Nieder mit dem rassistischen Polizeiterror

Von Ferguson bis New York – Steckt die Polizeimörder ins Gefängnis!

1857 entschied der US Supreme Court, dass Menschen afrikanischer Herkunft „keine Rechte“ hatten, „die ein Weißer zu respektieren hätte“. Gleich, ob Sklaven oder Freie, Schwarze waren keine Bürger und waren daher den Weißen gegenüber rechtlich ungleich gestellt. Diese Entscheidung – die berüchtigte Dred-Scott-Entscheidung – kodifizierte, was ein herrschendes Prinzip seit Generationen war, d. h. den rassistischen Glauben, dass Schwarze minderwertiger seien als Weiße.

Es bedurfte eines blutigen Bürgerkriegs, um die Sklaverei zu zerstören und ein Regime formaler Gleichheit zu errichten, das anschließend sowohl im John-Crow-Süden wie auch im Norden unterminiert wurde. Eine ausdauernde Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren, die drohte, die Macht der schwarzen Massen zu entfesseln, erschreckte die Behörden, sodass sie eine Reihe von Maßnahmen verabschiedeten, insbesondere den Civil Rights Act von 1964, um die rechtliche Gleichstellung zu bewahren und offene rassistische Diskriminierung zu verbieten.

Während das Kippen der vom Staat unterstützten Rassentrennung und anderer Formen des institutionalisierten Rassismus ein Sieg für alle Unterdrückten war, konnte es nur ein halber Sieg in einer Gesellschaft sein, deren Aufrechterhaltung – sowohl in der Vergangenheit wie auch heute – eine gespaltete und unterworfene arbeitende Bevölkerung erfordert. Rassismus ist der definierende Charakterzug in „der größten Demokratie der Welt“. Selbst mit einem Schwarzen im Weißen Haus sind Menschen dunkler Hautfarbe im wesentlichen Bürger zweiter Klasse.

Michael Brown & Eric Garner: Opfer des Polizeiterrors

Im Durchschnitt tötet in den Vereinigten Staaten alle drei bis vier Tage ein weißer Polizist eine schwarze Person. Michael Brown aus Ferguson und Eric Garner aus Staten Island, New York – beide unbewaffnet, als sie von einem weißen Polizeibeamten getötet wurden – versinnbildlichen diese gewohnheitsmäßige Gewalt besonders nach den abscheulichen Entscheidungen der Grand Juries, ihre Mörder, Darren Wilson und Daniel Pantaleo, nicht anzuklagen.

„Du kannst ein Schinkenbrot anklagen“, spöttelte der ehemalige Oberste Richter des Staates New York, Sol Wachtler. Wenn ein Staatsanwalt tatsächlich von der Grand Jury erwartet, jemanden anzuklagen, ist das äußerst einfach: „US-Anwälte belangten 162.000 föderale Fälle 2010, das letzte Jahr, für das wir Daten haben. Grand Juries verweigerten eine Bestrafung in elf von ihnen.“ (fivethirtyeight.com, 14. November 2014, eigene Übers.). Auf Staatsebene, wo Fälle von Polizeibrutalität normal behandelt werden, scheint die „Fehlerrate“ höher zu sein, da Polizisten regelmäßig ohne Bestrafung für die Ermordung von Schwarzen weg kommen.

Die Brown- und Garner-Entscheidungen sind aufschlussreich: Grand Juries lassen die Polizei vom Haken, nachdem Staatsanwälte präsentierten, was auf einen Fall für die Verteidigung hinauslief, statt eine sichere Bestrafung durch die Vorlage von Beweisen und eine Aussage anzustreben, die auf die Notwendigkeit eines Prozesses hinweist. Der Staatsanwalt von St.Louis County Robert McCulloch, Ankläger im Fall Brown, hat fünf Polizeibeamte vor die Grand Jury gebracht, die während ihrer Schicht auf Verdächtige schossen und sie töteten und „scheiterte“ jedes Mal dabei, eine Verurteilung zu erreichen.

