rückläufiger Produktion mit sprunghaft steigenden internationalen Schulden war es utopisch zu erwarten, dass „Politik“, die ausschließlich der PVAP vorbehalten war, lange von der Ökonomie getrennt sein könnte. Während des Winters und Frühlings von 1980-81 bedeutete Solidarnośćs eigentlicher Erfolg, dass sie zwangsläufig gezwungen war, Antworten auf dem Gebiet der Ökonomie als Ganzes zu liefern.

Angesichts des klerikal-nationalistischen Charakters der Gewerkschaftsführung ist es kaum überraschend, dass ihre „Reformen“ nicht auf der Verteidigung des nationali­sierten Eigentums an den Produktionsmitteln basierten.

Die Bydgoszcs-Krise: Solidarność am Rande des Abgrunds

Eine kritische Konfrontation zwischen Solidarność und dem Regime kam im späten März 1981. Thema war die Legalisierung der „Ländlichen Solidarność“, einer Kula­ken„gewerkschaft“, ins Leben gerufen, um das kolossale Lösegeld, repräsentiert durch den staatlichen Zuschuss, zu verwalten, das an ineffiziente private landwirtschaftliche Erzeuger gezahlt wurde. Die katholische Hierarchie, die sich historisch auf die polnische Bauernschaft stützte, war entschlossen, die Anerkennung für die Ländliche Solidarność zu gewinnen und intervenierte direkt bei der Regierung zu verschiedenen Anlässen.

Am 19. März 1981 brachen 200 Polizisten in die Präfektur von Bydgoszcs ein und schlugen Jan Rulewski, einen örtlichen Solidarność-Führer zusammen, der sich gerade mit einer Gruppe von Mitgliedern der Ländlichen Solidarność traf. Dies führte am 27. März zu einem einstündigen Warnstreik von Millionen Solidarność-Arbei­tern. Die Solidarność-Führung drohte, einen unbegrenzten Generalstreik am 30. März zu beginnen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Angesichts eines beeindruckenden und entschlossenen Auftretens von Polens Arbeitern (einschließlich eines großen Teils aus den Reihen der PVAP), lenkte das Regime ein und stimmte der Anerkennung der Ländlichen Solidarność zu.

Solidarność gewann eine Runde in Bydgoszcs, aber die Bereitschaft der Führung, eine Übereinkunft mit der Regierung zu erreichen, zu der das Episkopat drängte, erzeugte Unzufriedenheit unter Elementen an der Basis, die spürten, dass mehr Zugeständnisse hätten erreicht werden können. In diesem Fall handelte Wałęsa als Agent der Hierarchie innerhalb der Führung von Solidarność und trug letztlich den Sieg davon. „Was“, laut Wałęsa,

wirklich passierte, war, dass wir in Gefahr waren, uns zu spalten; insbesondere von der Kirche zu spalten. In Momen­ten wie diesen muss man umkehren.
[22]

Aber nicht jeder war über das Resultat erfreut. Oliver MacDonald kommentierte dies nach den Ereignissen von Bydgoszcz:

Die Massen tendierten dazu, in andere Richtungen zu treiben, als die ökonomische Krise immer schwerer lastete und als Solidarność nicht stark genug zu sein schien ihre Probleme zu lösen. Einige begannen sich nach irgendeiner starken Regierung zu sehnen, andere starteten wilde Streiks auf eigene Faust, außerhalb der Kontrolle der Solidarność-Führung. Was die Aktivisten der Bewegung betrifft, begannen sie nach radikaleren politischen Ant­worten auf die Krise zu suchen, wobei sie über rein gewerkschaftliche Ziele hinaus gingen.
[23]

IV. Der Solidarność-Kongress von 1981 überschreitet den Rubikon

Als die Temporäre Koordinierungskommission (TKK) von Solidarność 1985 auftauchte, enthielt ihr ökonomi­sches Programm folgende Forderungen:

  • Neben Staatseigentum in der nationalen Wirtschaft sollte es auch Spielraum für eine Vielfalt privaten Eigentums geben, das Industrie einschließen sollte… Fairer Wettbewerb sollte darüber entscheiden, welche Art von Eigentum auf den verschiedenen Feldern der nationalen Wirtschaft überwiegen wird.
  • Neben den Zentralbanken sollte es Banken für Einlagen geben, die als unabhängige Unternehmen agieren und Gewinn durch Kreditgewährung gegen Zinsen erzielen.
  • Neben dem Markt für Waren und Dienstleistungen sollte es einen Aktienmarkt geben, der dadurch, dass jeder in die Lage versetzt wird, Anteile und Bonds zu erwerben, zu einer Kapitalquelle für die Entwicklung von Unternehmen wird.
  • Es muss zugelassen werden, dass Preise vom Markt gebildet werden.
  • Im Fall unprofitabler Unternehmen sollte energisch am Prinzip von Bankrott und Insolvenz festgehalten werden.
  • Privates Kapital aus dem Ausland sollte legal gesicherte Bedingungen für sichere Investitionen in Polen haben, auch, neben anderen Formen, in Unternehmen mit gemeinsamem privaten und staatlichen Kapital.

[24]

Neben „Arbeitermanagement“ erhalten wir „Arbei­ter“-Börsen, „Arbeiter“-Privatbanken und natürlich „Arbeiter“-Bankrott und Schlangen von Arbeitslosen. Die meisten Sozialisten hätten wenig Probleme damit, diese Forderungen als Aufruf zur Wiedereinführung einer Wirtschaft zu identifizieren, die von Konkurrenz auf den Märkten angetrieben wird. Aber die Vorschläge von 1985 sind im Wesentlichen die gleichen wie die marktorien­tierten Vorschläge die vier Jahre zuvor vom Solidarność-Kongress angenommen wurden.

Der Nationalkongress 1981: Demokratisch und maßgeblich

Bis zu ihrem Nationalkongress im September-Oktober 1981 war der Charakter von Solidarność historisch unbestimmt. Auf der einen Seite war Solidarność die Schöpfung einer Aufwallung der Massen der polnischen Arbeiterklasse — einschließlich eines Drittels der Mitglieder der herrschenden PVAP (Polnische Vereinigte Arbeiterpar­tei). Auf der anderen wurde sie dominiert durch eine Gruppe von Männern, die der Katholischen Kirche verbunden waren und die betört waren von den „demokratischen“ Imperialisten. (Im Herbst 1980 hatte Wałęsa Reagans Wahl bejubelt als „gutes Zeichen“ für Polen.) Wałęsa und seine Spezis wurden allgemein anerkannt als die Führer der Bewegung, sie hatten jedoch weder einen Mechanismus, um ihren Willen durchzusetzen, noch ein Mandat von ihrer Basis.

Diese anomale Situation wurde vom Delegiertenkongress der Gewerkschaft aufgelöst. Es war eine äußerst demokratische, voll repräsentative und daher fraglos maß­gebliche Versammlung Lawrence Weschler berichtete:

Kaum ein Jahr alt, hat Solidarność nicht nur eine Mitgliedschaft von annähernd zehn Millionen, sondern durch einen ausgefeilten, dezentralisierten Prozess sogar dafür gesorgt, alle zehn Millionen einzuschließen im Ablauf von Abstimmungen an der Basis, durch Ortsgruppen und Regionalkongresse, die schließlich die Repräsen­tanten wählten, die sich in der Gewerkschaftshalle versammelten.
[25]

Delegierte wurden in lokalen und regionalen Versammlungen frei gewählt. Offene Debatten wurden auf dem Kongress ermutigt und jedem Delegierten stand es frei, zu jedem Punkt zu sprechen. Nach einer vorbereitenden sechstägigen Versammlung, die eine Vielfalt verschiedener Vorschläge abwog, vertagten sich die Dele­gierten für Konsultation und Instruktion ihrer Wählerschaft.

Timothy Garton Ash berichtete von den Beratungen, die in die Ausarbeitung eines endgültigen Programms mündeten:

in der Zeit zwischen den zwei Runden [des Kongresses] ver­brachten mehr als hundert Delegierte, organisiert in dreizehn Arbeitsgruppen, einige hundert Stunden damit, einen endgültigen Programmentwurf durchzupeitschen, der aus acht „Kapiteln“ und 37 „Thesen“ bestand. Die zweite Runde des Kongresses debattierte danach und stimmte über jedes ein­zelne Kapitel ab, wobei sie zahlreiche Ergänzungen, auf Vorschlag aus der Versammlung, aufnahmen.
[26]

Wie Alain Touraine kommentierte, war die „sorgfältige formale Demokratie eine Garantie für die Legitimität der Bewegung und die Entscheidungen des Kongresses boten keine Grundlage für Streit.“[27]

Solidarnośćs Ökonomisches Programm: Ein Restauratives Dokument

Dieser zutiefst demokratische Prozess führte dazu, dass sich Solidarność als prokapitalistische politische Bewe­gung herauskristallisierte. Obwohl sie zweifellos den größten Teil der polnischen Arbeiterbewegung umfasste, war Solidarność nicht länger einfach nur eine Gewerkschaft. Ihr Programm verkündete: „Wir sind eine Organi­sation, die die Eigenschaften einer Gewerkschaft und einer großen sozialen Bewegung kombiniert.“ Tatsächlich waren eine Mehrheit der fast 900 Delegierten auf dem Kongress keine Arbeiter.

Das Programm, endgültig beschlossen im Oktober 1981, stellt die genauest mögliche Messung des politischen Charakters dieser sozialen Bewegung dar. Dies ist ein Dokument, das nicht beiseite gefegt werden kann als „unzureichend“, „teilweise“ oder „widersprüchlich“, wie manche Verteidiger es gern hätten. Viele der Forde­rungen, die im Solidarność-Programm erhoben werden (in englischer Sprache im Anhang dieser Broschüre) befassen sich mit Fragen von untergeordneter Bedeutung. Die Forderungen nach angemessener Heizung und Nahrungsmitteln für ältere Menschen oder nach dem Schutz der Umwelt sind an sich einwandfrei. Aber sie sind auch politisch bedeutungslos. Der Kern des Dokuments ist ein Vorschlag für den radikalen Abbau der polnischen Planwirtschaft zugunsten eines „neuen Wirtschafts- und Sozialsystems“, in dem die Marktkräfte oberste Vormacht hätten.

Wir empfehlen, einige entscheidende Abschnitte des Programms zu analysieren. Das Dokument besteht aus acht Abschnitten und umfasst siebenunddreißig Thesen. Viele dieser Thesen haben Unterpunkte. Zur Erleichterung der Referenzierung werden wir die Stelle des Materials, wie folgt zitieren: Abschnitt (mit römischen Ziffern bezeichnet); die Nummer der These und die Ziffer des Unterpunkts (falls vorhanden). So bezieht sich „III.1.1“ auf Abschnitt Drei These Eins, Unterpunkt Eins.

Die Struktur der ökonomischen Organisation im Dienste des Kommandosystems muss aufgebrochen werden. Es ist erforderlich, den Apparat der ökonomischen Verwaltung von der politischen Macht zu trennen.
— III.1.1

Es ist notwendig, die bürokratischen Hindernisse beiseite zu räumen, die es dem Markt unmöglich machen zu operieren. Die zentralen Organe der ökonomischen Verwaltung sollten Unternehmenstätigkeit nicht beschränken oder Lieferanten und Käufer für ihre Produktion vorschreiben. Unternehmen sollen in der Lage sein, sich frei auf dem Binnenmarkt zu betätigen, außer in Geschäftsfeldern, in denen eine Lizenz vorgeschrieben ist. internationaler Handel muss für alle Unternehmen zugänglich sein … Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bestimmt das Preisniveau.
— III.1.3

Der Aufruf „bürokratische Hürden beiseite zu räumen, die es dem Markt unmöglich machen zu operieren“, ist kein Programm zur Reform des Systems verstaatlichten Eigentums. Die Trennung zwischen Politik und Wirtschaft ist gerade charakteristisch für eine Marktwirtschaft; in einer kollektivierten Planwirtschaft sind die beiden vereint. Die Barrieren für das freie Spiel des Marktes zu beseitigen, heißt, die zentrale Planung abzubauen. Dies ist ein Vorschlag für eine grundlegende Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse, d. h. für die soziale Konterrevolution.

Der Satz „der internationale Handel muss für alle Unternehmen zugänglich sein“ bedeutet, was er aussagt: Das staatliche Außenhandelsmonopol wird aufgehoben und jedes Unternehmen kann Zugang zum Weltmarkt erzielen. Dieser Vorschlag zum Abbau des Außenhandelsmonopols, das Trotzki als die notwendige Folge des verstaatlichten Eigentums feststellte, wird wiederholt:

Es ist notwendig, Überschüsse von Materialien, Maschinen und Anlagen zu verwenden, ihren Verkauf ins Ausland zu vereinfachen sowie deren Verkauf an private Unternehmen in Polen. Derzeitige Beschränkungen für die Tätigkeit solcher Unternehmen müssen aufgehoben werden.
— III.3.2

Dies ist ein unverhüllter Aufruf zur Errichtung eines Marktes für Produktionsmittel und zur Beseitigung von Beschränkungen für das Recht von Unternehmen, die Produktionsmittel auf dem internationalen kapitalistischen Markt zu verkaufen, mit anderen Worten, für die Zerstörung der Eigentumsformen der Arbeiterklasse.

Arbeitslosigkeit, Armut, regionales Gefälle: Solidarnośćs „Reform“

Die Hauptmethoden zur Wiederherstellung des Marktgleich­gewichts werden Produktionsteigerung und Güterversorgung sein. Dies wird jedoch nicht ausreichen, um das Marktgleichgewicht kurzfristig wiederherzustellen. Es wird auch notwendig sein, die Nachfrage nach Waren zu reduzieren.
— III.4

Dies ist eine Vorwegnahme niedrigerer Lebensstandards als eine der „sozialen Kosten“ zur Wiederherstellung des Marktgleichgewichts. Neben Arbeitslosigkeit und redu­ziertem Lebensstandard entwirft das Programm wach­sende Ungleichheit zwischen Unternehmen und Regionen als Teil der „neuen Wirtschaftsordnung“.

Die wirtschaftliche Reform wird die Gefahr großer sozialer und Einkommensunterschiede zwischen Unternehmen und Regionen in sich bergen. Wir müssen die Bedingungen schaffen, unter denen solche Ungleichheiten minimiert werden können.

Unsere Bemühungen werden darauf ausgerichtet sein: a) Soziales Handeln und Wohlfahrtsaktivitäten von Unternehmen unter die Verantwortung der regionalen Selbstverwaltung zu bringen und b) die Schaffung eines sozial kon­trollierten nationalen Fonds, um Kapital von einer Region in eine andere zu transferieren…
— III.8

Die Designer des „neuen Sozial- und Wirtschaftssys­tems“, wie im Programm der Solidarność 1981 dargelegt, wussten, dass eine marktbasierte Wirtschaft tatsächliche Kosten für die Arbeiterklasse mit sich bringen würde, einschließlich Arbeitslosigkeit und Zunahme regionaler Ungleichheiten. So wendeten sie einiges an Rhetorik zur Betreuung der Opfer auf in der Art und Weise bürgerlicher Politiker, die ein „Sicherheitsnetz“ versprechen, um jene aufzufangen, die durch die Risse der Ausbeutung des freien Marktes fallen.

In einer Planwirtschaft gibt es weder eine Notwendigkeit zur Entlastung von Arbeitslosen, noch gibt es ein Bedürfnis für einen speziellen Fonds zur Kompensation von Ungleichheiten auf regionaler oder Werksebene; diese sind nur dann notwendig, wenn das Wertgesetz die Produktion bestimmt. In einer Planwirtschaft werden Arbeiter nicht durch die Rentabilität ihres eigenen speziellen Unternehmens belohnt. Es gibt keine strukturelle Arbeitslosigkeit. Jene, die das wirtschaftliche „Reform“-Paket von Solidarność schnürten, wussten, wovon sie redeten trotz des Alibis ihrer „trotzkistischen“ Claqueure.

Begünstigung der Kulaken

Im Prinzip muss die bäuerliche Wirtschaft einen großen Teil der Produktionsmittel erhalten, vor allem landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, Dünger und Futter (vor allem anderen, von hohem Proteingehalt). Dies wird eine höhere Nahrungsmittelproduktion ermöglichen, da die bäuerliche Wirtschaft effizienter ist als der sozialisierte Sektor.
— III.3.4

Hier haben wir eine explizit prokapitalistische Forderung, die linke Apologeten von Solidarność typischerweise ignorieren. Polens Kleinbauern sind nicht effizient, ihre geringe Produktivität stellt ein Hemmnis für die Wirtschaft dar. Die Kulakenschicht, die Solidarnośćs Reform begünstigen sollte, ist wesentlich effizienter als die Kleinbauern. Jean-Yves Potel beschreibt ein solches Individuum, einen „Großgrundbesitzer“:

Der Mann war etwa 40 Jahre alt. Seine Frau hat nicht gearbeitet und er beschäftigte einen Arbeiter. Sein Haus war groß und neu, erbaut im Baustil eines französischen Arztes. Die Räume waren im Übermaß dekoriert, und von schlechtem Geschmack. Hier war ein Neureicher, der mit seinem Geld angab. Er zeigte ihnen das Wohnzimmer: überall Wandteppiche und einen gut sortierten Schrank mit Getränken — Champagner, Liköre. Aperitifs… Der Rasen draußen war einwandfrei. Die Garage war ebenso gut bestückt, mit einem kleinen LKW und einem smarten Mercedes. Er führte seine Gäste zu einer Besichtigung der Gewächshäuser. Sie waren gut gepflegt: passend zur Jahreszeit enthielten sie Blumen oder Gemüse.

Der Markt-Gärtner war für die Bauerngewerkschaft und hatte sich ihr in der Tat bereits angeschlossen. Andre fragte den Vizepräsidenten der Gewerkschaft, der sie begleitete: „Stellt diese Art von Mitgliedern nicht ein Problem für Sie dar?“

„Alle Bauern haben das Recht, der Gewerkschaft beizu­treten.“
[28]

Die „Ländliche Solidarność“ war zwangsläufig das politische Vehikel für diese Person und ihresgleichen. Diese Schicht übte einen Einfluss auf dem Lande aus, der in keinem Verhältnis zu ihrer Anzahl stand. Unterstützt von Millionen kleinkapitalistischer Landwirte, eng verbunden mit der klerikalen Hierarchie, bildeten die Kulaken einen integralen Bestandteil der sozialen Basis für Restauration in Polen. Das Solidarność-Programm schlug vor, Mittel aus kollektivierten Betrieben umzuleiten, um die Entwicklung dieser Schicht zu beschleunigen. Nach unserer Kenntnis ist keiner aus Wałęsas Legion „trotzkistischer“ Anwälte, die sich Solidarność als eine Bewegung mit einer inhärenten „sozialistischen“ Dynamik vorstellen, bisher in der Lage zu erklären, wie der Begünstigung der Kulaken unterstellt wurde, die Interessen der polnischen Arbeiter zu fördern.

