Die DDR — „Sozialismus“ in einem halben Land
Auch 20 Jahre nach der Konterrevolution in der DDR ist der Hass der deutschen Bourgeoisie auf den deformierten Arbeiterstaat DDR ungebrochen. Besonders zu beunruhigen scheint die herrschende Klasse hierbei, dass sich große Teile der Arbeiterklasse Ostdeutschlands immer noch oder wieder — gerade aufgrund der dramatischen sozialen Auswirkungen der Konterrevolution und Weltwirtschaftskrise — mit einem Staat identifizieren, den sie als sozialistisch ansehen. So ergab eine Emnid-Umfrage, dass 49% der Ostdeutschen der DDR heute mehr gute als schlechte Seiten abgewinnen können. Grund genug für die bürgerlichen Medien pünktlich zum Jubiläum der Konterrevolution eine Welle von antikommunistischen Tiraden loszulassen. Es ist deshalb wichtig, sich die Geschichte der DDR noch einmal vor Augen zu führen.
Nach der Niederschlagung des mörderischen Naziregimes wurde das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die imperialistischen Alliierten — Frankreich, Großbritannien und die USA — hatten keinerlei Interesse an der Enteignung der deutschen Bourgeoisie. Obwohl sie den Faschisten an die Macht verholfen hatte, wurde sie nun als Bollwerk gegen die Sowjetunion gebraucht.
Der degenerierte Arbeiterstaat UdSSR, der vierte Alliierte der Anti-Hitler-Koalition, schwankte zunächst in seiner Politik bezüglich Deutschlands. Einerseits hatte sich die Sowjetunion während des Krieges das Ziel gesetzt, den deutschen Militarismus durch die Enteignung der deutschen Bourgeoisie zu entmachten, andererseits machte sich Stalin Illusionen, es könne zu einem Ausgleich mit den imperialistischen Mächten kommen. Neben der stalinistischen Illusion in einen friedfertigen Imperialismus schloss das auch die Hoffnung auf die Gründung eines neutralen kapitalistischen Deutschlands ein. Das hätte sehr viel höhere Reparationen, vor allem aus dem Ruhrgebiet, zur Folge gehabt, die in die UdSSR geflossen wären und zur Behebung der Schäden des Krieges hätten verwendet werden können. So schrieb die KPD in ihrem „Aufruf des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei an das deutsche Volk zum Aufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschlands vom 11. Juni 1945“, dass das momentane Interesse der Arbeiterklasse in der „Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch- demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk“ bestehen müsse und forderte: „Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums“.
Gleichzeitig ergriff die Sowjetische Militäradministration in Deutschland in ihrem Einflussgebiet Maßnahmen, die die Errichtung eines deformierten Arbeiterstaates vorbereiteten. Nach den Schrecken des Faschismus war eine pro-sozialistische Stimmung in der Arbeiterklasse weit verbreitet. Bereits im Frühjahr 1945 wurden die Besitzverhältnisse auf dem Land geändert. Großbauern mit mehr als 100 h Land und Kriegsverbrecher wurden enteignet und das Land an 200.000 Neubauern verteilt. Diese Maßnahme wurde damals selbst von bürgerlichen Parteien wie z. B. der CDU — die zu diesem Zeitpunkt in der sowjetisch besetzten Zone noch keine Blockpartei war — unterstützt, da eine pro-sozialistische Stimmung in der Bevölkerung vorherrschte. 1945 wurden auch Banken und Sparkassen verstaatlicht.
Auch in Volksabstimmungen in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen forderte die Arbeiterklasse Mitte 1945 die Verstaatlichung der Industrie.
Nach und nach wurde der Führung in Moskau klar, dass ein Ausgleich mit den imperialistischen Mächten im beginnenden Kalten Krieg nicht möglich war. Bis Frühjahr 1948 wurden dann auch die Schwer- und Schlüssel-Industrien verstaatlicht.
Der Weg zur Gründung der DDR
1946 kam es zur Gründung der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“. Sie entstand aus der von der sowjetischen Zonenverwaltung erzwungenen Vereinigung von SPD und KPD auf ihrem Gebiet. Auf diesem Wege versuchte die sowjetische Administration, die politische Hegemonie der KPD zu sichern. Gleichzeitig verkaufte man die Zwangsvereinigung als politische Schlussfolgerung aus der Niederlage der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, da die Einheitsfront der beiden Arbeiterparteien SPD und KPD ausgeblieben war. Die KPD-Führung sorgte dafür, dass sie die Führungsfunktionen in der neuen Partei inne hatte und die SED die größte Partei in der sowjetisch verwalteten Zone wurde. Doch noch bei ihrer Gründung setzte die SED auf „einen deutschen Weg zum Sozialismus“ um sich die Option eines geeinten Deutschlands offen zu halten. Erst nach der gescheiterten Londoner Außenministerkonferenz im Jahr 1947 wurde ihr klar, dass die imperialistischen Alliierten einem kapitalistischen Deutschland ohne westliche Besatzungsmächte nicht zustimmen würden.
