Kommunismus & Ökologie
Menschliche Emanzipation und materialistische Konzeption der Geschichte
Nachstehend drucken wir die Übersetzung eines Textes einer IBT-Präsentation bei einer Podiumsdiskussion der Platypus Gruppe an der York Universität in Toronto zum Thema Kapital, Geschichte und Ökologie vom 15. Januar 2014.
Der Kampf um die Emanzipation des Menschen im „Anthropozän“, der geologischen Epoche, die sich durch die Auswirkungen der Zivilisation auf die natürliche Umwelt auszeichnet, ist untrennbar mit dem Projekt der Schaffung einer egalitären und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsordnung verbunden. In dem Bestreben, die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und die Möglichkeit der Realisierung dieser neuen Ordnung zu verstehen, das heißt den Kommunismus, entwickelte Marx die materialistische Geschichtsauffassung.
Marx beteiligte sich nicht an einer moralischen Verurteilung von Ausbeutung und menschlicher Unterdrückung im Abstrakten. Unterdrückung ist so alt wie Klassengesellschaft selbst und Theologen und idealistische Philosophen haben sich mit den historischen Ursachen befasst – aber bis Marx war niemand fähig, die materiellen und sozialen Grundlagen des Aufkommens, Fortdauerns und schließlich des Verschwindens von Klassenunterschieden zu erklären.
Der Schlüssel zur materialistischen Konzeption der Geschichte, und der praktischen Überwindung der Klassengesellschaft ist das Konzept der Produktivkräfte. In Die deutsche Ideologie, bemerkten Marx und Engels, dass die Menschheit, an einem bestimmten Punkt ihrer Entwicklung begann, die Mittel für den Lebensunterhalt zu produzieren. Andere Tiere tun dies zu einem geringen Maße, aber Produktion hat unsere Spezies fundamental geprägt.
Produktion ist in erster Linie die Transformation natürlicher Objekte durch menschliche Aktivität in nützliche Dinge, d.h. Gebrauchswerte oder „Reichtum“. Als solches kann sie betrachtet werden als Prozess des „materiellen Austausches“ oder der Umformung, die innerhalb der Natur stattfindet. Der Impuls wird zuerst durch den dialektischen Gegensatz der zwei Seiten des Austausches, d.h. Menschheit und Rest der Natur, erreicht. In seinem brauchbaren (wenn auch fehlerhaften) Buch Marx’s Ecology, betont John Bellamy Foster zu recht die Zentralität dieser Konzeption des materiellen Austausches – oder dem „Metabolismus“ menschlicher Natur – für Marx‘ Materialismus und zitiert seine wichtige Beobachtung in Das Kapital: „Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert.“
Die „metabolische“ Umwandlung der Materie durch menschliche Arbeit benötigt Produktionsmittel. Verbunden mit Technik, Arbeitskraft und Organisationsformen, sind diese Produktionsmittel die Basis des marxschen Konzepts der Produktivkräfte, d.h. der menschlichen Fähigkeit die Natur umzuwandeln. Die Geschwindigkeit, Effizienz, Form und der Zweck der metabolischen Umwandlung, sowie ihre ultimative Nachhaltigkeit, sind abhängig vom komplexen Zusammenspiel der Kräfte und sozialen Beziehungen der Produktion, die zusammen eine historisch individuelle Produktionsweise bilden.
Die Geschichte des Fortschritts der menschlichen Zivilisation, argumentierte Marx im Jahr 1859, kann anhand der Entwicklung der Produktivkräfte in aufeinander folgenden Produktionsweisen verfolgt werden.„Der Ur kommunismus“, die anfängliche Produktionsweise der Menschheit, war in seiner Struktur und seiner Verteilung des sozialen Reichtums im wesentlichen egalitär. Aber es war eine „Gleichheit der Armut“, denn die „primitiven“ Produktivkräfte warfen kaum mehr ab, als für das einfache Überleben nötig war, und die Menschen waren daher weiter Gefangene der Launen der Natur.