Solidarnośćs Schema der Selbstverwaltung

Eine neue ökonomische Struktur muss aufgebaut werden. In der Organisation der Ökonomie wird die Basiseinheit ein kollektiv verwaltetes soziales Unternehmen… Es soll wirtschaftliche Kalkulation in Angelegenheiten des Managements anwenden. Der Staat kann Unternehmenstätigkeit durch verschiedene Regulierungen und wirtschaftliche Instrumente wie Preise, Steuern, Zinsen und so weiter beeinflussen.
— III.1.2

Auf Solidarnośćs Forderung nach „Selbstverwaltung“ der Arbeiter wird oft von ihren linken Apologeten als die progressive, für die Arbeiterklasse stehende Seite ihres Programms hingewiesen. Doch für jeden, der mit den grundlegenden Lehren des Sozialismus vertraut ist, sollte es klar sein, dass dieser Vorschlag nichts mit einem Kampf der Arbeiterklasse zu tun hat, die Kontrolle über die wirtschaftliche Planung der Bürokratie zu entreißen. „Selbstverwaltung“, wie von Solidarność ausgearbeitet, bedeutet „Befreiung“ jedes Unternehmens von der zentralen Planung. Jede Fabrik würde autonom sein, und die zentrale Autorität wäre nur in der Lage, die Produktion indirekt zu beeinflussen. Jedes Unternehmen würde seine Tätigkeit in Einklang bringen mit „wirtschaftlicher Kalkulation“ — das heißt, entsprechend der Gewinn- und Verlustrechnung. Dies würde die wesentlichen Voraussetzungen für einen Übergang zu einem System kapitalistischen Privateigentums schaffen.

Man braucht kein Trotzkist zu sein, um die Bedeutung der „Selbstverwaltung“, wie von Solidarność vorgeschlagen, zu verstehen. Garton Ash fasste es folgendermaßen zusammen: „Das „sozialisierte Unternehmen“ würde „unabhängig auf der Basis wirtschaftlichen Rechnungswesens (d. h. Gewinnerzielung) handeln“[29]. Lawrence Weschler beobachtet:

Es gibt verschiedene Systeme für Samorząd [Kollektive Selbstverwaltung], aber die Grund­idee lautet in etwa so: das Unternehmen (Fabrik, Verlag, Fluggesellschaft oder was auch immer) wäre gemeinschaftliches Eigentum der Arbeiter, die es betrieben. (Heute gehört es dem Staat, der wiederum, einmal angenommen, aber wirklich nur angenommen, den Arbeitern gehört.) Die Arbeiter wählten einen Rat ihrer Vertreter, die sowohl kontinuierlicher Überprüfung als auch Abberufung unterworfen wären, und der Rat setzte einen Manager ein, der gegenüber dem Rat allein verantwortlich wäre. Der Staat übte seinen Einfluss durch ökonomische Instrumente (Steuern, Abgaben, Investitionen Kredite, usw.) oder normative Gesetze (Verordnungen, Standards zu Schadstoffemissionen etc.) aus, aber ansonsten würde er sich heraus halten und das freie Spiel des Marktes zulassen, um die Wirtschaft zu rationalisieren.[30]

Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre in der Sowjetunion traten nicht offen für die Rückgabe der Produktionsmittel an die Bourgeoisie ein — sie wollten die Dinge nur ein wenig den Kräften des Marktes öffnen. Wenn die zentral verwaltete Wirtschaft in autonome Einheiten aufgebrochen wird, deren Interaktionen durch „wirtschaftliche Kalkulation“ geregelt werden, hört kollektiviertes Eigentum außer der Benennung auf zu existieren. Trotzki nahm 1928 in seinen Schriften das Wesen der Selbstverwaltung von Solidarność als kritisches Moment beim Übergang zurück zur Marktwirtschaft vorweg.

Die Trusts und verschiedenen Fabriken würden beginnen ihr eigenes Leben zu führen. Von den Anfängen der Planung, die heute schwach sind, würde keine Spur bleiben. Der wirtschaftliche Kampf der Arbeiter würde Ausmaße annehmen, die allein vom Kräfteverhältnis begrenzt würden. Das Staatseigentum an den Produktionsmitteln würde sich zunächst in eine juristische Fiktion verwandeln, danach würde selbst diese hinweggefegt.[31]

Wir sind ein paar „tiefen Denkern“ unter den Horden von Pseudotrotzkisten begegnet, die angeblich „die Sowjetunion verteidigen“ und versuchen, das offen prokapitalistische Programm von Solidarność mit dem Hinweis auf die marktorientierte „Perestroika“ zu entschuldigen, die gegenwärtig durch den Sowjetblock fegt. Sie sind bereit zuzugeben, dass Wałęsa und Konsorten konterrevolutionär und prokapitalistisch waren, argumentieren aber, die Stalinisten seien nicht besser.

Trotzkisten sind gegen Gorbatschows Vorschläge eines „Marktsozialismus“, gerade weil sie die inneren restaurativen Kräfte stärken. Aber es ist notwendig, zwischen den Vorschlägen zu unterscheiden, die von Leuten wie Wałęsa vorgebracht werden, die mit den Imperialisten ideologisch und praktisch offen verbündet sind, und denen, die von stalinistischen Bürokraten gefördert werden, deren Privilegien sich von ihrer Rolle als Hüter des verstaatlichten Eigentums ableiten. Die Bürokratie bringt restaurative Strömungen hervor und fördert sie, aber sie kann sich nicht insgesamt zum Kapitalismus bekennen, ohne ihre eigene soziale Funktion abzuschaffen und sich selbst zu liquidieren. Wałęsa, die klerikale Hierarchie, die privaten Bauern und die proimperialistischen „Sozialisten“ des KOR haben keinen vergleichbaren Hang zum Planungsprinzip [32].

Solidarność weist ein sozialistisches Feigenblatt zurück

Damit es keinen Zweifel über die Stoßrichtung der wirtschaftlichen Vorschläge von Solidarność gibt, ist es aufschlussreich, die Reaktion des Kongresses auf die zwei verbliebenen Gelegenheiten zur Kenntnis zu nehmen, bei denen das Wort „Sozialismus“ überhaupt erwähnt wurde. Timothy Garton Ash bemerkt:

Das Wort „Sozialismus“ erscheint nicht im Programm. Der erste Entwurf der Intellektuellen hatte eine Verpflichtung zu „sozialistischen sozialen Gedanken“ neben christlicher Ethik, nationalen Traditionen und demokratischer Politik anerkannt: Die demokratische Debatte strich das Adjektiv „sozialistisch“.[33]

Bei der zweiten Gelegenheit kündigte Professor Edward Lipinski, einer der Gründer des KOR und vor dem Krieg lange mit Pilsudskis Polnischer Sozialistischer Partei (PPS) verbunden, die Auflösung des KOR an und verurteilte die Regierung für den Verrat an den „sozialistischen Idealen“ seiner Jugend. Ein Antrag wurde vorgebracht, das KOR für seine Beiträge zu Solidarność zu danken, aber eine Gegenresolution von einem Niezgodzki, wies selbst diese beiläufige Referenz zurück. Touraine erklärt:

Der Niezgodzki-Antrag war ein klarer Ausdruck des, gegenüber dem KOR, feindseligen Nationalismus und wurde als solcher von allen verstanden, zumal es allgemein bekannt war, dass Masovia [Niezgodzkis Heimatbezirk] die Szene für verschiedene gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen „wahren Polen“ und Militanten war, die dem KOR nahe standen.[34]

Die Polnische Sozialistische Partei, auf deren Traditionen Lipinski sich nostalgisch berief, war eine sozialdemokratische, polnische nationalistische Formation, gegen die die wirklichen Begründer des polnischen Marxismus, Rosa Luxemburg und Leo Jogiches, den größten Teil ihres Lebens kämpften. Aber sogar diese Ausgabe des „Sozialismus“ war offenbar für eine Mehrheit der Konferenzteilnehmer zu beanstanden. Episoden wie diese belegen, dass es sich bei allen Behauptungen von der Existenz einer nennenswerten linken Opposition innerhalb Solidarnośćs um Lügen handelt. Die einzige erkennbare Opposition gegen Wałęsa und seine Berater in KOR, die bei diesem Kongress auftauchte, kam eindeutig von rechts.

Das Politische Programm: Bürger­licher Pluralismus und „Demokratie“

Der Solidarność-Kongress befasste sich nicht ausschließlich mit Ökonomie. Mehr als hundert Jahre zuvor, erklärten Marx und Engels, dass der Kampf des Proletariats für seine Befreiung vor allem ein politischer Kampf ist. Nicht weniger politisch, sollten wir uns erinnern, ist der Kampf der Konterrevolution gegen die historischen Errungenschaften der Arbeiterklasse. Die Kräfte der Reaktion verfolgen selten ihre Ziele ausschließlich unter dem Banner des Privateigentums an den Produktionsmitteln. In allen Gesellschaften, in denen der Mehrheit keine Fabriken, Banken oder Grundbesitz gehört, ist die Attraktivität eines solchen Slogans verständlicherweise begrenzt. Deshalb maskiert die Bourgeoisie in der Regel ihre Absichten mit Phrasen größerer populärer Resonanz. Die Parolen von Gott, Familie, Kirche und Nation sind auch heute noch mächtige Waffen im ideologischen Arsenal der Reaktion. Für ein säkulares Zeitalter besser geeignet sind jedoch die abstrakten Plattitüden von Freiheit, Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten, mit denen die Imperialisten ihren globalen, antikommunistischen Kreuzzug führen.

Wir sind unversöhnlich gegen das Monopol der stalinistischen Bürokratie über das politische Leben der degenerierten und deformierten Arbeiterstaaten. Wenn aber „Freiheit“ und „Demokratie“ gegen die stalinistischen Regime geltend gemacht werden, sind wir nicht weniger als in den kapitalistischen Ländern verpflichtet, die grundlegenden marxistischen politischen Kriterien anzuwenden und zu fragen: Demokratie für wen? Freiheit wozu? In den deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten kämpfen Trotzkisten für Arbeiterdemokratie, das Recht aller Gruppen und Tendenzen der Arbeiterklasse, ihre Ansichten zur Förderung der gemeinsamen Ziele der Klasse zum Ausdruck zu bringen. Es beinhaltet keine „Freiheit“ für eine prokapitalistische Presse, um absichtliche Lügen zu verbreiten oder „Freiheit“ für die Weißen Garden, die Schwarzen Hundertschaften oder für ihre heutigen Schüler zu Pogromen aufzuhetzen. Marxisten erkennen kein „Recht“ der CIA und anderer Agenturen der kapitalistischen Staaten an, „schwarze Propaganda“ zu betreiben und politische Intrigen östlich der Elbe auszuhecken. Wenn Demokratie von ihrem Klasseninhalt losgelöst wird, ist sie immer eine Waffe in den Händen des Klassenfeindes. Doch es ist gerade eine solche über den Klassen stehende Definition von Demokratie, die Solidarność sich in ihr politisches Programm geschrieben hat.

Abschnitt VI des vom Solidarnośćkongress verabschiedeten Programms formuliert einen Vorschlag für eine „Selbstregierte Republik.“ These 19 trägt den Titel „Der Pluralismus der sozialen, politischen und kulturellen Ideen muss die Grundlage der Demokratie in der selbstregierten Republik bilden.“ Unterpunkt Eins verkündete:

Wir werden sowohl für eine Änderung in den staatlichen Strukturen als auch für die Entwicklung unabhängiger, selbstverwalteter Institutionen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens kämpfen… Wir sind der Ansicht, dass Pluralismus, Demokratie und volle Nutzung der verfassungsmäßigen Rechte dafür Gewähr bieten werden, dass die Bemühungen und Opfer der Arbeiter nicht noch einmal vergeudet werden.

Unterpunkt Vier präzisiert den Vorschlag des bürgerlichen Pluralismus:

Wir halten fest, dass die Grundsätze des Pluralismus auf das politische Leben angewandt werden sollten. Unsere Gewerkschaft wird Bürgerinitiativen unterstützen und schützen, die versuchen, der Gesellschaft unterschiedliche soziopolitische und ökonomische Programme vorzuschlagen.

Verschiedene vorgebliche Trotzkisten fördern die Vorstellung, dass solche „demokratischen“ Formeln Trotzkis Programm für die politische Revolution in der Sowjetunion ähneln. Ernest Mandels „Vereinigtes Sekretariat der Vierten Internationale“ schlägt sogar vor, dass sich Arbei­terstaaten selbst am besten gegen Konterrevolution und/oder bürokratische Degeneration dadurch absichern können, dass sie das Recht auf Organisation bürgerlicher Parteien garantieren! 1927 mitten im Kampf gegen die bürokratische Degeneration der russischen Revolution wies Trotzki explizit solch klassenlose Kriterien für Demokratie in einem Arbeiterstaat zurück:

Die Menschewiki denken, dass die Hauptquelle der bonapartistischen Gefahr, das System der Diktatur des Proletariats selbst sei, dass es ein fundamentaler Fehler sei, auf die internationale Revolution zu zählen, dass eine richtige Politik notwendigerweise darin bestünde, auf politische und wirtschaftliche Beschränkung der Bourgeoisie zu verzichten, und ist daß die Errettung vom Thermidor und Bonapartismus in der Demokratie liege, d. h. im bürgerlich-parlamentarischen System …

Die parlamentarische Demokratie ist für uns nur eine der Formen kapitalistischer Herrschaft.
[35]

Im Übergangsprogramm von 1938 kam Trotzki auf die Frage des Klassencharakters von Demokratie in einem Arbeiterstaat zurück:

Es ist notwendig, den Sowjets nicht nur ihre freie demokratische Form, sondern auch ihren Klasseninhalt wiederzugeben. So wie früher die Bourgeoisie und die Kulaken nicht zu den Sowjets zugelassen waren, ebenso müssen jetzt die Bürokratie und die neue Aristokratie aus den Sowjets verjagt werden. In den Sowjets ist nur Platz für die Vertreter der Arbeiter, der Kolchosearbeiter, der Bauern und der roten Soldaten.
[36]

KPN: Düstere Reaktion gewinnt an Boden

Die Bedeutung von Solidarnośćs „demokratischem“ Credo wird konkreter, wenn wir einige der Organisationen und Einzelpersonen betrachten, die unter ihrem „pluralistischen“ Schirm Schutz finden. Obwohl sich die Solidarność-Führung nicht selbst zu dem mit Polens nationalistischen Traditionen so eng verflochtenen Antisemitismus bekennt, kann man das Gleiche nicht über die Konföderation Unabhängiges Polen (KPN) sagen. Oliver MacDonald beschreibt die KPN als zur „Endecja Strömung“ gehörend„— reaktionärer katholischer antikommunistischer Nationalismus von antisemitischem und stark autoritärem Charakter.“ Es hegt Hoffnungen zur Liquidierung der Kommunisten und zur Schaffung eines neuen autoritären Regimes, das den „wahren polnischen ethnischen Geist“[37] verkörpert.

Der Führer der KPN war ein gewisser Leszek Moczulski, dessen Karriere Trotzkis Prognose bestätigt, dass Elemente der Bürokratie im Falle eines zweiten Bürgerkriegs in der Sowjetunion auf beiden Seiten der Barrikade zu finden wären. Moczulski wartete nicht auf den Beginn des Bürgerkrieges. Nachdem er eine führende Rolle in einer miesen antisemitischen Säuberungsaktion in der PVAP im Jahr 1968 gespielt hatte, trennte er sich vom polnischen Stalinismus, um eine herausragende Stellung in der KPN anzunehmen, und wurde später vom Regime eingesperrt.

Der gleiche Solidarność-Kongress, der jede Erwähnung des Sozialismus bewusst unterließ, verabschiedete eine Resolution, die zur Freilassung von Moczulski und anderen KPN-Häftlingen aufrief. Dies ist kaum verwunderlich, da dieser Ultranationalist im Pilsudski Outfit ein Teilnehmer der Sitzung war. Garton Ash berichtet, dass die KPN auf dem Kongress „zunehmend lautstarke Unterstützung bekam. Der Selbstzensur von Solidarność überdrüssig und in ein scheinbares Machtvakuum blickend, wurden viele Arbeiter vom klaren, expliziten Programm der KNP angezogen.“[38] In solchen Situationen kann eine kleine entschiedene Minderheit mit einem bestimmten Programm schnell zu einem Faktor von enormer Bedeutung werden.

Solidarnośćs „demokratische“ Rubrik war in der Tat sehr flexibel. Offenbar flexibel genug, um die offenen Exponenten des weißen Terrors einzubeziehen. Die Frage nach den demokratischen Rechten von Konterrevolutionären der KPN ist Teil einer größeren Frage, die von Solidarność aufgeworfen wurde — wie soll man auf Situationen reagieren, in denen das demokratische Recht der Arbeiterklasse sich zu organisieren mit der Erhaltung des kollektivierten Eigentums kollidiert. Für Trotzkisten ist es einfach: Es gibt eine Hierarchie von Prinzipien. Die Verteidigung des kollektivierten Eigentums hat Vorrang vor dem „demokratischen Recht“ prokapitalistischer Strömungen sich zu organisieren.

Solidarność und die „AFL-CIA“

Andere Verfechter der „Demokratie der freien Welt“, die zur Teilnahme am Kongress eingeladen wurden, schlossen die antikommunistischen Repräsentanten der AFL-CIO Lane Kirkland und Irving Brown ein. Kirkland ist, neben seinem Vorsitz der AFL-CIO, auch ein Direktor der CIA Arbeitsfront, dem „American Institute for Free Labor Development“, das die Ausschaltung linker Gewerkschaften in ganz Lateinamerika leitet. Er ist auch Mitglied des „Committee on the Present Danger“, eines reaganschen antisowjetischen Thinktank.

Und was Irving Brown betrifft, hätte Wałęsa nicht Philip Agees Enthüllungen von CIA-Aktivitäten im Europa der Nachkriegszeit zu konsultieren brauchen, um Browns Beitrag zu erkennen. Die jüngsten Anhörungen zu Contragate zitierten stolz den Artikel Tom Bradens: “I’m glad the CIA is ‘immoral’” („Ich bin stolz, dass die CIA ‚unmoralisch‘ ist“), worin er beschrieb, dass ein Appell an die CIA gerichtet wurde, als Brown die Mittel der ILGWU für den Aufbau der Force Ouvrière in Frankreich ausgingen. So begann die geheime Subvention „freier“ (d. h. antikommunistischer) Gewerkschaften.