Garners Mord wurde auf einem nun berüchtigten Video von Pantaleo festgehalten, unterstützt von zahlreichen weiteren Polizisten, auf dem er den sechsfachen Vater erwürgt, während dieser fleht „Ich kann nicht atmen“, bevor er das Bewusstsein verliert. Der Untersuchungsrichter “stellte fest, dass Herr Garners Tod Mord war, der aus dem Würgegriff resultierte – eine Praxis, die das Police Department 1993 verbot – und dem Druck auf seine Brust durch Polizeibeamte” (New York Times, 4. Dezember 2014).

Als wollten sie die Ungerechtigkeit im Fall Garner unterstreichen, schafften es die Staatsanwälte, die Grand Jury Ramsey Orta auf Grundlage von waffenbezogenen Anschuldigungen verurteilen zu lassen, den Mann, der den Mord an Garner filmte. Dass Orta für seine Rolle in der Aufdeckung des Verbrechens Pantaleos fertiggemacht wird, wird durch die Behauptung der Polizei „gewerkschaft“, der New York City Patrolmen’s Benevolent Association, angedeutet, dass es „Kriminelle wie Orta sind, die illegale Schußwaffen tragen, die am meisten durch die Dämonisierung der guten Arbeit der Polizisten profitieren werden.“ (Reuters, 3. August 2014, eig. Übers).

Während Tausende Demonstranten auf die Straße gingen gegen die „gute Arbeit der Polizisten“ in Reaktion auf die Entscheidung der Grand Jury im Fall Garner, verhafteten Schläger des NYPD [New York Police Department] mehr als zweihundert Demonstranten. Polizisten in Berkeley, Kalifornien, verhafteten über hundert, wie auch in Ferguson, dem ground zero der kürzlichen Massenverhaftungen. Ferguson ist wortwörtlich ein Polizeistaat geworden mit entsendeter Nationalgarde, angefordert vom Gouverneur der Demokraten Jay Nixon und örtlicher Polizei, ausgerüstet mit Militärwaffen.

Polizei & Staat

Obwohl sie manchmal aus bescheidenen Verhältnissen kommen, sind Polizisten kein Teil der Arbeiterklasse. Sie sind die „erste Verteidigungslinie“ einer sozialen Ordnung, die sich systematisch arbeitende Menschen unterwirft. Sie sind die einheimischen Repressionskräfte, die eingesetzt werden, wenn „normale“ Mechanismen der gesellschaftlichen Befriedung (d.h. der freie Markt, die Wahrnehmung der Regierung als legitim) es nicht schaffen, den Ärger der Massen über die Lebensbedingungen in einer in Klassen geteilten, rassistischen Gesellschaft im Zaum zu halten. (Siehe 1917 West, „Cops, Crime & Capitalism“)

Polizei, Staatsanwälte, Richter und Regierungsbeamte sind gemeinsam mit dem Militär die Kernelemente des Staates. Die Geschichte zeigt, dass alle Staaten den Interessen einer fest umrissenen Klasse dienen und in den USA heutzutage dient der Staat den Interessen der kapitalistischen herrschenden Klasse. Arbeiter mögen Zugeständnisse erringen – wichtige Errungenschaften wie formale Gleichheit vor dem Gesetz und Bürgerrechte – aber sie können sie nicht kontrollieren, können sie nicht biegen, um ihrem Willen zu dienen.

Selbst die „demokratischsten“ politischen Systeme unter dem Kapitalismus werden von Staaten regiert, die der Sicherung von Reichtum und Privilegien einer Klasse von Ausbeutern verpflichtet sind, d. h., denjenigen, die Hauptmittel der Produktion und Distribution besitzen. Während der Kapitalismus immer weiter in Irrationalität versinkt – sich vertiefende Wirtschaftskrisen und Umweltzerstörung –, findet die Verschärfung sozialer Widersprüche Ausdruck in den zunehmend drakonischen Handlungen des Staats, der Massenüberwachung der Bevölkerung, Massenverhaftung von Minderheiten, Angriffskriege im Ausland usw. durchführt.