Danach begann die SED sich zunehmend in Richtung „sowjetisches Modell“ — der sogenannten Volksdemokratie — zu bewegen. So wurde die Führung der CDU abgesetzt und durch eine neue ersetzt, die den Führungsanspruch der SED respektierte. Auch sicherte sie sich führende Positionen in Massenorganisationen wie dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und der Freien Deutschen Jugend (FDJ).
Im September 1947 wurde das überstaatliche Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiterparteien (Kominform) gegründet, das eine einheitliche Linie der Kommunistischen Parteien im Kalten Krieg sicherstellen sollte. Die SED bekam zwar erst 1949 einen Beobachterstatus bei der Kominform, musste aber die Beschlüsse direkt umsetzen. So wurde die Partei in eine Partei des „neuen Typus“ umgewandelt. Das heißt, sie übernahm die stalinistische Perversion des Prinzips des demokratischen Zentralismus von der KPdSU. Das bedeutete die strikte hierarchische Gliederung und die Ausschaltung jeglicher Demokratie in der Partei. Kommunistische Oppositionelle, wie der Trotzkist Oskar Hippe, wurden für Jahre von den Stalinisten inhaftiert. Im Oktober 1949 wurde die DDR gegründet und Wilhelm Pieck (SED) zu ihrem Präsidenten gewählt.
Die Degeneration der Sowjetunion
Bei der DDR handelte es sich um einen deformierten Arbeiterstaat. Das bedeutet, dass die Bourgeoisie enteignet war und kollektivierte Besitzverhältnisse geschaffen worden waren. Doch lag die politische und wirtschaftliche Macht in den Händen einer bürokratischen Kaste und nicht in den Händen der Arbeiterklasse. Die Entstehung deformierter Arbeiterstaaten geht auf die Degeneration des Arbeiterstaates UdSSR zurück, der durch die proletarische Oktoberrevolution 1917 geschaffen wurde.
Die Bolschewiki, die die russische Revolution geführt hatten, waren von einer Welle weltweiter proletarischer Revolutionen ausgegangen. Doch die revolutionäre Welle blieb aus und das ökonomisch rückständige Russland blieb politisch und ökonomisch isoliert. Die UdSSR wurde weiter geschwächt durch einen blutigen Bürgerkrieg (1918-1922). Konterrevolutionäre Kräfte, die sogenannten Weißgardisten mit direkter Unterstützung der Imperialisten, wollten die UdSSR in eine reaktionäre Militärdiktatur verwandeln und die Rote Armee zerschlagen. Dies alles führte zur Herausbildung einer bürokratischen Kaste innerhalb der bolschewistischen Partei, die die Arbeiterklasse politisch entmachtete.
Die Ursache der Entstehung einer Bürokratie führte Trotzki auf folgende Umstände zurück:
„Scheiterte der anfänglich unternommene Versuch, einen vom Bürokratismus gereinigten Staat zu schaffen, vor allem an der Unerfahrenheit der Massen in der Selbstverwaltung und am Mangel von dem Sozialismus ergebenen, qualifizierten Arbeitern, so tauchten schon sehr bald hinter diesen unmittelbaren Schwierigkeiten andere, tieferliegende auf. Die Reduktion des Staats auf die Funktionen eines ‚Revisors und Kontrolleurs‘ bei ständiger Verminderung seiner Zwangsfunktion, wie es das Programm fordert, setzt doch ein gewisses Maß von allgemeinem materiellen Wohlstand voraus. Gerade diese notwendige Voraussetzung aber fehlte. Die Hilfe aus dem Westen blieb aus. Die Macht der demokratischen Sowjets erwies sich als hinderlich, ja, als unerträglich, als es darum ging, die für Verteidigung, Industrie, Technik und Wissenschaft unentbehrlichen privilegierten Gruppen zu versorgen. Auf Grund dieser keineswegs ‚sozialistischen‘ Operation: ‚zehnen wegnehmen, um einem zu geben‘ kam es zur Absonderung und Vermehrung einer mächtigen Kaste von Spezialisten an der Futterkrippe.“
— „Verratene Revolution“, Leo Trotzki, 1936
Nach dem Tod Lenins versuchte diese bürokratische Kaste unter Führung Stalins, ihre politische Macht zu konsolidieren. Dagegen kämpfte die Linke Opposition in der KPdSU unter Führung Leo Trotzkis. Stalin stellte die Losung des Aufbaus des Sozialismus in einem Land auf und setzte sich gegen die internationalistische Position der Linken Opposition mit Gewalt durch.
Diese Degeneration der UdSSR verwandelte die Dritte Internationale von einer revolutionären Internationale in ein bloßes Instrument der Außenpolitik der UdSSR. Die stalinistische Bürokratie fürchtete nichts mehr als weitere Revolutionen, die eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse bedeutet und ihre Macht in Frage gestellt hätten.