Solidarnośćs Einladung an Kirkland und Brown (und die Brüskierung der stalinistischen Gewerkschaften) stellt das Motto „freie Gewerkschaften“ in den passenden Kontext des Kalten Krieges. Dies wird durch die verschiedenen provokativen, antisowjetischen Erklärungen bestätigt, die vom Kongress abgegeben wurden. Er wendete sich in einem offenen Brief an die im Ausland lebenden Polen, der laut Alain Touraine: „offenbar auf die Menschen abzielte, die in dem Teil leben, der jetzt zur Sowjetunion gehört“. Dieser Appell erklärte: „Solidarność ist nicht nur eine Gewerkschaft, sondern auch eine soziale Bewegung denkender Bürger, die sich wünschen, für die Unabhängigkeit Polens zu arbeiten.“ Der Kongress richtete auch eine „Botschaft an alle Arbeiter Osteuropas“, die „allen Arbeitern von Albanien, Bulgarien, Ungarn, Rumänien, der Tschechoslowakei, der DDR und allen Völkern der Sowjetunion“ erklärte, dass Ziel sei, für ein besseres Leben aller arbeitenden Menschen zu kämpfen. „Wir unterstützen diejenigen unter euch, die beschlossen haben, den schweren Weg des Kampfes für eine freie Gewerkschaftsbewegung zu wählen. Wir glauben, dass in nicht allzu ferner Zukunft unsere Vertreter in der Lage sein werden, sich zu treffen, um unsere Erfahrung als Gewerkschafter auszutauschen.“[39]

Es liegt in der Natur der Sache, dass „freie“ Gewerkschaften nicht zum Nulltarif zu haben sind. Solidarnośćs Zuschuss von der AFL-CIO — $ 300.000 und ihre erste Druckerpresse — war kein Geheimnis. Tamara Deutscher kommentierte scharfsinnig:

Die Druckmaschinen waren ein Geschenk westlicher Gewerkschafter, die den Polen auch finanzielle Hilfe besorgten. Die wichtigsten Wohltäter umfassten sowohl die [britische] TUC als auch die AFL-CIO. Man kommt nicht umhin daran zu erinnern, dass es im Jahre 1926 der Allrussische Zentralrat der Gewerkschaften war, der streikenden Arbeitern in Britannien mehr als eine Viertelmillion Rubel als Solidaritätshilfe anbot. Aber das Angebot wurde abgelehnt, da der Allgemeine Rat der TUC den Beigeschmack fürchtete, der der Annahme „sowjetischen Goldes“[40] anhaften könnte.

Solidarność kannte keine vergleichbaren Skrupel, Geld von den Imperialisten und ihren Labor Lieutenants anzunehmen. Im August 1987, als der US-Kongress $ 1 Million für Solidarność beschloss, war Lech Wałęsa wieder froh zu akzeptieren.

V. Marxismus und „Massenbewegungen“

Verschiedene vorgeblich trotzkistische Strömungen verteidigen Solidarność, während sie zugeben, ihr Programm wäre prokapitalistisch und wichtige Teile ihrer Führung seien bewusst restaurativ. Im Jahr 1982 benannte die britische Workers Power Gruppierung Merkmale der „dominierenden Tendenzen in Solidarność“ im Einzelnen wie folgt:

a) Unterordnung unter die katholische Hierarchie, die dafür kämpfte, ihr eigenes gegen die Arbeiterklasse gerichtetes Programm während der Krise umzusetzen…

b) Illusionen in die bankrotte Politik des polnischen Nationalismus … der Charakter der polnischen nationalistischen Ideologie muss als überwältigend reaktionär … definiert werden

c) Sie hat ein Programm für die polnische Wirtschaft, dass die Kräfte der kapitalistischen Restauration stärken könnte…

d) Lähmende Illusionen in den westlichen Imperialismus…

e) Ihre Strategie für Fortschritt ließ die zentralen Hebel der stalinistischen Macht intakt, hoffte aber, die Macht an den Stellen des geringsten Widerstands zu beeinträchtigen…[41]

Ungeachtet dieser konterrevolutionären Merkmale (mit Ausnahme von Punkt „e“, der mehr die Qualität einer taktischen Kritik hat), kommt Workers Power zu dem Schluss, dass es notwendig ist, „sich mit Solidarność zu solidarisieren“, weil:

Die Existenz einer Massenbasis, die oft Forderungen in Widerspruch zu den Zielen und Absichten der Solidarność-Führer erhebt, zeigt deutlich, dass Solidarność trotz ihrer Führung keine konterrevolutionäre Organisation per se war. Sie war eine dynamische Bewegung und könnte, wenn sie überlebt, weiterhin eine sein, voller Widersprüche, aber im Besitz des Potenzials, diese in Richtung auf die politische Revolution zu lösen, vorausgesetzt, dass die Intervention in ihr von Revolutionären ausgeht.[42]

Die Pflicht von Revolutionären besteht darin, die Wahrheit zu sagen, nicht darin, eine „revolutionäre“ Dynamik einer reaktionären politischen Bewegung zuzuschreiben. Indem die Masse der polnischen Arbeiter der Führung von Solidarność folgte, handelten sie gegen ihre eigenen historischen Interessen. In einem deformierten Arbeiterstaat kann eine von kapitalistischen Restaurateuren dominierte Massenbewegung keine progressive Dynamik haben — ungeachtet des Ausmaßes ihrer populären Unterstützung. Leninisten idealisieren die Massen nicht. Trotzkis Polemik gegen Victor Serge auf die Frage nach der Degeneration des Sowjetregimes in den 20er Jahren ist eine machtvolle Anklage gegen diejenigen, die wie Workers Power, vor dem Altar der „Massenbasis“ huldigen.

Victor Serge hat nebenbei offengelegt, was den Zusammenbruch der bolschewistischen Partei verursachte: übertriebener Zentralismus … Mehr Vertrauen in die Massen, mehr Freiheit! All dies ist außerhalb von Zeit und Raum. Aber die Massen sind keineswegs identisch: Es gibt revolutionäre Massen, es gibt passive Masse, es gibt reaktionäre Massen. Die gleichen Massen sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten von unterschiedlichen Stimmungen und Zielen inspiriert. Gerade aus diesem Grund ist eine zentralisierte Organisation der Avantgarde unerlässlich … die Masse mit den Zügen der Heiligkeit auszustatten und ein Programm auf amorphe „Demokratie“ zu reduzieren, heißt, sich in der Klasse aufzulösen, wie sie ist, sich von einer Vorhut in eine Nachhut zu verwandeln, und genau dadurch, die revolutionären Aufgaben zu verleugnen. Wenn andererseits die Diktatur des Proletariats überhaupt etwas bedeutet, dann dass die Vorhut der Klasse mit den Ressourcen des Staates bewaffnet ist, um Gefahren zurückzuschlagen, einschließlich derjenigen, die von den rückständigen Schichten des Proletariats selbst ausgehen.[43]

Polen und Iran

In The Summer Before the Frost beschrieb Potel die Rolle der Religion in Danzig während der Periode vor dem Durchgreifen.

Jeden Abend um fünf Uhr versammelten sich zwischen 2.000 und 3.000 Arbeiter am Werfttor für einen Gottesdienst. Jeden Sonntag versammelte sich eine enorme Menge, um die Messe zu feiern. Meditation, Einfachheit. Um einen provisorischen Altar sangen sie alte Lieder und baten Gott, ihnen mehr Kraft zu geben. Auf beiden Seiten des Tores beteten die Streikenden und ihre Familien für den Sieg und für Unterstützung aus ganz Polen. Der tägliche Gottesdienst war unantastbar. Er war eine öffentliche Zurschaustellung der Religionsfreiheit, die Teil der Forderungen der Arbeiter gewesen war. Man besuchte ihn als eine Selbstverständlichkeit.[44]

Potel kommentiert: „Man wurde erinnert an die Macht der schiitischen Hierarchie im Iran und die Stärke des Islam“. Es ist kein Zufall, dass viele derselben Linken, die Wałęsas Solidarność begrüßten, zuvor eine ähnliche objektiv „revolutionäre“ Dynamik in Khomeinis Massenmobilisierungen entdeckt hatten. Sowohl im Iran als auch in Polen gab es Massenbewegungen, die die überwältigende Mehrheit des Proletariats einschlossen und von bewusst konterrevolutionären Führungen beherrscht wurden. Dies bedeutet nicht, dass jede Schicht der Massen (noch viel weniger jeder Einzelne), die in diesen Bewegungen involviert war, sich darüber bewusst war, wohin ihre Führung sie mitnahm. Im Iran beteiligte sich die Linke eifrig an den von Mullahs geführten Mobilisierungen. Doch die falsche Strategie politischer Unterordnung gegenüber Khomeini und seinen Fanatikern konnte für jene Linken nur in einer Katastrophe enden, die sie umarmt hatten.

Iranische Revolutionäre hätten sich an der massiven Streikwelle gegen den Schah mit der Perspektive beteiligen sollen, einen Pol des harten proletarischen Widerstandes gegen die reaktionären Mullahs zu bilden. Im Iran waren die Zentristen von der Breite der „Massenbewegung“ wie gelähmt und liefen den konterrevolutionären Mobilisierungen der Mullahs hinterher. Durch das Skandieren von „Allahu Akbar“ gemeinsam mit den irregeleiteten Volksmassen, leistete die Linke objektiv Hilfestellung für den Sieg der theokratischen Reaktion, die sich bald gegen die Arbeiterbewegung richtete.

Zehn Millionen polnische Arbeiter können nicht falsch liegen?

Im vergangenen Frühjahr erhielten wir einen Brief von Workers Power, der (in Bezug auf Polen) besagte: „Wir lehnen die Position, dass eine Bewegung auf proletarischer Massenbasis jemals der Agent der kapitalistischen Restauration werden könnte.“[45] Bewaffnet mit diesem zentristischen Verständnis von Politik unterstützte Workers Power Khomeinis Bewegung im Iran 1978-79 — schließlich hatte sie dabei auch die Masse der arbeitenden Klasse hinter sich!

Die Lehre, dass die Arbeiter in den deformierten und degenerierten Arbeiterstaaten in ihrer Gesamtheit dauerhaft immun gegen falsches Bewusstsein seien, ist Arbeitertümelei, nicht Marxismus. Es setzt voraus, dass die kapitalistische Restauration in diesen Staaten nur durch äußere militärische Eroberung auftreten kann. Es ist die Tragödie Polens, dass es der korrupten und antisozialistischen Bürokratie der PVAP gelungen ist, die Loyalität der Arbeiter gegenüber dem System des verstaatlichten Eigentums zu untergraben. Wenn Workers Power die Möglichkeit der Entstehung einer weit verbreiteten reaktionären Haltung in einem stalinistischen Staat ausschließt, wie erklären sie das (zunächst) herzliche Willkommen für Hitlers Armeen in der Ukraine im Jahr 1941? Oder die große Popularität der römisch-katholischen Kirche in Polen heute?

Marxisten bestimmen den politischen Charakter sozialer Massenbewegungen auf der Grundlage ihrer Führung, der sozialen Zusammensetzung, der Ausrichtung und dem politisches Programm — nicht nach den Illusionen oder subjektiven Absichten ihrer plebejischen Basis. Aber die besondere Alchemie von revisionistischem „Trotzkismus“ besteht genau darin: jede populäre soziale Bewegung gegen die stalinistischen Bürokratien von Osteuropa wird in eine politische Kraft für die proletarische Revolution umgewandelt. Die entscheidende Frage — für oder gegen verstaatlichtes Eigentum — wird in der Regel ignoriert. Doch im Falle der polnischen Solidarność war diese von grundlegender Bedeutung. In den Monaten nach dem September-Kongress, wurde Solidarność von den Ereignissen auf einen Kollisionskurs mit der polnischen Regierung getrieben, bei dem es um nichts Geringeres als die Staatsmacht ging.

VI. Auf dem Weg in den Abgrund

Während des Oktober 1981 löste Nahrungsmittelknappheit eine Reihe wilder Streiks in ganz Polen aus. Als die Stalinisten eine „gemischte Kommission“ von Regierungs- und Gewerkschaftsvertretern anboten, um die Frage zu erörtern, akzeptierte Solidarność, warnte aber, falls bis zum 22. Oktober keine zufriedenstellenden Fortschritte erreicht würden, riefe die Gewerkschaft zu einem nationalen Streik auf. Beide Seiten trafen sich am 15. Oktober und Solidarnośćs Chefunterhändler Grzegorz Palka schlug die Schaffung eines Sozialrates für die nationale Ökonomie vor. Dieser Rat, von Solidarność „in Zusammenarbeit mit Vertretern aus der Welt der Kunst, der Wissenschaft und der Kirche“ ernannt, sollte mit der Regierung „kooperieren bei der Festlegung der ökonomischen Politik und Entwicklung“. Tygodnik Solidarność (30. Oktober 1981) charakterisierte diesen Vorschlag als „Durchbruch in der Krise des Vertrauens in die Beziehungen von Regierung und Gesellschaft durch die Gründung von Institutionen, um die Kontrolle der Gesellschaft über die Wirtschaftspolitik der Regierung zu garantieren.“ Gleichermaßen wichtig war Palkas Forderung: „Der Rat sollte in der Lage sein, mit der breiten Öffentlichkeit über die Massenmedien zu kommunizieren, also Presse, Rundfunk und Fernsehen.“[46] Solidarność schlug vor, eine Doppelherrschaft in der Wirtschaft zu institutionalisieren, während der wichtigste verbleibende politische Trumpf des Regimes abgeschafft würde — sein Informationsmonopol. Die PVAP lehnte diesen Vorschlag rundweg ab.

Am 20. Oktober setzte Polizei in Katowice Tränengas gegen eine Menge von mehreren Tausend ein. Der Vorfall wurde ausgelöst, als Polizisten in Zivil versuchten einen Verkäufer zu verhaften, der „einen regelmäßigen Stand auf dem Marktplatz hatte, wo er Fotos von Marschall Pilsudski und den Gräbern von Katyn verkaufte, KPN Abzeichen und eine Broschüre mit dem Titel Unter sowjetischer Abschottung, sowie reguläre Veröffentlichungen der Gewerkschaft.“[47] Bei dieser Gelegenheit versuchten Militante von Solidarność, die Spannungen zu verringern und die Polizei von den wütenden Demonstranten abzuschirmen. Am nächsten Tag verhaftete die Polizei drei Solidarnośćmitglieder in Breslau, die von einem Fahrzeug aus eine Rede hielten.

Als Reaktion auf diese Konfrontationen und ebenso wegen der Ablehnung ihrer früheren Forderungen rief die Solidarność-Führung zu einem nationalen einstündigen Warnstreik am 28. November auf. Die Resolution drohte damit, falls die Regierung sich nicht bis zum Ende des Monats bewege: „die entsprechenden Zuständigkeiten dem sozialen nationalen Wirtschaftsrat und den sozialen Kontrollkommissionen der Gewerkschaft einzuräumen,

wird die Gewerkschaft gezwungen sein, einen aktiven Streik in ausgewählten Bereichen der Wirtschaft vorzubereiten und durchzuführen. Zeitpunkt und Umfang des Streiks werden von der KK [Solidarnośćs Nationale Kommission] festgesetzt werden. Zur gleichen Zeit, ruft die KK alle Regionen und Betriebe auf, laufende Protestaktionen zu beenden und sich der landesweiten Aktion anzuschließen.[48]

Einige der Verteidiger von Solidarność verweisen auf die Versuche der nationalen Führung zur Entschärfung verschiedener wilder Streiks als Beweis dafür, dass Wałęsa ein Ausverkaufsbürokrat war, der sich mit den Stalinisten im Bunde gegen eine militante Mitgliedschaft befand. Es gab sicherlich enorme Spannungen innerhalb von Solidarność auf jeder Ebene, die sich in erhitzten Polemiken widerspiegelten, aber dabei handelte es sich um taktische Differenzen. Solidarnośćs Führung war in der Erkenntnis geeint, dass das Ausbrechen unkontrollierter Streiks ihre Position im Kampf mit den Machthabern untergrub. Am 27. Oktober gab das Präsidium von Solidarność eine Erklärung ab, in der die spontanen lokalen Streikaktionen verurteilt wurden:

Das Präsidium der KK schätzt die gegenwärtige wirtschaftliche und soziale Situation des Landes als kritisch ein. Auf der einen Seite sind viele Probleme ungelöst, es gibt viele Unregelmäßigkeiten und Provokationen, die allgemeine Empörung wecken. Auf der anderen Seite haben die Protestaktionen einen elementaren, unorganisierten Charakter angenommen. Hierdurch droht die Auflösung der Gewerkschaft und der Verlust öffentlicher Unterstützung.

*  *  *

…Niemand kann uns das Recht auf Streik nehmen und wir werden es niemals zulassen. Aber wir sind es, die den Gebrauch dieser Waffe programmieren müssen, und dies auf eine durchdachte, geplante Weise.

Mit der Stärke der gesamten Gewerkschaft, müssen wir uns in naher Zukunft mit jenen Fragen befassen, die für die ganze Nation am wichtigsten sind: Lebensmittel, Wirtschaftsreform, soziale Kontrolle der Wirtschaft und der Zugang zu den Massenmedien. Vielleicht müssen wir in diesen Angelegenheiten Gebrauch von unserer letzten Waffe machen. In einer Situation des allgemeinen Chaos wird es eine wirkungslose Waffe sein.

In der nächsten Sitzung der KK wird das Präsidium einen Vorschlag für eine innergewerkschaftliche Einschränkung des Streikrechts und für die Festlegung der gewerkschaftlichen Mittel zur Disziplinierung derjenigen unterbreiten, die schuldig sind, die Einheit und die Disziplin der Gewerkschaft zu schwächen.[49]

Einige vorgebliche Trotzkisten, die eine Position der Verteidigung der Solidarność bezogen haben, argumentieren, dass sich die öffentliche Unterstützung im Herbst 1981 bis zu dem Punkt verringert hatte, wo keine wirkliche Gefahr für das Regime bestand. Es gibt viele Belege dafür, dass die Mitglieder eine wachsende Ungeduld mit der offensichtlichen Unfähigkeit der Führung zeigten, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Doch die Reaktion auf den Streikaufruf vom 28. Oktober zeigt, dass die Führung mit Wałęsa an der Spitze noch große Unterstützung in der Bevölkerung genoss, besonders, als sie die Initiative gegen das Regime ergriff.