Im Kampf gegen die Unterdrückung müssen Gegner des Systems jede Verwässerung demokratischer Rechte und Freiheiten bekämpfen, wie das Recht Schwarzer, nicht straflos von der rassistischen Polizei ermordet zu werden. Es ist notwendig zu fordern, dass die Polizeimörder ins Gefängnis gesteckt werden, genauso, wie es notwendig ist, zu fordern, dass alle Anklagen gegen Demonstranten fallen gelassen werden. Während die Wegschließung Wilsons und Pantaleos oder die Befreiung verhafteter Demonstranten das System nicht stürzen werden, wäre es ein kleiner Sieg für die Unterdrückten und eine kleine Niederlage für die Unterdrücker. (Siehe „On Jailing Killer Cops“, eig. Übers.)

Tausende Menschen in jeder großen amerikanischen Stadt haben “die-ins” veranstaltet und marschierten zu Sprechchören von „Schwarze Leben zählen“, „Hände hoch – schießt nicht!“ und „Ich kann nicht atmen!“ Die Polizei und Politiker balgen sich darum, die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie benutzen sowohl das „Zuckerbrot“ notdürftiger Reformen (beispielsweise, dass Polizisten ihre Ausweisnummern zeigen müssen, das Verbot von Polizei-Würgegriffen) und die „Peitsche“ der brutalen Unterdrückung von Demonstranten, die als „Krawallmacher“ und „Plünderer“ dämonisiert werden. US-Generalstaatsanwalt Eric Holder hat eine föderale Bürgerrechtsuntersuchung in den Garner-Fall eingeleitet, während der Bürgermeister New York Citys, Bill de Blasio und der Polizeibevollmächtigte William Bratton angekündigt haben, dass NYPD-Beamte einen neuen dreitägigen Trainingskurs nehmen werden müssen. Obama hat eine neue „Task Force“ ins Leben gerufen, um mildernde Maßnahmen vorzuschlagen wie Körperkameras für Polizeibeamte. Der schwarze Pfarrer Al Sharpton, Berater Obamas und einstiger FBI-Informant, versuchte, die Gemüter zu beruhigen, indem er den weißen Millionärsklub im Kongress anbettelte, „den Fußstapfen des Präsidenten zu folgen und gesetzgebend tätig zu werden, um uns, die Bürger, zu schützen“ (Huffington Post, 8. Dezember 2014, eig. Übers.)

Sharpton und seinesgleichen wollen den Ärger der Massen in Sackgassenkampagnen zur Reformierung der Polizei kanalisieren – wenn die Wahrheit ist, dass der kapitalistische Staat niemals in ein Instrument für die Interessen der Opfer verwandelt werden kann. Unabhängig davon, was von der „gesetzgeberischen Tätigkeit“ des Kongresses gestattet wird, haben Schwarze und die ganze Arbeiterklasse das Recht, sich selbst gegen Polizeigewalt mit allen notwendigen Mitteln zu verteidigen.

Beendet den Rassismus durch sozialistische Revolution!

Die Macht, den Kapitalismus auszurotten, liegt in der Hand derjenigen, die das Rad am Laufen halten, dadurch, dass sie jeden Tag zur Arbeit in die Fabriken, Baustellen, Bürotürme, Geschäfte und andere Orte gehen, in denen Lohnarbeit vom Kapital angewendet wird. Die Arbeiterklasse – zusammengesetzt aus Menschen aller Ethnien, Geschlechter und sexuellen Orientierungen – hat eine einzigartige Stellung in der modernen Gesellschaft: Sie alleine hat das objektive Interesse und die Fähigkeit, den Kapitalismus zu stürzen und eine sozialistische Welt zu schaffen, frei von Rassismus und anderen Formen der Unterdrückung.