Den Zweiten Weltkrieg gewann die UdSSR nicht wegen — es sei an den Hitler-Stalin-Pakt und die Volksfront mit den „progressiven“ Imperialisten erinnert — sondern trotz der Politik des Kreml. Er kostete mehr als 20 Millionen sowjetischen Menschen das Leben. Für den Kreml bot sich ab 1943 — aufgrund der militärischen Erfolge gegen die Wehrmacht — die Möglichkeit der Erweiterung des Machtbereiches, ohne eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse befürchten zu müssen. So kam es nach Ende des Krieges zur Gründung von deformierten Arbeiterstaaten in Osteuropa in den meisten Gebieten, die von der Roten Armee besetzt waren.
Die Unzufriedenheit wächst…
Die Führung der DDR begann mit dem Aufbau staatlicher Organe und führte 1950 die ersten Wahlen durch, bei denen nur die Kandidaten der Nationalen Front, dem Zusammenschluss des gesamten Parteienspektrums, gewählt werden konnten. Zum Generalsekretär der SED war inzwischen Walter Ulbricht gewählt worden, der in den nächsten Jahren der „starke Mann“ bleiben sollte. 1951/52 kam es zur ersten Säuberung der Partei, bei der 150.000 Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen wurden und Prozesse gegen ehemals führende Mitglieder, wie z. B. Paul Mercker, durchgeführt wurden.
Die DDR-Führung übernahm auch das Plan- und Verwaltungssystem der UdSSR (Prämiensysten, Plandurchführung, Arbeitsnormen) und entmachtete die traditionellen Betriebsräte durch linientreue Betriebsgewerkschaftsleitungen. In den jährlichen Tarifabkommen wurden die Arbeitsbedingungen de facto durch die SED festgelegt.
1952 wurden die letzten Betriebe, die seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unter direkter Verwaltung der UdSSR gestanden hatten, an die DDR übergeben. Damit betrug der Anteil der sogenannten volkseigenen Betriebe über 80% an der Produktion.
Bis 1952/53 gelang es, das Wirtschaftssystem wieder aufzubauen. Die Stahlproduktion erreichte die doppelte Produktionsmenge von 1936 und die chemische Industrie konnte ähnlich gute Ergebnisse vorweisen. Gleichzeitig blieb die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs weiter problematisch und wurde in vielen Fällen (Fleisch, Fett, Zucker) rationiert. Da die Stalinisten der Entwicklung der Schwerindustrie immer wieder den Vorzug gaben, und die Entwicklung von Produktionskapazitäten auf dem Gebiet der Konsumgüterproduktion hinten anstellten, blieben Versorgungsengpässe mit Konsumgütern während der gesamten Existenz der DDR auf der Tagesordnung. Für Einkäufe auf dem westlichen Markt fehlten die Devisen.
Auf dem zweiten Kongress der SED im Juli 1952 wurde der „Aufbau des Sozialismus“ propagiert, was jedoch aufgrund der relativ geringen Entwicklung der Produktivkräfte eine vollkommen unwissenschaftliche und daher illusorische Perspektive war. Beschlossen wurde die Beschleunigung der schwerindustriellen Entwicklungen, die Kollektivierung der Landwirtschaft und der Aufbau von Streitkräften. Schon bald traten starke Mängel in der Versorgung mit Lebensmitteln und Textilien auf. Die Regierung musste dies zugeben und tolerierte die noch existenten privaten Unternehmen.
Gleichzeitig verschlechterte die Regierung die Lage der Arbeiterklasse. Die Lebensmittelkarten von zwei Millionen Arbeitern wurden gestrichen, was deren Grundversorgung in Gefahr brachte. Die Preise für Produkte der elementarsten Versorgung wurden erhöht. Die Leistungen der Sozialversicherungen wurden gesenkt. Die Ermäßigung von Eisenbahnfahrten zum Arbeitsplatz wurden zurückgenommen.
Das Kleinbürgertum der DDR antwortete auf die Versorgungskrise, indem es die DDR verließ, was die Krise noch weiter zuspitzte. Die Stalinisten sahen sich gezwungen, ihren Kurs zu korrigieren. Am 9. Juni 1953 wurden die Korrekturen bekannt gegeben, die vor allem aus Zugeständnissen an bürgerliche Kräfte — ein besseres Kreditsystem für Händler und Eigentümer und Zugeständnisse an die bürgerlichen Parteien (CDU/LDP) und die Kirchen — bestanden. Die Arbeitsnormen wurden hingegen um weitere 19% erhöht.
Der Aufstand des 17. Juni 1953
Die Empörung über die Erhöhung der Arbeitsnormen und die politische und wirtschaftliche Entmündigung durch die stalinistischen Bürokraten führte zum Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. In mehr als 500 Orten kam es zu Streiks und Demonstrationen, vor allem in Städten die traditionell als rot galten: Berlin, Magdeburg, Halle, Merseburg, Leuna, Leipzig.
Viele der Streikenden standen in der kämpferischen Tradition der Arbeiterklasse und waren vor der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED Mitglied der KPD gewesen. Die Arbeiter wählten Streikleitungen, setzten Streikkomitees ein und stimmten über ihre Forderungen ab. So lauteten die Forderungen der streikenden Arbeiter der Leuna -Werke: „Weg mit den Normen“, „Senkt die HO-Preise“. Auch wurden politische Losungen aufgestellt. „Wir wollen keine Sklaven sein“ und „Räumt euren Mist in Bonn aus, in Pankow säubern wir das Haus“.