„Zwei gegensätzliche Ansichten über öffentliche Meinung wurden in den letzten Monaten zum Ausdruck gebracht. Einige außenstehende Beobachter und polnische Beamte vermuten, dass ein wachsender Anteil der Öffentlichkeit mit den wiederkehrenden Streiks zunehmend unzufrieden war und enttäuscht von den theatralischen Fehden der Solidarność-Aktivisten, die, so wird weiter gemutmaßt, viel „radikaler“ als die Mitglieder waren. Solidarność-Aktivisten sagen, dass im Gegenteil gewöhnliche Mitglieder viel „radikaler“, als sie waren … Tatsache ist, dass beide Einstellungen in einer verwirrten und physisch erschöpften Öffentlichkeit vorkamen. Radikalisierung und Verstimmung waren zwei Seiten des gleichen Dilemmas: Was beim einen zur Verzweiflung wird, wird beim anderen zur Hoffnungslosigkeit.

„Ihr Verhalten ließ jedoch nur eine Interpretation zu. Die Beteiligung an dem einstündigen Generalstreik am 28. Oktober war so massiv wie bei der letzten vergleichbaren Manifestation am 27. März, sieben Monate zuvor. Wieder einmal hatte sich Polen mit den Nationalfarben geschmückt wie ein Land, dass in den Krieg zieht …. wenn es eine Erosion von Solidarnośćs Popularität gab, war es die Erosion des Mount Everest. Es ist schwer an eine andere Gewerkschaft oder soziale Bewegung in der Welt zu denken, die über eine solch massive, disziplinierte, freiwillige, öffentliche Unterstützung verfügen könnte.

Kein Wunder, dass die Gewerkschaftsführer übermütig waren!“ Und so boten sie ihren Mitgliedern ein schlechtes Vorbild an Einheit und Disziplin.[50]

Der Warnstreik am 28. Oktober markierte nicht das Ende der Streikaktivitäten. Die Forderung des stalinistischen Sejm Ende Oktober, die Streiks einzustellen, wurde ignoriert:

Streiks gingen in Zyrardow, Zielona Gora, Tarnobrzeg und Sosnowiec weiter. Auf Intervention Wałęsas setzten die 120.000 Arbeitnehmer in Tarnobrzeg ihren Streik am 1. November aus. Eine Vereinbarung mit 200.000 streikenden Arbeitern in Zielona Gora wurde am 9. November erreicht, aber der Streikalarm dauerte an.[51]

Am 4. November trafen sich, auf Veranlassung von Kardinal Glemp, Lech Wałęsa und Jaruzelski in Warschau und diskutierten die Möglichkeit der Bildung einer Front der nationalen Eintracht. Weitere Treffen wurden in den folgenden Wochen abgehalten, aber sie scheiterten letztlich an der Weigerung der Regierung, Solidarność ein Vetorecht gegen alle Entscheidungen zu gewähren, die durch eine solche gemeinsame Kommission erreicht würden, und an der Forderung, dass der Sozialrat, den Palka am 15. Oktober vorgeschlagen hatte, uneingeschränkten Zugang zu den Medien habe.

Am 22. November beendete die Polizei vorzeitig eine Zusammenkunft von etwa sechzig Solidarność-Aktivisten in Kurons Wohnung, die dem Aufruf gefolgt waren, eine Organisation zu gründen, bekannt als „Vereine für eine autonome Republik: Freiheit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeit“. Eine Erklärung der „Vereine“ behauptete, in der bestehenden Krise der polnischen Gesellschaft:

…Es ist unerlässlich, ideologisch-politische Formationen zu schaffen. Es [sic] sind die Kerne künftiger politischer Parteien in einem demokratischen Staat. Derzeit sind wir der Auffassung, dass der einzige Ausweg zur Bewahrung der Einheit in nüchterner Diskussion der politischen Differenzen, der öffentlichen Vereinbarungen und offen formulierter Programme besteht. Nur so ist es in einem Geist der Einheit möglich, die im Programm von Solidarność proklamierten, grundlegenden sozialen Ziele und gleichzeitig eine demokratische und damit auch differenzierte Gesellschaft zu errichten.[52]

Die Erklärung fuhr fort, die konterrevolutionäre Forderung des KOR nach „einem System der parlamentarischen Demokratie“ zu bekräftigen und machte geltend, dass der Staat „das Recht auf Privateigentum und auf dessen Entwicklung garantieren“ sollte. Sie identifizierte sich selbst „mit den Traditionen der Polnischen Sozialistischen Partei und der polnischen Bauernbewegung“ und grüßte provokativ die Führer dieser Bewegungen (z. B. Pilsudski), „die den Kampf für Unabhängigkeit und Souveränität während der größten Bedrohung für ein wiedergeborenes Polen führten, als sich die Armeen des bolschewistischen Russlands der Umgebung Warschaus näherten“. Dieses Bemühen zur Organisierung einer explizit prokapitalistischen sozialdemokratischen Partei wurde von den Stalinisten als Versuch verurteilt: „Aktivität gegen die Grundlagen des politischen Systems unseres Staates zu propagieren und zu verteidigen.“[53]

Bewegung für Selbstverwaltung: die Machtfrage

Während die Verhandlungen zwischen Solidarność-Führern und der Regierung weitergingen, war die Bewegung für Selbstverwaltung an der Basis der Gewerkschaft aktiv. Im November laut Raina:

Seit Wochen hatte das Netzwerk Volksabstimmungen abgehalten und die Arbeiter organisiert, um unabhängige Arbeiterräte oder Fabrikkomitees zu wählen, die befugt wären, die Entscheidungsprozesse in den Unternehmen zu kontrollieren oder zu beeinflussen. Die Netzwerk-Kampagne gegen das ehemalige und nun aufgelöste Selbstverwaltungssystem der Partei war so erfolgreich, dass Tausende von Parteimitgliedern (Arbeiter) ihre Parteibücher abgaben. So waren zum Beispiel in der Posener Cegielski Fabrik über 800 Parteimitglieder, die Hälfte der gesamten Stärke, Mitte November aus der Partei ausgetreten. Die Austritte waren so weit verbreitet, dass in vielen Unternehmen grundlegende Zellen der Partei aufhörten zu existieren. Nicht ohne Bitterkeit beklagten sich die offiziellen Quellen darüber, dass in einundzwanzig von neunundvierzig Woiwodschaften in Polen das Solidarność Netzwerk, die „Entfernung von Parteiorganisationen aus Industrieunternehmen forderte“.[54]

Solidarnośćs Selbstverwaltungsschema bildete den Kern ihrer Vorschläge für die „Reformierung“ der polnischen Ökonomie. Aber in einer Planwirtschaft, in der Politik und Wirtschaft untrennbar miteinander verschmolzen sind, hätte jede Selbstverwaltungs„reform“ größere politische Auswirkungen. Alain Touraines Interviews mit den führenden Solidarność-Aktivisten veranschaulicht bildlich den Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und politischen Aspekten der Selbstverwaltung. Ein Techniker in Warschau zeichnete die folgende Grafik:

Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und politischen Aspekten der Selbstverwaltung

In der Zusammenfassung von Touraine:

„Die Danziger Vereinbarung, sagte er, hätte die Gewerkschaften befreit, und seitdem, und vor allem seit dem Frühjahr 1981 war das zentrale Anliegen der Gewerkschaft Selbstverwaltung, mit anderen Worten, die Befreiung des Unternehmens. Aber die Natur der polnischen Wirtschaft bedeutete, dass alle Maßnahmen auf der betrieblichen Ebene zwangsläufig Aktionen auf der allgemeinen wirtschaftlichen Ebene nach sich zögen, da die Autonomie des einzelnen Unternehmens eine allgemeine wirtschaftliche Reform voraussetzte, ein Ende der zentral verwalteten Wirtschaft und ihre Ersetzung durch eine vernünftige Preisstruktur und ein System des freien Marktes. Wenn Solidarność schließlich das politische System umgebaut hätte, müsste sie versuchen, die wahre Unabhängigkeit des Landes wieder herzustellen.“[55]

Als der Herbst vom Winter abgelöst wurde, erhöhten sich die Spannungen innerhalb der Solidarność-Führung. Die polnische Gesellschaft war durch eine tiefe soziale Krise erschüttert, die auf die eine oder andere Weise gelöst werden musste. Die Solidarność-Führung war polarisiert in „Militante“, die dachten, die Zeit sei gekommen für Konfrontation — in erster Linie durch eine Strategie „aktiver Streiks“, um einzelne Fabriken zu übernehmen — und Wałęsa sowie die „Gemäßigten“ (unterstützt von der klerikalen Hierarchie), die meinten, weitere Zugeständnisse könnten dem schwankenden Regime durch Verhandlungen und Manövrieren abgerungen werden.

Die komplexen Wechselwirkungen zwischen den „Radikalen“, die auf aktive Streiks und Bildung einer Solidarność-Miliz drängten, und den „Gemäßigten“, mit Wałęsa an der Spitze, die dachten, dass dem Regime Zugeständnisse abzuringen seien, wurden von Zbigniew Kowalewski in „Solidarność on the Eve“ skizziert. Kowalewski war Berichten zufolge vom Vereinigten Sekretariat beeinflusst. Heute bietet er das „linke Gesicht“ der Solidarność im Exil.[56] (Seine Darstellung, die ursprünglich 1982 in der Frühjahrsausgabe von Labour Focus on Eastern Europe erschien, ist nachgedruckt in The Solidarity Sourcebook.)

Kowalewski erzählt, wie er und lokale Führer im November/Dezember 1981 in Lodz versuchten, eine Reihe „aktiver Streiks“ auszulösen. Diese „aktiven Streiks“ waren eine offensive Taktik, die darauf abzielte, die Kontrolle in den Fabriken zu übernehmen und sie den zentralen Behörden als erste Tat im Kampf um die Staatsmacht zu entreißen. Kowalewski erklärt, dass die Taktik aktiver Streiks entworfen wurde, um die Führung um Wałęsa bei der Mobilisierung der Basis für eine Konfrontation mit dem stalinistischen Regime zu umgehen:

„In Lodz entschlossen sie sich dann zu Maßnahmen, um der Bürokratie ihre wirtschaftliche Macht zu entreißen und ein System der Arbeiterselbstverwaltung mit revolutionären Mitteln zu installieren. Es war geplant, dass der erste aktiven Streik in unserer Region am 21. Dezember beginnen würden — das heißt, dass die Arbeiterklasse die Kontrolle über Produktion und Vertrieb übernehmen würde. Zur gleichen Zeit wurden Arbeitergarden in den Unternehmen eingerichtet. werden.

*  *  *

„In der regionalen Solidarność-Führung ging man davon aus, dass ein Aufruf für einen aktiven Generalstreik nicht von einer Mehrheit der nationalen Gewerkschaftsführung genehmigt werden würde. Es wurde daher beschlossen, dass Andrzej Slowik, wenn er auf Widerstand stoße, grünes Licht vom Nationalkomitee für einen aktiven Streik in seiner eigenen Region fordern solle. Es schien wahrscheinlich, dass Lodz dann andere Regionen in einen aktiven Streik ziehen würde und dass dies früher oder später das Gleichgewicht der Kräfte im Nationalkomitee ändern würde.

„Die von Solidarność vorgeschlagene Strategie und Kampftaktik zur Lösung der Machtfrage wäre vielleicht von der gesamten Gewerkschaft übernommen worden. Der aktive Streik hätte es den Massen erlaubt, die auf der Suche nach radikalen Formen des Handelns waren, zur Offensive überzugehen. Die Schaffung ökonomischer Arbeitermacht hätte die Sammlung ausreichender Kräfte gestattet, um die Frage der politischen Macht zu lösen.“[57]

Jene vorgeblich trotzkistischen Gruppierungen, die sich um eine Verteidigung von Solidarność bemühen, schildern häufig die „Bewegung für Selbstverwaltung“ (und insbesondere die KZ-KFS Gruppierung, die sich im Herbst 1981 vom Netzwerk löste) als die Verkörperung einer linken proletarischen Opposition sowohl gegenüber den Stalinisten als auch gegenüber der klerikalistischen Wałęsa-Führung. Dies ist unbegründet. Während Kowalewski der Taktik der Wałęsa-Führung und den Marktplänen der technokratischen „Experten“ des Netzwerks kritisch gegenüber stand, macht seine Darstellung klar, dass er keine grundsätzlichen Differenzen mit dem „Selbstverwaltungs“vorschlag hatte, der vom Kongress angenommen wurde. Er bemerkt beispielsweise anerkennend: „der Kongress bekundete deutlich seine Absicht, den Kampf für echte Arbeiterselbstverwaltung weiterzuführen und dabei den Kampf der Arbeiter sogar dann zu unterstützen, wenn sie sich außerhalb der Gesetze stellen“ (d. h., die vom stalinistisch dominierten Sejm beschlossenen Gesetze). Er unterstützt auch die Entscheidung des Kongresses, „dass Selbstverwaltungsorgane das Unternehmen lenken sollten, dass der Direktor nur dafür dort war, um ihre Entscheidungen umzusetzen.“[58]

Die Tonbandbeweise von Radom

Eine Konfrontation ist unvermeidlich, und sie wird stattfinden. Ich wollte zu dieser Konfrontation auf natürliche Weise gelangen, als praktisch alle sozialen Gruppen auf unserer Seite waren. Allerdings habe ich mich verrechnet … Ich dachte, dass wir weiter voranschreiten würden und dass wir dann dieses Parlament stürzen würden, jene Räte und so weiter. Es stellt sich heraus, dass wir uns auf diesem Weg kein bisschen weiter bewegen. Also schlagen wir einen Weg für ein Blitz-Manöver ein.

„Wir sollten uns schließlich darüber klar sein, dass wir dieses System erledigen. Lasst uns dies endlich begreifen. Wenn wir darin übereinstimmen, private Geschäftsinhaber zu haben, Staatsgüter aufzukaufen und eine vollständige Selbstverwaltung zu gewährleisten, wird dieses System aufhören zu existieren…

„Wir sollten nicht laut sagen, dass eine Konfrontation unvermeidlich ist. In solchen Gesprächen ist es bloß eine Frage, wer wen austrickst, aber wir tricksen uns selbst aus. Wir müssen sagen: Wir lieben euch, wir lieben den Sozialismus und die Partei und natürlich die Sowjetunion. Aber gleichzeitig müssen wir weiterhin unsere Arbeit durch vollendete Tatsachen erledigen und abwarten…

„Die Menschen müssen wir bis zu einem gewissen Grad ins Vertrauen ziehen und ihnen sagen, was für ein Spiel wir spielen. Ihnen sollte gesagt werden, dass wir mit so hohen Einsätzen spielen, dass wir die Wirklichkeit im Allgemeinen verändern und dass dieses Spiel nur auf eine Weise enden kann. Kein Systemwechsel kann stattfinden, ohne dass Schläge ausgetauscht werden …“

— Lech Wałęsa: Anmerkungen zu einem Treffen der nationalen Führung von Solidarność, 3.‑4. Dezember 1981[59]

In den Tagen nach dem Treffen von Radom, brachten die stalinistischen Behörden wiederholt Auszüge vom angeblich geheimen Treffen der Solidarność-Führung in Radom im nationalen Rundfunk und Fernsehen. Am 13. Dezember 1981 hatte das ganze Land Wałęsas Eingeständnis gehört, dass seine Pose des Abwartens und Vermittelns ein Trick war. Als Wałęsa zur Authentizität der Bänder befragt wurde, antwortete er nur, dass seine Äußerungen aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Die New York Times berichtete, „Herr Wałęsa war besonders verlegen, dass Millionen ihn sagen hörten, dass er die ganze Zeit an die Unvermeidlichkeit der Konfrontation geglaubt hatte und insgeheim darauf hin arbeitete (ein Eingeständnis, das nicht durch Fakten zu belegen war, aber anscheinend darauf abzielte, seine Glaubwürdigkeit unter den Militanten von Solidarność wieder herzustellen).“[60] Zumindest zeigen Wałęsas Bemerkungen, dass er sich durch die Vorherrschaft der „Militanten“ in der nationalen Führung zu einem konfrontativen Auftreten gezwungen sah.

Zbigniew Bujak gehörte zu jenen beim Radom-Treffen, die gegen eine Strategie des Abwartens und der Täuschung waren. Er schlug vor, dass der von Solidarność geforderte Sozialrat „so etwas wie eine provisorische Nationalregierung sein sollte. Die Regierung muss endlich gestürzt, bloßgestellt und jeder Glaubwürdigkeit entledigt werden.“ Er schlug auch vor, dass die Solidarność-Miliz, die (Grzegorz Palka im nationalen Maßstab errichten wollte) die Rundfunk- und Fernsehsender „befreien“ sollte. Jan Rulewski erklärte: „Wir kämpfen für die Errichtung einer provisorischen Regierung, zur Stabilisierung des Landes bis zur Abhaltung von Wahlen …“[61]

Solidarność am Vorabend der Zerstörung

Die Sitzung des Solidarność Nationalkomitees am 11. und 12. Dezember sollte die letzte sein. Es wurde nur eine einzige Entscheidung getroffen, nämlich ein nationales Referendum über die folgenden vier Fragen abzuhalten:

1. Sind Sie für eine Vertrauensabstimmung über General Jaruzelski?

2. Sind Sie für die Errichtung einer vorläufigen Regierung und für freie Wahlen?

3. Sind Sie für die Zusage militärischer Garantien an die Sowjetunion in Polen?

4. Kann die Polnische Kommunistische Partei das Instrument für solche Garantien im Namen der ganzen Gesellschaft sein?[62]

Kowalewski lieferte die umfassendste Darstellung der letzten Überlegungen der Führung:

Die letzte Sitzung des nationalen Komitees am 12. Dezember ergab eine Annäherung der Standpunkte zwischen Lodz und anderen Regionen. Der Vertreter der Region Krakau brachte folgendes Aktionsprogramm für Solidarność vor:

„a) Das Nationalkomitee … soll eine Reihe von Gesetzen und legislativen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wirtschaftsreform entwerfen. Das vorgeschlagene ökonomische Modell sollte in einem Referendum in den Unternehmen zur Wahl gestellt werden, so dass die Unterstützung der Gesellschaft so schnell wie möglich erreicht werden kann.

b) Während des Generalstreiks wird die Gewerkschaft damit beginnen, die Wirtschaftsreform anzuwenden …

c) Die Gewerkschaft wird den Streik abbrechen, wenn die Wirtschaft auf allen Ebenen nach den neuen Grundsätzen funktioniert.

d) Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn die Gewerkschaft Zugang zu den Massenmedien hat. Das Nationalkomitee wird einen aktiven Streik in Rundfunk und Fernsehen, der Presse, den Druckereien und dem Pressevertrieb erklären, so dass diese Kommunikationsmittel in den Dienst der Gesellschaft gestellt werden.“[63]

Dieses „Aktionsprogramm“ repräsentiert das Denken jener, die mit dem KZ-KFS verbunden sind. Sie schlugen vor, außer den Fabriken auch Presse, Rundfunk und Fernsehen durch „aktive Streiks“ zu übernehmen, während eine Verteidigungsgarde von Solidarność organisiert werde, die sich um Armee und Polizei kümmern werde. Die Radikalen waren nicht die einzigen mit einem Aktionsplan:

Die moderate Strömung befürwortete eine andere Taktik. Ihr Hauptsprecher Jan Rulewski, der Vorsitzende der Region Bydgoszcz, argumentierte, dass Gesellschaft und Staat in eine Periode der Konfrontation eingetreten seien, die seit August 1981 intensiver geworden sei. „Dies deutet auf eine allgemeine Konfrontation hin“, sagte er, „die in einen Generalstreik münden sollte, einen aktiven Streik“. Die Krise des Staates müsse „eine politische Lösung“ finden, indem auf die Erfahrung der parlamentarischen Demokratien geschaut werde.