In ihrer gegenwärtigen Lage ist die Arbeiterklasse jedoch nicht bereit – und ist sich nicht einmal der Notwendigkeit bewusst – ihre große historische Aufgabe durchzuführen. Ihre Organisationen, in erster Linie die Gewerkschaften, sind schwach und von Bürokraten angeführt, die mehr an der Bewahrung ihrer geringfügigen Privilegien als an der Verbesserung des Lebens ihrer Mitglieder interessiert sind. Die Arbeiterbürokratie ist an die Demokratische Partei gebunden und einer Politik der Zusammenarbeit mit den Kapitalisten, nicht an den Klassenkampf.

Dennoch kann der Griff der Bürokraten über die Arbeiterklasse durch die Intervention von klassenkämpferischen Aktivisten infrage gestellt werden, die manchmal in der Lage sind, wichtige Aktionen in normalen Zeiten zu initiieren. Eines der deutlichsten Beispiele bietet die International Longshore and Warehouse Union (ILWU). 1984 traten schwarze und weiße Mitglieder des ILWU-Ortsverbands 10 (San Francisco) in einen elftägigen illegalen Streik, unter Weigerung, Apartheid-Fracht zu entladen in Solidarität mit den Massen in Südafrika (siehe ). Am 24. April 1999 stellte die ILWU an der gesamten US-Westküste in Verteidigung des schwarzen politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal den Betrieb ein (siehe „Labor: Fight to Free Mumia“). Nachdem der weiße Polizist Johannes Mehserle Oskar Grant in Oakland am Neujahrstag 2009 niederschoss, einen unbewaffneten schwarzen Mann, legten die Ortsverbände 10 und 34 der ILWU gemeinsam mit Arbeitern des Ortsverbands 1021 der Service Employees International Union alle Häfen in der Bay Area am 23.Oktober 2010 still (siehe „Killer Cops & Democrats“).

Solche Aktionen sind ein Schimmer dessen, was in größerem Maßstab möglich wäre, wenn die multinationale Arbeiterklasse, frei von ihren verräterischen Führern, ihre Muskeln spielen ließe.

Jenseits der Verbreitung von Angst in den Herzen der jetzigen Mächte sind militante Arbeiteraktionen Trainingsübungen für Aktivisten der Arbeiterklasse. Der Kapitalismus erzeugt Krisen und in seltenen Fällen schaffen diese Krisen revolutionäre Möglichkeiten, während derer mutige Züge von erfahrenen Aktivisten Millionen von Arbeitern elektrisieren und den Weg zu einem fundamentalen Wandel freimachen können.

Es ist notwendig, die politisch fortschrittlichsten Elemente der Arbeiterklasse und der Unterdrückten gemeinsam in einer revolutionären Organisation zu sammeln, die sich dem Kampf für ein Programm verschreibt, das die unmittelbaren tagtäglichen Bedürfnisse und Belange der Arbeitenden (ob für ein angenehmes Leben oder für den Schutz vor Polizeigewalt) mit dem historischen Projekt der Enteignung kapitalistischen Eigentums und der Ersetzung des kapitalistischen Staates durch Institutionen der Arbeitermacht verbindet. Eine revolutionäre Massenpartei mit tiefen Wurzeln in allen Sektoren der Arbeiterklasse kann aufgebaut werden, aber sie erfordert die Hingabe kleinerer Zahlen von Aktivisten heute, um anzufangen, den Bedarf Geschichte zu studieren, ernst zu nehmen – allen voran die Lehren der Russischen Revolution im Oktober 1917, angeführt von der Bolschewistischen Partei V. I. Lenins und Leo Trotzkis – und sich an einer rigorosen Diskussion und Debatte der wesentlichen Bestandteile eines revolutionären Programms zu beteiligen. Die Internationale Bolschewistische Tendenz möchte sich an dem Prozess des Aufbaus einer revolutionären Partei in den USA und weltweit beteiligen.

– 12. Dezember 2014