Der Generalstreik wurde für Großberlin ausgerufen, doch die Solidarität der westdeutschen Arbeiterklasse blieb aus. Der Aufstand der Arbeiter hatte schnell zu einer vorrevolutionären Situation geführt. Ansätze für den Aufbau von Räten wurden in diesen Tagen geschaffen. Die Arbeiter stellten sich der stalinistischen Bürokratie entgegen, und sie stellten sich gegen Fraktionsverbot, Verbot anderer Arbeiterparteien neben der SED und dem Verbot von unabhängigen Gewerkschaften. Durch den Einsatz sowjetischer Panzer wurde der Aufstand jedoch niedergeschlagen. Die Arbeiter fühlten sich von der SED verraten, die vorgab, ihre Interessen zu vertreten. Sie hatten jedoch keine proletarische Alternative. Der spontane Kampf der Massen ist ohne die Führung einer revolutionären Partei unfähig, zu einer revolutionären Entscheidung zu kommen. Nur eine trotzkistische Partei hätte das revolutionäre Potential der deutschen Arbeiterklasse in West und Ost bündeln und die Perspektive einer sozialistischen Revolution in der Bundesrepublik — und einer antibürokratischen, politischen Revolution im Osten — aufzeigen können. Diese Avantgarde-Partei wäre für eine revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands auf Basis der Räte-Herrschaft und Internationalisierung eingetreten.
Heute verklärt die deutsche Bourgeoisie den Aufstand vom 17. Juni 1953 gerne als „nationale Erhebung“. Dabei verschweigen die bürgerlichen Geschichtsverdreher gern den pro-sozialistischen Charakter. Die DDR-Bürokratie dagegen präsentierte den 17. Juni als Provokation von Westagenten. Er bedeutete für sie den bis dato größten Angriff auf ihre bonapartistische Rolle.
Die SED-Bürokraten reagierten einerseits mit Terror und Verhaftungen auf den Aufstand, mussten aber aus Furcht vor dem revolutionären Proletariat auch einzelne Zugeständnisse machen. So wurde die Entwicklung der Schwerindustrie gedrosselt und die Preise in den HO-Läden zwischen 10 und 25% gesenkt.
Auch wenn sich die Lebensbedingungen leicht verbesserten, flohen zwischen 1953 und 1955 765.000 Menschen aus der DDR. Die Zahl der Flüchtlinge nahm erst ab dem Jahr 1958 ab, als sich die wirtschaftliche Lage konsolidiert hatte. Die Rationierung von Fleisch, Fett und Zucker wurde aufgehoben, die Löhne leicht angehoben und Brot- und Kartoffelpreise auf niedrigem Niveau garantiert.
Der Bau der Mauer
Inzwischen hatte sich das politische Gefüge der DDR gefestigt und Blockparteien und Massenorganisationen wie FDJ und FDGB hatten ihre Funktion als Stützen der SED vollständig übernommen. Als sich die KPdSU auf ihrem 20. Parteitag 1956 von der Person Stalins distanzierte, machte die DDR-Führung diese Wende mit, wie fast alle Parteien des Warschauer Pakts. Mit der Abschaffung des Stalin-Kults wurde aber nicht etwa die bürokratische, stalinistische Kaste ersetzt.
Die hohe Zahl der DDR-Bürger, die das Land verließen, stellte für die DDR ein großes Problem dar. Man fürchtete, dass eine weitere Abwanderung zur Verknappung von Arbeitskräften führen könnte. Ab 1960 nahm die Zahl der Flüchtlinge wieder rasant zu. So flohen allein im April 1961 30.000 DDR-Bürger. Ab 1960 war die wirtschaftliche Entwicklung erneut ins Stocken geraten, und die Versorgungslage mit Gütern des täglichen Konsums wurde wieder schwieriger. Gleichzeitig verschärfte die DDR-Führung mit dem „Gesetzbuch der Arbeit“ im Jahr 1960 die Arbeitsbedingungen. Die Betriebsleiter erhielten eine enorme Machtfülle und das Streikrecht, das in der ersten DDR-Verfassung noch auf dem Papier garantiert war, wurde nun nicht mehr erwähnt.
Nachdem der Präsident der USA John F. Kennedy im Juni 1961 noch einmal betonte, dass der ungehinderte Zugriff auf Berlin und die Anwesenheit westlicher Truppen in Berlin für die USA unverzichtbar seien, begann die UdSSR mit Vorbereitungen, Ost-Berlin abzuriegeln.
Im August 1961 wurde die Berliner Mauer errichtet. Sie war eine bürokratische Maßnahme der DDR-Regierung, um die Flucht von Arbeitskräften zu verhindern, die Einkaufsflut von subventionierten Gütern durch Kunden aus dem Westen einzudämmen und gleichzeitig ein Mittel der Verteidigung des Warschauer Pakts im Kalten Krieg, da die DDR ihre Grenze so besser gegen einen Angriff der westlichen Alliierten sichern konnte.