*  *  *

Die Idee war, dass ein Referendum, dessen Abstimmungsergebnis „kein Vertrauen in das System“ wäre, Solidarność dazu auffordern würde, einen Generalstreik zu erklären. Wenn die Regierung dann keine politische Lösung akzeptierte, wäre es notwendig, eine provisorische Regierung unabhängiger Sachverständiger zu bilden, die damit betraut würden, freie Wahlen zum Sejm und anderen repräsentativen Gremien zu organisieren und dadurch eine populäre Vormachtstellung zu sichern.[64]

Hier haben wir das Meinungsspektrum innerhalb von Solidarność am Vorabend von Jaruzelskis Staatsstreichs. Die „Radikalen“ wollten eine sofortige Machtprobe initiieren, während die „Gemäßigten“ zunächst ein Misstrauensvotum als Volksabstimmung, gefolgt von einem Generalstreik, abhalten wollten. Am Ende:

Das Nationalkomitee entschied sich nicht zu Gunsten irgendeiner der vorgeschlagenen Taktiken. Es war einverstanden ein Referendum über das System und die Form der Herrschaft zu fordern … Die Debatte blieb offen über die Art, in der das Problem der Macht gelöst werden sollte … es war klar, daß, wer auch immer die Initiative ergriff und zuerst zuschlug, hätte den Vorteil im Falle einer Konfrontation.[65]

VII. Revolution oder Konterrevolution?

Die pseudotrotzkistischen Formationen, die Seite für Solidarność bezogen, taten dies aus einem tief verwurzelten stalinophoben Reflex. Die Zentristen von Workers Power, die freiwillig zugeben, dass die Führung von Solidarność restaurativ war, verteidigen diese gegen den stalinistischen Gegenschlag aus dem Grunde, dass Wałęsa und die Anderen die Macht nicht erfolgreich hätten übernehmen können:

trotz all des demagogischen Schaums von Rulewski gibt es keinen Beweis, dass er auf einen bewaffneten Aufstand drängte, oder dass Solidarność einen vorbereitete am Vorabend des Jaruzelski Coup … „die Radikalen“ erwarteten ein Referendum, um sich und ihre Vorstellung von Machtteilung gegen die Stalinisten zu verteidigen. Tatsächlich drängten führende Militante im Dezember auf die Bildung von Arbeiterverteidigungsgruppen (Bujak und Palka, zum Beispiel ) … Aber der sporadischer Charakter des Widerstands gegen das Kriegsrecht unterstrich, dass es keine konkreten und entwickelten Pläne für Solidarność gab, die Eroberung der politischen Macht zu organisieren …[66]

Dies ist ein groteskes Beispiel für zentristisches Zerhacken von Logik. Workers Power verteidigt Solidarnośćs konterrevolutionäre Führung gegen die Stalinisten, weil keine ernste Gefahr bestand. Aber der Grund dafür, dass Solidarność keine Gefahr darstellte, war, wie Kowalewski betonte, dass Jaruzelski zuschlug bevor Bujak und andere in der Lage waren, „die politische Machteroberung zu organisieren“!

Für Trotzkisten ist es nicht der Punkt, wer den ersten Schlag führt. Unsere Einstellung gegenüber jenen, die zum Kampf um die Staatsmacht in einem deformierten Arbeiterstaat mobilisieren, wird nicht durch ihre taktische Kompetenz oder den Grad der Vorbereitung, sondern durch ihr politisches Programm bestimmt. Alle Flügel von Solidarność — Radikale und Gemäßigte — waren einer kapitalistisch-restaurativen Wirtschafts„reform“ verpflichtet.

Die PVAP zerfiel und war nicht in der Lage, eine Führung mit Unterstützung in der Bevölkerung zu festigen. Sie erlitt massive Desertation aus ihren Reihen hin zu Solidarność. Die Wirtschaft brach zusammen und die polnische Gesellschaft befand sich im Todeskampf einer akuten sozialen Krise. Eine Konfrontation zwischen Solidarność und dem Regime war, um Lech Wałęsa zu zitieren, „unvermeidlich“. Der Kader der 19.500 Priester, zusätzlich zu den 40.000 Vollzeit-Funktionären der Gewerkschaft Solidarność, hätten leicht in das Vakuum, das durch den erfolgreichen Sturz der PVAP entstanden wäre, treten können.

Wałęsa & Co. zeigten nicht viel Finesse in der Kunst des Aufstands, aber die Bedrohung, die sie darstellten, war sehr real, insbesondere in Anbetracht der aktiven Unterstützung, die sie vernünftigerweise von der imperialistischen Welt erwarteten. Die Solidarność-Führung unterschätzte die Solidität der Armee, aber bis sie ins Spiel gebracht wurde, konnte niemand sicher sein, wie die Wehrpflichtigen reagieren würden. Solidarność verfügte über die Loyalität der überwältigenden Masse der polnischen Bevölkerung. Kowalewski bemerkt, dass die Gewerkschaftsführung „der Illusion zum Opfer fiel, dass diese Stärke ausreiche, um die Armee zu neutralisieren.“[67] Dies war nicht völlig abstrus. Bei der Polizei verfügte „die Solidarność Organisation, trotz der Entlassung ihrer Führer und der Nicht-Anerkennung durch die Gerichte, über etwa 40.000 möglicher Mitglieder von insgesamt ca. 150.000.“[68] In der Tat war die Vermutung, dass auf die polnische Armee in einer Machtprobe mit Solidarność kein Verlass war, weit verbreitet. Raina berichtet: „Die breite Öffentlichkeit teilte die von Slowo Powszechny ausgedrückte Ansicht. In ihrer Ausgabe vom 12. Oktober [1981], dem Tag der Polnischen Armee, kommentierte die katholische Tageszeitung, dass „niemand sich auf die Verwendung der polnischen Armee gegen die reformorientierten polnischen Arbeiter verlassen konnte.“[69]

Die amerikanische Revolutionary Workers League (RWL) verteidigt Solidarność, wenn auch mit einer etwas anderen rationalen Erklärung. Soweit wir wissen, hat die RWL keine umfassende Erklärung zur Solidarność produziert. Allerdings erzählte uns ein kenntnisreicher und maßgeblicher RWL-Kader, dass sie im Dezember 1981 weder für Jaruzelski noch Wałęsa Seite bezogen hätten, sondern vielmehr einfach für proletarische politische Revolution aufriefen! In einer Polemik gegen Hugo Oehler im Juli 1939, verspottete Trotzki diejenigen, die schwierige politische Probleme dadurch „lösen“, dass sie die Existenz von Umständen, die auf abstrakteste Weise wünschenswert sind, hypothetisch an die Wand malen. Trotzki hatte nichts als Verachtung für jene, die:

zufrieden sind mit der logischen Ableitung von einer siegreichen Revolution, die angeblich schon erreicht sei. Aber für einen Revolutionär liegt der Kern der Frage genau darin, wie man den Weg zur Revolution freimachen kann, wie man eine für die Massen leichtere Herangehensweise an die Revolution bereiten kann, wie man die Revolution heranziehen kann und wie ihren Sieg sicherstellen. „[W]enn der Arbeiter“ eine siegreiche Revolution „durchführt …“ wird natürlich alles in Ordnung sein. Aber es gibt jetzt keinen Sieg der Revolution, sondern es herrscht siegreiche Reaktion.[70]

Ungarn 1956 versus Polen 1981

Die politische Krise des stalinistischen Regimes in Polen im Jahr 1981 war anders als alle früheren politischen Konfrontationen zwischen den osteuropäischen Arbeitern und ihren bürokratischen Herrschern. Es war das erste Mal, dass eine solche Revolte erhebliche direkte Verbindungen mit westlichen imperialistischen Agenturen hatte. Die polnischen Arbeiter waren von dem Regime so abgestoßen, dass große Teile von ihnen von der obskurantistischen katholischen Hierarchie, und sogar von den Vertretern der imperialistischen „freien Welt“, Erlösung erwarteten. Diese kritische Unterscheidung wird von jenen vorgeblichen Trotzkisten routiniert ignoriert, die die polnischen Ereignisse leichtfertig mit dem Arbeiteraufstand in Ungarn 1956 vergleichen.

Wir charakterisieren den ungarischen Aufstand von 1956 als Versuch einer proletarischen politischen Revolution. Es ist wahr, dass das Regime unter Führung von Imre Nagy eine erhebliche Bewegung nach rechts zeigte, indem es bürgerliche Politiker aus der „Volksfront“periode der späten 40er Jahre in die Regierung brachte. Angesichts der sowjetischen Invasion erklärte Nagy sogar den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und appellierte an die Vereinten Nationen, um die Neutralität Ungarns zu verteidigen.

Die Existenz gemeinsamer Forderungen und gemeinsamer sozialer Kräfte dient nur dazu, die Gegensätze zwischen Budapest 1956 und Warschau fünfundzwanzig Jahre später hervorzuheben. In Ungarn war die Masse der Beteiligten ausdrücklich gegen jeden Versuch kapitalistischer Restauration. Die klerikale Hierarchie unter Führung von Kardinal Mindszenty, hatte relativ wenig Einfluss, und wie andere offen rechtsgerichtete Kräfte, wurde er von den Arbeitern und dem Großteil der Intelligenz mit Feindseligkeit betrachtet.

Während sich Nagy nach rechts bewegte als er inmitten der Anarchie langsam die Kontrolle verlor, die der sowjetischen Intervention im Oktober folgte, konsolidierten sich, von der Regierung völlig unabhängig organisierte, Arbeiterräte, für die Perspektive „eines unabhängigen, sozialistischen Ungarn“. Diese Räte wurden zum größten Teil von ehemaligen Kadern der KP in die Revolte gegen den Stalinismus geführt.

Als die sowjetischen Truppen am 4. November zum zweiten Mal in Ungarn einmarschierten, brach das Nagy-Regime sofort zusammen und Nagy und seine engsten Anhänger flohen in die jugoslawische Botschaft. Doch die Arbeiterräte blieben ein wichtiger politischer Faktor und Janos Kadar, der das von Moskau eingesetzte Regime führte, war gezwungen, sich mit ihrer Führung zu treffen, um zu versuchen, ein Ende des monatelangen Generalstreiks auszuhandeln, mit dem die ungarischen Arbeiter die sowjetische Invasion begrüßt hatten.

Während des Generalstreiks gab es einen Versuch, die Arbeiterräte zu einer maßgeblichen zentralen Körperschaft zu verbinden. Etwa fünfzig Delegierte, die all die verschiedenen Bezirke und größeren Fabriken in und um Budapest repräsentierten, sowie ein paar provinzielle Delegierte trafen sich zur Initiierung des Zentralarbeiterrates von Groß-Budapest. Die ursprüngliche Erklärung begann:

„Heute, am 14 November 1956, bilden die Delegierten der Bezirksarbeiterräte den Zentralarbeiterrat von Groß-Budapest. Der Zentralrat der Arbeiter hat die Befugnis, im Namen der Arbeiter in allen Fabriken von Budapest zu verhandeln, und über die Fortführung des Streiks oder eine Rückkehr zur Arbeit zu entscheiden. Wir erklären unsere unerschütterliche Treue zu den Grundsätzen des Sozialismus. Wir betrachten die Produktionsmittel als kollektives Eigentum, das zu verteidigen, wir jederzeit bereit sind.“

Die Erklärung enthielt acht Forderungen, einschließlich der Rückkehr von Nagy als Regierungschef, des Rückzugs der sowjetischen Truppen, der Freilassung der wegen Widerstands gegen die sowjetische Invasion Inhaftierten, und „die Abschaffung des Ein-Parteien-Systems und die Anerkennung nur der Parteien, die sich auf den Sozialismus gründen.“[71] Eine trotzkistische Partei hätte in den Räten für eine Regierung, basierend auf Sowjets, kämpfen können, die in Opposition zu Nagy gestanden hätte.

Zu keinem Zeitpunkt in der Entwicklung Solidarnośćs, von einer Gewerkschaft zu einer nationalen politischen Bewegung, die für „Pluralismus“ kämpft, ist es möglich, auf irgendwelche nennenswerten Kräfte zu verweisen, die sich um die Perspektive der Verteidigung verstaatlichten Eigentums organisieren. In Ungarn erklärte der Hauptakteur — die Arbeiterrätebewegung — ihre Loyalität zu den „Prinzipien des Sozialismus“. Jeder Versuch, die pro-sozialistischen ungarischen Arbeiterräte von 1956 mit dem offen restaurativen Programm von Solidarność im Jahr 1981 gleichzusetzen, ist zutiefst falsch.

Das Programm der politischen Revolution

Trotzkisten verneinen das „Recht“ der Arbeiter, Polen dem Kapitalismus zurück zu geben. Auf ähnliche Weise ist auch das demokratische Recht der Völker auf Selbstbestimmung (zum Beispiel Polens gegenüber der UdSSR) der Verteidigung der kollektivierten Eigentumsformen untergeordnet. Auch setzen wir unser Vertrauen nicht darauf, dass irgendwelche automatischen „revolutionären Prozesse“ funktionieren, die garantieren, dass am Ende alles in Ordnung sein wird. In Polen waren die Massen in politischer Bewegung und der stalinistische Staatsapparat zerfiel — aber das bedeutete nicht, dass eine proletarische politische Revolution im Gange war. Das Programm der Arbeiterpartei (oder -parteien) ist von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis. Jede alternative Führung in einem Arbeiterstaat muss, um unterstützbar zu sein, der Erhaltung der Planwirtschaft, des Außenhandelsmonopols etc. verpflichtet sein. Das war einfach nicht der Fall in Polen.

Eine trotzkistische Opposition in Solidarność hätte ein Programm vorgelegt, das Folgendes enthalten hätte:

  1. Sofortiger Ausschluss des KPN und die Unterdrückung der antisemitischen, pilsudskischen und anderer prokapitalistischer Strömungen;
  2. Aktive Identifizierung mit Rosa Luxemburg und der heroischen Tradition des polnischen Kommunismus;
  3. Verteidigung des Grundsatzes der zentralen Planung und zentralen Steuerung der Wirtschaft unter Arbeiterdemokratie; Verteidigung des staatlichen Außenhandelsmonopols — Zurückweisung der vom Solidarność-Kongress verabschiedeten Vorschläge von konkurrierendem „Selbstmanagement“ und „Marktgleichgewicht“.
  4. Trennung von Kirche und Staat — kein privilegierter Zugang für die katholische Hierarchie zu Schulen oder Medien; eine aggressive Kampagne zur Frauenbefreiung, einschließlich des Rechts auf Scheidung, auf freie Abtreibung auf Verlangen und auf freien Zugang zu Verhütungsmitteln, aktive Rekrutierung von Frauen in die politische Führung und die Führung staatlicher Unternehmen;
  5. Aktive Solidarität mit den PATCO Streikenden, die von Reagan zum Zeitpunkt des Solidarność-Kongresses schikaniert wurden; militärische Unterstützung der linken Rebellen El Salvadors und aller anderen, die auf internationaler Ebene im Kampf gegen den Imperialismus stehen;
  6. Bedingungslose militärische Verteidigung Polens, der UdSSR und der anderen nicht-kapitalistischen Staaten gegen den Imperialismus und restaurative Strömungen;
  7. Abbruch der Verbindungen mit den pro-imperialistischen Bürokraten der AFL-CIO, und Ablehnung der provokativen, antikommunistischen Einladung der mit dem CIA verbundenen Gewerkschafter Irving Brown und Lane Kirkland;
  8. Abbruch aller Verbindungen mit der kulakischen Ländlichen Solidarność; Organisierung der armen Bauern und Landarbeiter, ausdrückliche Unterstützung vergesellschafteter Landwirtschaft, sofortige Einstellung aller staatlichen Subventionen für die ländlichen Kapitalisten, Abschaffung des „Rechts“, Arbeitskräfte in der Landwirtschaft anzuheuern, und für ein massives Programm ökonomischer Anreize zur Förderung freiwilliger Kollektivierung der Einzelbetriebe und
  9. Für die Schaffung eines landesweiten Netzwerks von Arbeiterräten zur Mobilisierung des Proletariats für den Sturz der stalinistischen Diktatur durch politische Revolution, um eine zentral geplante Ökonomie zu regenerieren, die direkt von den Sowjets der Arbeiter verwaltet wird.

Es ist eine tragische Tatsache, dass keine Fraktion in Solidarność auch nur einen einzigen dieser programmatischen Punkte befürwortete. Während es viele hitzige Debatten und eine Menge Dokumente und Resolutionen gab, ist es eine einfache Tatsache, dass alle wichtigen Strömungen in Solidarność der Durchführung einer „Marktreform“ verpflichtet waren. Eine trotzkistische Organisation in Polen im Jahr 1981, mit einer Basis in der Arbeiterklasse, hätte einen Kampf geführt, um die prokapitalistische Führung aus der Gewerkschaft zu schmeißen. Aber es gab keine solche Strömung in Solidarność.

Im Herbst 1981 war Solidarność zu einer kapitalistisch-restaurativen Bewegung geworden, sowohl mit der sozialen Macht als auch mit einer Führung, die sich subjektiv verpflichtet hatte, das diskreditierte und demoralisierte stalinistische Regime zu stürzen. Zur Verteidigung von Solidarność aufzurufen, hieß, die Verteidigung ihrer konterrevolutionären Kader zu fordern. Wir unterstützen militärisch einen vorauseilenden Schlag der Stalinisten gegen die Solidarność-Führung.

Wir geben den Stalinisten keinen Blankoscheck für die Beschneidung der demokratischen Rechte der Arbeiter, sich zu organisieren, sich zu treffen, um über Politik zu diskutieren, und sich politisch neu zusammenzuschließen. Wir wissen, dass die kapitalistisch-restaurativen Strömungen entscheidend nur durch proletarische politische Revolution geschlagen werden können, die die Herrschaft der stalinistischen Parasiten vernichtet. Aber wir setzen die Verteidigung der politischen Rechte der polnischen Arbeiter nicht mit der Verteidigung von Solidarność gleich.