Auch wenn die Gründe der Umgestaltung in eine Klassengesellschaft unbekannt sind, ist klar, dass die materiellen Gründe der Spaltung in Klassen – mit der dazugehörigen Geschlechterungleichheit und anderen Formen der Knechtschaft – die Entstehung von Produktivkräften bis zu dem Punkt waren, an dem es für eine kleine privilegierte Schicht der Bevölkerung möglich war zu existieren, ohne direkt an der Produktion mitzuwirken.
Fortan war der Wille, die Arbeitsproduktivität zu steigern – oder die Effektivität des Metabolismus der menschlichen Natur zu steigern – durch ungleiche soziale Beziehungen vermittelt. Neben der Notwendigkeit, die Kräfte der Natur zu „beherrschen“, um die Gemeinschaft vor Raubtieren und anderen Gefahren zu beschützen, entstand insofern ein sozialer Imperativ, als dass die Herrschenden versuchten, ihren Reichtum auf Kosten der arbeitenden Mehrheit, der „unmittelbaren Produzenten“, zu vergrößern. Obwohl dieser soziale Imperativ deformierend (und häufig kontraproduktiv) war, führte die sich historisch verändernde klassenbasierte Logik der Überschuss-Ausbeutung trotzdem zur progressiven, wenn auch nichtlinearen Vergrößerung der menschlichen Leistungsfähigkeit durch das, was Marx als „asiatische, antike, feudale und moderne bürgerliche Produktionsweise“ beschrieben hat.
Der Kapitalismus, mehr als jede andere vorherige Art der Produktion in Klassengesellschaften, hat die Entwicklung der materiellen Kräfte der Produktion enorm beschleunigt, aber nicht, um die Größe des Gebrauchswerts zu erhöhen, sondern um den Profit zu maximieren – unter kompletter Nichtbeachtung von „Reichtum“, einschließlich der natürlichen Umwelt. Foster, Marx folgend, argumentierte, dass die Logik des Kapitalismus (welche grundlegend anarchisch ist und von „blinden“ ökonomischen Kräften geführt wird, die „hinter dem Rücken“ der Menschen operieren) losgelöst von der materiellen menschlichen Welt ist, auf der sie eigentlich beruht – was zu metabolischen und ökologischen „Rissen“ führt, bedingt durch den gleichen sozialen Prozess, den Marx als die Selbstentfremdung der Arbeit beschreibt.
Der Kapitalismus hat Entfremdung, Ausbeutung und Ungleichheit zu nie dagewesenen Höhen gebracht, während er der Menschheit zum ersten mal die Möglichkeit bietet, diese Geißeln zu zerstören, durch eine grundlegende Reorganisation der sozialen Beziehungen der Produktion. In Marx’ Worten hat der Kapitalismus „zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung“ der sozialen Gegensätze geschaffen. Während er die ökologischen Risse in einem extrem gefährlichen Maße geweitet hat, und so die Grundlagen der menschlichen Existenz gefährdet, hat der Kapitalismus auch „die materiellen Grundlagen“ geschaffen, diese Risse zu reparieren, wenn die bürgerliche Produktionsweise beseitigt werden kann, bevor sie die ökologischen Voraussetzungen des menschlichen Leben auf der Erde zerstört.
Ökologie, „Wachstum“ & der Übergang zum Kommunismus
Der Marxismus bietet ein Handbuch für die historische Umgestaltung der Gesellschaft, durch den Kampf für Veränderungen, die sowohl den Übergang zum Kommunismus einleiten als auch seine frühen Phasen vorhersehen. In der Kritik des Gothaer Programms skizzierte Marx brilliant die Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und der niederen Phase des Kommunismus, die Lenin und andere als „Sozialismus“ charakterisierten, in der die Gesellschaft „ökonomisch, sittlich, geistig, … behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt.“ Nichtsdestotrotz, der kollektive Besitz der Produktionsmittel wird eine fundamentale Veränderung der ökonomischen Grundlagen der Gesellschaft darstellen, und damit die Möglichkeiten der Menschheit, die Natur zu kontrollieren enorm erhöhen.