Mit dem Bau der Berliner Mauer ging eine Verschärfung der Abriegelung der Grenze der DDR einher. Wir haben die Abriegelung der Grenzen der DDR verteidigt, da sie ein Mittel der Verteidigung des Warschauer Pakts gegen die NATO im Kalten Krieg war. Zwar war die Abriegelung der Grenzen der DDR Ergebnis der stalinistischen Politik der „friedlichen Koexistenz“ und des „Sozialismus in einem Land“ — in diesem Fall sogar des Sozialismus in einem halben Land —, dennoch kann sie nur auf dem Hintergrund des Kalten Krieges verstanden werden. Und in diesem standen wir klar auf der Seite des degenerierten und der deformierten Arbeiterstaaten des Warschauer Pakts.
Wandel durch Annäherung?
1963 verkündete die DDR-Führung ein „Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung“ zur Reform der Planwirtschaft. Durch diese Politik wurden die volkseigenen Betriebe besser miteinander koordiniert und die Eigenverantwortung der Betriebsleitungen gestärkt. Tatsächlich brachte diese Politik eine Erholung der Wirtschaft und eine Verbesserung des Lebensstandards. So besaßen 1966 von 100 Haushalten in der DDR nun 9 ein Auto, 54 ein Fernsehgerät und 31 einen Kühlschrank.
Inzwischen war die DDR zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht im „Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe“ (RGW) geworden und nahm in der Weltproduktion einen beachtlichen Platz ein. Die Planwirtschaft war — trotz ihrer bürokratischen Deformation — eine Errungenschaft. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die DDR während ihrer gesamten Existenz von einem wirtschaftlichen Engpass in den nächsten fiel.
Ein zentrales Problem der stalinistischen Planung war die weitgehende Ignorierung der Bedürfnisse der Bevölkerung. Trotz anders lautender Propaganda über die angebliche direkte Kontrolle des Proletariats über die Betriebe konnte keine Eigeninitiative entwickelt werden, wodurch die Produktivität ernstlich beeinträchtigt wurde. Das zeigte einmal mehr, dass eine gesunde sozialistische Wirtschaft nicht unter der Herrschaft einer stalinistischen Bürokratie möglich ist. Sie muss durch Arbeiterräte ersetzt werden, die dem revolutionären Internationalismus verpflichtet sind und die Wirtschaft unter Einbezug der Bedürfnisse aller Arbeiter planen.
1963 kam es zu ersten Annäherungen zwischen der DDR-Regierung und der Regierung der BRD: So führten Verhandlungen im Dezember 1963 zu einem Passierscheinabkommen, das die Einreise von BRD-Bürgern in die DDR erleichterte, und ab November 1964 durften Rentner aus der DDR ihre Verwandten in der BRD besuchen. Bis 1966 hielt die DDR an ihrer Forderung nach einem geeinten Deutschland fest. Dies änderte sich erst, als die BRD ihre Ostpolitik veränderte. Beginnend mit der Regierung Kiesinger (1966- 1969) setzte sich in der BRD, vor allem durch die Regierungsbeteiligung der SPD, die Politik des „Wandels durch Annäherung“ durch.
Diese sozialdemokratische Variante imperialistischer Politik setzte auf eine vordergründige Entspannung des Kalten Krieges und eine — vor allem ökonomische — Einbindung der DDR, um deren Öffnung zum Westen zu erreichen und die geplante Wirtschaft in westliche Abhängigkeit zu bringen. Hierbei setzte die BRD, vor allem seit den 80er Jahren, auf die Gewährung von Millionen-Krediten für die DDR. Die Bürokraten der DDR-Führung hatten dieser imperialistischen Taktik nichts entgegen zu setzen, da sie zu ihrer Illusion von einer friedlichen Koexistenz mit dem Imperialismus passte, wie sie seit dem 20. Parteitag der KPdSU propagiert wurde. Die einzige Konsequenz, die die DDR-Führung aus der neuen Politik Bonns zog, war es, den Anspruch auf ein geeintes sozialistisches Deutschland aufzugeben — in der neuen Verfassung von 1968 fehlte jeder Hinweis darauf — und den „Sozialismus“ in einem halben Land hoch leben zu lassen.
Mit dem Grundlagenvertrag 1972 wurden der Reiseverkehr, sowie Telefon- und Schriftverkehr zwischen der BRD und der DDR erleichtert. Aber vor allem ermöglichten der Warschauer Vertrag als auch der Moskauer Vertrag (beide 1970) und das Abkommen zwischen der UdSSR und den westlichen Alliierten über den Status Berlins den Handel der BRD mit der DDR.