Wir schätzen den politischen Raum und versuchen ihn zu erhalten, der für die Arbeiterbewegung durch den Streik vom August 1980 gewonnen wurde, der zur Existenz von Solidarność führte. Generell lehnen wir die stalinistische Unterdrückung ideologischer Dissidenten ab, sogar von prokapitalistischen. Revolutionäre verteidigen auch die Existenz von Gewerkschaften, die unabhängig vom Staat sind, sogar in gesunden Arbeiterstaaten.

Aber Trotzkisten trennt von Shachtmaniten (d. h. „demokratischen sozialistischen“ Antikommunisten), dass wir letzten Endes „demokratischen Rechten“ vor der Verteidigung der proletarischen Eigentumsformen keinen Vorrang einräumen. In Polen musste man im Dezember 1981 zwischen diesen beiden wählen und wir folgen Trotzki:

Wir dürfen keinen Augenblick die Tatsache aus den Augen verlieren, dass der Sturz der sowjetischen Bürokratie der Erhaltung des Staatseigentums an den Produktionsmitteln in der UdSSR untergeordnet ist, dass für uns die Erhaltung des Staatseigentums an den Produktionsmitteln in der UdSSR der proletarischen Weltrevolution untergeordnet ist.[72]

Jaruzelskis Niederschlagung von Solidarność am 13. Dezember 1981 trug nicht zur Lösung der Widersprüche bei, die zu der Krise in der polnischen Gesellschaft geführt hatten, aber sie stoppte eine gefährliche restaurative Mobilisierung. Wir haben keine Illusionen in die Fähigkeit der Stalinisten, Staatseigentum in Polen oder woanders zu schützen, geschweige denn, es zu entwickeln. In der Tat liegt die einzige Garantie gegen bürgerliche Restauration im Sieg der proletarischen politischen Revolution, die die Herrschaft der bürokratischen Parasiten zerschlägt.

Wir sind für die Unterdrückung der Konterrevolution durch eine klassenbewusste Arbeiterbewegung. Aber Trotzkisten können keine neutrale Haltung in einem Entscheidungskampf zwischen einer kapitalistischen restaurativen Bewegung und einem stalinistischen Staatsapparat einnehmen. 1937, inmitten der stalinistischen Säuberungsprozesse projizierte Trotzki, dass:

„Wenn das Proletariat die Sowjetbürokratie rechtzeitig vertreibt, dann wird es nach seinem Sieg verstaatlichte Produktionsmittel und die grundlegenden Elemente der Planwirtschaft vorfinden. Dies bedeutet, dass es nicht ganz von vorn anfangen muss. Das ist ein enormer Vorteil!“[73]


Anmerkungen

 1.  Trotsky, Leon: On the Conference of Left Socialist and Communist Organizations held at Paris August 27-28, 1933 [Anlässlich der Konferenz der Sozialistischen Linken und der kommunistischen Organisationen in Paris am 27. und 28. August (Eig. Übers.)].In: Writings of Leon Trotsky (LTW) 1933-34, 1971, S. 62

 2.  Trockij, Lev D. : Verteidigung des Marxismus / Leo Trotzki, Sammelbuch / Leo Trotzki. Bd. 12. Berlin : Verlag Neuer Kurs, 1973. S. 184

 3.  Ibid., S. 276

 4.  Trotsky, Leon: The Class Nature of the Soviet State [Die Klassennatur des Sowjetstaates (Eig. Übers.)]. In: Writings of Leon Trotsky (LTW) 1933-34, S. 116

 5.  Trotsky, Leon: Not a Worker‘s And not a Bourgeois State [Kein Arbeiter- und kein bürgerlicher Staat? (Eig. Übers.)]. In: Writings of Leon Trotsky (LTW) 1937-38, 1976, S. 63f

 6.  Trotzki, Leo: Verratene Revolution, 1971, S. 244

 7.  Potel, Jean Yves: The summer before the frost: Solidarity in Poland. 1. Aufl. London: Pluto, 1982. — Poland. Gdansk. Political events. 1980-1981 — S. 180 (Eig. Übers.)

 8.  Potel, Jean Yves:, S. 186 (Eig. Übers.)

 9.  Singer, D.: The road to Gdansk : Poland and the USSR. New York [u.a.]: Monthly Review Press, 1981. S. 189f (Eig. Übers.)

10.  Fejtö, F.: A history of the People’s Democracies: eastern Europe since Stalin. Penguin Books, 1974. — S. 438f (Eig. Übers.)

11.  Potel, Jean Yves, S. 91 (Eig. Übers.)

12.  Cviic, Christopher: The Church. In: Poland: Genesis of a Revolution. New York : RandomHouse, 1983. — S. 99 (Eig. Übers.)

13.  MacDonald, Oliver: The Polish Vortex: Solidarity and Socialism. In: New Left Review I (Mai-Juni 1983) Nr. 139, S. 28 (Eig. Übers.)

14.  Singer, S. 190f (Eig. Übers.)

15.  Ascherson, Neil:< em>The Polish August : the self-limiting revolution. New York: Viking Press, 1982, S. 95 (Eig. Übers.)

16.  Open Letter to Members of … the United Polish Workers Party… In: Revolutionary Marxist Students In Poland Speak Out, 1968, S. 86f (Eig. Übers.)

17.  Zitiert in Workers Vanguard, Nr. 263, 5 September 1980 (Eig. Übers.)

18.  Touraine, Alain: Solidarity: The Analysis of a Social Movement, 1984, S. 113 (Eig. Übers.)

19.  Touraine, S. 159 (Eig. Übers.)

20.  Garton Ash, Timothy; The Polish Revolution. 1983. S. 19 (Eig. Übers.)

21.  Michnik, Adam: Letters From Prison, 1985, S. 124 (Eig. Übers.)

22.  The Book of Lech Wałęsa, 1982, S. 192, zitiert in MacDonald (Eig. Übers.)

23.  MacDonald, S. 36 (Eig. Übers.)

24.  Uncensored Poland news bulletin / Information Centre for Polish Affairs. Ausgaben 13-24, 14 November 1985, S. 29 (Eig. Übers.)

25.  Weschler, Lawrence, The Passion of Poland, 1984, S. 60 (Eig. Übers.)

26.  Garton Ash, S. 222 (Eig. Übers.)

27.  Touraine, S. 142 (Eig. Übers.)

28.  Potel, S. 186f (Eig. Übers.)

29.  Garton Ash, S. 227 (Eig. Übers.)

30.  Weschler, S. 68 (Eig. Übers.)

31.  Trockij, Lev. D.: Die III. Internationale nach Lenin : das Programm der internationalen Revolution und die Ideologie vom Sozialismus in einem Land, 1928. Essen : Arbeiterpresse-Verl., 1993 — (Trotzki-Bibliothek) — ISBN 3-88634-057-0 — S. 288

32.  Die Ausgabe des 8. Januar 1982 der Workers Vanguard, berichtete über einen Artikel der Ausgabe vom 16. Dezember 1981 des Le Canard Enchaine, eines französischen Satiremagazins, das behauptete, Lech Wałęsa habe sich Mitte Oktober 1981 heimlich in Paris mit einer Clique hochrangiger amerikanischer Führungskräfte getroffen, die zwei Stunden zuvor in einem gecharterten Flugzeug eingeflogen waren. Anwesend waren:

… Philip Caldwell, Präsident von Ford, Robert Tirby, Präsident von Westinghouse: David Lewis, dito für General Dynamics, Henry Heinz, als Vertreter der Gruppe Nahrungsmittel/Landwirtschaft gleichen Namens und Thomas Watson, ein hohes Tier von IBM. Außerdem eine VIP von TWA und mehrere Potentaten von kaum geringerer Bedeutung, Vorstände der Banken- und Versicherungsbranche ….

„Die ganze Menge wegen Lech Wałęsa, der als veritable Spitze einer Schattenregierung gesehen wird. Die Einführungen sind zügig und die Diskussion beginnt. Ein Simultanübersetzungssystem ist eingerichtet, Beweis dafür, dass auf amerikanischer Seite das Interview auf jeden Fall nicht völlig improvisiert wurde.“ Laut diesem Bericht gehörten zu den Fragen, die Industrie- und Finanzkapitäne an Wałęsa richteten: „Sind Sie bereit, Ihre freien Samstage aufzugeben?“ „Wissen polnische Arbeiter, wie man arbeitet und sind sie bereit?“ „Ist dies das Ende der marxistisch-leninistischen Ideologie in Polen?“ „Möchten Sie, dass die Kommunistische Partei an der Macht bleibt?“ (Eig. Übers.)

33.  Garton Ash, S. 225 (Eig. Übers.)

34.  Touraine, S. 144 (Eig. Übers.)

35.  Trotsky, The Challenge of the Left Opposition 1926-27 [Die Herausforderung der Linken Opposition 1926-27 (Eig. Übers.)], 1980, S. 492 (Eig. Übers.)

36.  Trockij, Lev D.: Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale ; Übergangsprogramm. — Essen : Ergebnisse und Perspektiven, [1972], S. 36f (Eig. Übers.)

37.  MacDonald, S. 28f (Eig. Übers.)

38.  Garton Ash, S. 216 (Eig. Übers.)

39.  Touraine, S. 140 (Eig. Übers.)

40.  New Left Review, Nr.125, Januar-Februar 1981, S. 65 (Eig. Übers.)

41.  Workers Power: Revolution and Counter-revolution in Poland [Revolution und Konterrevolution in Polen], Juli 1982, S. 10f (Eig. Übers.)

42.  Ebd., S. 11f (Eig. Übers.)

43.  Trotzki, Leo: Die Moralisten und Sykophanten gegen den Marxismus. In: Ihre Moral und unsere, 1969, S. 44f (Eig. Übers.)

44.  Potel, S. 82f (Eig. Übers.)

45.  Workers Power to Bolshevik Tendency (Korrespondenz), 2. April 1987 (Eig. Übers.)

46.  Raina, Peter, Poland 1981, 1985, S. 423, 430f (Eig. Übers.)

47.  Garton Ash, S. 249 (Eig. Übers.)

48.  Raina, S. 431 (Eig. Übers.)

49.  Ebd., S. 432f (Eig. Übers.)

50.  Garton Ash, S. 250 (Eig. Übers.)

51.  Raina, S. 435 (Eig. Übers.)

52.  Ebd., S. 446 (Eig. Übers.)

53.  Ebd., S. 448, 450, 452 (Eig. Übers.)

54.  Ebd., S. 453 (Eig. Übers.)

55.  Touraine, S. 88

56.  Kowalewskis Politik steht offen für das „dritte Lager“, ein von Max Shachtman geprägter Begriff (er war 1940 der Führer einer Abtrennung von der trotzkistischen Bewegung), um seine Position der Neutralität in Konflikten zwischen dem Imperialismus und der UdSSR zu beschreiben. In der Ausgabe September-Oktober 1986 von Gegen den Strom, eine US-amerikanische Shachtmanitische Publikation, zitierte Kowalewski zustimmend Hal Draper (ein führendes Mitglied der unabhängigen Shachtmans Socialist League), der 1951 eine „demokratische Revolution in einem kollektivierten System“ forderte. In diesem Artikel schalt Kowalewski jene, die weiterhin „sogar an die behauptete Überlegenheit des ‚real existierenden Sozialismus‘ glauben und die ‚proletarischen Eroberungen‘, die angeblich in ihm enthalten seien.“ Es gibt eine gewisse innere Kohärenz zu Kowalewskis Position, was mehr ist, als für die meisten der „trotzkistischen“ Anhänger der Solidarność gesagt werden kann. Seine Leugnung, dass überhaupt etwas an den kollektivierten Ökonomie zu verteidigen sei, besteht aus einem Guss wie sein weiteres Eintreten für das marktorientierte Selbstverwaltungssystem, das auf dem Kongress der Solidarność vorgebracht wurde. (Eig.Übers.)

57.  Kowalewski, Zbigniew: Solidarity on the Eve. In: The Solidarity Sourcebook. 1982, S. 237 (Eig. Übers.)

58.  Ebd., S. 230, 232 (Eig. Übers.)

59.  Washington Post, 20. Dezember 1981 (Eig. Übers.)

60.  New York Times, 13.Dezember 1981 (Eig. Übers.)

61.  Washington Post, 20. Dezember 1981 (Eig. Übers.)

62.  Washington Post, 20. Dezember 1981 (Eig. Übers.)

63.  Kowalewski, S. 238 (Eig. Übers.)

64.  Ebd., S. 238f (Eig. Übers.)

65.  Ebd., S. 240 (Eig. Übers.)

66.  Workers Power, S. 6 (Eig. Übers.)

67.  Kowalewski, S. 239 (Eig. Übers.)

68.  Garton Ash, S. 237

69.  Garton Ash, S. 237

70.  Trotzki, Leon: Independence of the Ukraine and Sectarian Muddleheads [Unabhängigkeit der Ukraine und sektiererische Wirrköpfe (Eig. Übers.)]. In: Writings of Leon Trotsky (LTW) 1939-40, 1973, S. 50 (Eig. Übers.)

71.  Nagy,Balazs: Budapest 1956: The Central Workers Council. Eyewitness in Ungarn [Budapest 1956: Der Zentrale Arbeiterrat“. Augenzeuge in Ungarn (Eig. Übers.)], 1981, ed. Bill Lomax., S. 177f (Eig. Übers.)

72.  Trotzki, Leo: Zur Verteidigung des Marxismus, 1970, S. 21 (Eig. Übers.)

73.  Trotzki, Leon: Three Conceptions of the Russian Revolution [Drei Konzeptionen der russischen Revolution (Eig.Übers.)]. Writings of Leon Trotsky (LTW) 1937-38, 1976, S. 69

 

Appendix: Solidarnosc’s Program

—reprinted from Solidarity Sourcebook

The following is a slightly abridged edition of the program adopted by the first Solidarity national congress in October, 1981.

[Versions of the Solidarity program were published in Labor Focus on Eastern Europe, Vol. 5, Nos. 1-2, Spring 1982, and by the Polish Workers Solidarity Committee of Toronto. We’ve made use of both translations for the version presented here.]

 

I. Who We Are and What We Want

The independent, self-governing union Solidarity, which was born out of the 1980 strike, is the most powerful mass movement in the history of Poland. The movement began among workers in large industrial enterprises in various regions of the country, reaching its peak in August, 1980, on the Baltic Coast. In the space of a year, it has won over all segments of the working population: workers, peasants, intellectuals and craftsmen.

Our union sprang from the people’s needs: from their suffering and disappointment, their hopes and desires. It is the product of a revolt by Polish society after three decades of political discrimination, economic exploitation, and the violation of human and civil rights. It is a protest against the existing form of power.

For none of us was it just a question of material conditions — although we did live badly, working hard, often for no purpose. History has taught us that there can be no bread without freedom. We also wanted justice, democracy, truth, freedom of opinion, a reconstructed republic—not just bread, butter and sausage. Since all the basic values had been trampled on, we could not hope to improve the situation unless they were restored. Economic protest was also social protest, and social protest was also moral protest. These movements did not appear out of the blue, but inherited the blood of the workers killed in Poznan in 1956 and the coastal towns in December, 1970. They also inherited the student revolt of 1968 and the suffering of the Radom and Ursus workers in 1976, as well as independent actions by workers, intellectuals and youth, the church’s efforts to preserve values, and all Poland’s struggles for human dignity. The union is the fruit of these struggles, and will remain faithful to them.

Our organization combines the features of a trade union and a broad social movement; it is this which gives us our strength and determines the importance of our role. Thanks to the existence of a powerful union organization, Polish society is no longer fragmented, disorganized and lost, but has recovered strength and hope. There is now the possibility of a real national renewal. Our union, representing the majority of workers in Poland, seeks to be and will become the driving force of this renewal.

Solidarity embraces many social currents, bringing together people of different political and religious views and different nationalities. What unites us is a revolt against injustice, abuses of power and monopolization of the right to speak and act in the name of the nation. What unites us is our protest against a state which treats the citizens as its own property. We reject the fact that, in conflicts with the state, the workers have no genuine means of defence against the “good will” of leaders who alone can decide the degree of freedom that should be accorded to their subjects. We are against the principle which consists in rewarding absolute political obedience instead of encouraging initiative and action. We are united in rejecting duplicity in public life and the squandering of the nation’s hard work.

But we are not just a force of rejection. Our aim is to rebuild a just Poland.

Respect for the person must be the basis of action: the state must serve people instead of dominating them. The state organization must be at the service of society and not be monopolized by a single political party. The state must really belong to the whole nation. Labor is made for people and finds its meaning when it corresponds to human needs.

Our national renewal must be based upon a proper reordering of these objectives. In determining its activity, Solidarity turns to the values of Christian ethics, our national working-class tradition, and the democratic tradition of the labor world. John Paul II’s encyclical on human labor is a fresh source of encouragement. As a mass organization of the working people, Solidarity is also a movement for the moral rebirth of the people.

We believe that people’s power is a principle that we do not have the right to abandon. But it does not mean the power of a group which places itself above society, arrogating to itself the right to define and represent the interests of society. Society must have the right to speak aloud, to express the range of social and political views. Society must be able to organize itself in such a way as to ensure a just distribution of the nation’s material and spiritual wealth and a blossoming of all creative forces. We seek a true socialization of our government and state administration. For this reason our objective is a self-governing Poland.

We hold dear the idea of freedom and total independence. We shall support everything which strengthens the sovereignty of our nation and state, everything which furthers the development of national culture and knowledge of our historical legacy. We believe that our national identity must be fully respected.

The union formed itself and acts under difficult conditions, following a path that has never been taken before. Those who join us are concerned to solve the great problems facing Poland. Our strength and authority is such that people expect us to help in every field of life. We are compelled to fight for the existence of our union, to organize at every level, and to learn, often through our own mistakes, how we should act and struggle in pursuit of our aims.

Our program reflects the desires and aspirations of Polish society. It seeks to fulfil distant objectives through the solution of present-day problems.

 

II. The Union in the Country’s Present Situation

The emergence of Solidarity as a mass movement has definitely changed the country’s situation. It has become possible to set up new, independent social institutions, or to make independent those which have been subordinated to the state. The existence of independent organizations of power should be regarded as the most important factor in changing Poland’s social and political relations.

There has been a change in the way power is exercised. The authorities should have come to terms with the will of society and accept its control, in conformity with the Gdansk, Szczecin and Jastrzebie agreements. There should have been a reform of the economy, the state and its various institutions. We had the right to hope that the state would carry out these changes.

The present system of government, based on an all-powerful central party and state institutions, has brought the country to ruin. The brakes have been applied to change for more than just one year, although it is no longer possible to go on ruling in the old way. The situation is growing worse, and we are moving toward catastrophe with seven-league boots. Nowhere in Europe has the economic collapse reached such proportions since World War II. Tired and disappointed though it may be, society has shown a great deal of patience and determination during the last year. In the end, however, it is to be feared that exhaustion and impatience will become a blind, destructive force or plunge us into despair. We do not have the right, as a society, to lose hope in the possibility of overcoming the crisis.