Der Kapitalismus ist enorm verschwenderisch, ganz besonders in der Epoche seines Niedergangs, mit einem steigenden Anteil menschlicher Aktivitäten konzentriert auf finanzielle Spekulation, Marketing, Millitärausgaben und andere irrationale Ausgaben, die der „freie Markt“ verlangt. Die Reorganisation ökonomischer Tätigkeiten auf der Basis eines rationalen Plans würde die Effektivität sofort erhöhen, Abfall reduzieren und das Leben dramatisch verbessern, und die Energie und Fähigkeit von Millionen von Menschen anzapfen, die der Kapitalismus in hoffnungslose Armut und Entbehrungen überantwortete.
Marx sagte voraus, dass das kontinuierliche Wachstum der sozialistischen Produktivkräfte den vollendeten Kommunismus als Resultat haben würde – d.h. eine klassenlose, staatenlose Ordnung – in der die Gesellschaft „auf ihre Fahne schreiben[wird]: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“. Aber, wie Marx in der Kritik des Gothaer Programms erklärt, wird dies nur geschehen „nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen“. [ebenda] Das weitere Anwachsen der Produktivkräfte ist vonnöten, um die materielle Basis für den Übergang zum Kommunismus zu schaffen. In der Deutschen Ideologie erklärten Marx und Engels, dass um die Entfremdung der Klassengesellschaft zu überwinden, „die Entwicklung der Produktivkräfte … auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung [ist], weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müsste“.
Viele selbsternannte Marxisten (einschließlich Foster) fordern eine „geradschrittige Wirtschaft“ und einige wiederholen sogar kleinbürgerlich-ökologische Forderungen nach „Wachstumsrücknahme“. Diese Perspektiven beruhen auf der Annahme, dass die ökologische Zerstörung ein Produkt des Wachstums per se sei, anstatt Konsequenz des Strebens nach Profitmaximierung und des anarchischen Charakters der Produktion im Kapitalismus. Wie Foster passen viele sozialistische Gruppen ihren Umgang mit der nachhaltigen Entwicklung den Anti-Technik und Anti-Wachstums-Vorurteilen der grünen Aktivisten an, die sie rekrutieren wollen.
Der Kapitalismus hat natürlich die Produktivkräfte ohne Rücksicht auf das Wohlergehen unserer Spezies und ihrer Fähigkeit, mit der natürlichen Umwelt zu ko-existieren entwickelt. Aber auch einige der gefährlicheren Technologien und Praktiken (wie Kernspaltung) könnten vielleicht geeignet sein, um zu einer humanen nachhaltigen Entwicklung in einer rational geplanten Wirtschaft beizutragen, in der der „Assoziierte-Produzenten“-Faktor bei den Umweltauswirkungen bestimmter Technologien Wirkung auf die Entscheidungsfindung hat.
Die Befürworter des Anti-Wachstums lehnen generell das Wachstum der Produktionskapazität im wesentlichen aus moralischen Gründen ab. Einige Umweltschützer befürworten sogar einen Rückgang zu primitiveren ökonomischen Modellen und schlagen vor, dass die Bevölkerung der fortschrittlichen kapitalistischen Länder ihren Lebensstandard senken, während die Menschen in der sich „entwickelnden“ Welt ihre Erwartungen zügeln sollen. Solche Auffassungen sind zugleich reaktionär und utopisch und haben nichts mit Marxismus gemein, der besagt, dass es nur durch die weitere Entwicklung der Produktivkräfte möglich sein wird, die Klassengegensätze und die unregulierte, destruktive Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur zu beseitigen.