Erich Honecker betritt die Bühne
Auf der 16. Tagung des Zentralkomitees der SED wurde Walter Ulbricht abdgesetzt und durch Erich Honecker ersetzt. Honecker — der von 1937 bis 1945 im faschistischen Zuchthaus gesessen hatte — stand für den Teil der Bürokratie, der einen Bruch mit Moskau fürchtete, während Ulbricht für eine stärkere Autonomie von Moskau eingetreten war. Dennoch erlaubte das wirtschaftliche Gewicht der DDR, ihre eigenen Interessen im Warschauer Pakt und gegenüber der UdSSR zu vertreten. Auf dem VII. Parteitag der SED im Juni 1971 wurde die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ beschlossen. Dieses Programm behandelte die Erhöhung von Renten und Löhnen und die Intensivierung des Wohnungsbaues. Damit stieg der Lebensstandard der Arbeiterklasse in der DDR zwischen 1970 und 1974 merklich an.
Durch die Beachtung der Interessen der Arbeiterklasse versuchte Honecker, die Akzeptanz für das bürokratische Regime zu verbreitern. Die Privilegien der stalinistischen Bürokratie blieben jedoch unangetastet. Durch Organisation der formalen „Partizipation“ versuchte die DDR-Bürokratie die Illusion der politischen Machtausübung der Arbeiterklasse zu stärken. 100.000 Bürger fungierten als Schöffen oder als Mitglieder von Schiedskommissionen.
Im selben Zeitraum wurde die Verstaatlichung der Industrie weiter ausgebaut, so dass 1972 99% der hergestellten Waren aus staatseigenen Betrieben stammten. Die gesellschaftliche Struktur der DDR veränderte sich immer mehr zu einer typischen Industriegesellschaft mit immer weniger Beschäftigten in der Landwirtschaft. Die Qualifizierung und Spezialisierung der Arbeitskräfte stieg. Die industrielle Produktion wuchs zwischen 1970 und 1974 um 30% an.
In den siebziger Jahren ging die DDR-Bürokratie mehrfach gegen linke Regime-Kritiker vor, wie z. B. Wolf Biermann, der noch Jahre nach seiner Ausbürgerung aus der DDR Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens war und heute allerdings ein reaktionärer Kritiker der DDR ist. Viele dieser linken Kritiker waren stark vom Eurokommunismus der siebziger Jahre beeinflusst, der vor allem von der italienischen und französischen Kommunistischen Partei propagiert wurde. Der Eurokommunismus trat für eine stärkere Autonomie der einzelnen kommunistischen Parteien und Regierungen ein.
Auch wenn wir inhaltliche Kritik an diesen Kritikern der DDR geübt haben, verteidigten wir sie gegen die Repressalien der Bürokraten.
„Glasnost“ und „Perestroika“
In den 80er Jahren stagnierte die DDR-Wirtschaft immer mehr. So gab es 1982 starke Probleme bei der Versorgung mit alltäglichen Gütern, da die DDR den Export gestärkt und die Importe gedrosselt hatte, um die immense Auslandsverschuldung der DDR zu reduzieren. Schon Anfang der achtziger Jahre stand das Land vor dem Ruin und konnte sich nur durch Milliardenkredite aus dem Westen über Wasser halten. Die Zerstörung der Umwelt nahm immer dramatischere Formen an. Kabarettist Wolfgang Stumph witzelte Ende der achtziger Jahre: „Mein Fotoapparat ist mir in die Elbe gefallen, als ich ihn wieder raus gefischt hatte, war der Film entwickelt!“
Die Zahl der Ausreiseanträge schwoll an und allein 1984 verließen 34.000 Menschen die DDR. Heftig ins Trudeln brachte die DDR-Führung auch seit 1985 der neue Kurs des damaligen Generalsekretärs des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und ihr späterer Präsident, Michael Gorbatschow. „Perestroika“ stand für eine starke wirtschaftliche Öffnung gegenüber dem Westen und freiem Unternehmertum, während „Glasnost“ der Versuch war, stärkere politische Freiheiten zu gewähren und gleichzeitig das Machtmonopol der KPdSU zu erhalten. Die Politik von „Perestroika“ und „Glasnost“ war die hilflose stalinistische Reaktion auf ihre eigene jahrzehntelange Misswirtschaft und politische Repression. Wir schrieben im Sommer 1989:
„Gorbatschows Reformen sind darauf ausgerichtet, die stalinistische bürokratische Herrschaft zu stützen und nicht darauf, sie abzuschaffen. Der einzige Ansporn zur Produktivität, der innerhalb dieser Parameter zur Verfügung steht, ist die Einführung von Elementen der kapitalistischen Marktdisziplin. Während dies nicht kapitalistische Restauration bedeutet, setzt es jedoch die mächtigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte frei, die sich für diese Richtung aussprechen und stellt damit letztlich eine ernsthafte Bedrohung für die verbliebenen Errungenschaften der Oktoberrevolution dar.“
— „Weltrevolution – Nicht ‚Markt-Sozialismus‘ — Perestroika: Die Büchse der Pandora“, 1917 Nr. 6, Sommer 1989
Viele DDR-Bürger hatten jedoch die Illusion, dass „Perestroika“ und „Glasnost“ politische Perspektiven für eine Reform der DDR bereithielten. Aber weder stellte „Glasnost“ die Perspektive einer proletarischen Rätedemokratie auf, noch verwarf „Perestroika“ die Position des Sozialismus in einem Land.