Faced with this national tragedy, Solidarity can no longer confine itself to pressuring the government to keep its promises. Society looks on us as the only guarantors of the agreements that have been signed. This is why the union considers that its main task is to take every possible short- and long-term action to save the country from bankruptcy, and society from poverty, despondency and self-destruction. The only way forward is to renew both state and economy through democratic social initiatives in every field.

We are fully aware that Polish society expects actions from us that will allow people to live in peace. The nation will not forgive a betrayal of the ideals for which Solidarity was created. Nor will it forgive actions, even the best intentioned, which lead to the spilling of blood and the material and spiritual destruction of the country. This awareness compels us to carry out our objectives in a gradual manner, so that each consecutive action obtains the support of society.

Our sense of responsibility compels us to look with clear eyes at the relationship of forces in Europe which resulted from the Second World War. Our aim is to perform our great labor of renewal without damaging international alliances; indeed, we seek to provide more solid guarantees for those alliances. The Polish nation, animated by a sense of its dignity, patriotism and traditions, will become a valuable partner from the moment when it consciously assumes its own commitments.

The country’s present situation necessitates a two-sided program: immediate actions to see us through the difficult winter period; and, at the same time, a program of economic reform, which can no longer be postponed, of social politics and reconstruction of public life—a program which points toward a self-governed republic.

 

III. The Union, the Crisis and Economic Reform

The roots of the present crisis lie deep in the economic and political system, and the way in which the authorities, ignoring the needs of society, have blocked all reform projects and squandered huge foreign loans. The crisis began to worsen in the mid-seventies, reaching a climax last year as a result of the government’s incapacity to promote major changes.

Faced with economic catastrophe, the government has announced a program to combat the crisis and restore economic stability. The union does not support this program, which only partially makes use of our economic resources and does not inspire the confidence of society. In our view, government decisions have to be made credible if there is to be a rapid solution to the crisis. This is why we demand social control over the government’s anti-crisis measures. If they are to be credible, then people with some professional and social authority must be appointed to leadership positions in the national economy.

Thesis one: We demand that, at every level of leadership, a democratic, self-management reform should enable the new economic and social system to combine planning, autonomy and the market.

The union demands a reform that will abolish the privileges of the bureaucracy and make it impossible for them to reappear. The reform must encourage people to work and to show initiative, and not just remain a surface phenomenon. Since the reform will involve some social costs, the union must ensure that certain groups of the population are well protected.

1. The authoritarian direction of the economy, which makes rational development impossible, must be brought to an end. In this system, enormous economic power is concentrated in the party apparatus and the state bureaucracy. The structure of economic organization serving the command system must be broken up. It is necessary to separate the apparatus of economic administration from political power. Enterprise managers should no longer be dependent upon the ministry, and nor should important appointments fall under the party nomenklatura. The reform will only be successful if it results from the extensive activity of working groups, for which Solidarity’s Network of Enterprise Commissions may serve as an example. The activity of this network signaled the start of a large-scale self-management movement.

2. A new economic structure must be built. In the organization of the economy, the basic unit will be a collectively managed social enterprise, represented by a workers’ council and led by a director who shall be appointed with the council’s help and subject to recall by the council. The social enterprise shall dispose of the national property entrusted to it, working in the interests of society and the enterprise itself. It shall apply economic calculation in the affairs of management. The state may influence enterprise activity through various regulations and economic instruments, prices, taxes, interest rates and so on.

3. It is necessary to sweep away the bureaucratic barriers which make it impossible for the market to operate. The central organs of economic administration should not limit enterprise activity or prescribe supplies and buyers for its output. Enterprises shall be able to operate freely on the internal market, except in fields where a licence is compulsory. International trade must be accessible to all enterprises. The union appreciates the importance of exports, which are of value to the country and to the workers. Consumers’ associations and anti-monopoly legislation should ensure that enterprises do not carve out a privileged place in the market. A special law must be introduced to protect consumers’ rights. The relationship between supply and demand must determine price levels.

4. The reform must socialize planning so that the central plan reflects the aspirations of society and is freely accepted by it. Public debates are therefore indispensable. It should be possible to bring forward plans of every kind, including those drafted by social or civil organizations. Access to comprehensive economic information is therefore absolutely essential, requiring social control over the central statistics board.

Thesis two: The approach of winter necessitates immediate and energetic action; the union declares that people of good will are available.

In the present state of the economy, this winter may be a dangerous time for the population. It is to be feared that the authorities are not able to face up to this danger. Social aid must be organized. Our union declares that people of good will are available.

1. Immediate action on the economy:

a) the union leadership will ask the government to communicate its program for the winter;

b) the union will call for an assurance that adequate heating and lighting will be available in both town and country, and that the market will be supplied with essential consumer items (warm clothing, food);

c) workers’ organizations and their enterprise commissions should watch over the extra production of industrial and, above all, food products on free Saturdays; they should come to terms on the division of those commodities, directing them to the places most in need; and they should adjust production to the existing energy restrictions, reaching agreement with regional union leadership.

2. Social mutual aid:

The union should organize winter relief services, at both a local and enterprise level. Their aim should be: to assure, together with the scouts and the independent students association, supplies of food and coal to particularly vulnerable sections of the population; to organize housing-repair teams for such people and to protect them from the effects of winter; to use enterprise vehicles for school busing, doctors’ calls, etc.; to help supply the town population with potatoes, vegetables and fruit; and to organize the distribution of aid from abroad. Enterprise relief services should help to solve supply problems, coordinating their activity at a district and regional level.

Thesis three: The defence of workers’ living standards requires collective action against falling output.

The primary task facing us today is to halt the decline in output. It is necessary to improve supplies by using internal reserves and to increase the possibilities for importing raw materials and spare parts. This will depend on the effectiveness of our anti-crisis reform program, on an increase in exports, and on the securing of credits from both East and West.

In our view, the government should investigate the conditions under which Poland might join the International Monetary Fund and the International Bank for Reconstruction and Development, and present them to the public. At the same time, we should do everything possible to maximize output by using the country’s existing resources.

1. New investment must be limited, and materials saved in this way should be used in existing enterprises.

2. It is necessary to use surplus stocks of materials, machinery and plant, making it easier for them to be sold abroad and selling them to private enterprises within Poland. Present restrictions on the activity of such enterprises must be lifted.

3. Given the particular importance of coal and other raw materials, it is essential to prioritize rapid growth in mining employment and technical equipment. The conditions must also be created for a future rise in output. Although the situation is very difficult in many regions of the country, priority must be given to food supplies for the mining areas. People should be encouraged to save coal, above all in the enterprises, but also at home.

4. In principle, the peasant economy must receive a large share of the means of production, especially agricultural tools and machinery, fertilizer and fodder (above all, of the high protein variety). This will permit higher food production, since the peasant economy is more efficient than the socialized sector.

5. Given the disastrous shortage of energy and raw materials, a number of factories will have to be closed in the coming months. Any decision must be based on the criteria of economic efficiency. Closures must be kept to the minimum necessary, and implemented only when there is no possibility of rationally altering production.

6. In several fields, the length of the working week does not at present crucially affect the volume of production. However, being aware of the requirements of this crisis situation, we many forego demanding the introduction of more free Saturdays in 1982. If it is possible for overtime work to be performed on free Saturdays, any decision must depend on the wishes of the workforce.

7. During this crisis period, arms expenditures must be reduced to a strict minimum, and the resources made available should be used to increase output.

Thesis four: The union recognizes the need for a restored market equilibrium in the framework of an effective anti-crisis program that will involve a national reform and protect the weakest sections of the population.

The main way in which the market equilibrium will be restored is through an increase in the production and supply of goods. However, this will not be enough to restore market equilibrium in the short run. It will also be necessary to reduce the demand for goods. This may be achieved by the following methods: a) a gradual rise in prices, together with the transitional retention of ration cards for major consumption items; b) a single round of price increases, together with the abolition of ration cards; c) a currency reform together with a reform of prices. A number of solutions and combinations are possible within this general framework. Some individual proposals have been presented by their authors for union members to consider (in an appendix); but other proposals are not ruled out.

Only if there is a simultaneous rise in production will these methods prove effective. If none of them is implemented, there will have to be a rationing system for all goods. But this would destroy the market equilibrium, inevitably leading to waste and artificial shortages, further swelling the bureaucracy and the black market, and removing the motivation for greater work-efficiency. Nor would it in any way protect the real purchasing power of the population.

After public discussion, society itself must choose one of these methods through a referendum. The union will demand that this happens. The sooner it takes place, the less will be the social costs of market stability.

Thesis five: The anti-crisis and the economic reform must be subject to the control of society.

A condition for the successful struggle against the crisis lies not only in drafting a program acceptable to society, but also in public control over the implementation of the program. The union hopes that such control will eventually be exercised by a new Sejm, national councils and workers’ self-managing bodies.

However, public control institutions must be set up immediately. The experience of both the sixties and the seventies and of the most recent twelve months have taught us that the lack of public control leads to erroneous decisions and favors inaction and private interests. The union therefore proposes the creation of a Social Council for the National Economy, whose tasks would be to assess government economic policy, to examine the economic situation and relevant legislation, and to take initiatives in this field. The council must have the right to present draft legislation. Its deliberations should be made known to the public, and its members should be able to communicate with society through the mass media.

Thesis six: Although the union will protect everyone, it will take special care of the poorest sections.

We shall prioritize action to protect those whose lives are most seriously affected by the crisis. In conformity with the Gdansk Agreement, we shall demand measures in 1982 to introduce a cost-of-living supplement, to generalize the system of educational grants, to raise family allowances, and to introduce a minimum subsistence threshold as the basis for an incomes policy.

The union considers that subsidies should guarantee the purchasing power of the least well off. It is essential: that subsidies should be given to workers (and pensioners), as well as to their dependants; that the level of prices should proportionately determine all social benefits; that there should be an income-ceiling for social benefits, and an increase in the budget of child-care institutions, asylums and hospitals; that the union should adopt the principle of relating benefits to income.

Compensation must be paid for any rise in the price of an established list of goods and services. Price increases, as well as the availability and amount of benefits, must be agreed upon by the union.

We demand a major increase in social welfare. The union will seek to moderate the effects of inevitable price rises on the cost of everyday life: a) by checking on the price index of basic items; b) by encouraging social initiatives to control the quality and price of goods; and c) by calling for a special fund to restrain retail price rises on certain goods and services (milk, schoolbooks, children’s clothing, etc.).

Thesis seven: Food supply is now the most important problem; ration coupons must be honored in practice, and food should be distributed under social control.

Given the shortage of the most essential food items, the union is compelled to demand a system of regulation which ensures that every citizen has the minimum necessary. At present various rationed items, especially meat, are not available in sufficient quantity, particularly since there is also a lack of substitutes (fish, dairy products).

The union demands energetic government action to ensure that rationed items are available in sufficient quantity on the market, and above all that incentives are provided to encourage peasants to deliver livestock and increase animal rearing.

Rations must increase in step with rising production and deliveries. Trade and the rationing system must improve in such a way as to enable citizens to shop for their rations without waiting in line.

The nation’s food supply is a priority issue.

The union will not remain inactive in the face of the present supply situation. It is essential to create a nation-wide network of union commissions, together with a central coordinating body, which will concern themselves with the market and food supply situation. These commissions will cooperate with Rural Solidarity, opposing the bartering practices of large enterprises, which undermine our solidarity.

Thesis eight: The union will resist growing social inequalities among enterprises and regions.

The economic reform will carry a danger of great social and income inequality among enterprises and regions. We must create the conditions in which such inequalities can be minimized.

Our efforts will be aimed at: a) bringing social action and enterprise welfare activity under the responsibility of regional self-governing bodies; and b) creating a socially controlled national fund to transfer capital from one region to another and thereby to reduce inequalities.

The union is currently seeking to change the method of financing enterprise welfare activity, so that the allocation of social funds to the enterprise will depend on the size of its workforce rather than its total wage bill; to ensure that the local population has access to the enterprise’s social provisions (kindergartens, cultural activity, transportation); and to form local committees in districts and neighborhoods to decide on the operation and development of social services….

[Sections IV and V of the Solidarity Program contain an extended discussion of labor protection and social service policy. The ten abridged points under these headings are:]

Thesis nine: The right to work must be guaranteed, and the wage system overhauled.

Thesis ten: Workers should have their health and safety ensured.

Thesis eleven: The right to work must be based on defence of the workers’ common interests.

Thesis twelve: The union adopts all the initiatives contained in the constitution to satisfy the most pressing needs.

Thesis thirteen: The union defends the family’s right to satisfy its needs and develop social awareness.

Thesis fourteen: The union will defend the rights of the elderly, disabled and severely ill.

Thesis fifteen: In view of the biological dangers to the nation, the protection of health is an area in which the union takes a special interest.

Thesis sixteen: The union fights for the effective protection of the natural environment.

Thesis seventeen: The union demands that the people’s basic rights to housing are respected, and that an effort be made to improve habitation.

Thesis eighteen: The union should ensure that all workers have free time to raise their cultural level.

 

VI. The Self-Governed Republic

Thesis nineteen: Pluralism of social, political and cultural ideas must form the basis of democracy in the self-governed republic.

1. Public life in Poland requires deep reforms which should lead to the definitive establishment of self-government, democracy and pluralism. For this reason, we shall struggle both for a change in state structures and for the development of independent, self-governing institutions in every field of social life. Only such a course can guarantee that the institutions of public life are in harmony with human needs and the social and national aspirations of Poles. Such changes are also essential if the country is to find a way out of the economic crisis. We consider that pluralism, democracy and full enjoyment of constitutional rights provide the guarantee that the workers’ efforts and sacrifices will not be wasted once again.

2. Our union is prepared to collaborate with the various social movements, particularly with other unions created since August, 1980, which belong to the broad Solidarity movement (the Union of Individual Farmers, the Artisans’ Union, the Private Transport Drivers’ Union), as well as with other independent, self-governed unions which current legislation prohibits from joining our movement. In fact, such legislation must also be changed. In Poland today, the freedom of trade union organization and the right to choose the union to which one belongs are of crucial importance to the workers. We therefore believe that the trade union law is our most precious asset: it must guarantee the freedoms mentioned above.

3. Our union maintains special links with the independent students’ association and with independent youth movements like the Scouts. These organizations and associations are encountering many obstacles to their activity and registration. We believe it is necessary to pass a new law which will guarantee the complete freedom of association to citizens.

4. We hold that the principles of pluralism should apply to political life. Our union will assist and protect civil initiatives which seek to propose different socio-political and economic programs to society. But we will oppose any initiative by leaders of our union to set up political parties.

5. Faithful to the principles of pluralism, our union accepts the possibility of co-existence with other unions.

6. Unless there is a complete reform of penal law, and particularly of that part which can be used to repress civil rights, the principles of pluralism will always be threatened.

Thesis twenty: Genuine workers’ self-management is the basis of the self-governing republic.

The system which ties political to economic power, based on continual party interference in the functioning of enterprises, is the main reason for the present crisis of the Polish economy. The so-called nomenklatura principle rules out any rational cadre promotion policy, rendering the millions of workers who do not belong to any party second-class citizens.

The only solution is to create workers’ self-management committees which will give the real decision-making power to enterprise personnel. Our union demands that the self-management principle should be reintroduced into the cooperatives. It is essential to pass a new law protecting the cooperatives against interference by the state administration.

Thesis twenty-one: Regional self-government structures, legally and financially autonomous, should genuinely represent the interests of the local population.

The self-government of a regional structure is based on the principle of free elections. Everyone should be free to stand, with equal rights for all candidates. A wide election campaign should be organized, so that the various candidates can put forward their point of view. The forthcoming national council elections should be held in the same conditions.

Solidarity will insist on this point, drawing up by the end of December, 1981, a proposal for a new electoral system which will be presented to the Sejm, after consultation with our membership.

Regional self-government bodies should have the right to decide on all regional matters. They may be subject to control by the state administration, in conformity with the law. But such control should be confined to examination of the activity of such bodies in order to establish whether it is in conformity with the law. In the case of a dispute between a self-governing body and the state administration, the competent tribunal should issue a ruling. The regional self-government body should have the right to act on economic matters, and be able to collaborate with other self-governing bodies. In order that these aims may be fulfilled, the self-government bodies should have the status of a legal entity, with the right to acquire financial means through local taxation and so on.

The first congress of Solidarity instructs the national committee to draft a law on regional self-government along the above lines. This should be opened up for consultation and then presented to the Sejm. Solidarity will encourage any initiative by self-governing bodies which serves to resolve the problems bound up with the economic crisis.

Thesis twenty-two: The self-government bodies and structures must be represented at the highest levels of state power.

1. It is essential to grant the unions the right to legislative initiative.

2. We shall fight to restore supreme power to the Sejm. The new election system must give it a genuinely representative character.

3. We consider it useful to examine the case for a self-governing body at the highest level of state power. Its task would be to supervise the implementation of the economic reform program, as well as the activity of regional self-government bodies.

Thesis twenty-three: The system must guarantee basic civic freedoms and respect the principles of equality before the law for all citizens and public institutions.

This necessitates:

1. Respect for the principles and commitments emanating from the international conventions ratified by Poland, and from the Universal Charter of Human Rights. In particular, ratification of the optional protocol to the Universal Charter of Human Rights—which provides for international supervision of the charter’s practical application—will furnish in our eyes the necessary guarantee.

2. Explicit mention in the constitution of the principle of equality of all citizens, regardless of their convictions, ideas and political affiliation.

3. Subordinating all elements of public life, including political and social organizations, to the law. It is therefore necessary to change the constitutional enactments concerning the legal status of those organizations and to unambiguously define their legal position vis-a-vis the Sejm and other bodies of the state administration.

4. The creation of an independent Constitutional Court (or of an equivalent chamber within the Supreme Court), which will rule on the constitutionality of legislation and on the legality of other rights and decrees. The Constitutional Court should also check that Polish legislation is in conformity with the international rights of man.

5. A change to the law on public gatherings, associations and passports. (The passport law should express the right of everyone to freely choose their abode, even if it is abroad, and the right to return to Poland.) Any limitation of civil liberties must be subject to judicial control.

6. Abolition of secrecy in public life, and a guarantee that all citizens have access to state documents. Any decision which tends to introduce secrecy must be precisely defined by law.

Thesis twenty-four: The administration of justice must be independent, and the repressive apparatus must be subject to social control.

In order that this may be achieved, it is essential:

1. To conduct a thorough reform of the judicial system, and to ensure scrupulous respect for its independence.

This can be guaranteed by:

a) Setting up completely self-governing bodies in the judiciary, which would have, inter alia, a decisive say in all judicial appointments and the appointment of the president of the court.

b) Observing the principle that the function of judge must not be combined with any other public service, especially service in political organizations, and that judges cannot be transferred or removed, except through disciplinary action or in case of illness.