In Ökonomisch-Philosophische Manuskripte von 1844 beschreibt Marx den Kommunismus als „die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflosung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.“
Proletarische Zentralität & Revolutionäre Organisation
Die historische Kraft der kommunistischen Transformation ist das Proletariat – „eine Klasse mit radikalen Ketten“. Um sich von den eigenen Ketten zu befreien, bemerkte Marx, hat die Arbeiterklasse keine andere Wahl als den Privatbesitz zu kollektivieren und die sozialen Beziehungen der Produktion auf eine egalitäre und demokratische Weise neu zu ordnen. Sofern es eine Übereinstimmung zwischen Kommunismus und ökologisch nachhaltiger Entwicklung gibt, muss ein politisches Projekt, das in der Lage ist, ökologische Krisen effektiv anzusprechen, die Machtübernahme durch das Proletariat als Ziel haben und die Einführung dessen, was Marx die „revolutionäre Diktatur des Proletariats“ genannt hat.
Doch viele der heutigen Bewunderer von Marx, und praktisch alle grünen Aktivisten, sehen diese Perspektive als hoffnungslos naiv an, wenn nicht überholt oder sogar gefährlich. Während einige pro-Arbeiterklassen-Umweltschützer manchmal verschleierte Aufrufe an die Arbeiter abgeben, das Thema des nachhaltigen Wachstums aufzugreifen, sind andere gleichgültig oder sogar feindlich gegenüber arbeitenden Menschen, die sie als kurzsichtige, auffällige Verbraucher verachten, die an der Aufrechterhaltung der umweltschädlichen Fabriken, Bergwerken, Raffinerien usw. interessiert sind, in denen sie arbeiten. Was notwendig ist, ist eine Herangehensweise, die Strategien zur Beseitigung von Umweltkrisen und das Anwachsen der sozialen Ungleichheit auf der einen Seite, mit einer Perspektive der sozialistischen Reorganisation der Gesellschaft auf der anderen, zu verbinden.
Dafür braucht es eine Organisation – eine revolutionäre Partei, die fähig ist, die Arbeiterklasse und andere Unterdrückte im Kampf für die Staatsmacht anzuführen. Der Aufbau einer solchen Partei muss sich auf die Gewinnung von Massenunterstüzung für ein revolutionäres Programm konzentrieren, d.h. einer Sammlung von Forderungen, die eine Basis bildet für den praktischen Kampf, um die spontanen Bewegungen der Arbeiter und Unterdrückten in die Richtung des Umsturzes der Diktatur der Bourgeoisie und des Aufbaues eines neuen Typs von Staat zu lenken, der auf demokratischen Institutionen der Arbeiterklasse basiert.
Man muss zugeben, dass selbst die besten Vertreter der marxistischen Tradition, mit wenigen Ausnahmen, den Umweltproblemen relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. In den letzten Jahren ist das Ausmaß der ökologischen Katastrophe offensichtlich geworden, mit einer eindeutigen Übereinstimmung unter den Wissenschaftlern über die Folgen eines menschengemachten Klimawandels. Aber einige selbsternannte Marxisten spielen die Gefahren weiter herunter, aus einem fehlgeleiteten Bedürfnis heraus, sich nicht einem kleinbürgerlichen Umweltschutz anzupassen.
Im Gegensatz zu Mainstream-Klimaaktivisten lehnen Marxisten die Idee ab, dass der Kapitalismus schrittweise in ein umweltfreundliches System verändert werden kann. Das bedeutet nicht, dass Revolutionäre indifferent gegenüber besonderen Fällen von Umweltzerstörung sein sollten – es ist notwendig, aktiv an Kämpfen gegen die Zerstörung der Umwelt teilzunehmen. Aber die Hauptaufgabe von Marxisten ist es, zu versuchen, das Verständnis publikzumachen, dass eine solche Zerstörung eine Erscheinungsform der profunden Irrationalität der kapitalistischen Art der Produktion ist.
Die Notwendigkeit einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft durch eine Revolution der Arbeiterklasse war nie dringender. Der Marxismus bietet die einzige realistische Chance, die unsere Spezies hat um zu überleben, denn letztendlich sind die Probleme der menschlichen Freiheit und der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung unlöslich miteinander verbunden: beide erfordern die Enteignung der Enteigner und die Schaffung einer rational geplanten sozialistischen Ökonomie im Weltmaßstab.