In der Außenpolitik kapitulierte die UdSSR mehr und mehr vor der NATO und rüstete ab. Während der außenpolitische Kurs der Sowjetunion von der SED mitgetragen wurde, lehnten Honecker und Co. „Glasnost“ und „Perestroika“ ab. Die SED war um Machtverlust besorgt und schob die wachsenden wirtschaftlichen Probleme unter den Teppich. Diese Meinungsverschiedenheiten verunsicherten die SED-Basis. Seit Jahrzehnten hatte die Devise „Von der UdSSR lernen heißt siegen lernen“ gegolten. Gleichzeitig erzürnte die Ablehnung des neuen sowjetischen Kurses breite Teile der DDR-Bevölkerung, die eine Liberalisierung der Verhältnisse erhoffte. Der Unmut wuchs. Daraus gründeten sich im Laufe der achtziger Jahre, vor allem rund um die evangelische Kirche, zahlreiche Friedens- und Ökologie-Gruppen.
Politische Revolution oder Konterrevolution?
1988 versuchten Demonstranten an der Lenin-Luxemburg-Liebknecht-Demonstration mit eigenen Transparenten — unter anderem dem Rosa-Luxemburg-Zitat: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!“ — teilzunehmen, wurden aber verhaftet.
Bei den Kommunalwahlen 1989 kam es zu Wahlfälschungen durch SED und Blockparteien. Es war nicht das erste Mal, aber diesmal waren die Wahlen von oppositionellen Gruppen beobachtet worden, so dass der Betrug nachgewiesen werden konnte.
Die Politik von „Perestroika“ und „Glasnost“ wurde von anderen Staaten des Warschauer Pakts durchaus angenommen. Ungarn öffnete ab dem 2. Mai seine Grenze zu Österreich auch für Bürger des restlichen Warschauer Pakts. Als Folge setzte eine Massenflucht aus der DDR ein, wie sie schon vor dem Bau der Berliner Mauer erfolgt war. Allein bis September 1989 verließen auf diesem Weg 25.000 Menschen die DDR.
Die SED hielt in völliger Verkennung der Realität an ihrem rigiden stalinistischen Kurs fest. So begrüßte sie die Niederschlagung des Aufstands auf dem Tian‘anmen-Platz in der Volksrepublik China, der das Potential zur politischen Revolution gegen die stalinistischen Herrscher hatte. Am 6. Juli 1989 erklärte Gorbatschow, dass er eine Intervention von sowjetischen Truppen gegen mögliche Unruhen in der DDR ablehne. Damit war die Existenzgarantie der DDR nicht länger vorhanden.
Langsam nahm die Opposition auch organisatorische Formen an. Am 24. Juli hatte sich eine Gruppe gebildet, die für die Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR eintrat. Am 19. September gründete sich das „Neue Forum“ und am 9. Oktober gingen in Leipzig 70.000 Menschen auf die Straße. Am 18. Oktober reagierte die SED-Führung damit, dass sie Erich Honecker aus seinen Ämtern entließ und Egon Krenz als Nachfolger in allen Ämtern designierte. Doch dies beeindruckte die 300.000 Menschen auf der Leipziger Montagsdemonstration wenig.
Am 4. November 1989 demonstrierte dann eine Million Menschen in Berlin für Presse-, Reise-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und vor allem freie Wahlen. Die SED geriet mehr und mehr unter Druck, zumal Egon Krenz zwar nach seinem Amtsantritt eine Wende ankündigte, das Machtmonopol der SED-Bürokratie jedoch nicht in Frage stellte. Der politische Druck wuchs so stark an, dass sich die SED gezwungen sah, die Grenzen der DDR zur BRD am 9. November zu öffnen.
Die Öffnung der Grenzen war so nachwirkend auf die Verhältnisse in der DDR, dass die SED ihr Machtmonopol formal aufgab. Am 1. Dezember wurde der Führungsanspruch aus der Verfassung der DDR gestrichen. Ab Dezember 1989 wurden Rufe nach einem vereinigten Deutschland auf den Demonstrationen der Bürgerrechtsbewegung laut, während vorher eine Reform der DDR Ziel der Bewegung gewesen war.
Am 6. Dezember trat das gesamte Politbüro der SED geschlossen zurück. Der letzte Parteitag der SED begann am 8.Dezember. Auf ihm benannte sich die Partei in SED-PDS um und wählte Gregor Gysi zum Parteivorsitzenden.
Die SED-PDS propagierte eine Abkehr vom Stalinismus und die neue Regierung unter Hans Modrow erklärte demokratische Reformen und die Einheit Deutschlands als ihr vorrangiges Ziel. Um mit den Oppositionsgruppen in Dialog zu kommen setzte sie „Runde Tische“ ein — Gremien aus Vertretern verschiedener Gruppen, die eine Art „Nebenregierung“ bildeten. Diese arbeiteten eine neue Verfassung für die DDR aus und lösten das Ministerium für Staatssicherheit und das Amt für nationale Sicherheit auf. Die Runden Tische waren ein gezielt eingesetztes Mittel, das mit Hilfe massiver finanzieller Unterstützung des westdeutschen Imperialismus letztlich den Ausverkauf der kollektivierten Wirtschaft in die Wege leitete.