These guarantees should be recorded in an amended Law on the System of General Courts and in the Law on the Supreme Court. These laws should also make it possible to recall a judge on the motion of the general assembly of judges within a transition period of one year of the law coming into force. Moreover, it is necessary for the Supreme Court to abolish the practice of appointing judges for a term.

c) Appointing lay assessors and members of the college for offences by direct election in order to increase society’s role in the administration of justice.

2. To do away with the state’s arbitrary powers in the economy. Economic disputes should fall under the normal judicial competence.

3. To ensure correct functioning of the judicial apparatus through:

a) The independence of the examining magistrate attached to a particular court, and the allocation to him of exclusive responsibility for pre-trial investigations and decisions on custody.

b) A reform of the public prosecutor’s office, limiting his role to penal law cases, bringing him under the ministry of justice, and ensuring his independence in carrying out his functions.

c) The complete independence of lawyers, and measures to ensure that defence counsel has the right to attend preliminary hearings regardless of whether the body in charge of the case so approves.

d) The removal from police tribunals to proper courts of all cases potentially involving a custodial sentence, and ministry of justice control over the functioning of such tribunals.

4. To pass a law on the militia, limiting its role to the defence of public order and citizens’ safety, with no interference in the field of politics. By failing to distinguish political activities which threaten public order from other such activities, the militia has committed a number of abuses. There must be a new law on the secret services, precisely defining their area of competence and providing for social control over their activity.

5. Within the prison system, it is necessary to define the situation of political prisoners, to establish a charter of rights and obligations for all detainees, and to bring the prison system under social control. The social readjustment centres should be disbanded.

6. No one may be forced to act against their convictions. Another, nonmilitary, form of public service should be allowed for conscientious objectors. The union will defend anyone persecuted for their trade union, political or social convictions.

Thesis twenty-five: In a Poland based on law, no one should be persecuted for their convictions, nor compelled to act against their conscience.

In conformity with the Gdansk Agreement, our union is prepared to defend anyone persecuted for their political convictions. We shall insist on implementation of the Warsaw Agreement concerning the release of political prisoners and the cessation of judicial procedures against people who have expressed opposition to the existing regime. If repression is used against union militants, we shall use every means in our power to defend them.

It is absolutely essential to amend the penal code and the code of penal procedure—especially those paragraphs which allow for action against people who express different views from those propagated by the party and government.

No one should be held for more than 24 hours without charge. Decisions on this matter should be taken by the examining magistrate, so that it no longer has a repressive character.

Thesis twenty-six: The people responsible for the ruination of the country should be prosecuted.

We demand that the circumstances of shooting and persecution of workers in Poznan in 1956 and in the maritime region in 1970 be clarified and the guilty be revealed. We also demand clarification of the militia’s brutal actions against students in 1968 and against the people of Radom and Ursus in 1976. This demand also applies to the perpetrators of the Bydgoszcz provocation. The persons guilty of violations of the rule of law should bear the penal and disciplinary consequences provided by the law.

The same procedure should be instituted against those who, by their actions between 1970 and 1980, have brought the country to economic ruin. It should spare no one, including those who occupy the highest functions in the party and government.

The principle of equality before the law, an elementary sense of justice, and the need to give concrete reality to the changes that have begun oblige the union to insist categorically on this point. If legal proceedings have not begun by December 1, the national committee will convoke a people’s tribunal to hold a public trial and render a verdict.

Thesis twenty-seven: The younger generation ought to have favorable conditions for its physical, mental and moral development…

Thesis twenty-eight: Culture and education should be accessible to all…

Thesis twenty-nine: The union will assist and protect every independent initiative for self-management in culture and education…

Thesis thirty: The union will support the freedom of scientific research and the self-management of scientific institutions…

Thesis thirty-one: The union will fight against lies in every field of life, for our society wishes and has the right to live in truth.

To speak and write the truth is essential for the development of social awareness and the safeguarding of our national identity. To construct a better future, it is necessary to know the truth of the present.

  1. We consider media censorship to be an evil which the present situation alone obliges us to accept temporarily. We do not accept censorship in science and art. Censorship cannot limit the people’s right to know its own history and its literature. We will combat every abuse of censorship.
  2. The most dangerous tool of falsehood is the language of propaganda, which debases the way we express our thoughts and feelings. The union will struggle for the purity of our language as a means of greater understanding among citizens.
  3. The union will support the development of independent publications as one of the ways of struggling against censorship.
  4. The effects of censorship on our culture and history are catastrophic. The union commits itself to struggle for the restoration of truth in these areas.
  5. One means of propagating the truth is our own union literature. We will publish the news that is eliminated or falsified in state publications.
  6. The union will support war veterans in their attempt to shed light on our history and to recognize the merits of those who consecrated their lives to the freedom and independence of Poland.

Thesis thirty-two: The media are the property of society. They ought therefore to serve it and be controlled by it.

Our union’s struggle for access to the media is carried on in the interests of the whole population. The union demands respect for the freedom of the press and the freedom of speech expressed in the constitution. Hence:

  1. The union considers as inadmissible the jamming of foreign broadcasts, the prohibition of literature which expresses a viewpoint other than the official one, the destruction of our posters, etc.
  2. The union will participate in preparing the draft law on information, which should include all the means of social communication. The congress instructs the union’s authorities to decisively support the socially accepted draft law.
  3. The union demands respect for the right of citizens and their organizations to set up publishing houses and to have free access to radio and television. The allocation of paper, printing facilities and broadcasting time must be subject to social control.
  4. The union is opposed to any form of information monopoly. The union demands an end to the state administration’s unconstitutional monopoly over radio and television, as well as a change in the law of 1960 which established the radio and television committee. The union calls for an organ of social control over radio and television, comprising representatives of government, political parties, unions, religious and social organizations, intellectuals and radio and television staff. This organ should have the final say on programs.
  5. So far, our efforts to obtain the right to broadcasting time have been inadequate. We therefore demand the fastest possible application of the agreement ratified by the national committee of Solidarity, and the creation of autonomous Solidarity editorial committees in the central and regional structures of radio and television.
  6. The union will protect its members employed in radio, television and the press, supporting journalists who respect the principle of truthful information. The union recognizes the right of editorial staff to appoint their chief editor. The union will support the Association of Polish Journalists in its efforts to protect the ethics of their profession.
  7. The union will create agencies for news, photos, cinema and press.
  8. It will establish an information committee attached to the national committee.
  9. In conformity with Article 33, Section 2, of the constitution, the union demands that it be able to open its own radio station.
  10. In the struggle for access to the mass media, the union will use all the means provided for by its statutes.

 

VII. Our Union

The union’s life is based on the principle of democracy, which involves submission to the will of the majority, while maintaining respect for the ideas of the minority. Acceptance of decisions taken by union leaders in a democratic manner is a guarantee of unity in action.

The statutes are the basic document which determines the democratic functioning of the union. In practice, we recognize that an action not proscribed by the statutes is admissable—this allows union life to be enriched by new forms of action. In adopting a tolerant attitude towards different points of view, however, union leaders and all members should resolutely combat any breach of the statutes. Democracy in internal life, discipline in action, and the honesty of union members are the guarantees of the union’s strength.

Thesis thirty-three: Members of our union have the right to express their views and wishes without constraint, and to organize freely for the achievements of common goals.

The effectiveness of union action depends on the various links between its members which augment the means and forms of struggle, ensuring the authenticity of our movement and its participation in the functioning of society. The creation of such links requires a free exchange of ideas and agreement on positions.

1. The regions

Links between rank-and-file members are created at the level of enterprise branches; these branches then come together at the regional level, in accordance with the principles laid down in the statutes. The demarcation of regions should take place democratically under the control of the national committee, so that they coincide as far as possible with territorial administrative divisions. We must attempt to create regions that are strong enough to give structural and technical support to all the enterprise branches. We must avoid fragmentation of administrative units, because this restricts the union’s effectiveness and influence vis-a-vis the authorities.

2. Intermediate links

The practical life of the union has given rise to various intermediate links between enterprise branches and regional leaderships; the union leadership should assist such links by organizational, financial and technical means. The principal task of intermediate bodies is to assist enterprise commissions in the area of information and advice, and in the creation and development of centres of union life; they should also defend the interests of the population at the local level, and exert pressure on the administrative organs of power.

3. Occupational branches, occupational sectors and others

Union branches should assist one another and complement the actions of the union leadership in defending the interests of the different groups of workers and union members, without harming the interests of other groups.

The main tasks of the branch are: to initiate and coordinate activity dealing with the specific problems of their occupational sector, and especially to conclude common agreements; to represent the interests of a particular group in the union; to undertake actions at the level of the administration and the state, in agreement with the union.

The experience we have acquired demonstrates that broader representation of union members assists the leadership to resolve problems.

4. Agreements

Agreements between enterprise commissions and between different groups of union members take place outside the organizational forms prescribed in the statutes, thereby enlarging the scope for initiative and giving the opportunity to bring principles to life. In helping these different agreements to be concluded, union leaders should not assume the role of organizers.

5. The means of expression and the formation of opinion

The principal method is to use the union’s information system in such a way as to popularize, without falsification, its goals and methods of action, as well as its position on social, economic and political problems. The union leadership must therefore pay particular attention to technical and material organization, the content of information, and working conditions in the information services. It is essential to improve our information network so that we can compete with the “party-state” broadcasting monopoly.

The most important tasks in this area are:

    1. ) to increase the print run of the weekly Solidarnosc to about a million;
    2. ) to create a national daily;
    3. ) to publish regional periodicals as far as possible;
    4. ) to publish an internal daily and weekly in each region;
    5. ) to create the necessary conditions for the development of a national news and publicity system (daily information service, collection of journalistic material) by relying on the existing centres and on the extension of regional information offices;
    6. ) to improve the information service in the regions;
    7. ) to build libraries attached to the regional and enterprise commissions.

At the moment, the news agencies of the press and of Solidarnosc tend to be self-financing. The union fights for the freedom of expression, and it ought to apply the same principle in its own information media. Thus the leading bodies of the union, to whom the editors of the dailies and periodicals are responsible, should not interfere in this work. They should give them the greatest liberty, except during periods of definite danger for the union (protest actions, strike mobilizations).

The teaching work carried out by the popular universities is indispensable to the union. The purpose of these universities is to spread knowledge without falsification, to develop the understanding of militants, to raise their civic consciousness, to promote social activity and self-education. The popular universities should diversify their methods to include courses, apprenticeships, seminars, initiation clubs, lectures and publications.

This should make it possible for them to reach all social groups, especially in the enterprises. While maintaining a diversity of programs and methods, the popular universities will maintain contact with one another for the exchange of experience and information. Their activities will be financed by the regional committees and enterprise commissions. Alongside the education of public opinion, the principal task of the education and information services is to link union members both with one another and with the leadership and union agencies. Such links will create a diversity of ideas in our organization, while maintaining unity in action.

Thesis thirty-four: The decisions and actions of union bodies should be based on a real knowledge of membership views and wishes.

The union’s members should have a determining influence on leadership actions. This is achieved by means of elections and by the expression of opinion on all questions affecting the union. The free circulation of information and the transparency of union life are necessary in order to educate public opinion.

1. The decisions and actions of the union leadership

When the union leadership takes a decision, it should follow the position of the majority. To ensure the transparency of union life, the leaders and the commissions should, at every level, inform the members of their work by publishing all the documents and texts concerning all official discussions and negotiations.

National and regional leaders have a duty to work in common with the socio-occupational working groups and with the sectors and occupational branches. Leading members of the union have a duty to meet regularly with those who elected them.

2. The organization of work around the program

Union leaders should respect the regular functioning of democratic representation, which can be ensured by knowing the opinion of the greatest possible number of union members.

The circulation and synthesization of views can best be achieved by work around the program. Special groups, composed of union militants and experts, should be attached to national, regional and enterprise commissions for the study of a particular theme (e.g., wages, working conditions).

At the same time, it is essential to create and develop socio-occupational working groups with the task of preparing reports and programs for the union. These centres should function in an independent manner, under the control of the program council, and should be composed of militants with authority, scientists and other members designated by the leadership. Basing themselves on the demands and ideas communicated by each enterprise organization, and on the materials provided by the socio-occupational working groups, the program commissions should then formulate the questions to be addressed to the members of the union.

Having synthesized the results, these commissions should then: keep the union leadership informed about the strength of different opinions and the importance which union members give to different problems; formulate proposals concerning union information and propaganda; draw up a program to be discussed by the representative organs.

If it is organized in this way, work around the program should qualitatively improve the drafts and encourage enterprise branches to think about the program.

3. The study of membership views in the enterprise

It is also very important to conduct polls in order to find out what union members are thinking in the enterprises, the regions and the union as a whole. To carry out such surveys we must appeal to the socio-occupational working groups. This type of enquiry is indispensable for finding out correctly and in detail what union members think on the essential questions; this will determine the correctness and speed of decisions and strengthen the union’s position in negotiations.

4. Direct democracy

The union should adopt certain forms of direct democracy in addition to the forms of representative democracy prescribed in the statutes. The referendum merits special attention, not only because of its intrinsic importance, but above all because of the weight of the decisions or guidelines which come out of a referendum. The referendum can be used at different levels, but there must always be a great deal of thought before it is used at the national level. The national committee decides whether to organize a national referendum.

A referendum should be preceded by an information campaign presenting the different positions and allowing collective discussion around the questions posed. Union leaders who would like to ascertain members’ views before taking a decision should always specify whose opinion they wish to know and how it should be discovered. One must proceed honestly in seeking the support of members’ views.

Thesis thirty-five:

1. Negotiations and agreements are the principal means for defending the interests of the workers and citizens belonging to the union. But if this method fails we must have recourse to forms of protest.

In seeking to achieve union demands, the leadership should first use means which do not have a negative effect on social peace. The first step is to present suggestions and proposals to the administrative, economic and state bodies. If there is disagreement, we must use discussion to try to find ground for agreement. But in the present situation, if no account is taken of the union’s opinion in matters which concern it, then the leadership will be obliged to modify its tactics.

2. The union leaders should negotiate with the competent economic, administrative and state bodies in serious situations of conflict.

In carrying out discussions, the union leadership should convoke negotiating groups and clearly define their mission and competence. Negotiating teams have the power to sign agreements to be later ratified by leading union bodies. The preparations for negotiation should include among other things: consultation with the union members concerned, presentation of the subject, goal and tactics, and an analysis of what is at stake. The union must insist that the negotiations be conducted openly. Experts, whose role is defined by the negotiating team, may also take part in the discussions.

It is imperative that every agreement should specify the duration, method and conditions of implementation accepted by both parties.

3. When attempts to negotiate fail, the union leadership may organize demonstrations and protest actions.

The character of such actions (economic/political) depends on the causes that have provoked them, not on their object. Every action must have a clear and precise goal and be carefully organized; it is likewise essential to allow for circumstances under which the action may be called off.

Mass actions may also take the form of demonstrations to reaffirm certain positions (pressure to begin or continue negotiations, or a demand that signed agreements should be carried out); they may also have a protest character (against decisions that are harmful, or against the failure to carry out commitments). Such actions should set a deadline for acceptance of their demands, and fix a date for precise action in the future.

If the warning is not heeded, then our actions must prove the determination and mobilization of the population behind the demands which have been put forward. Strikes and boycotts form part of this type of action. Strikes are above all actions of protest. Because of the economic losses which they entail, they ought to be the ultimate form of protest.

The leading bodies of the union should carefully prepare the protocols and the conduct of negotiations, as well as the actions of protest. At every level, the leadership must also prepare short-term and long-term action for confronting certain dangers, such as a state of emergency or aggression.

4. Decisions concerning the outcome of negotiations or protest actions, compromises and the terms of the final agreement should be taken only after an analysis of membership views.

During the course of the negotiations and protest actions, the union members involved should be regularly consulted. Leaders should inform the membership about the positions taken by the union negotiators and about partial results achieved. Information and propaganda actions should be addressed, especially during periods of tension, not only to union members but also to the entire population. Guided by the general interest, the union must strive to ensure that the goals which it seeks to attain are understood and accepted.

5. All members of the union are united by fundamental common goals; internal conflicts should be resolved by discussion leading to unity and not by administrative or disciplinary decisions.

Thesis thirty-six: Control and criticism of union bodies is the right and duty of every Solidarity member.

The activity of all union authorities is placed under permanent control. The reports of control commissions should be rapidly published and distributed in the union. All union members are free to criticize the leadership, either in the course of meetings or in the press. Those who are criticized have the right to reply.

Membership of representative bodies control the leadership by making use of the right of questioning and the vote of confidence. If there is a question, the answer must be given within a definite period. If it does not satisfy the questioner, then he or she may call for a vote of confidence. If the vote results in a decision of non-confidence then the leader or leading body must offer to resign. This may be refused—in which case a final solution may be found by appealing, if necessary, to a special commission. In conformity with the statutes, control over leadership activity is also exercised by the review commission. These bodies collect information, point out irregularities in procedure, indicate the means for remedying this type of situation, and prepare reports for the representative bodies.

 

VIII. The New Social Contract

Solidarity is the guarantor of the social accords of 1980, and demands that they be consistently put into practice. The only way to save the country is to realize the constitutional principle of the sovereignty of the nation. Our union establishes its program at a moment when the nation is threatened with catastrophe. We cannot remain in crisis. A way out must be found.

The anti-crisis agreement

The anti-crisis agreement should ensure the survival of society in the difficult winter months ahead. It must point out the direction to follow in order to emerge from the crisis. It should be the first text of collaboration between the state power and society.

Agreement on economic reform

Agreement on economic reform requires collaboration between the state power and society for a radical change in the existing economic order. The reform should give the leadership of enterprises to personnel within the economic system who will harmonize the laws of the market with planning. The hundreds of agreements signed by the government still remain only on paper. Promises made by the state to the working people should be honored.

Agreement for a self-governed republic

The agreement for a self-governed republic should provide the direction and means for a democratization of public life, of the Sejm, the political, territorial and economic authorities, the courts, national education, etc. Realization of this agreement will establish a just relationship between citizens and the state. The road to a self-governed republic is the only one which will make Poland internally strong, an equal partner with other nations.

The union considers the new social contract to be an indissoluble unity. The action program of Solidarity is above all a commitment by the union to the nation. We are confident that it will meet with the approval of the entire nation. No partisan, individual or group can consider itself to be above the nation.

We do not pretend to have a monopoly on the truth. We are ready for an honest and loyal dialogue, an exchange of ideas with the state power, a quest for just decisions which will better serve the country and the interests of working people and citizens. May this accord unite us around what is national, democratic and human in Poland; around those things which do not divide us.