Helmut Kohl hatte bereits als Bundeskanzler der BRD ein „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands“ vorgelegt. Die UdSSR hatte darauf am 15. November durch Gorbatschow erklärt, dass die Wiedervereinigung Deutschlands eine „innerdeutsche Angelegenheit“ sei. Damit war klar, dass die Sowjetunion sie akzeptieren würde.
Im März 1990 fanden die Wahlen zur Volkskammer statt. Sie brachten einen Sieg der konservativen Kräfte, die sich an der bundesdeutschen CDU orientiert hatten. Die neue Regierung wickelte die DDR wirtschaftlich ab. Die Treuhandanstalt (kurz „Treuhand“) war bereits gegründet und hatte die Aufgabe, die staatseigenen Betriebe nach den Grundsätzen der kapitalistischen Marktwirtschaft zu privatisieren. Am 3. Oktober 1990 hörte der deformierte Arbeiterstaat DDR auch formal auf, zu existieren.
Wie sah die Position von Trotzkisten zu den Ereignissen in der DDR 1989/90 aus? In der DDR herrschte eine vorrevolutionäre Situation, doch war nicht klar, ob diese sich zu einer sozialen Konterrevolution oder zu einer politischen Revolution gegen die DDR-Bürokratie entwickeln würde. Aufgabe von Revolutionären in dieser Situation war es, für die Bildung von Räten einzutreten.
„Eine auf Arbeiterräten basierende DDR-Regierung könnte den Arbeitern in Polen und Ungarn den Weg aus ihrer Misere weisen. Sie leiden bereits unter ‚Rationalisierung‘, Verringerung des Reallohnes und Arbeitslosigkeit durch Zugeständnisse an die westlichen Banken und Kapitalisten. Der Abbau der zentralen Planwirtschaft und Experimente mit dem ‚freien Markt‘ im Namen von Gorbatschows Perestroika haben zu Streiks in der UdSSR geführt und zu den Anfängen von Arbeiterräten in den Gewerkschaften. Kollektive, nichtkapitalistische Eigentumsformen können nur durch eine Planwirtschaft überleben und nur bei voller Arbeiterdemokratie in den Arbeiterräten zur Entfaltung kommen und überwacht werden. Planwirtschaft kann isoliert auf der Basis nationaler wirtschaftlicher Autarkie nicht lange überleben. Proletarische politische Revolutionen von Schwerin bis Wladiwostok, von Gdansk bis Sofia können eine wahrhaft internationale Grundlage für Planwirtschaft bilden. Die Arbeiter in der DDR haben heute die Möglichkeit, den Weg zur proletarischen politischen Revolution im degenerierten Arbeiterstaat Sowjetunion und den deformierten Arbeiterstaaten in Osteuropa zu weisen.“
— „Für Arbeiterräte — Jetzt!“, 1917 Extra, Januar 1990
Es ist nicht gelungen, die Arbeiterklasse der DDR zur Bildung von Räten zu bewegen. Es ist auch nicht gelungen, die Arbeiterklasse sowohl vor der Sozialdemokratie zu warnen als auch vor der stalinistischen Deformation.
„Für die Arbeiter in der DDR besteht jetzt eine kritische Gefahr. Keine der größeren Oppositionsgruppen hat das Programm, um die DDR davor zu bewahren, eine zweitklassige Plantage des westlichen Kapitalismus zu werden. Die Sozialdemokraten der SPD wollen ausdrücklich zurück zum Kapitalismus, während die SED/PDS Reformer ein konfuses Programm für einen nicht existierenden ‚dritten Weg‘ durch ‚soziale Marktwirtschaft‘ propagieren. Alle diese Wege führen früher oder später zur kapitalistischen Konterrevolution.“
— ebenda
Nachdem der anti-stalinistische und anti-bürokratische Ruf „Wir sind das Volk“ auf den Demonstrationen in der DDR zum konterrevolutionären „Wir sind ein Volk“ wurde, war es spätestens klar, dass die Gefahr der Konterrevolution direkt auf der Tagesordnung stand. Dies war aber auch der Tatsache geschuldet, dass es weder in der DDR noch in der BRD eine starke revolutionäre Partei gab, die für die Position einer revolutionären Vereinigung Deutschlands unter der Herrschaft der Räte eingetreten wäre. Eine solche revolutionäre Partei in einer wieder geschmiedeten Vierten Internationale gilt es, aufzubauen. Die Internationale Bolschewistische Tendenz sieht sich diesem Ziel verpflichtet, um in den noch existierenden deformierten Arbeiterstaaten China, Vietnam, Nordkorea und Kuba für politisch-proletarische Revolutionen gegen die herrschende stalinistische Kaste einzutreten, und die Arbeiterstaaten gegen konterrevolutionäre Angriffe militärisch zu verteidigen.